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Arbeit als Gnade

  • 13.07.2012, 18:18

Der Praktika-Wahnsinn greift weiter um sich: Mehrmonatige Praktika ohne (nennenswerte) Bezahlung scheinen zum Standard zu werden – auch in öffentlichen Einrichtungen. Doch auch „normale“ Nebenjobs haben oft einen Haken.

Der Praktika-Wahnsinn greift weiter um sich: Mehrmonatige Praktika ohne (nennenswerte) Bezahlung scheinen zum Standard zu werden – auch in öffentlichen Einrichtungen. Doch auch „normale“ Nebenjobs haben oft einen Haken.

Das Inserat ist so knapp wie die Bezahlung: EineN PraktikantIn „ab sofort für 6 Monate – 40 Wochenstunden“ sucht eine bekannte Wiener Werbeagentur. In Aussicht gestellt wird eine „Taschengeldpauschale“ (!) von € 306 im Monat. Schlecht oder gar nicht bezahlte Praktika stehen mittlerweile auf der Tagesordnung – und das nicht nur in der Medien- und Werbebranche. 

Für reiche Kinder. Oft lautet das Tauschgeschäft, welches beiden Seiten recht bewusst ist: Tausche unbezahlte Arbeit gegen Referenz im Lebenslauf. Schließlich macht sich ein Praktikum bei einem renommierten Unternehmen oder einer bekannten Institution gut bei späteren Bewerbungen. In der Hoffnung auf zukünftig gute Jobs beißen Studierende nur allzu oft in den sauren Apfel schlechter Bezahlung und mieser Arbeitsbedingungen. Gerade was die Karriereplanung betrifft, offenbart sich ein weiterer Pferdefuß von Praktika: Ein mehrmonatiges Praktikum im Ausland muss meistens selbst finanziert werden. So sucht das österreichische Außenministerium für seine Botschaften in aller Welt VolontärInnen. Für die Dauer von zwei bis sechs Monaten wird dort gleich gar nichts bezahlt, auch Anreise und Unterkunft müssen selbst getragen werden. Statt in der Behandlung von PraktikantInnen mit gutem Beispiel voranzugehen, stellt sich so selbst die österreichische Bundesregierung auf eine Ebene mit den schlimmsten AusbeuterInnen auf dem studentischen Arbeitsmarkt.
Die Gesamtkosten für ein solches Praktikum werden sich je nach Arbeitsstandort und Land auf mehrere tausend Euro belaufen. Für Studierende, deren Eltern das nötige Kleingeld für diese Form der Karriereplanung nicht haben, eine unerreichbare Größenordnung. Und so fügt sich zur allgemeinen Ungerechtigkeit noch jene hinzu, dass das Außenministerium eine „Renommee-Zeile“ im Lebenslauf anbietet, die sich nur Kinder reicher Eltern leisten können.

Schmutzige Tricks. Selbst dort, wo die Entlohnung auf den ersten Blick nicht ganz so furchtbar scheint, lauern Fallen: Ein Sprachinstitut sucht beispielsweise für sechs Monate eineN PraktikantIn mit Studienabschluss „im Bereich KundInnenbetreuung“. € 1000 sind versprochen – kein sonderlich angemessener Lohn für Uni-AbsolventInnen. Dazu kommt die Abrechnung über einen Werkvertrag. Urlaubsanspruch, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Krankenstand? Bei Werkverträgen fällt das alles flach. Auch die Sozialversicherung fällt unter die Eigenverantwortung. Die Umgehung von echten Angestelltenverträgen durch Werkverträge ist ein beliebter Trick der ArbeitgeberInnen, der immer mehr um sich greift. Für so mancheN wirkt eine Anstellung schon wie ein Lottogewinn.

Flexibel oder prekär? Dabei würde Flexibilität beim Job gerade Studierenden entgegenkommen: zum Beispiel an eigene Lehrveranstaltungen angepasste Arbeitszeiten. Fast immer läuft die vermeintliche „Flexibilität“ jedoch nur in eine Richtung: zugunsten der ArbeitgeberInnen. Schlechte Arbeitsbedingungen, beispielsweise kaum planbare Arbeitszeiten, und ganz allgemein das Vorenthalten von sozialen Rechten machen studentische JobberInnen oft zu prekär Beschäftigten.
Die Frage nach den Ursachen solcher Entwicklungen ist dabei gar nicht schwer zu beantworten: Die ArbeitgeberInnen nutzen die schwierige Lage vieler Studierender aus, die auf Nebenjobs und Praktika angewiesen sind. Aus vielen Kollektivverträgen, die einen Großteil der ArbeitnehmerInnenrechte in Österreich regeln, sind PraktikantInnen gänzlich ausgenommen. Ein Mindestlohn für Praktika steht nach wie vor nicht auf dem Programm der Regierung. Auch bei der Umschichtung in Dienstverhältnisse „zweiter Klasse“ ziehen Studierende oft den Kürzeren. 

Im Paragrafendschungel. Eine weitere Schwierigkeit sind die oft kaum durchschaubaren, unterschiedlichen Regelungen bei Beihilfen, Sozialversicherung und Steuer. Sich genug Geld dazuzuverdienen wird zum Spießrutenlauf zwischen unterschiedlichen Zuverdienstgrenzen bei Familien- und Studienbeihilfe oder Unterhaltsleistungen der Eltern. Ein einzelner Euro über einer Einkommensgrenze kann beispielsweise die Rückzahlung der Familienbeihilfe für ein ganzes Jahr – über € 2.000  – bedeuten. 

SuperpraktikantIn? Der Finanzminister und Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) sucht zur Zeit „den Superpraktikanten“. Wer eine Woche mit dem Minister verbringen möchte, muss sich online bewerben, „gewählt“ werden und „darf“ dann für fünf Tage Finanzministerluft schnuppern – danach bekommt die „auserwählte Person“ einen Urlaub geschenkt. Obwohl sich die Regierung in ihrem Programm vorgenommen hat, etwas für PraktikantInnen zu tun, schlägt das genau in die oben beschriebene Kerbe des Prekariats. Denn bei Prölls SuperpraktikantIn geht es nicht um die Verbesserung der Dienstverhältnisse und soziale Absicherung sowie Rechte für PraktikantInnen, sondern um PR für ihn selbst. Was die Studierenden aber brauchen, nicht nur auf der Uni, sondern auch in der Arbeitswelt, sind Superrechte. 

 

Kürzen bis der Wohlstand kommt

  • 13.07.2012, 18:18

Quer durch Europa gibt es an den Universitäten Widerstand gegen die Ökonomisierung der Bildung. Was aber ist eigentlich gemeint mit der viel zitierten „Ökonomisierung“? Und vor allem: Wie betrifft sie Studierende?

Quer durch Europa gibt es an den Universitäten Widerstand gegen die Ökonomisierung der Bildung. Was aber ist eigentlich gemeint mit der viel zitierten „Ökonomisierung“? Und vor allem: Wie betrifft sie Studierende?

Ökonomisierung klingt neutral – ist aber ein höchst politischer Vorgang. Es bedeutet mehr soziale Selektion und Elitenbildung, egal ob im Kindergarten, in den Schulen oder den Universitäten. 

Wie es dazu kam. In den Wirtschaftskrisen der 1970er Jahre begann der Motor zu stottern, der Europas Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg antrieb. Als Reaktion arbeiteten konservative PolitikerInnen daran, die Meinung zu sähen, der Wohlfahrtssaat sei unfinanzierbar und vernichte die Wettbewerbsfähigkeit Europas. 

