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Aufhören um neu anzufangen

  • 18.03.2021, 16:45

Aufhören um neu anzufangen 

Als wäre es gestern gewesen: Die Hörnchen-Nudeln kochen auf dem Gasherd, Adrian bereitet sich wieder Mal seine Lieblingsspeise zu. Ich komme erledigt von meinem Werkstudenten-Job zurück in die WG und weiß, was mir bevorsteht – die ewige Suche nach Informationen und Prüfungserfahrungen zu meiner nächsten Prüfung „Nichtmetallische Werkstoffe“. Warum muss ich dafür aber einen ganzen Nachmittag einplanen? Wieso sind keine aktuellen Informationen einfach und schnell abrufbar? *Gedankenblitz* 

Ich stürme in die WG-Küche, Adrians Nudeln sind fast fertig. „Adrian, hör zu – wieso gibt es eigentlich keine Plattform, auf der ich einfach nach meiner nächsten Prüfung suchen kann und dort auf einen Blick alle Daten zur Prüfungsvorbereitung finde, die ich gerade benötige?“ Als ich den Satz ausgesprochen habe, kommt Christoph in die Küche, hört unserem Gespräch zu und wir merken alle drei, dass wir gerade eine echt interessante Idee haben, die in Zukunft vielen Studierenden eine Menge kostbarer Zeit ersparen würde. Da 2016 bereits digitale Medien der Renner waren, haben wir Paul, einen Freund aus Innsbruck, mit ins Boot geholt. Als technischer Kopf hatte er alles was es braucht, um eine digitale Lösung umzusetzen. 

Zwölf Monate später startete unsere Plattform an der TU Wien, weitere sechs Monate später war sie bereits auf insgesamt fünf Hochschulen in Österreich vertreten. Heute ist sie auf über 30 Hochschulen in Deutschland und Österreich vertreten, unser Team besteht aus acht jungen und lustigen Menschen und in unserem Unternehmen setzen wir uns tagtäglich für Gerechtigkeit und Studierbarkeit an Hochschulen ein. 

Doch was hat es gebraucht, um diesen Weg zu gehen? 

Um ehrlich zu sein, war es sehr beängstigend. Als 22-jährige junge Männer war uns nicht ganz bewusst, welche Verantwortung und welches Risiko wir mit der Gründung eines Unternehmens eingingen. Uns war auch nicht klar, dass sich ein Vollzeit-Studium an der TU Wien und TU München, ein Werkstudenten-Job und das parallele Aufbauen eines Unternehmens nicht unter einen Hut bringen lassen. Schnell durften wir aber lernen, was es bedeutete eine Idee umzusetzen. 

Unmenschliche Zeitbeanspruchung, nächtelanges Arbeiten, Schlaflosigkeit. Und trotzdem reichte die Zeit nicht aus. Wir schmissen unser Studium, um unseren Traum wahr werden zu lassen. Wir kündigten unsere Jobs, um unserem Traum näher zu kommen. Eins mussten wir akzeptieren, und wir lernten es auf die harte Art – in der Unternehmensgründung gibt es einfach deutlich mehr Downs als Ups. Und daran mussten wir uns erstmal gewöhnen. 

Als unsere Plattform timebite das erste Mal im Oktober 2017 online ging, war das extrem aufregend. Wir freuten uns über jede*n neue*n Nutzer*in auf der Plattform, über jedes Feedback. Es schien zu funktionieren! 

Wir entwickelten die Plattform stetig weiter, versuchten alles, um Studierenden den besten Dienst zu bieten. Aber dann wurde uns schnell klar – ohne Werkstudenten-Job wird es schwer, die WG-Miete zu bezahlen, geschweige denn Server- und Betriebskosten zu erhalten. Es musste eine Finanzierung her, sonst war’s das mit unserem Traum. Eines war uns aber von Beginn an klar: Studierende werden nie auch nur einen Cent für timebite bezahlen müssen, das passt uns einfach nicht. Daher redeten wir mit Unternehmen, präsentierten ihnen unsere Lösung und fragten, was wir entwickeln könnten, damit sie auch einen Nutzen davon ziehen würden. 

Daraus entwickelte sich unser erstes Geschäftsmodell und unsere kleine Firma warf das erste Mal Geld ab. Wow, we did it!
Wir hatten tatsächlich das erste Mal Geld mit unserer Idee gemacht. Wir konnten also weiterarbeiten, weiterüberlegen, weiterhin unsere Mission verfolgen und unserer Vision näherkommen – Studierenden jederzeit Zugriff zu relevanten Prüfungsinformationen zu gewähren. Neben den ganzen Tiefs, die man so hat, kamen auch ab und zu ganz erfreuliche Hochs. Und es wurden einfach immer mehr Hochs, ehrlich. Wir hatten schon fast Angst, es könnte tatsächlich mehr Ups als Downs geben! 

Im Laufe des Jahres 2019 entwickelten wir dann gemeinsam mit der TU Wien unser zweites Produkt – die App Quinn. Diese soll ECTS-Gerechtigkeit und Studierbarkeit fördern und Studierenden gleichzeitig ein Lerntagebuch bieten, um die eigenen Learning Analytics zu verfolgen. Die App hat nach einem Jahr über 180.000 getrackte Stunden von Studierenden gesammelt – ein großer Erfolg. Wir entwickelten weiters auch HILFMA, um eine digitale Nachbarschaftshilfe per App in der Coronakrise zu ermöglichen. Auch diese wurde innerhalb kürzester Zeit von tausenden Menschen und Betrieben genutzt, sogar zur App des Jahres 2020 nominiert. 

Außerdem halfen wir vielen Organisationen bei der Digitalisierung, bei der Entwicklung von Produkten, berieten unglaublich kluge und tolle Menschen. Kaum zu glauben, dass wir heute als Experten in unserem Gebiet gelten. Unser Team leistet tagtäglich Unglaubliches, um weiterhin Fairness im Studium zu etablieren, zentrale Anlaufstellen für Prüfungsinformationen zu betreiben und Studierende zu verbinden. Durch die Motivation, durch enormen inneren Antrieb und Verfolgung unserer Mission haben wir tatsächlich nach den Sternen gegriffen. 

Es war zwar nicht immer leicht, aber wir sind von einem zutiefst überzeugt: Wenn man macht, was man gerne macht, dann macht man es gut. Und wenn man gleichzeitig ein starkes Durchhaltevermögen zeigt, wird man es schaffen. Heute sitzen wir in unserem Büro, in den letzten drei Jahren der Selbstständigkeit gefühlt um zehn Jahre gealtert – aber was soll‘s, wir kommen unserem Traum immer näher, wir erfüllen unsere Mission, wir haben eine Vision. 

