„Wir lieben unsere VoKü!“

  • 13.07.2012, 18:18

Die Volxküchen sind von den Protesten in den großen Hörsälen der österreichischen Universitäten nicht wegzudenken. Das politische Essen zum Selbstkostenpreis oder gegen eine freie Spende blickt auf eine lange Geschichte zurück, und ist nicht nur in Österreich sondern auf der ganzen Welt zu finden.

Die Volxküchen sind von den Protesten in den großen Hörsälen der österreichischen Universitäten nicht wegzudenken. Das politische Essen zum Selbstkostenpreis oder gegen eine freie Spende blickt auf eine lange Geschichte zurück, und ist nicht nur in Österreich sondern auf der ganzen Welt zu finden.

Durch die Besetzung der Hörsäle in Österreich ist die Volxküche vielen StudentInnen ein Begriff geworden. Für die Proteste sind diese so genannten VoKüs ein wichtiger Bestandteil, denn sie versorgen die sich engagierenden Personen mit gesunder Nahrung und dienen als Treffpunkt abseits der Arbeitsgruppen und Plena. „Ohne uns wäre eine so lange Besetzung gar nicht möglich!“, sagt eine Mitarbeiterin der VoKü im Audimax der Uni Wien selbstbewusst, während sie mit einem langstieligen Löffel in einem großen Topf mit Nudeln umrührt. Und tatsächlich wäre es wohl für die meisten Studierenden, die bei den Protesten mitarbeiten, finanziell gar nicht möglich, sich mehrere Wochen von Fastfood oder Restaurantessen zu ernähren anstatt zu Hause selber zu kochen.

Kochen mit Geschichte. Die Institution Volxküche gibt es aber nicht erst seit den Studierendenprotesten in Österreich. Denn im Rahmen von linken Aktionen und Veranstaltungen, aber auch als eigenständiges Event oder regelmäßiger Treffpunkt sind VoKüs schon seit den 1960ern zu finden. Ihre Geschichte geht jedoch noch weiter zurück. Seit über 150 Jahren gibt es Menschen, deren Ziel es ist, leistbares Essen für alle anzubieten. Unter dem Namen Volksküche, Suppenküche oder Armenküche kochten vor allem Frauen für bedürftige Menschen. Viele dieser Einrichtungen gingen davon aus, dass Armut naturgegeben, selbstverschuldet oder durch spezielle Notsituationen, wie zum Beispiel durch Krieg, temporär vorhanden ist und versuchten, diese zu lindern.
Im zweiten Weltkrieg gründeten die NationalsozialistInnen nach dem Verbot der ArbeiterInnenwohlfahrt in Deutschland die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“, die neben der Gründung von Kindergärten und der Betreuung von schwangeren Frauen auch die Speisung der Armen übernahm. Das Essen wurde allerdings nur an Menschen mit „rassischer und politischer Reinheit“ ausgeteilt. So wurde die eigentlich positive Idee der Verteilung von leistbarem Essen faschistisch vereinnahmt.
Dieser Umstand erklärt auch, warum sich die heutigen Volxküchen im deutschsprachigen Raum, die vor allem ab den 1980ern einen großen Aufschwung erfahren haben, mit einer bewussten Falschschreibung bezeichnen. Sie distanzieren sich somit von dem problematischen Begriff des Volkes. Einige VoKüs nennen sich Bevölkerungsküchen (BeVöKüs), um sich noch klarer von der rassistischen Konnotation des Wortes „Volk“ abzugrenzen.

Und was ist mit Fleisch? Volxküchen dienen nicht einfach nur dazu, Essen auszugeben. Die VoKüs zeigen durch ihre Arbeit auf, wie verschwenderisch in unserer Gesellschaft mit Lebensmitteln umgegangen wird. Sie lukrieren ihre Zutaten durch Spenden oder „containern“ und „dumpstern“, also durch das Sammeln von abgelaufenen oder weggeworfenen Lebensmitteln, die noch zum Verzehr geeignet wären. Gleichzeitig geht es ihnen auch darum zu zeigen, wie unmenschlich der Umgang mit Armut im kapitalistischen System ist. Armut ist nicht einfach vorhanden, sondern wird durch Kapitalismus erzeugt. Das politische Engagement der Kochenden wird jedoch in den meisten Fällen nicht gerne gesehen. Unzählige VoKü-AktivistInnen, vor allem in den USA, wurden schon verhaftet und eingesperrt.
Anders als manch eine Regierung haben die Gäste der VoKüs wiederum wenig am Essen auszusetzen – es schmeckt und ist leistbar. Einziger Kritikpunkt bleibt das Nichtvorhandensein von Fleisch. Tatsächlich ist es in den meisten Volxküchen so, dass ausschließlich vegetarische oder vegane Speisen zubereitet werden. Eine Mitarbeiterin der VoKü in der Uni Wien hat dafür eine simple Erklärung: „Fleisch würde sich einfach nicht lange genug halten.“
Der Grund liegt, neben der schon erwähnten schwierigen Lagerung von Fleisch, auch darin, dass der Konsum von tierischen Produkten für die VoKüs ein politisches Problem darstellt. Die Produktion von Fleisch, Milchprodukten und Eiern benötigt eine große Menge von pflanzlicher Nahrung für die Tiere, mit der stattdessen eine viel größere Anzahl von Menschen ernährt werden könnte als durch die so hergestellten tierischen Nahrungsmittel. Auch die Umweltverschmutzung durch die Nutztiere ist ein Kritikpunkt. Zusätzlich setzen sich viele VoKü-AktivistInnen dafür ein, dass es nicht länger zu einer Massentierhaltung und zu einem grausamen Töten von Lebewesen kommt. 

International abgeschmeckt. Volxküchen gibt es auf der ganzen Welt. So gibt es in der so genannten „dritten Welt“ Projekte, bei denen es vor allem darum geht, möglichst viele Menschen mit Nahrung zu versorgen und zu zeigen, dass eine selbstständige Organisation von Lebensmittelproduktion und -beschaffung möglich ist.
In Europa gibt es unzählige Organisationen, die für linke Events und Großdemonstrationen kochen. So zum Beispiel Le Sabot, die sich 2007 gegründet haben. Le Sabot ist vor allem bei Veranstaltungen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland anzutreffen. Sie bezeichnen sich selbst als mobile, vegane Mitmach-Küche.
In den USA gibt es seit genau 30 Jahren die Organisation Food Not Bombs. Mittlerweile sind sie in über 100 Gemeinden in den USA und der ganzen Welt aktiv. Sie versorgen Obdachlose, Tagesbetreuungseinrichtungen und Familien von streikenden ArbeiterInnen mit Essen.
Dies sind nur einige wenige Beispiele für erfolgreiche VoKü-Projekte. Sie und viele andere sind der Grund dafür, warum Menschen auf der ganzen Welt sich dem anschließen, was eine Studentin im besetzten Audimax der Uni Wien treffend auf den Punkt gebracht hat: „Wir lieben unsere VoKü!“

AutorInnen: Sophie Lojka