Ihre Saat ging auf. Im Laufe der drei vergangenen Dekaden wurden die Sozialstaaten mehr und mehr zu Wettbewerbsstaaten umgerüstet. Bildung wurde als zentraler Standortfaktor entdeckt – vom Kindergarten bis zur Hochschule. Speziell die Universitäten, als wichtiger Wachstumsmotor, sollten „effizienter“ werden.  Da die Universitäten da aber nicht mitmachen wollten, wurde ihr auf Demokratie aufgebautes System zerstört. Nicht mehr akademische Mehrheiten gaben von nun an den Ton an, sondern betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Faktoren. Wer nicht mitmachte, dessen Budget wurde zusammengekürzt.
Bildung sollte nicht mehr als Grundrecht, sondern als Investition in das eigene „Humankapital“ wahrgenommen werden. Diese Meinung wurde von neoliberalen Lobbys und Konzernen jahrelang modelliert, die bis heute viel Geld und Kraft in die Reform der europäischen Bildungssysteme stecken. Der Zweck dahinter: Die Unis sollten unter Budgetdruck und dem Anreiz privater Investitionen dazu gebracht werden, den Unternehmen AbsolventInnen in Aussicht zu stellen, die speziell an die dortigen Arbeitsplätze angepasst sind. Damit sollten die Gewinne der Unternehmen erhöht werden. Die Europäische Industriellenvereinigung (ERT) beklagte 1995, dass „die Industrie momentan zu wenig Einfluss auf die Lehrpläne hat“ und, „(dass, Anm.) die Lehrenden nur ein ungenügendes Verständnis von Geschäft, Profit und den Bedarf der Industrie haben“. Die EU-Kommission wiederum zeigte sich 2005 in einer Mitteilung besorgt über den „mangelnden Unternehmergeist der Hochqualifizierten“. Das ist die Melange, aus der alle jüngeren Bildungsreformen bestanden – auch in Österreich. 

"Mangelnder Unternehmergeist." Der ökonomische Sinn hinter dem gesamten Projekt der „Ökonomisierung“ ist zumindest fraglich: Es ist alles andere als sicher, ob die Beschränkung auf eine „Elite“ volkswirtschaftlich nützlich ist, wenn gleichzeitig die Breitenbildung vernachlässigt wird – eher ist das Gegenteil anzunehmen. Die Widersprüche fangen damit aber erst an: Aus der Sicht einer neoliberalen Politik der „Ökonomisierung“ werden zwar mehr (betriebswirtschaftlich fähige) AkademikerInnen benötigt, auf der anderen Seite sollen aber die Ausgaben dafür sinken. Das kann nur gelöst werden, indem die Studierenden selbst Beiträge zahlen, die Studienzeit verkürzt wird, die Universitäten attraktiv für private Investitionen werden – und vor allem: indem die Universitäten zum Sparen angehalten werden. Was aber machen sparende Universitäten? Sparende Universitäten wollen über Zugangsbeschränkungen erreichen, dass sie möglichst wenig Studierende ausbilden müssen. Das führt zu einer sinkenden AkademikerInnenquote.
Zugangsbeschränkungen sind noch aus weiteren Gründen hinterfragenswert: Sie benachteiligen empirisch gesehen Menschen aus ärmeren Familien und Frauen. Denn auch wenn von Zugangsbeschränkungen formal alle gleich getroffen werden, haben sie tatsächlich sehr unterschiedliche Konsequenzen für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen.
Zusammengefasst kann gesagt werden: Die Regierungen in Europa versuchen, das gesamte Bildungssystem zu einer Ausbildungsstätte zu machen, die der Privatwirtschaft in die Hand arbeiten soll. Wissen, welches betriebswirtschaftlich nicht direkt anwendbar ist, soll nur noch einen marginalen Platz auf den Lehrplänen finden.  Das könnte sich als folgenschwerer Fehler erweisen: Gerade in wirtschaftlich instabilen Epochen steigt die Bedeutung von antizyklischem und kritischem Verständnis. Private Unternehmen können dieses nicht bieten, da der Markt nicht weiß, was Zukunft ist.

Wessen Protest?

  • 13.07.2012, 18:18

Die Eiterblase ist geplatzt. Der Unmut an den Hochschulen ist übergeschwappt, seit fast zwei Monaten protestieren Studierende in Österreich und anderswo gegen völlig verfehlte Bildungspolitik. Aber welche Rolle nimmt die ÖH bei diesen Protesten ein?

Die Eiterblase ist geplatzt. Der Unmut an den Hochschulen ist übergeschwappt, seit fast zwei Monaten protestieren Studierende in Österreich und anderswo gegen völlig verfehlte Bildungspolitik. Aber welche Rolle nimmt die ÖH bei diesen Protesten ein?

Am 20.10.2009 besetzten Studierende die Aula der Akademie der bildenden Künste. Grund waren die Ergebnisse der Leistungsvereinbarungen zwischen der Universität und dem Ministerium, die wichtige Anliegen der Studierenden und des Senates nicht beachtet hatten und als undemokratische Diktate keinerlei Mitsprache ermöglichten. Zwei Tage darauf wurde aus einer Demonstration im Votivpark eine weitere Besetzun; das Auditorium Maximum der Universität Wien wurde am 22. Oktober zu einem freien Hörsaal. Die symbolische Wirkung dieser Einnehmung des Raumes gab auch in anderen Bundesländern Anstoß zu handeln. Unis in Linz, Graz, Innsbruck und Salzburg wurden besetzt, in Klagenfurt wurden Solidaritätsbekundungen gestartet und auch FH-Studierende organisierten Proteste an ihren Hochschulen. 

Das Fehlen der ÖH? Im Schnellverfahren hatte vor allem die Besetzung des Audimax der Uni Wien die vollständige Aufmerksamkeit der Medienöffentlichkeit auf sich gezogen und war zum Epizentrum des (hochschul-)politischen Diskurses geworden. Die „Protestbewegung“ war geboren und wurde besonders von der Medienlandschaft beklatscht, bejubelt und gelobt. Die Medien waren auch die ersten, denen das vermeintliche Fehlen der ÖH auffiel.
„Warum steht die ÖH nicht an der Spitze der Demo?“ „Warum verhandelt die ÖH nicht über die Forderungen?“ Spätestens ab dem zweiten Besetzungs-Tag wurden diese Fragen gestellt – wohlgemerkt nicht von den aktiv Handelnden, sondern von JournalistInnen, PolitikerInnen und Rektoren. Den protestierenden und besetzenden Studierenden waren die Antworten auf diese Fragen ohnehin klar; sie konnten erst aus einer verfehlten Wahrnehmung der Funktionsweise der „Protestbewegung“ heraus gestellt werden.
Als identitätsstiftendes Merkmal vereint die protestierenden Studierenden vor allem die horizontale Organisationsform ihrer Aktionen. Es gibt keinen Vorstand, Streikrat oder etwaige Führungsspitzen; die Arbeit funktioniert über offene Arbeitsgruppen, die sich bei Bedarf vernetzen. In Plena werden gemeinsame Entscheidungen gefällt, denen jedoch immer ein kollektiver Gedanke zu eigen ist. Dass viele Institutionen damit überfordert sind, liegt auf der Hand. „Mit wem sollen wir verhandeln?“, fragt das Rektorat. „Wen können wir interviewen?“, fragen die Medien. Es gibt keinen Kopf, der ins Rampenlicht gehalten werden oder für die gesamte Gruppe zur Verantwortung gezogen werden kann: es gibt viele davon. Das macht es besonders für die Politik schwer, in den althergebrachten Mechanismen von Ignorieren, Scheinlösungen anbieten und Kritik-im-Keim-ersticken zu verbleiben.