Emir Selimovic, Mitbegründer timbite Solutions GmbH

Nachhaltig Studieren

  • 18.03.2021, 16:51

Nachhaltig studieren

Universitäten weisen bei ihren wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen ein fundamentales Manko auf: Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein werden praktisch ignoriert. Das muss sich ändern. 

Nach meinem Schulabschluss entschied ich mich für ein Studium der Ökonomie, um meinen Wissensdurst über gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu stillen. Mich interessierten vor allem Volkswirtschaften insgesamt und die einzelnen Komponenten, die sie ausmachten. Wie funktioniert denn so ein Staat? 

Mit dieser und ähnlichen Fragen bewarb ich mich voller Elan an der Universität Wien, um Internationale Betriebswirtschaftslehre zu studieren. Meine anfängliche Euphorie verebbte recht schnell aufgrund einer ernüchternden Kenntnis. Die Lehre legte ihren Fokus hauptsächlich auf die Vermittlung von profitmaximierenden Theorien, die andere bedeutsame Aspekte, wie beispielsweise Nachhaltigkeit, ignorierten.

Dabei war auch zu meiner Studienzeit bekannt, dass der fortschreitende CO2-Ausstoß zu erheblichen Krisensituationen führen würde. Die stetig steigende Erderwärmung hat schon jetzt Hitzewellen, Waldbrände und den Meeresspiegelanstieg zur Folge. Für eine zukunftsfähige Welt müssen wir unseren CO2-Ausstoß drastisch reduzieren. 

Verfechter*innen der Klimawende hatten diese Reduzierung jahrzehntelang gefordert und tatsächlich reagierte die Politik nach andauerndem Klimaaktivismus allmählich auf die Forderungen. Insbesondere die massive FridaysForFuture-Bewegung schlug hohe Wellen in der politischen Landschaft und selbst Politiker*innen, die nicht zu naturnahen Parteien gehörten, befassten sich allmählich mit der Klimakrise. 

Bei der UN-Klimakonferenz in Paris im Jahre 2015 beschlossen Staatenlenker*innen die globale Erwärmung deutlich unter 2 °C, möglichst bei 1,5 °C zu halten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Treibhausgasemissionen wohl auf globaler Ebene zwischen den Jahren 2045 und 2060 auf null gesenkt werden. 

Im Hinblick auf das Klimaabkommen von Paris hat sich die Europäische Kommission ambitionierte Ziele gesetzt. Sie möchte ihre CO2-Emissionen drastisch senken und dafür sorgen, dass Europa im Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent avanciert.

Faktisch ist eine entschiedene Reduzierung der CO2-Emissionen nicht mit unserem herkömmlichen Wirtschaftssystem vereinbar, da dieses die Umwelt nicht priorisiert. Grundsätzlich hat es das Ziel, kontinuierlich für Wirtschaftswachstum zu sorgen, wofür in der jetzigen Form fossile Ressourcen verbraucht werden müssen und die Umwelt zerstört wird. 

An dieser Stelle muss klar betont werden, dass Wachstum per se keinen negativen Sachstand darstellt. Im Gegenteil, Wachstum kann Innovationen fördern, die Lebensqualität steigern und somit viele positive Merkmale aufweisen. Allerdings darf Wachstum nicht auf Kosten der Umwelt oder marginalisierter Bevölkerungsgruppen entstehen. Tatsächlich hat unser Wirtschaftssystem Ökologie, Gesellschaft und Ökonomie rigoros getrennt, wodurch soziale sowie ökologische Dilemmata entstanden sind. Ressourcen, Naturflächen, Arten und Ökosysteme sind konfrontiert mit Übernutzung und Ausbeutung. Darüber hinaus werden die Kosten, die durch Abfallproduktion und die Zerstörung der Umwelt verursacht werden, in unserem Wirtschaftsmodell nicht bedacht.

Fakt ist: Unternehmen sind einem gewissen Einfluss der Umwelt ausgesetzt. Beispielsweise leiden Agrarunternehmen unter Dürresommern und verlieren beim Klimawandel. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der als NGO die Umwelt und die Natur schützen möchte, schreibt auf seiner Website: „Wir zahlen schon heute hohe Reparaturleistungen für die Dürreschäden in der Land- und Forstwirtschaft, für Überschwemmungen, den Zubau der Deiche oder die Aufbereitung unseres mit Nitrat belasteten Grundwassers. Dieses Modell, das alle Kosten auf die Gesellschaft, andere Länder oder zukünftige Generationen abwälzt, hat keine Zukunft. Gebraucht werden deshalb neue, ganzheitliche und gemeinwohlorientierte Ansätze des Wirtschaftens“. 

Die Klimawende gelingt nur mit Vertreter*innen der Wirtschaft

Eine Abhilfe für diese elementare Misere könnte das Nachhaltige Wirtschaften schaffen, das die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs bei steigendem Wachstum anstrebt. Im Fachjargon ist oft von „Entkopplung“ der Faktoren Ressourcenverbrauch und Wachstum voneinander die Rede. Eine solche Entkopplung ist für das Erreichen des Klimaziels 1,5 Grad Erderwärmung nötig. Doch einer Studie mit Beteiligung von Forscher*innen der Universität für Bodenkultur zufolge haben sich Materialverbrauch und Energiekonsum vom Wirtschaftswachstum so gut wie gar nicht gelöst.

Es muss ein grundsätzliches Umdenken in der Gesellschaft entstehen, bei dem Nachhaltigkeit und Umweltschutz zum Dogma erhoben werden. Nur mit kollektiven Kraftanstrengungen kann die Klimawende gelingen. Die*der einzelne Konsument*in kann sich z.B. an Siegeln orientieren, die umweltfreundliche Produkte und Dienstleitungen kennzeichnen. In Deutschland gibt es zum Beispiel den Blauen Engel, den nur nachhaltige sowie umweltschonende Produkte und Dienstleistungen erhalten. Der Blaue Engel kooperiert auch mit Österreich und kann für Verbraucher*innen als Indikator für einen nachhaltigen Konsum dienen. Noch bedeutsamer kann es jedoch sein, den sogenannten „materiellen Fußabdruck“ zu betrachten, der auch den Ressourcenverbrauch bei der Produktion berücksichtigt. So werden beispielsweise bei der Benutzung von Elektroautos keine fossilen Brennstoffe verbraucht, bei der Herstellung schon. Treibhausgasemissionen werden überwiegend von Betrieben verursacht, die der Wirtschaft zugeordnet werden können, nicht von Individuen. Demnach braucht es für die Klimawende die Kooperation von Vertreter*innen der Wirtschaftswelt.

