Arbeit als Gnade

  • 13.07.2012, 18:18

Der Praktika-Wahnsinn greift weiter um sich: Mehrmonatige Praktika ohne (nennenswerte) Bezahlung scheinen zum Standard zu werden – auch in öffentlichen Einrichtungen. Doch auch „normale“ Nebenjobs haben oft einen Haken.

Der Praktika-Wahnsinn greift weiter um sich: Mehrmonatige Praktika ohne (nennenswerte) Bezahlung scheinen zum Standard zu werden – auch in öffentlichen Einrichtungen. Doch auch „normale“ Nebenjobs haben oft einen Haken.

Das Inserat ist so knapp wie die Bezahlung: EineN PraktikantIn „ab sofort für 6 Monate – 40 Wochenstunden“ sucht eine bekannte Wiener Werbeagentur. In Aussicht gestellt wird eine „Taschengeldpauschale“ (!) von € 306 im Monat. Schlecht oder gar nicht bezahlte Praktika stehen mittlerweile auf der Tagesordnung – und das nicht nur in der Medien- und Werbebranche. 

Für reiche Kinder. Oft lautet das Tauschgeschäft, welches beiden Seiten recht bewusst ist: Tausche unbezahlte Arbeit gegen Referenz im Lebenslauf. Schließlich macht sich ein Praktikum bei einem renommierten Unternehmen oder einer bekannten Institution gut bei späteren Bewerbungen. In der Hoffnung auf zukünftig gute Jobs beißen Studierende nur allzu oft in den sauren Apfel schlechter Bezahlung und mieser Arbeitsbedingungen. Gerade was die Karriereplanung betrifft, offenbart sich ein weiterer Pferdefuß von Praktika: Ein mehrmonatiges Praktikum im Ausland muss meistens selbst finanziert werden. So sucht das österreichische Außenministerium für seine Botschaften in aller Welt VolontärInnen. Für die Dauer von zwei bis sechs Monaten wird dort gleich gar nichts bezahlt, auch Anreise und Unterkunft müssen selbst getragen werden. Statt in der Behandlung von PraktikantInnen mit gutem Beispiel voranzugehen, stellt sich so selbst die österreichische Bundesregierung auf eine Ebene mit den schlimmsten AusbeuterInnen auf dem studentischen Arbeitsmarkt.
Die Gesamtkosten für ein solches Praktikum werden sich je nach Arbeitsstandort und Land auf mehrere tausend Euro belaufen. Für Studierende, deren Eltern das nötige Kleingeld für diese Form der Karriereplanung nicht haben, eine unerreichbare Größenordnung. Und so fügt sich zur allgemeinen Ungerechtigkeit noch jene hinzu, dass das Außenministerium eine „Renommee-Zeile“ im Lebenslauf anbietet, die sich nur Kinder reicher Eltern leisten können.

Schmutzige Tricks. Selbst dort, wo die Entlohnung auf den ersten Blick nicht ganz so furchtbar scheint, lauern Fallen: Ein Sprachinstitut sucht beispielsweise für sechs Monate eineN PraktikantIn mit Studienabschluss „im Bereich KundInnenbetreuung“. € 1000 sind versprochen – kein sonderlich angemessener Lohn für Uni-AbsolventInnen. Dazu kommt die Abrechnung über einen Werkvertrag. Urlaubsanspruch, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Krankenstand? Bei Werkverträgen fällt das alles flach. Auch die Sozialversicherung fällt unter die Eigenverantwortung. Die Umgehung von echten Angestelltenverträgen durch Werkverträge ist ein beliebter Trick der ArbeitgeberInnen, der immer mehr um sich greift. Für so mancheN wirkt eine Anstellung schon wie ein Lottogewinn.

Flexibel oder prekär? Dabei würde Flexibilität beim Job gerade Studierenden entgegenkommen: zum Beispiel an eigene Lehrveranstaltungen angepasste Arbeitszeiten. Fast immer läuft die vermeintliche „Flexibilität“ jedoch nur in eine Richtung: zugunsten der ArbeitgeberInnen. Schlechte Arbeitsbedingungen, beispielsweise kaum planbare Arbeitszeiten, und ganz allgemein das Vorenthalten von sozialen Rechten machen studentische JobberInnen oft zu prekär Beschäftigten.
Die Frage nach den Ursachen solcher Entwicklungen ist dabei gar nicht schwer zu beantworten: Die ArbeitgeberInnen nutzen die schwierige Lage vieler Studierender aus, die auf Nebenjobs und Praktika angewiesen sind. Aus vielen Kollektivverträgen, die einen Großteil der ArbeitnehmerInnenrechte in Österreich regeln, sind PraktikantInnen gänzlich ausgenommen. Ein Mindestlohn für Praktika steht nach wie vor nicht auf dem Programm der Regierung. Auch bei der Umschichtung in Dienstverhältnisse „zweiter Klasse“ ziehen Studierende oft den Kürzeren. 

Im Paragrafendschungel. Eine weitere Schwierigkeit sind die oft kaum durchschaubaren, unterschiedlichen Regelungen bei Beihilfen, Sozialversicherung und Steuer. Sich genug Geld dazuzuverdienen wird zum Spießrutenlauf zwischen unterschiedlichen Zuverdienstgrenzen bei Familien- und Studienbeihilfe oder Unterhaltsleistungen der Eltern. Ein einzelner Euro über einer Einkommensgrenze kann beispielsweise die Rückzahlung der Familienbeihilfe für ein ganzes Jahr – über € 2.000  – bedeuten. 

SuperpraktikantIn? Der Finanzminister und Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) sucht zur Zeit „den Superpraktikanten“. Wer eine Woche mit dem Minister verbringen möchte, muss sich online bewerben, „gewählt“ werden und „darf“ dann für fünf Tage Finanzministerluft schnuppern – danach bekommt die „auserwählte Person“ einen Urlaub geschenkt. Obwohl sich die Regierung in ihrem Programm vorgenommen hat, etwas für PraktikantInnen zu tun, schlägt das genau in die oben beschriebene Kerbe des Prekariats. Denn bei Prölls SuperpraktikantIn geht es nicht um die Verbesserung der Dienstverhältnisse und soziale Absicherung sowie Rechte für PraktikantInnen, sondern um PR für ihn selbst. Was die Studierenden aber brauchen, nicht nur auf der Uni, sondern auch in der Arbeitswelt, sind Superrechte. 

 

AutorInnen: Sophie Wollner