Gesichter des Protests

  • 13.07.2012, 18:18

Eine Erhebung im Audimax soll Licht ins Dunkel bringen: Wie ähnlich sind die Motive, wie unterschiedlich die Ziele der Protestierenden? Kurz: Wie homogen ist die Studierendenprotestbewegung wirklich?

Eine Erhebung im Audimax soll Licht ins Dunkel bringen: Wie ähnlich sind die Motive, wie unterschiedlich die Ziele der Protestierenden? Kurz: Wie homogen ist die Studierendenprotestbewegung wirklich?

Eine Forschungsgruppe von Studierenden und AbsolventInnen der Soziologie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die genauen Motive der Protestierenden hinsichtlich der österreichischen Bildungspolitik, sowie ihre Einstellungen zu den Protesten selbst zu untersuchen. In einem Zeitraum zwischen 30. Oktober und 4. November 2009 wurden hierzu in mehreren Erhebungswellen verschiedene Einstellungen und persönliche Daten von Personen abgefragt, die sich entweder im oder unmittelbar vor dem Audimax aufhielten und deren Partizipation an der Besetzung offensichtlich war.
Zunächst zu der Frage, wer ins Audimax geht. Die Daten zeigen, dass eine große Mehrheit – etwa 69 Prozent – derer, die im Audimax anzutreffen waren, an der Uni Wien studieren. Weniger als ein Viertel der Befragten verteilt sich etwa gleichmäßig auf andere Hochschulen (wie WU, TU, Med-Uni, etc.). Alle anderen befragten Personen studieren nicht oder nicht mehr. Hinsichtlich der Studienrichtungen zeigt sich eine bunte Mischung an Studierenden aller Fächer, wobei geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer wie Politikwissenschaft, Soziologie und Germanistik verhältnismäßig stark vertreten sind. Ein sehr eindeutiges Ergebnis zeigt die Frage nach der politischen Orientierung der Angetroffenen: 80 Prozent sehen sich entweder „links der Mitte“ oder „ganz links“, 18 Prozent betrachten sich als „in der Mitte stehend“. Lediglich zwei Prozent deklarieren sich als „rechts der Mitte“ und niemand der 365 Befragten gab an, „komplett rechts“ zu sein.

Große Erfolgserwartungen. Es zeigt sich, dass bei weitem nicht alle Befragten aktiv in die Besetzung bzw. die Protestbewegung involviert sind. Knappe 55 Prozent gaben an, lediglich passive BeobachterInnen zu sein. Etwa 35 Prozent der Befragten sagten von sich, ab und zu aktiv involviert gewesen zu sein oder in Arbeitsgruppen mitgearbeitet zu haben. Nur etwa jede zehnte Person gab an, ständig in Arbeitsgruppen mitzumachen und sich auch ansonsten so viel wie möglich an den Protesten zu beteiligen. Umso optimistischer zeigen sich dagegen die Erfolgserwartungen der Befragten: Mehr als 60 Prozent sind sich sicher, dass die Proteste „erfolgreich“ oder sogar „sehr erfolgreich“ sein werden, wohingegen lediglich 11 Prozent der Meinung sind, dass die Bewegung „wenig oder überhaupt nicht erfolgreich“ sein wird.
Nun aber zu den eigentlichen Kernthemen der Studie: Welche der, von den BesetzerInnen gestellten Forderungen unterstützen die Audimax-BesucherInnen und wie stehen sie zu der Protestbewegung an sich? Es zeigt sich, dass die am meisten unterstützte Forderung – knappe drei Viertel aller Befragten gaben an, sich zu ihr zu bekennen – jene nach umfassender Bildung statt bloßer Ausbildung ist. Ebenfalls eine große Mehrheit an Zustimmung erhält die Forderung nach Ausfinanzierung der Unis mit 68 Prozent. Etwa jede zweite Person tritt für einen freien Hochschulzugang sowie für eine Demokratisierung der Universitäten ein.
Als besonders interessant erweist sich die Frage bezüglich der Forderung nach 50 Prozent Frauenanteil im Universitätsbetrieb. Hierbei ist zweierlei verwunderlich: Einerseits unterstützen etwa nur halb so viele Männer wie Frauen die Beschäftigungsquote – ein sehr interessantes Ergebnis, vor allem wenn in Betracht gezogen wird, dass die Geschlechterunterschiede hinsichtlich des Antwortverhaltens ansonsten in nahezu allen anderen Bereichen minimal sind. Noch mehr als dieser Unterschied vermag jedoch zu verwundern, dass selbst unter Frauen die Zustimmung zu einer ausgeglichenen Frauenquote im Universitätsbetrieb lediglich bei 19 Prozent liegt. Sowohl unter männlichen wie auch unter weiblichen Befragten zählt dies also – neben der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes – zu den am wenigsten zentralen Anliegen.

Gelungene Protestorganisation. Ein sehr eindeutiges Bild zeigen die Ergebnisse zu den Einstellungen der Audimax-BesucherInnen hinsichtlich der Proteste sowie der Besetzung selbst. Über 80 Prozent empfinden die Organisation der Protestbewegung als gelungen. Ebenso viele sind der Meinung, dass die Bewegung in der Lage ist, zu einer konstruktiven Bildungspolitik beizutragen. Dagegen sind bloß fünf Prozent der Überzeugung, dass Studierende durch die Proteste in ihren Lernbemühungen beeinträchtigt werden und lediglich acht Prozent sind der Meinung, dass durch die Bewegung zu hohe Kosten entstehen.
Zusammenfassend stellt sich also heraus, dass es den TeilnehmerInnen vor allem darum geht, gegen die, sich in den letzten Jahren stetig verschlechternde, (Aus-) Bildungssituation zu protestieren. „Bildung statt Ausbildung“, die am meisten unterstützte Forderung, ist jene Kernbotschaft, welche sich gegen zunehmende Verschulung und Einschränkung der Lehrpläne zugunsten (anscheinender) ökonomischer Verwertbarkeit richtet. Ein Unterfangen, das vor allem in den Sozial- und Geisteswissenschaften – jedoch keinesfalls nur dort – absurd erscheint. Zusammen mit der Forderung nach mehr finanziellen Ressourcen für den akademischen Betrieb komplettiert sich somit das Bild einer Studierendenschaft, welche die gegenwärtigen Zustände an Österreichs Universitäten als unzulänglich erachtet. Vom gegenwärtigen Standpunkt unserer Forschung aus kann gesagt werden, dass selbst unter den Befragten, die angeben, nur indirekt an der Bewegung beteiligt zu sein, die Zustimmung zu den Protesten außerordentlich hoch ist. Weitere von uns geplante Untersuchungen werden darüber hinaus ein noch detaillierteres Bild der Situation zeichnen können.

AutorInnen: Walter Swoboda