Vor diesem Hintergrund fällt auf universitäre Einrichtungen, die zukünftige Unternehmer*innen ausbilden, eine besondere Verantwortung. Ein Studium stellt eine sehr prägende Zeit dar, die sich auch auf die Zukunft des*r jeweiligen Studierenden auswirkt. Umso wichtiger erscheint es, in der wirtschaftswissenschaftlichen Universitätsausbildung verpflichtende Kurse einzubauen, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Die Schaffung einer Sensibilisierung im ökonomischen Universitätsumfeld ist wesentlich für das Erreichen eines nachhaltigen Wirtschaftssystems. In diesem Sinne müssten Fächer in den Stundenplan von Wirtschaftsstudiengängen eingebaut werden, bei denen die Dringlichkeit der Klimawende aufgezeigt werden. Curricula müssen den Aspekt der Nachhaltigkeit aufgreifen und dürfen sich nicht nur auf die Lehre der Neoklassik, also der herkömmlichen Wirtschaftslehre, beschränken. 

In Wirklichkeit gibt es schon eine Bewegung, die sich gegen eben diese neoklassische Unterrichtslehre stellt. Verfechter*innen der sogenannten „Pluralen Ökonomik“ kritisieren die traditionelle Wirtschaftslehre, da diese soziale sowie ökologische Aspekte nicht abdeckt und somit als realitätsfern gilt. Die Plurale Ökonomik hat ihren Ursprung um die Jahrtausendwende in Paris, wo Student*innen gegen den neoklassischen Monotheismus protestierten. Sie verurteilten die neoklassische Mainstreamlehre, die als absolutistische Unterrichtsform deklariert wurde. Befürworter der Pluralen Ökonomik sprechen sich für pluralistische Ansätze und Methoden aus, die sich nicht auf profitmaximierende Strukturen beschränken. Unter anderem fordern sie die Etablierung des nachhaltigen Wirtschaftens in der Universitätslehre.

Was genau ist denn die Neoklassik und wie wirkt sie sich auf die Universitätslehre aus?

„Die neoklassische Theorie stellt die Wirtschaft vor allem als System von Märkten dar, auf denen Angebot und Nachfrage durch die Güterpreise ins Gleichgewicht gebracht werden.“ Diese Beschreibung ist im Duden aufzufinden und im Grunde drückt sie aus, dass Unternehmen in ihrem Tun Gewinnmaximierung anstreben. Verbraucher*innen haben das Ziel, mit dem Konsum ihre Bedürfnisse zu befriedigen und die Wirtschaftsschaffenden antworten auf diese Nachfrage mit einem Angebot, durch das sie den größtmöglichen Profit generieren möchten. Je nachdem wie hoch die Nachfrage und das Angebot sind, pendelt sich der Preis für das jeweilige Produkt oder die Dienstleitung bei einem bestimmten Niveau ein. 

Eben diese Theorie wird im Studium als Maxime gelehrt, wodurch andere Ansätze unbeachtet bleiben. In meinem Studium wurde nicht nur der Aspekt der Nachhaltigkeit völlig ignoriert, sondern auch überwiegend der soziale Faktor. Erst später jedoch wurde mir bewusst, dass ich gewissermaßen eine Wissenslücke in Bezug auf das gesamtwirtschaftliche Konstrukt hatte. Nicht nur mir ging es so.

„Nach dem Studium habe ich gemerkt, dass ich überhaupt nicht vorbereitet war auf das wahre Leben und meinen Beruf in der Wirtschaftswelt. Eigentlich habe ich nur gelernt, dass die Anhäufung von Gewinn das Wichtigste ist. Heute weiß ich aber, wie bedeutsam Themen wie Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsability sind“, sagte eine ehemalige Kommilitonin von mir, die anonym bleiben möchte und auch Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wien studiert hat. Als Mitarbeiterin in einer Marketingabteilung weiß sie, dass die Erzielung von Gewinn überaus wichtig ist, doch nicht das ausschließliche Ziel eines Unternehmens darstellen sollte. 

Insbesondere durch die eindrucksvolle FridaysForFuture-Bewegung hat sie sich mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit beschäftigt und eine gewisse Sensibilisierung zu diesem Thema erlangt. 

Nachhaltigkeit muss verpflichtend in die Studienpläne

Der Mangel an Nachhaltigkeitsthemen in Wirtschaftsstudiengängen ist kein Phänomen, das ausschließlich an der Universität Wien existiert. Auch an allen anderen staatlichen österreichischen Universitäten werden ökologische Themen nicht in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen behandelt. Lediglich die Johannes-Kepler-Universität in Linz und die Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck bieten ökologische Wirtschaft als Wahlfach an. 

Meiner Meinung nach muss Nachhaltigkeit verpflichtend in die Curricula eingeführt werden, damit wir für uns und Folgegenerationen eine lebbare Welt schaffen können. Die klimatische Notlage ist akut und das muss auch in ökonomischen Studiengängen verdeutlicht werden. In diesem Zusammenhang habe ich eine Petition gestartet, bei der ich genau das verlange:

(http://chng.it/Zv9hCVzt). 

In unserem System muss sich vieles ändern, damit wir in Europa im Jahre 2050 Klimaneutralität behaupten können. Die Einführung von Nachhaltigkeit in den Wirtschaftsstudiengängen ist ein Anfang.

Atahan Demirel studiert internationale Betriebswirtschaftslehre an der Uni Wien

Dolores Bakos (Neos) im Interview.

  • 18.03.2021, 16:56

Dolores Bakos im Interview: Es braucht mehr Verlässlichkeit in der Politik im Zusammenhang mit langfristigeren Möglichkeiten!

Dolores Bakos, Abgeordnete im Wiener Landtag, hat sich Zeit genommen, das Vorhaben der NEOS betreffend die Zukunft der Student_innen im Rahmen eines Interviews zu erläutern. Wie geht es mit den Student_innen weiter? Ein kleiner Einblick in die Konzepte, den Wirtschaftsstandort Wien zu stärken, Generation Praktikum abzuschaffen und auch in der Krise zu unterstützen. 

Die Coronakrise hat zur Folge, dass das AMS im November 390.858 Menschen österreichweit als arbeitslos gemeldet verzeichnen musste. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Zuwachs von 30,5 %. Wien muss für den Monat November sogar einen Anstieg von 31,6 % im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen, was für 142.638 Menschen in Wien die Erwerbslosigkeit bedeutet. 