290.000 Studierende. Die ÖH ist im Gegensatz zur Protestbewegung fest im Gefüge des institutionalisierten politischen Raums verankert. „Die ÖH ist die gesetzliche Interessensvertretung von über 290.000 Studierenden in Österreich“, steht auf der Homepage der ÖH-Bundesvertretung. Sie existiert als Körperschaft öffentlichen Rechts auch unabhängig von den Personen, die die Struktur mit Aktivität füllen – das gegensätzliche Prinzip ist den Protesten zu attestieren. Genau dieser Unterschied erklärt ganz einfach das Zusammenspiel zwischen der ÖH und den Protesten: Menschen, die in der ÖH aktiv sind, bringen sich bei Hörsaalbesetzungen, Demos, Arbeitsgruppen und Aktionstagen ein, diskutieren mit, entwickeln Forderungen, schmieden Pläne. 

Sich selbst vertreten. Natürlich könnte ein Widerspruch zwischen der schieren Existenz einer gesetzlichen Interessensvertretung und einer Protestbewegung, die „von der Basis“ kommt, festzustellen sein. Schließlich geht es der ÖH darum, in der bildungspolitischen Auseinandersetzung als Institution, die durch ihren gesetzlichen Rahmen der repräsentativen Demokratie verpflichtet ist, das Bestmögliche für die Studierenden zu erreichen, während viele BesetzerInnen nicht wollen, dass Einzelne für sie sprechen. Dass das nicht zwingend ein Widerspruch ist, zeigt die Handlungsweise der ÖH. Sie akzeptiert und fördert das Nebeneinander zweier Strategien der politischen Arbeit, die dieselben Ziele verfolgen: offene und demokratische Hochschulen in offenen und demokratischen Gesellschaften. 

Gegenseitig solidarisch. Das bedeutet, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. ÖHlerInnen können aufgrund ihrer Erfahrungen der Protestbewegung wertvolles Wissen im Bereich der Hochschulpolitik und der dazugehörigen komplexen Gesetzesmaterie zur Verfügung stellen. Nicht von ungefähr decken sich die Forderungen der besetzten Hochschulen zu 90 Prozent mit Themen, die von der ÖH seit vielen Jahren bearbeitet werden.
Die Protestbewegung zeigt durch kreative Aktionsformen und innovative Kommunikationsstrategien neue Dimensionen in der politischen Arbeit auf, ohne die die momentane Debatte überhaupt nicht möglich wäre. Und die ÖH-Bundesvertretung macht’s nach – auf ihren Sitzungen gibt’s nun auch live-Twitterberichte und einen Video-Stream.
Wessen Protest? „Unser Protest!“, antworteten die TeilnehmerInnen der Demo, an der viele (ehemalige) ÖH-MitarbeiterInnen teilnahmen. Die Ziele sind dieselben, die Rollen und Methoden ergänzen sich gegenseitig. Worin der Protest mündet kann schwer vorhergesagt werden. Wir als ÖH werden jedenfalls hartnäckig alle Kanäle und Ressourcen nützen, um Verbesserungen für Studierende zu erreichen, und versuchen, unsere Rolle zu erfüllen: Wir lassen uns nicht mundtot machen; wir geben keine Ruhe. Nicht heute, nicht morgen und auch nicht in einem Jahr.

Der akademische Adel

  • 13.07.2012, 18:18

Das Elternhaus spielt eine entscheidende Rolle dafür, wer ein Hochschulstudium absolvieren kann. Bildungsstand und ökonomische Situation der Eltern beeinflussen uns alle weit mehr, als wir uns das oft eingestehen wollen.

Das Elternhaus spielt eine entscheidende Rolle dafür, wer ein Hochschulstudium absolvieren kann. Bildungsstand und ökonomische Situation der Eltern beeinflussen uns alle weit mehr, als wir uns das oft eingestehen wollen.

Deine Eltern haben keinen akademischen Abschluss? Pech gehabt. Noch immer bestimmt in Österreich die soziale Herkunft der Eltern entscheidend über den Bildungsgrad ihrer Kinder. So besuchen mehr als achtzig Prozent der AkademikerInnenkinder das Gymnasium, aber nur jedes zehnte Kind von Eltern mit einem Pflichtschulabschluss. Die aktuellste Studierenden- Sozialerhebung des Wissenschaftsministeriums untersuchte die soziale Herkunft von Erstsemestern auf der Hochschule. Fast die Hälfte hatte einen Elternteil mit Matura, ein Fünftel kommt aus einem AkademikerInnenhaushalt (berücksichtigt wurde der Bildungsstand des Vaters). Vor allem an Universitäten sind überproportional wenige Studierende aus bildungsfernen Schichten zu finden.

Stadt-Land-Gefälle. Besonders signifikant ist der Unterschied bei jungen Frauen. Eine AkademikerInnen- Tochter, die in der Stadt aufgewachsen ist, wird mit einer Wahrscheinlichkeit von über sechzig Prozent einen Hochschulabschluss erhalten. Umgekehrt schließen nur zwei von hundert Mädchen vom Land, deren Eltern lediglich eine Pflichtschule beendet haben, ein Studium ab. Daraus lässt sich schließen, dass soziale Selektion eben nicht erst auf der Universität beginnt, sondern bereits in frühen Kinderjahren. Und dass Schulerfolg bei weitem nicht nur von Intelligenz und Fleiß abhängt, sondern auch vom Bildungsbewusstsein der Eltern, von Sprachkenntnissen, der finanziellen Situation der Familie oder vielleicht auch nur von einem eigenen ungestörten Raum zum Lernen. Oft sind es überhaupt die „weichen“ Faktoren, die am Ende den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg in der Schule ausmachen. Wird „Kopfarbeit“ von meinem Umfeld als anstrengende Arbeit akzeptiert? Überblicken meine Eltern meinen Schulstoff, um ihn mit mir zu Hause zu wiederholen? Widersprechen sie mir, wenn ich aus einer Laune heraus beschließe, die Schule abzubrechen? Oder sind sie froh, wenn ich möglichst früh mein eigenes Geld verdiene?

Schule als Ausgleich. Ein Raum, in dem diese Ungleichheiten ausgeglichen werden könnten, wäre die Schule. In Österreich passiert zur Zeit aber das Gegenteil: soziale Ungleichheit wird in der Schule verfestigt. Österreichs SchülerInnen werden bereits im Alter von zehn Jahren aufgeteilt zwischen Hauptschule und Gymnasium. Eine Differenzierung, die in Europa beinahe einzigartig ist. Barabara Ischinger, Bildungsdirektorin der OECD, sagte zu einer österreichischen Tageszeitung: „Unsere Studien, aber auch die von fast allen anderen Fachleuten kommen zu dem Schluss, dass diese frühe Trennung soziale Ungleichheit zementiert und dabei keine besseren Ergebnisse produziert.“ Niemand könne zuverlässig über Talent und Potential eines zehnjährigen Kindes urteilen. Diese Bildungspolitik führt dazu, dass Österreich derzeit mit einer AkademikerInnenquote von 18 Prozent noch neun Prozentpunkte unter dem Schnitt der OECD-Länder liegt. Noch schlechter sieht es mit den Zahlen bei jenen aus, die ihr Studium auch abschließen. Laut der aktuellen OECD-Studie „Education at a Glance“ erwerben in Österreich nur knapp zwanzig Prozent eines Jahrgangs einen akademischen Abschluss. Damit liegt Österreich unter den 24 verglichenen Ländern auf Platz 22, nur Slowenien und Griechenland haben noch schlechtere Abschlussraten. Warum beenden so viele Studierende ihr Studium nicht? Die aktuellste Studierenden-Sozialerhebung legt eine Antwort nahe. Auf die Frage, was den Studienerfolg behindere, nannten die Meisten, sie könnten ihr Studium nicht mit ihrem Job vereinbaren. Und die erwerbstätigen StudentInnen stellen in Österreich keine Minderheit dar. Sechzig Prozent arbeiten neben dem Studium, vierzig Prozent davon während des gesamten Semesters. Ein Großteil der Befragten gab als Grund dafür finanzielle Schwierigkeiten an, nur wenigen ging es darum, Berufspraxis zu sammeln.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Studierende aus finanziell schlecht gestellten Familien werden in Österreich von der Volksschule bis zum Studienabschluss strukturell benachteiligt. Dass Menschen aus einkommensschwächeren Schichten im Durchschnitt nur eine niedrigere Bildung erhalten, ist kein Naturgesetz – sondern zu einem gewichtigen Teil eine politische Entscheidung. Laut „Education at a Glance“ bringen AkademikerInnen dem Staat Österreich durch Steuern und weniger Ausgaben im Gesundheitssystem rund 40.000 Dollar mehr, als sie ihn kosten. Alleine das sollte eigentlich Anreiz genug sein, den Zugang zum Studium nicht zu beschränken – sondern auszuweiten.

 

Gesichter des Protests

  • 13.07.2012, 18:18

Eine Erhebung im Audimax soll Licht ins Dunkel bringen: Wie ähnlich sind die Motive, wie unterschiedlich die Ziele der Protestierenden? Kurz: Wie homogen ist die Studierendenprotestbewegung wirklich?

Eine Erhebung im Audimax soll Licht ins Dunkel bringen: Wie ähnlich sind die Motive, wie unterschiedlich die Ziele der Protestierenden? Kurz: Wie homogen ist die Studierendenprotestbewegung wirklich?

Eine Forschungsgruppe von Studierenden und AbsolventInnen der Soziologie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die genauen Motive der Protestierenden hinsichtlich der österreichischen Bildungspolitik, sowie ihre Einstellungen zu den Protesten selbst zu untersuchen. In einem Zeitraum zwischen 30. Oktober und 4. November 2009 wurden hierzu in mehreren Erhebungswellen verschiedene Einstellungen und persönliche Daten von Personen abgefragt, die sich entweder im oder unmittelbar vor dem Audimax aufhielten und deren Partizipation an der Besetzung offensichtlich war.
Zunächst zu der Frage, wer ins Audimax geht. Die Daten zeigen, dass eine große Mehrheit – etwa 69 Prozent – derer, die im Audimax anzutreffen waren, an der Uni Wien studieren. Weniger als ein Viertel der Befragten verteilt sich etwa gleichmäßig auf andere Hochschulen (wie WU, TU, Med-Uni, etc.). Alle anderen befragten Personen studieren nicht oder nicht mehr. Hinsichtlich der Studienrichtungen zeigt sich eine bunte Mischung an Studierenden aller Fächer, wobei geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer wie Politikwissenschaft, Soziologie und Germanistik verhältnismäßig stark vertreten sind. Ein sehr eindeutiges Ergebnis zeigt die Frage nach der politischen Orientierung der Angetroffenen: 80 Prozent sehen sich entweder „links der Mitte“ oder „ganz links“, 18 Prozent betrachten sich als „in der Mitte stehend“. Lediglich zwei Prozent deklarieren sich als „rechts der Mitte“ und niemand der 365 Befragten gab an, „komplett rechts“ zu sein.

Große Erfolgserwartungen. Es zeigt sich, dass bei weitem nicht alle Befragten aktiv in die Besetzung bzw. die Protestbewegung involviert sind. Knappe 55 Prozent gaben an, lediglich passive BeobachterInnen zu sein. Etwa 35 Prozent der Befragten sagten von sich, ab und zu aktiv involviert gewesen zu sein oder in Arbeitsgruppen mitgearbeitet zu haben. Nur etwa jede zehnte Person gab an, ständig in Arbeitsgruppen mitzumachen und sich auch ansonsten so viel wie möglich an den Protesten zu beteiligen. Umso optimistischer zeigen sich dagegen die Erfolgserwartungen der Befragten: Mehr als 60 Prozent sind sich sicher, dass die Proteste „erfolgreich“ oder sogar „sehr erfolgreich“ sein werden, wohingegen lediglich 11 Prozent der Meinung sind, dass die Bewegung „wenig oder überhaupt nicht erfolgreich“ sein wird.
Nun aber zu den eigentlichen Kernthemen der Studie: Welche der, von den BesetzerInnen gestellten Forderungen unterstützen die Audimax-BesucherInnen und wie stehen sie zu der Protestbewegung an sich? Es zeigt sich, dass die am meisten unterstützte Forderung – knappe drei Viertel aller Befragten gaben an, sich zu ihr zu bekennen – jene nach umfassender Bildung statt bloßer Ausbildung ist. Ebenfalls eine große Mehrheit an Zustimmung erhält die Forderung nach Ausfinanzierung der Unis mit 68 Prozent. Etwa jede zweite Person tritt für einen freien Hochschulzugang sowie für eine Demokratisierung der Universitäten ein.
Als besonders interessant erweist sich die Frage bezüglich der Forderung nach 50 Prozent Frauenanteil im Universitätsbetrieb. Hierbei ist zweierlei verwunderlich: Einerseits unterstützen etwa nur halb so viele Männer wie Frauen die Beschäftigungsquote – ein sehr interessantes Ergebnis, vor allem wenn in Betracht gezogen wird, dass die Geschlechterunterschiede hinsichtlich des Antwortverhaltens ansonsten in nahezu allen anderen Bereichen minimal sind. Noch mehr als dieser Unterschied vermag jedoch zu verwundern, dass selbst unter Frauen die Zustimmung zu einer ausgeglichenen Frauenquote im Universitätsbetrieb lediglich bei 19 Prozent liegt. Sowohl unter männlichen wie auch unter weiblichen Befragten zählt dies also – neben der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes – zu den am wenigsten zentralen Anliegen.