Besonders Menschen mit ohnehin geringem Einkommen wie Studenten, die neben dem Studium oft auf geringfügige Dienstverhältnisse angewiesen sind, um sich ihren Lebensunterhalt zu sichern, trifft die Krise besonders hart. Laut Schätzungen der Österreichischen Hochschüler_innenschaft sind 60% der 380.000 Student_innen in Österreich neben dem Studium berufstätig, der überwiegende Teil davon in geringfügigen Dienstverhältnissen wovon mindestens ein Drittel bereits im März ihr Dienstverhältnis verloren haben. Zusätzlich scheint es, dass diese Berufsgruppe bei sämtlichen längerfristigen staatlichen Auffangnetzen durch die Maschen fällt. 

Die Österreichische Hochschüler_innenschaft fordern für geringfügig beschäftigte Student_innen ein System, das ähnlich dem der Kurzarbeit ist oder andere Unterstützungsmodelle. Ebenso Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl: Sie betont, dass nicht nur Student_innen von der Krise betroffen sind, sondern auch Pensionist_innen, die sich ihre Pension verbessern und Eltern mit Betreuungspflichten, die auf diesen Zuverdienst angewiesen sind. 

Dolores Bakos ist Abgeordnete zum Wiener Landtag und somit Teil der führenden Kräfte der neuen Wiener Stadtregierung. Sie hat sich Zeit genommen, Fragen zur momentan eher trist wirkenden Situation der Student_innen zu beantworten.

Progress: Die Corona Krise trifft Studierende besonders hart, viele Student_innen haben ihren Job verloren, wie ist der Plan für Studenten hier neue Chancen und Möglichkeiten zu schaffen?

Dolores Bakos: Die Branchen, in denen Student_innen hauptsächlich tätig sind, sind überwiegend der Handel und die Gastronomie. Ziel der NEOS ist es vor allem in Hinblick auf diese Krise Möglichkeiten zu schaffen, die Klein- und Mittelbetriebe wirtschaftlich stärken. Den Betrieben sollen Werkzeuge in die Hand gegeben werden, die es erlauben, neue Arbeitskräfte einzustellen und auch zu halten. Eine vernünftige Abgabenregulierung der Wiener Betriebe kann hier ein erster Schritt sein. Gebrauchsabgaben beispielsweise sollten verhältnismäßig und treffsicher sein. Die Luftsteuer wäre etwa so ein Beispiel, das man sich ansehen müsste. 

Progress: Wäre eine Strategie im Zusammenhang mit der Kurzarbeit denkbar? Geringfügig Beschäftigte haben leider keine Möglichkeit auf ein Model dieser Art zurück zu greifen. 

Bakos: Ich sehe die Kurzarbeit als arbeitsmarktpolitische Intervention und nicht als sozialpolitische Maßnahme. Die Problematik mit der Kurzarbeit ist jene, dass dieses Model als Überbrückungshilfe gedacht ist. Die Überbrückung soll, metaphorisch dargestellt, von einem Steg zum anderen führen und eine Überbrückung des Flusses, also der Krise, darstellen. Sie darf nicht Steg ins offene Meer sein, bei niemandem. Kurzarbeit darf keine Endstation sein. Es braucht mehr Verlässlichkeit in der Politik im Zusammenhang mit langfristigeren Möglichkeiten. Gibt es keine Optionen nach der Corona-Krise für die Beschäftigten, macht dieses Modell keinen Sinn. 

Für Studierende in finanziellen Schwierigkeiten braucht es trotzdem dringend ein Auffangnetz. Wir sprechen uns klar für die Nachbesserung des Kurzarbeitsmodelles im Sinne der 350.000 geringfügigen Arbeitnehmer aus.

Zusätzlich ist der ÖH Corona Härtefonds ein gutes Instrument. Es gibt aber noch Lücken, die gefüllt werden müssen – zum Beispiel können Alleinerziehende in geringfügiger Beschäftigung nicht auf den Corona Familienhärtefonds zugreifen, was wir gefordert haben.

Progress: Es gab für Studierende die Lösung eines „neutralen Semesters“. Dieses galt jedoch nur in Bezug auf die Familien- und Studienbeihilfen. Die Studiengebühren für berufstätige Studierende oder jene, die aus anderen Gründen außerhalb der Regelstudienzeit sind, wurden nicht ausgesetzt. Welche Haltung haben die NEOS zu diesem Vorgehen?

Bakos: Hier sehe ich ganz klar Bildungsminister Heinz Faßmann in der Verantwortung. Das Hauptargument, warum die Studienbeiträge nicht rückerstattet werden, war, dass das Studium ja in digitaler Form weitergegangen ist. An den Fachhochschulen ist das überwiegend auch gut gelungen, an manchen anderen Hochschulen jedoch wurde die Digitalisierung verschlafen, weshalb nicht schnell genug auf Distance Learning umgestellt werden konnte. Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass eine echte Digitalisierung in den Hochschulen notwendig ist – nicht nur für und in Zeiten einer globalen Pandemie.

JUNOS Studierende haben sich im Übrigen stark für die Einführung von treffsicheren Gründen für den Erlass bzw. die Rückerstattung eingesetzt, etwa für Studierende in finanziellen Notlagen; Studierende, die besondere Dienste während COVID gleistet haben oder solche, die einfach nicht studieren konnten, da die Lehre nicht funktioniert hat.

Progress: Die Stadt Wien stellt im Rahmen des Contact Tracing Arbeitnehmer ein, wieso gibt es hier keine Möglichkeiten der Teilzeitanstellung, um auch von der Krise betroffene Studenten abzufedern?

Bakos: Das klare Ziel des Contact Tracings war es, die Pandemie zu bekämpfen und nicht die Arbeitslosigkeit. Je schneller die Ausbreitung des Virus unter Kontrolle ist, desto schneller ist eine Wiederöffnung möglich, was wiederum zu besseren Chancen für Studierende am Arbeitsmarkt führt. Es muss klar sein, dass die Priorität auf einer effizienten und effektiven Eindämmung des Virus liegen muss.

Progress: Dass Langzeitarbeitslose zwischenzeitlich als Contact Tracer eingesetzt werden sollten ist jedoch ein klares Zeichen dafür, dass im Zuge der Pandemiebekämpfung auch gegen die Arbeitslosigkeit vorgegangen werden soll. Wieso hat man die Studenten nicht berücksichtigt, die sich eventuell auch gerne engagiert hätten und einige Arbeitsplätze für diese Zielgruppe geschaffen?

Bakos: Ich verstehe die Anliegen der Studenten und auch, dass das eine Möglichkeit gewesen wäre, die man hätte in Betracht ziehen können. Die NEOS sind jedoch erst seit einigen Wochen in der Stadtregierung, ich bin hier selbst nicht zuständig und kann mich hierzu daher nur bedingt äußern. 

Progress: Was können von der Krise betroffene Studenten akut tun, um Hilfe zu bekommen?

Bakos: Hier fällt mir, wie oben bereits erwähnt, der ÖH Corona Härtefonds ein. Das zum Beispiel wäre eine Möglichkeit, wie Studenten geholfen werden kann.

Progress: Der ÖH Corona Härtefonds ist mit seinen Kriterien selektiv bzw. handelt es sich dabei um eine einmalige finanzielle Unterstützung. Ist diese Möglichkeit ausreichend zur Abfederung?

Dolores: Der ÖH Corona Härtefonds ist ein wichtiges Mittel. Er ist zwar strikt, die engmaschigen Kriterien sorgen jedoch dafür, dass das Geld treffsicher verteilt wird. Unsere Lösung ist ein längerfristiger Prozess, der eine Wiederbelebung der Wirtschaft im Fokus hat, damit alle davon profitieren können. Zusätzlich kommt wie bereits angesprochen eine Nachbesserung des Kurzarbeitsmodells zugunsten der geringfügig Beschäftigten in Frage.  Die JUNOS haben sich auch um eine Rückerstattung der Studiengebühren bemüht, alle anderen Möglichkeiten sehe ich als längerfristigen Prozess, der vor allem nach der Krise stattfinden soll. 

Progress: Viele Studenten haben Angst, mit abgeschlossener Universität und einem Titel in der Tasche trotzdem vor der Arbeitslosigkeit zu stehen, vor allem die Krise und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen bestärken dieses Gefühl. Was kann hier eine Lösung sein? 

Bakos: Die Probleme mit Uni-Absolvent_innen zeichnen sich schon länger ab und es wird viel zu wenig darüber gesprochen. Meiner Meinung nach sind wir gerade dabei, eine „Generation Praktikum“ zu schaffen. Absolvent_innen müssen viel zu oft und lange zwischen befristeten und schlecht oder gar nicht bezahlten Praktika hin und her hetzen, bevor sie zu einer Festanstellung kommen. Ziel der NEOS ist es den Wirtschaftsstandort Wien zu stärken und somit die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt zu sichern. Durch eine aktive und innovative Standortpolitik sollen hier mehr qualitative Arbeitsplätze für AbsolventInnen geschaffen werden.  

Progress: Wie stehen die NEOS dazu, dass das Studiengesetz verändert werden soll? Von einer automatischen Exmatrikulation und einem mehrjährigen Verbot, diese Studienrichtung zu studieren, wird gesprochen. Auch eine Schwächung des Senats soll im Zuge dessen vorgenommen werden. 

Bakos: Zurzeit ist noch völlig unklar, wie viele Studierende von dieser Regelung überhaupt betroffen wären. Wir haben dazu eine Anfrage an Bildungsminister Heinz Faßmann gestellt, da ohne genaue Fallzahlen solche Entscheidungen nicht getroffen werden sollen. Uns ist es ein Anliegen, dass Studierenden die Situation nicht noch zusätzlich erschwert wird und eine solche Regelung nur um Karteileichen auszusortieren, geht viel zu weit.  

Um vor allem berufstätige Studierende zu unterstützen, fordern die JUNOS Studierenden ein Modell mit nachgelagerten Studiengebühren und gleichzeitig einem Ausbau der Teilzeitstudien. Hier fordern die JUNOS, welche sich sehr stark in diesem Bereich engagieren, mehr Flexibilität, im Konkreten, um nur einige Verbesserungsmöglichkeiten zu nennen, weniger Voraussetzungsketten, weniger verpflichtende Anwesenheit und mehr Wahlfächer. 

Die einseitige Schwächung des Senats begrüßen wir nicht. Die demokratische Mitbestimmung der Studierenden ist uns ein Anliegen und darf nicht geschwächt werden. 

Progress: Was machen berufstätige Studierende und solche mit Betreuungspflichten, ist der Ausbau der Beurlaubungsmöglichkeiten ausreichend, um diesen Studierenden einen fairen Zugang zu ermöglichen?

Bakos: Berufstätige Studierende sowie diejenigen mit Betreuungspflichten bräuchten vor allem die Einführung eines flexiblen Teilzeitstudiums. Der Ausbau der Beurlaubungsmöglichkeiten reicht hier eindeutig nicht. Es muss möglich sein, das Studium so zu gestalten, wie es einem passt, damit man eben nebenbei arbeiten kann, um das Leben zu finanzieren, oder, damit man seine Betreuungspflichten wahrnehmen kann.

Progress: Vielen Dank für das Interview!

 

Privilegiendiskurs

  • 18.03.2021, 17:01

Privilegiendiskurs

Im öffentlichen Diskurs über Diskriminierung hat sich in letzter Zeit der Schwerpunkt von Diskriminierung auf deren Gegenstück, nämlich sogenannte „Privilegien“ verlagert, zum Beispiel in Form von Listen „männlicher Privilegien“, „weißer Privilegien“ oder vergleichbarer „Privilegien“ anderer Identitätskategorien. Auch wenn derartige Konzepte eine längere Vorgeschichte haben, geht der jetzige Diskurs vor allem auf den 1988 verfassten Text „White Privilege: Unpacking the Invisible Knapsack“ von Peggy McIntosh zurück, in dem eine Liste von „Privilegien“ angegeben ist, die von Weißen üblicherweise als selbstverständlich erachtet werden.

Es besteht die Frage, wie sinnvoll hierfür der Begriff „Privilegien“ ist, welcher üblicherweise verwendet wird, um eine Ausnahme vom Normalfall zu beschreiben, was auch von der Definition im Duden als „einem Einzelnen, einer Gruppe vorbehaltenes Recht, Sonderrecht; Sonderregelung“ angedeutet wird. Wenn eine Personengruppe ungefähr die Hälfte oder sogar eine Mehrheit der Gesellschaft ausmacht, ist es deswegen fraglich, inwiefern das dann nicht eher den Normalfall als eine Ausnahme vom Normalfall darstellt.