Gelungene Protestorganisation. Ein sehr eindeutiges Bild zeigen die Ergebnisse zu den Einstellungen der Audimax-BesucherInnen hinsichtlich der Proteste sowie der Besetzung selbst. Über 80 Prozent empfinden die Organisation der Protestbewegung als gelungen. Ebenso viele sind der Meinung, dass die Bewegung in der Lage ist, zu einer konstruktiven Bildungspolitik beizutragen. Dagegen sind bloß fünf Prozent der Überzeugung, dass Studierende durch die Proteste in ihren Lernbemühungen beeinträchtigt werden und lediglich acht Prozent sind der Meinung, dass durch die Bewegung zu hohe Kosten entstehen.
Zusammenfassend stellt sich also heraus, dass es den TeilnehmerInnen vor allem darum geht, gegen die, sich in den letzten Jahren stetig verschlechternde, (Aus-) Bildungssituation zu protestieren. „Bildung statt Ausbildung“, die am meisten unterstützte Forderung, ist jene Kernbotschaft, welche sich gegen zunehmende Verschulung und Einschränkung der Lehrpläne zugunsten (anscheinender) ökonomischer Verwertbarkeit richtet. Ein Unterfangen, das vor allem in den Sozial- und Geisteswissenschaften – jedoch keinesfalls nur dort – absurd erscheint. Zusammen mit der Forderung nach mehr finanziellen Ressourcen für den akademischen Betrieb komplettiert sich somit das Bild einer Studierendenschaft, welche die gegenwärtigen Zustände an Österreichs Universitäten als unzulänglich erachtet. Vom gegenwärtigen Standpunkt unserer Forschung aus kann gesagt werden, dass selbst unter den Befragten, die angeben, nur indirekt an der Bewegung beteiligt zu sein, die Zustimmung zu den Protesten außerordentlich hoch ist. Weitere von uns geplante Untersuchungen werden darüber hinaus ein noch detaillierteres Bild der Situation zeichnen können.

Ablenkungsmanöver

  • 13.07.2012, 18:18

Wer den protestierenden Studierenden einmal wirklich zuhört, wird schnell merken, dass die Diskussion über Beschränkungen des Hochschulzuganges lediglich ein Ablenkungsmanöver ist.

Wer den protestierenden Studierenden einmal wirklich zuhört, wird schnell merken, dass die Diskussion über Beschränkungen des Hochschulzuganges lediglich ein Ablenkungsmanöver ist. Es ist der Versuch, den Streik der Studierenden zu entpolitisieren und ihn um seine wichtigsten Inhalte zu bringen: nämlich um die Kritik an der Bologna-Reform und am Universitätsgesetz (UG) 2002. Die Studierenden streiken für ein Studium, das allen einen selbständigen Wissenserwerb in der Auseinandersetzung mit Forschung ermöglicht. Darüber hinaus soll es eine Universität geben, in der die Entscheidungen wieder bei denjenigen liegen, die etwas von der Sache verstehen, nämlich Studierende und Lehrende.
Der Zorn der Studierenden hat sich angesichts der drohenden Einführung der sogenannten „Bologna-Struktur“ entzündet, das heißt eines in die Stufen „Bachelor“ und „Master“ zweigeteilten Studiensystems. Diese Einführung würde aufgrund der aktuellen Unterfinanzierung der Universitäten dazu führen, dass ein Zweiklassensystem der Bildung entsteht: mit einem billigen, stumpfsinnig verschulten Bachelor-Teil für viele und einem teuren Master-Teil für wenige, zahlungskräftige Menschen.
Weiters hat die Studierenden empört, dass sich die durch das Universitätsgesetz 2002 eingeführte, so genannte „Vollrechtsfähigkeit“ der Universitäten in der aktuellen Praxis so darstellt, dass das Ministerium den Universitäten bei den wichtigsten Entscheidungen massiv hineinregiert. Bei der Finanzierung werden die Universitäten allerdings im Regen stehen gelassen. Überdies richtet sich der Streik gegen die Tatsache, dass das UG 2002 und das Universitätsorganisationsgesetz 1993 fast jede Form der universitätsinternen Beratung und Entscheidungsfindung abgeschafft haben. Stattdessen entsteht eine straffe Befehlskette mit wirkungsvoll schwach gehaltenen Gliedern. Einzelne EntscheidungsträgerInnen, wie beispielsweise der oder die RektorIn, sind mit zu viel Macht ausgestattet, um sie überhaupt tragen zu können.
Die Reformen des letzten Jahrzehnts haben eine Unterwerfung von Forschung und Lehre unter die Kriterien der Bürokratie bewirkt. 

Malen nach Zahlen

  • 13.07.2012, 18:18

Schon bei den Revolutionen der 68er Jahre wurde mit einem wirksamen Mittel gekämpft: der Kunst. Seit dieser Zeit wird sie mehr als je zuvor als ein Zeichen des Protests genutzt und erreicht bei den Hochschulprotesten einen neuen Höhepunkt.

Schon bei den Revolutionen der 68er Jahre wurde mit einem wirksamen Mittel gekämpft: der Kunst. Seit dieser Zeit wird sie mehr als je zuvor als ein Zeichen des Protests genutzt und erreicht bei den Hochschulprotesten einen neuen Höhepunkt.

We don’t need no education“ tönt es im Kinderchor aus den Lautsprechern in das besetzte Audimax der Universität Wien. Eine kleine Gruppe Spielwütiger hat sich dem aktuellen Thema des Studierendenstreiks und den Ergebnissen der bisherigen Verhandlungen angenommen und versucht nun, gemeinsam mit dem überwiegend studentischen Publikum nach Lösungsansätzen zu suchen. Auf der „Bühne“ verzieren nach Graffiti Art gestaltete, übermenschenhohe Bilder den sonst neutralen Vorlesungssaal. Sie karikieren den maroden Bildungszustand auf den Universitäten und die dafür verantwortlichen PolitikerInnen auf äußerst kreative Weise.
Seit über einem Monat wird das Audimax als alternativer Ausstellungs- und Veranstaltungsort für Konzerte, Filmabende, politische Diskussionen und Plena genutzt. Ebenso lang vereinigen sich schon Kreative in vielseitigen Arbeitsgruppen, um dem Protest ein künstlerisches Gesicht zu geben.  Ganz dem basisdemokratischen Leitgedanken der über Wikipedia solidarisierten StudentInnen-Generation „Niemand tritt in den Vordergrund – jedeR ist wichtig“ folgend und entgegen des am Profit orientierten Kunstmarktes, wird in den besetzten Hörsälen momentan eine Kunst produziert und konsumiert, welche sich am weltweiten Protest orientiert. 

Zeichen des Protests. In Arbeitsgruppen aufgeteilt, werden Transparente mit einschlägigen Bannern gestaltet und Buttons mit dem Logo der „brennenden Uni“ gebastelt. LiedermacherInnen schreiben Protestlieder. Es werden Filmabende veranstaltet und öffentliche Aktionen geplant. Alles in allem bieten die besetzten Unis ein breit gefächertes Angebot an Kunst und Kultur. Und all das passiert im Zeichen des Widerstands. In Frankreich werden als Blockade Skulpturen aus Stühlen und Tischen gestapelt, in anderen Ländern werden Banken und Theateraufführungen gestürmt. AktivistInnen schlafen aus Protest in den Eingangsbereichen von Schulen und Universitäten, spielen in U-Bahnen den Fahrgästen den Platzmangel an den Lehranstalten vor und tragen T-Shirts bedruckt mit grinsenden Credit Points oder einfach nur mit der Aufschrift „Elite StudentIn“. Doch wären es nur die StudentInnen die protestieren und wäre das Ziel zu konfus, hätte das Lauffeuer, entzündet an der Uni der Bildenden Künste, nicht in so kurzer Zeit einen der größten internationalen Protestbrände entfacht. Ein Katalog an Forderungen wurde nach nur einer Woche erstellt. Das Ziel ist keine Auktion, bei der mit dem niedrigsten Gebot begonnen wird, sondern richtige Verhandlungen. 