Unabhängig davon, ob der Begriff jetzt gut gewählt ist oder nicht, soll im Folgenden der Inhalt genauer betrachtet werden. Neben Fragen der Repräsentation bestehen diese „Privilegien“ nämlich vor allem einfach darin, nicht auf Grund einer bestimmten Identitätskategorie diskriminiert zu werden. Dies stellt auch Peggy McIntosh fest, wenn sie schreibt, dass manche dieser „Privilegien“ nicht unbedingt schädlich sind, sondern die Norm in einer gerechten Gesellschaft darstellen sollten. Wenn man will, dass Menschen nicht auf Grund irgendwelcher Identitätskategorien benachteiligt werden, scheint es aber widersinnig, sich auf die Abwesenheit derartiger Benachteiligung zu konzentrieren. Das Problem liegt ja dann vor, wenn gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen wurde und nicht, wenn das Diskriminierungsverbot eingehalten wurde.

Auch wenn Diskriminierung in den einschlägigen Texten als ein strukturelles statt nur individuelles Problem angesehen wird, wird aber gleichzeitig die Lösung dieses Problems individualisiert. Die Reflexion eigener Privilegien mag vielleicht nützlich sein, um ein Problembewusstsein zu schaffen, aber dies wird wenig helfen, wenn man das Problem vor allem darin sieht, dass andere Menschen nicht ebenso ihre Privilegien reflektieren. Während bei Peggy McIntosh hier noch ein Bewusstsein für die mangelnde Effektivität eines individualistischen Lösungsansatzes vorhanden ist, wird ein derartiger Ansatz in neueren Texten teilweise offen propagiert, wie das folgende Zitat von Robin DiAngelo zeigt: „Since all individuals who live within a racist system are enmeshed in its relations, this means that all are responsible for either perpetuating or transforming that system.“

Im Gegensatz zu strukturellen Lösungsansätzen lassen sich solche individualistischen Ansätze auch gut vermarkten, wie die mittlerweile nur mehr schwer überschaubare Industrie sogenannter Diversitätstrainings zeigt. Inwiefern die dort angeleitete Reflexion tatsächlich dazu beiträgt, diskriminierendes Verhalten zu beseitigen, ist dabei unerheblich. Der tatsächliche Abbau von Diskriminierung würde vielleicht sogar einen wirtschaftlichen Schaden bedeuten, wenn ausbleibende gesellschaftliche Veränderungen darauf zurückgeführt werden, dass anscheinend noch nicht genügend Selbstreflexion betrieben wurde – wofür man dann die Lösung in Form von noch mehr Diversitätstrainings im Angebot hat.

Unabhängig von derartigen Entwicklungen konzentriert sich aber auch schon der ursprüngliche Text vor allem auf das Verhalten von Individuen. Es stimmt zwar, dass gewisse Identitätskategorien einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz am Wohnungs- oder Arbeitsmarkt darstellen, aber andererseits ist es irritierend, welche Art von Konkurrenz hier aufgebaut wird. Statt zu fragen, warum diese Konkurrenz überhaupt besteht, wird das Problem auf gewisse Personengruppen innerhalb dieser Konkurrenz verlagert. In der Praxis ist dies vor allem dazu geeignet, eine Entsolidarisierung der Gesellschaft zu fördern, wenn sich zum Beispiel die „privilegierten“ und diskriminierten Wohnungssuchenden als entgegengesetzte Interessensgruppen betrachten statt als gemeinsame Interessensgruppe gegenüber dem Wohnungsmarkt. Auch für die Situation von diskriminierten Minderheiten wird es wenig förderlich dabei sein, gesellschaftliche Mehrheiten auf die eigene Seite zu bringen, wenn diese vor allem als Teil des Problems angesehen werden. Minderheiten mögen zwar überproportional von gewissen Problemen betroffen sein, aber immun sind gesellschaftliche Mehrheiten deswegen nicht: So mag eine „weiße“ Hautfarbe in den USA vor rassistisch motivierten Polizeiübergriffen schützen, aber vor Polizeiübergriffen im Allgemeinen schützt sie nur bedingt, wie das Extrembeispiel von Hannah Fizer zeigt, die im Juni 2020 von der Polizei erschossen wurde, obwohl sie selbst unbewaffnet war.

Wohin der Diskurs über „Privilegien“ in der Praxis führen kann, zeigt auch die kürzliche Debatte um die Rücknahme der „Hacklerregelung“, von der ÖVP-Vizeklubchefin Gaby Schwarz als „Männerpension“ und „ungerechtes System“ bezeichnet, da in der Praxis ausschließlich männliche Schwerarbeiter von dieser Regelung profitieren: Nicht nur eignet sich der Fokus auf „Privilegien“ bestens dazu, den Abbau von Sozialleistungen zu begründen – er ermöglicht es darüber hinaus sogar, den Abbau von Sozialleistungen als emanzipatorischen Akt darzustellen.

 

Nutze deine Stimme!

  • 28.04.2021, 08:17

Die ÖH ist die offizielle Vertretung der über 370.000 Studierenden in ganz Österreich. Sie vertritt Studierende und deren Rechte gegenüber Politik, Universität und Gesellschaft. Die Österreichische Hochschüler_innenschaft ist nicht ohne Einfluss und konnte in der Vergangenheit schon viel für Studierende erreichen! Die ÖH ist nämlich Anlaufstelle für persönliche und professionelle Beratung und hat fundiertes Wissen, sowie externe Kontakte, um dir bei allen Anliegen helfen zu können. Wenn die ÖH dies auch weiterhin sein soll und eine starke Stimme für alle Studierenden in Österreich darstellen soll, ist es wichtig, dass viele Personen zur Wahl gehen. Eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zeigt auch, dass die Studierenden an unseren Hochschulen und unser Studium nicht egal sind und wir zweifelsohne auch bereit sind, für eine bessere Hochschullehre und bessere Bedingungen für Studierende und die Gesellschaft zu kämpfen. Wählen zu gehen stärkt nicht zuletzt die Position der ÖH gegenüber den Verantwortlichen; egal welche Fraktion du dabei unterstützt.

Falls dich das noch nicht überzeugt hat, haben wir hier 10 Gründe warum es wichtig ist an der ÖH-Wahl 2021 von 18.-20. Mai zu partizipieren:

1.     Jede Stimme zählt

Du hast also das Gefühl, dass deine Stimme nicht viel bewegen kann? Oft genug war es auch in den vergangenen Jahren bei Wahlen knapp, sei es in Bezug auf eine Regierungsbildung, eine Koalition auf der ÖH Bundesvertretung oder bei der Entscheidung, welche Person zukünftig das Amt als Bundespräsident_in innehaben darf. Das zeigt, wie ausschlaggebend jede einzelne Stimme für den Ausgang der Wahl sein kann. Nur, wenn du wählen gehst, können Meinungen in Form einer Abstimmung etwas bewirken und deine Interessen vertreten werden. Jede abgegebene Stimme ist also relevant!

2.     Wahlen sind ein wichtiges Recht

In vielen Ländern sind demokratische Wahlen ein Privileg, für welches hart gekämpft wurde und immer noch wird. Beispielsweise 1918, als Frauen in Österreich nach jahrzehntelangem Kampf endlich das Recht zu wählen erlangten. Aber auch heute sind demokratische, faire Wahlen in vielen Ländern dieser Welt nicht selbstverständlich, blickt man beispielsweise nach Myanmar, wo bei Protesten gegen den Militärputsch unzählige Demonstrant_innen verhaftet und auch getötet wurden.  Wahlen sind ein wichtiges Recht für jede Bürgerin und jeden Bürger und der Grundbaustein jeder Demokratie. Eine Demokratie erfordert somit auch das Mitwirken aller, sonst geht die Macht und Entscheidung nicht mehr vom Volk aus. Genau aus diesen Gründen ist es so wichtig, dass wir alle dieses hart erkämpfte demokratische Recht auch nutzen sowie zu schätzen wissen und du daher deine Stimme bei der ÖH- Wahl abgibst.

3.     Alle dürfen wählen

Alle Studierenden sind aktiv und passiv wahlberechtigt, wenn sie im Semester, in dem die ÖH-Wahl stattfindet, studieren. Das bedeutet, dass du dich entweder zur Wahl selbst aufstellen lassen kannst oder eben deine Stimme einer Fraktion oder einer Person geben kannst. Du musst dafür nur zur Fortsetzung deines Studiums gemeldet sein und den ÖH-Beitrag, sowie eventuelle Studiengebühren fristgerecht bis 30. März 2021 bezahlt haben, um bei der Wahl zwischen 18. und 20. Mai 2021 stimmberechtigt zu sein.

Im Gegensatz zu einer Nationalrats- oder Bundespräsidentschaftswahl darfst du dich also unabhängig von deiner Staatsbürger*innenschaft, deines Wohnorts oder deines Alters bei der ÖH-Wahl beteiligen und aktiv mitbestimmen. Nutze also unbedingt dieses Recht!

4.     Ohne deine Stimme entscheiden die anderen

Du denkst vielleicht, dass Nichtwählen keinen Einfluss auf das Wahlergebnis hat, aber in Wahrheit stellt sich eine Wahlverweigerung gegen deine Interessen. Gehst du nämlich nicht wählen, entscheiden die Stimmen der anderen, wer dich und deine Studierendeninteressen in Zukunft gegenüber Politik und Universität vertreten wird. Deine Stimme wird also nicht an jene verteilt, die deine Interessen am ehesten umsetzen - somit haben andere einen Vorteil. Weiters fließen nicht abgegebene Wahlzettel nicht ins Abstimmungsergebnis ein und somit geht auch ein möglicherweise ausschlaggebendes Gewicht bei der Vertretung aller und insbesondere auch deiner Anliegen verloren.

5.     Mit einer Nichtwahl sagst du nichts aus

Solltest du mit Nichtwählen Protest ausdrücken wollen, führt das nicht zu dem Effekt, den du dir damit höchstwahrscheinlich erhoffst. Wenn du deine Stimme nicht ab gibst, kann das zwar Vieles bedeuten. Einerseits kann es bedeuten, dass du dich am bestehenden System nicht beteiligen möchtest und du mit keiner der bestehenden Fraktionen zufrieden bist. Andererseits aber auch, dass du anderen Studierenden vertraust, das Richtige zu wählen. Der Haken: Was genau die Hintergründe für dein Nichtwählen sind, wird niemand erfahren, sodass du damit auch nichts konkretes erreichen wirst. Daher ist es so wichtig, zur Wahl zu gehen, wenn du etwas damit erreichen möchtest.

6.     Damit du sichergehen kannst, dass deine Interessen vertreten sind

Die wahlwerbenden Gruppen, die für die Wahl der ÖH Bundesvertretung und die Hochschulvertretungen kandidieren, und die Personen, die für die Studienvertretungen kandidieren, vertreten durchaus unterschiedliche Positionen.  Beispielsweise gehen die Meinungen zu Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren, der ÖH-Pflichtmitgliedschaft und gesellschaftspolitischen Engagement sowie dem Allgemeinpolitischen Mandat weitestgehend auseinander und viele unterschiedliche Meinungen werden repräsentiert. Die einzelnen Fraktionen sind auf unterschiedlichste Weise organisiert und nicht alle sind einer Parlamentspartei nahe. Du hast also durchaus die Möglichkeit, mit deinem Stimmverhalten die Standpunkte der ÖH nach außen wesentlich im Sinne deiner Interessen zu beeinflussen.

 

7.     Wählen gehen ist einfach und dauert nicht lange

Der Prozess des Wählens an sich ist überhaupt keine schwierige Sache und wirklich jede und jeder, der ihn vollziehen möchte, kann ihn auch bewältigen. Natürlich solltest du dir bereits vor dem Wahltermin darüber klar sein, wen du wählen möchtest und aus welchen Gründen. Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen sogenannten wahlwerbenden Gruppen oder auch Fraktionen, sowie deren Ziele und Programme musst du selbst betreiben. Jedoch bietet diese Ausgabe genau darüber einen Überblick und soll dir die wichtigsten Informationen zur Unterstützung deiner Entscheidung geben.

Die Kreuze bei der Wahl selbst ist allerdings eine Sache von nur wenigen Minuten. Und du kannst sogar mittels Briefwahl ganz einfach zwei der drei Ebenen, die gewählt werden (also Bundesebene und Hochschulebene) von zuhause aus abstimmen. (Mehr Informationen zur Briefwahl findest du unter: https://wahl2021.oeh.ac.at/briefwahl/wahlkarte-beantragen-und-abgeben/).

8.     Weil du aktiv die Politik der ÖH beeinflussen kannst

Eine demokratische Wahl basiert darauf, dass die Stimmberechtigten ihre Vertreter_innen wählen, die dann in dem Sinne der Wähler_innen handeln können. Nur wenn alle Studierenden die Demokratie aktiv mitgestalten, kann sie wirklich funktionieren. Und nur wenn du deine Stimme abgibst, kannst du etwas dafür tun, dass ein_e Vertreter_in gewählt wird, der dich und insbesondere deine Interessen möglichst adäquat repräsentiert.

Mit deiner Stimme nimmst du Einfluss auf die ÖH, diese in weiterer Folge auf Politik und Universität und somit auf wichtigen Fragen des Alltags für Studierende.