Weiteres Wichtiges: Solidaritätsbekundungen von Gewerkschaften, Schulen, Kindergärten und vor allem von Seiten der Kunst, die das Problem der Präkarisierung seit längerem kennen und mit den StudentInnen teilt. Im Zuge der Privatisierung der Kunst und finanzieller Kürzungen für öffentliche Ausstellungen können viele Museen nur noch das ausstellen, was ihnen als Leihgabe von privater Hand zur Verfügung gestellt wird. Der Kunstmarkt ist auf der von Sinneskälte vereisten  Autobahn ins finanzielle Schleudern geraten und mitten in den Crash seiner Financiers geprallt – ohne staatlichen Aushilfsairbag. ARCO-Direktorin Lourdes Fernández über die in Madrid platzierte, Preis angebende Kunstmesse: „Wir arbeiten das Doppelte, um am Ende die Hälfte zu erreichen.“  Mehr als sonst gelte das Prinzip, dass vor allem Qualität und Innovation zum Überleben notwendig seien. „Wenn wir die Verkäufe des Vorjahres erreichen, können wir zufrieden sein“, sagte der Chef der Messegesellschaft, Luis Eduardo Cortés. Es ist ergo nicht die freie Kunst, die sich vielfältiger denn je in diesen Tagen dem öffentlichen Auge präsentiert, sondern der Kunstmarkt, der mit seinen Elite-Mäzenen in deren Blase geplatzt ist. 

Kunst und Bildung. Früher wurde die Kunst bemüht, um Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen. Heute lebt sie ihre Aufgabe wieder und läuft Seite an Seite mit StudentInnen, Gewerkschaften und anderen Bildungsdialogbeteiligten. Denn so unterschiedlich ihre Meinungen voneinander auch sind, haben sie ihren kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden: den kapitalorientierten Neoliberalismus samt seinen AnhängerInnen. Dies befördert den Titel Studierendenprotest zur Protestbewegung und in manchem Munde sogar zur Revolution.
Die Protestierenden von heute scheinen die Revolutionsversuche der 68er, 76er und 89er analysiert und ihnen eine Fehlerdiagnose unterzogen zu haben. Heraus kam ein basisdemokratisches Modell, welches spielerisch versucht, die Öffentlichkeit zu finden und sie nicht nur zu provozieren. Es gibt kein Alphatier, das die Politik symbolisch enthaupten kann.

Der wohl signifikanteste Vorteil gegenüber anderen Bewegungen in der Geschichte sind die Neuen Medien und die Kunst, sich derer zu bedienen.  In unfassbarer Geschwindigkeit erschaffen die Studierenden Webseiten, um den besetzten Hochschulen eine Internetpräsenz zu erstellen und sich über Foren digital zu vernetzen. Die unlängst als neue Kunstform gehandelte Kommunikationsguerilla stellt Videospiele her, in denen ECTS-Punkte gejagt und die letzte Demo auf Videoplattformen angeschaut werden können. Das Internet bringt auch eine gewisse Notwendigkeit mit sich, Meldungen und Aufrufe auf die Monitore zu posten, welche sich in den letzten Hinterstübchen der jungen MeinungspartizipantInnen befinden. Darüber hinaus soll es auch die Scham entkräften, welche entstehen kann, wenn man sich über den Individualisierungsdruck einer Bewegung anschließt.
Doch um die Empathie der Gesellschaft zu gewinnen, bedarf es immer noch einer alten authentischen Demonstration und einer haptischen Form des Protests auf der Straße. So hat die Aktion „Licht ums Dunkel“ als Lichterkette, bestehend aus mit Fackeln bewaffneten Menschen, das Parlament umstellt und somit wieder für eine Schlagzeile in der Presse und für Gesprächsstoff in Büros gesorgt. 

Es wird keine Kunst erschaffen, die man Generationen später in Museen besichtigen kann. Vielmehr wird ein Gesamtkunstwerk von Performances, Theaterstücken und all den unsammelbaren Werken kreiert, derer sich schon die 68er-KünstlerInnen bedienten. Diese konnten mit Hilfe eben dieser Kunstwerke einen Teil des  konservativen BürgerInnentums auf Dauer entstauben.

„Wir lieben unsere VoKü!“

  • 13.07.2012, 18:18

Die Volxküchen sind von den Protesten in den großen Hörsälen der österreichischen Universitäten nicht wegzudenken. Das politische Essen zum Selbstkostenpreis oder gegen eine freie Spende blickt auf eine lange Geschichte zurück, und ist nicht nur in Österreich sondern auf der ganzen Welt zu finden.

Die Volxküchen sind von den Protesten in den großen Hörsälen der österreichischen Universitäten nicht wegzudenken. Das politische Essen zum Selbstkostenpreis oder gegen eine freie Spende blickt auf eine lange Geschichte zurück, und ist nicht nur in Österreich sondern auf der ganzen Welt zu finden.

Durch die Besetzung der Hörsäle in Österreich ist die Volxküche vielen StudentInnen ein Begriff geworden. Für die Proteste sind diese so genannten VoKüs ein wichtiger Bestandteil, denn sie versorgen die sich engagierenden Personen mit gesunder Nahrung und dienen als Treffpunkt abseits der Arbeitsgruppen und Plena. „Ohne uns wäre eine so lange Besetzung gar nicht möglich!“, sagt eine Mitarbeiterin der VoKü im Audimax der Uni Wien selbstbewusst, während sie mit einem langstieligen Löffel in einem großen Topf mit Nudeln umrührt. Und tatsächlich wäre es wohl für die meisten Studierenden, die bei den Protesten mitarbeiten, finanziell gar nicht möglich, sich mehrere Wochen von Fastfood oder Restaurantessen zu ernähren anstatt zu Hause selber zu kochen.

Kochen mit Geschichte. Die Institution Volxküche gibt es aber nicht erst seit den Studierendenprotesten in Österreich. Denn im Rahmen von linken Aktionen und Veranstaltungen, aber auch als eigenständiges Event oder regelmäßiger Treffpunkt sind VoKüs schon seit den 1960ern zu finden. Ihre Geschichte geht jedoch noch weiter zurück. Seit über 150 Jahren gibt es Menschen, deren Ziel es ist, leistbares Essen für alle anzubieten. Unter dem Namen Volksküche, Suppenküche oder Armenküche kochten vor allem Frauen für bedürftige Menschen. Viele dieser Einrichtungen gingen davon aus, dass Armut naturgegeben, selbstverschuldet oder durch spezielle Notsituationen, wie zum Beispiel durch Krieg, temporär vorhanden ist und versuchten, diese zu lindern.
Im zweiten Weltkrieg gründeten die NationalsozialistInnen nach dem Verbot der ArbeiterInnenwohlfahrt in Deutschland die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“, die neben der Gründung von Kindergärten und der Betreuung von schwangeren Frauen auch die Speisung der Armen übernahm. Das Essen wurde allerdings nur an Menschen mit „rassischer und politischer Reinheit“ ausgeteilt. So wurde die eigentlich positive Idee der Verteilung von leistbarem Essen faschistisch vereinnahmt.
Dieser Umstand erklärt auch, warum sich die heutigen Volxküchen im deutschsprachigen Raum, die vor allem ab den 1980ern einen großen Aufschwung erfahren haben, mit einer bewussten Falschschreibung bezeichnen. Sie distanzieren sich somit von dem problematischen Begriff des Volkes. Einige VoKüs nennen sich Bevölkerungsküchen (BeVöKüs), um sich noch klarer von der rassistischen Konnotation des Wortes „Volk“ abzugrenzen.

Und was ist mit Fleisch? Volxküchen dienen nicht einfach nur dazu, Essen auszugeben. Die VoKüs zeigen durch ihre Arbeit auf, wie verschwenderisch in unserer Gesellschaft mit Lebensmitteln umgegangen wird. Sie lukrieren ihre Zutaten durch Spenden oder „containern“ und „dumpstern“, also durch das Sammeln von abgelaufenen oder weggeworfenen Lebensmitteln, die noch zum Verzehr geeignet wären. Gleichzeitig geht es ihnen auch darum zu zeigen, wie unmenschlich der Umgang mit Armut im kapitalistischen System ist. Armut ist nicht einfach vorhanden, sondern wird durch Kapitalismus erzeugt. Das politische Engagement der Kochenden wird jedoch in den meisten Fällen nicht gerne gesehen. Unzählige VoKü-AktivistInnen, vor allem in den USA, wurden schon verhaftet und eingesperrt.
Anders als manch eine Regierung haben die Gäste der VoKüs wiederum wenig am Essen auszusetzen – es schmeckt und ist leistbar. Einziger Kritikpunkt bleibt das Nichtvorhandensein von Fleisch. Tatsächlich ist es in den meisten Volxküchen so, dass ausschließlich vegetarische oder vegane Speisen zubereitet werden. Eine Mitarbeiterin der VoKü in der Uni Wien hat dafür eine simple Erklärung: „Fleisch würde sich einfach nicht lange genug halten.“
Der Grund liegt, neben der schon erwähnten schwierigen Lagerung von Fleisch, auch darin, dass der Konsum von tierischen Produkten für die VoKüs ein politisches Problem darstellt. Die Produktion von Fleisch, Milchprodukten und Eiern benötigt eine große Menge von pflanzlicher Nahrung für die Tiere, mit der stattdessen eine viel größere Anzahl von Menschen ernährt werden könnte als durch die so hergestellten tierischen Nahrungsmittel. Auch die Umweltverschmutzung durch die Nutztiere ist ein Kritikpunkt. Zusätzlich setzen sich viele VoKü-AktivistInnen dafür ein, dass es nicht länger zu einer Massentierhaltung und zu einem grausamen Töten von Lebewesen kommt. 

International abgeschmeckt. Volxküchen gibt es auf der ganzen Welt. So gibt es in der so genannten „dritten Welt“ Projekte, bei denen es vor allem darum geht, möglichst viele Menschen mit Nahrung zu versorgen und zu zeigen, dass eine selbstständige Organisation von Lebensmittelproduktion und -beschaffung möglich ist.
In Europa gibt es unzählige Organisationen, die für linke Events und Großdemonstrationen kochen. So zum Beispiel Le Sabot, die sich 2007 gegründet haben. Le Sabot ist vor allem bei Veranstaltungen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland anzutreffen. Sie bezeichnen sich selbst als mobile, vegane Mitmach-Küche.
In den USA gibt es seit genau 30 Jahren die Organisation Food Not Bombs. Mittlerweile sind sie in über 100 Gemeinden in den USA und der ganzen Welt aktiv. Sie versorgen Obdachlose, Tagesbetreuungseinrichtungen und Familien von streikenden ArbeiterInnen mit Essen.
Dies sind nur einige wenige Beispiele für erfolgreiche VoKü-Projekte. Sie und viele andere sind der Grund dafür, warum Menschen auf der ganzen Welt sich dem anschließen, was eine Studentin im besetzten Audimax der Uni Wien treffend auf den Punkt gebracht hat: „Wir lieben unsere VoKü!“

Traumberuf JournalistIn?

  • 13.07.2012, 18:18

Etwa 8000 JournalistInnen arbeiten derzeit hauptberuflich in Österreich. Der Kampf um feste RedakteurInnenstellen erfordert eine herausragende Qualifikation. Neben der guten journalistischen Ausbildung ist laut Autor vor allem eine Spezialisierung gefragt.

Etwa 8000 JournalistInnen arbeiten derzeit hauptberuflich in Österreich. Der Kampf um feste RedakteurInnenstellen erfordert eine herausragende Qualifikation. Neben der guten journalistischen Ausbildung ist laut Autor vor allem eine Spezialisierung gefragt.

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich der Journalismus von der klassischen Literatur abgegrenzt und sich als eigenes Berufsfeld etabliert. Klar, einE SchriftstellerIn braucht Schreibtalent, um einen Roman zu verfassen. Doch wie viel Talent und wie viel Ausbildung stecken in einem Journalisten, einer Journalistin? Eine Frage, die wohl dazu beigetragen haben könnte, dass es bis heute keinen einheitlichen Ausbildungsweg für JournalistInnen gibt.
Rein juristisch darf sich in Österreich wie auch in Deutschland jede Person JournalistIn nennen, die mit Stift oder Tastatur etwas zu Papier bringt. In der Arbeitswelt sieht das natürlich anders aus. Redaktionen und Verlage in Deutschland setzen in der Regel ein Studium voraus.

Studium erwünscht. Tatsächlich haben 70 Prozent aller deutschen JournalistInnen ein abgeschlossenes Hochschulstudium, die wenigsten davon im Bereich der reinen Journalistikstudiengänge. In Österreich sind die Voraussetzungen nicht ganz so streng. Hier haben weniger als 40 Prozent der JournalistInnen ein abgeschlossenes Studium. Bisher galt aber die Matura als grundsätzliche Voraussetzung. Da aber auch hierzulande in Folge der Medienkrise der Markt umkämpfter geworden ist, stehen die Chancen für HochschulabsolventInnen um einiges besser.
Wie auch in Deutschland eröffnen sich in Österreich den AbsolventInnen „nicht-journalistischer“ Studiengänge die besten Möglichkeiten. So sagte Andreas Unterberger noch vor seiner Ablösung als Chefredakteur der Wiener Zeitung gegenüber Journalist-Online: „Unter den Studienrichtungen gibt es wieder klare Prioritäten. Die größte Chance auf eine Aufnahme in eine Redaktion eröffnet ein Wirtschaftsstudium, die schlechtesten ein Publizistikstudium. Generell gilt, dass jedes Studium, das vom Inhalt und Aufbau ein seriöses und qualitätsorientiertes Image hat, willkommen ist.“

Journalistisches Schreiben. Hier zeigt sich bereits, dass für journalistische Arbeit- oder AuftraggeberInnen ein fachliches „Vorauswissen“ gefragt ist. Neben dem Studium bleibt aber vor allem die Praxis von höchster Bedeutung. Denn zwar sollte eine gewisse Schreibaffinität vorhanden sein, doch gutes journalistisches Schreiben und Recherchieren unterliegt Kriterien, die erlernbar sind. Ein klassisches, 24 Monate dauerndes Volontariat bei einer Zeitung oder einem Verlag, wie es in Deutschland üblich ist, gibt es in Österreich nicht. Das wurde noch bis vor wenigen Jahren kritisiert. Doch auch in Deutschland verliert diese Form der Ausbildung an Bedeutung. Theorie wird in der Ausbildung kaum vermittelt, Verlage drücken sich vor der Bezahlung nach Tarif bzw. Kollektivvertrag.

Sach- und Fachkompetenz gefragt. In einer Redaktion ausgebildete JournalistInnen, ob nun durch Volontariat oder Quereinstieg durch Praktika, werden in der Regel in der Arbeitswelt flexibel einsetzbar, nicht aber spezialisiert sein. Gerade aber unsere Informationsgesellschaft, in der Wissen einen immer größeren Stellenwert einnimmt, verlangt nach ExpertInnen.
Das erkennen vor allem private Schulen und Akademien. Das Österreichische Journalisten-Kolleg des Kuratoriums für Journalistenausbildung (KfJ) in Salzburg schult neben der journalistischen Sachkompetenz explizit auch die Fachkompetenz. Wissen in einem speziellen Ressort, wie etwa in der Politik, Wirtschaft oder im Sport, sollen vertieft und erweitert werden. Ein ähnliches Konzept wird in der Freien Journalistenschule (FJS) in Berlin verfolgt. „Mit der Kombination aus Fachwissen und einer guten journalistischen Zusatzqualifikation können sich FachjournalistInnen von ‚AllrounderInnen‘ absetzen und haben deutlich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, sagt René Teichmann, Direktor der FJS.
Der Deutsche Fachjournalistenverband (DFJV), der in enger Kooperation mit der FJS steht, hat den weltweiten Branchenwandel längst erkannt und unterstützt die Entwicklung des fachlich orientierten Qualitätsjournalismus. „Deshalb gehört Journalisten die Zukunft, die sich auf ein Ressort spezialisiert haben. Denn nur sie verfügen über das Hintergrundwissen, das es ihnen ermöglicht, ihre Leser, Zuhörer und Zuschauer kompetent in ihrem Berichterstattungsfeld zu informieren“, heißt es auf der Homepage des DFJV.

Berufsbegleitende Ausbildung. Die FJS bietet AkademikerInnen ein Fernstudium an, in dem sie zusätzlich zu ihrem fachlichen, erworbenen Spezialwissen das nötige Rüstzeug erlernen, um sich als FachjournalistIn etablieren zu können. Die Haus- und Praxisarbeiten werden von zu Hause aus erledigt, DozentInnen und TeilnehmerInnen tauschen sich regelmäßig in Seminaren im Online-Campus aus. „Das Studium ist zeit- und ortsunabhängig, eine berufsbegleitende Ausbildung ist so möglich. Viele unserer TeilnehmerInnen kommen aus Österreich“, sagt Teichmann.
Leila Wabenneger etwa hat in Österreich Mikro-Biologie studiert und arbeitet bei einer amerikanischen Biotech-Firma in Wien. „Ich wollte nebenher Fachartikel auf meinem Gebiet schreiben. In Österreich habe ich nichts Passendes gefunden. Das Fernstudium ist auch von den Inhalten her optimal für mich“, sagt die Studentin der FJS.
Wie speziell und erkenntnisreich der Fachjournalismus Strukturen untersuchen kann zeigte das Urteil einer Gruppe britischer GolfjournalistInnen, die im Auftrag der International Association of Golf Tour Operators (IAGTO) 2004 weltweit fachlich recherchierten. „Das Golfland Österreich ist die Entdeckung des Jahres“, lautete ihr Fazit.
Ob nun Fernstudium, JournalistInnenschule oder Weiterbildung während Redaktionspraktika: Qualität wird in Zukunft eine immer gewichtigere Rolle im Journalismus einnehmen.
Denn Qualität bleibt auch im Journalismus einfach das beste Rezept. 

Alle reden vom Wetter

  • 13.07.2012, 18:18

Große Töne, wenig dahinter. An Ambitionen und großen Zielen hat es im Bezug auf den Stopp der Erderwärmung noch nie gemangelt, am Commitment allerdings schon. Ob in Kopenhagen bei der 15. UN-Klimakonferenz der große Umschwung kommt darf bezweifelt werden.

Große Töne, wenig dahinter. An Ambitionen und großen Zielen hat es im Bezug auf den Stopp der Erderwärmung noch nie gemangelt, am Commitment allerdings schon. Ob in Kopenhagen bei der 15. UN-Klimakonferenz der große Umschwung kommt darf bezweifelt werden.

Das Ziel  ist klar: Es gilt, ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll zu schließen – oder zumindest die Weichen dafür zu stellen. Dazu müssen aber - anders als bei der Kyoto-Vereinbarung vom 11. Dezember 1997 - auch die USA und China mit ins Boot geholt werden. Immerhin emittieren die USA fast 20 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr und sind damit - gemessen an der Pro-Kopf-Emission - der weltweite Klimasünder Nummer eins. Gemeinsam mit China sind die USA für mehr als ein Drittel aller klimaschädlichen Emissionen auf der Erde verantwortlich.
Für Schwellenländer wie China war im Kyoto-Protokoll keine Treibhausgas-Reduktionen vorgesehen. Das soll sich nun ändern: Der Klimaschutz soll nicht alleinige Aufgabe der Industriestaaten bleiben. Länder wie der Kongo können jedoch kaum dazu verpflichtet werden in Solaranlagen zu investieren, wenn das Geld kaum für Krankenhäuser und Schulen reicht – hier ist die Hilfe der Industriestaaten gefragt.
Aktiv zum Klimaschutz beitragen wollen nun die USA: Präsident Barack Obama wird selbst am Klimagipfel in Kopenhagen teilnehmen. Um 17 Prozent – und damit unter das Niveau von 2005 – wollen die Vereinigten Staaten den CO2-Ausstoß bis 2020 reduzieren.

Der Zug ist noch nicht abgefahren. Bei der Verminderung der Treibhausgase gibt es auch in Österreich noch einiges zu tun. Für Österreich wird Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) am Verhandlungstisch sitzen. „Ich erwarte mir klare Entscheidungen von Industrie- und Entwicklungsländern über ihren jeweiligen Beitrag zu einem zukünftigen Klimaabkommen“, sagt er im Interview mit PROGRESS. Der Europäischen Umweltagentur zufolge wird die Alpenrepublik als einziges EU-Land die Kyoto-Ziele nicht erreichen. Für Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) ist der Zug aber noch nicht abgefahren: „Abgerechnet wird 2012 und bis dahin muss jedenfalls noch viel passieren.“ Beim Verkehr zum Beispiel. In diesem Sektor sind die Emissionen zwischen 1990 und 2006 um ganze 83 Prozent gestiegen. Was kann getan werden, um diesem Trend entgegenzusteuern? „Die Streckenstilllegungspläne der ÖBB müssen sofort gestoppt werden“, fordert der Österreichische Umweltdachverband (UWD). Das „Österreich-Ticket“ für den Verkehr müsse endlich eingeführt werden. Immerhin sei das auch im Regierungsprogramm vereinbart gewesen. Ein weiterer Vorschlag des UWD: Passivhausstandard für alle neuen Gebäude ab 2012, Nullenergiehausstandard ab 2015.
Bewegung in die österreichische Klimapolitik soll die „Energiestrategie 2020“ bringen, die „zahlreiche neue Vorschläge zur Energieeffizienz und zum Energiesparen“ enthält, wie Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) im Interview betont. Der Anteil der erneuerbaren Energien soll um rund 30 Prozent gesteigert werden: von 26 auf 34 Prozentpunkte. 
An Ideen und hochgesteckten Zielen mangelt es weder bei uns in Österreich, noch auf globaler Ebene. Weitgreifende Maßnahmen erfordern natürlich ein gut überlegtes Konzept. Solange sich aber nicht jede und jeder einzelne über die Tragweite des eigenen Handelns bewusst ist – und sei es nur der Standbybetrieb eines PCs – ist eine nachhaltige Veränderung wohl kaum möglich. 

 

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