9.     Mit deiner Wahl übernimmst du Verantwortung

Für viele Studierende ist es nicht möglich sich neben dem Studium und der Lohnarbeit noch ehrenamtlich für die eigenen Interessen als Studierende gegenüber der Politik und Universität stark zu machen. Wenn du dich also nicht selbst für bestimmte Themen engagieren kannst oder möchtest, dann kannst du mit deiner Stimme sehr wohl Verantwortung für diese Themen übernehmen und die Leute mit Rückhalt durch eine abgegebene Stimme unterstützen. Tu also etwas dafür, dass diejenigen, die deine Interessen vertreten und in deren Namen für ihre und auch deine Ziele eintreten, gewählt werden.

Die Politik entscheidet heute über viele Themen von morgen, die uns und oftmals noch viele nachfolgende Generationen in Zukunft betreffen werden. Nichtwähler_innen verzichten darauf, Verantwortung für ihre Zukunft zu übernehmen und sie mitzugestalten.

10.  Weil auch ungültige Stimmzettel zählen

Falls du dich mit deiner Meinung und Einstellung in keiner der zur Wahl kandidierenden Fraktionen identifizieren kannst und deine Interessen in keinem Wahlprogramm repräsentiert siehst, so ist es noch immer besser einen ungültigen Stimmzettel abgeben, als gar nicht wählen zu gehen. Ungültige Stimmen fließen nämlich sehr wohl in die Wahlbeteiligung hinein und viele ungültige Stimmen würden ein symbolisches Signal setzen. Das Interesse an der Politik der ÖH ist vorhanden, aber die wahlwerbenden Gruppen stehen nicht für die Anliegen und Meinungen der Wähler_innen.

 

Da wir dich nun hoffentlich davon überzeugt haben, wählen zu gehen, wünschen wir dir viel Spaß beim Einlesen in die unterschiedlichen Positionen der verschiedenen Fraktionen und ein hoffentlich weiterhin erfolgreiches Semester!

Du hast die (ÖH) Wahl!

  • 28.04.2021, 08:24

Du hast die (ÖH) Wahl!

 

In knapp einem Monat ist es wieder soweit, ihr könnt demokratisch mitentscheiden wer euch in den kommenden zwei Jahren im Studium und an den Hochschulen vertritt! Von 18.-20. Mai findet, die ÖH Wahl, statt. Dieser Artikel soll dazu dienen, die Struktur eurer Interessensvertretung und das Wahlprozedere zu durchleuchten und zu erklären. Es zeigt sich, demokratische Mitbestimmung ist nicht nur einfach, sondern auch essentiell für ein solidarisches und zukunftssicheres Hochschulsystem.

 

Grundsätzliches: Die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (kurz ÖH) wurde 1945 gegründet ist. Die ÖH-Mitgliedschaft ist eine sogenannte Solidarmitgliedschaft, also alle Studierenden sind automatisch Mitglied und zahlen damit den Solidarbeitrag in Höhe von momentan 20,20 €. Gewählt werden die Organe der ÖH bzw. der Hochschüler_innenschaften alle zwei Jahre in einer gemeinsamen österreichweiten Wahl. So auch wieder dieses Jahr, von 18. – 20. Mai 2021. Dies geschieht in einem Wahlgang mit mehreren Stimmzetteln, einmal für die Bundesvertretung, einmal für die Hochschulvertretung und pro Studium für die jeweilige Studienvertretung. Besonderheiten gibt es bei Studien, die an mehreren Hochschulen gemeinsam eingerichtet sind (z. B. Lehramt), hier dürfen Studierende an zwei Hochschulen ihrer Wahl die Hochschulvertretung bzw. die Studienvertretung(en) wählen.  Auch möglich ist die Wahl mittels Briefwahl, wobei hier aus logistischen Gründen nicht die Wahl der Studienvertretung möglich ist.

Um die Bedeutung der ÖH Wahl fassen zu können, ist es jedoch wichtig die Struktur und den Aufbau der Studierendenvertretung in Österreich besser zu verstehen, weshalb wir in den folgenden Absätzen näher darauf eingehen.

Aufbau der ÖH:

An der Spitze steht sozusagen die Österreichische Hochschüler_innenschaft, wenngleich sie keine Weisungen oder Ähnliches an lokale Hochschüler_innenschaften richten kann. Sie steht insofern ganz oben, als dass sie ganzheitlich die Interessen aller Studierenden in Österreich vertritt. Zusätzlich gibt es an den einzelnen Hochschulen eingerichtete Hochschüler_innenschaften. Diese lokalen Vertretungen vertreten die Interessen der Studierenden an der jeweiligen Bildungseinrichtung und agieren selbstverwaltend als Körperschaft öffentlichen Rechts. „Darunter“ gibt es je nach Hochschule noch weitere Organe, beispielsweise Fakultäts- oder Zentrumsvertretungen. Jedenfalls ist für jedes Studium eine Studienvertretung einzurichten.

BUNDESVERTRETUNG:

Die ÖH Bundesvertretung ist die Vertretung aller Studierenden an Universitäten, Privatuniversitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen in Österreich. Bei der Wahl zur Bundesvertretung werden insgesamt 55 Mandate vergeben.

Seit 2015 wird die ÖH-Bundesvertretung direkt durch Listenwahl (ähnlich wie bei der Nationalratswahl) gewählt. 2021 kandidieren folgende Fraktionen:

AG – AktionsGemeinschaft (Studentenforum)
FLÖ – Unabhängige Fachschaftslisten Österreichs
GRAS – Grüne & alternative StudentInnen
JUNOS – Junge liberale Studierende
KSV-LILI – Kommunistischer StudentInnenverband – Linke Liste

KSV-KJÖ – Kommunistischer StudentInnenverband – Kommunistische Jugend Österreich
RFS – Ring Freiheitlicher Studenten
VSStÖ – Verband Sozialistischer StudentInnen in Österreich

Diese Fraktionen werden also am Wahlzettel zur Bundesvertretung zu finden sein und stellen sich in dieser Ausgabe mit ihren Vorstellungen und Ideen vor.

Die Bundesvertretung vertritt nicht nur deine Interessen österreichweit, sondern sie berät in verschiedenen Referaten, organisiert österreichweite Kampagnen, gibt zusätzlich Broschüren zu studienrelevanten Themenstellungen heraus und vieles mehr. Zu diesem Zwecke werden in der Bundesvertretung ein_e Vorsitzende_r und entsprechende Stellvertreter_innen gewählt, welche Beschlüsse der Bundesvertretung umsetzen, und als Sprachrohr ebenjener in der Öffentlichkeit und gegenüber Stakeholdern dienen.

Zusätzlich hat die ÖH-Bundesvertretung Referate, mit Referent_innen, ebenfalls von der Bundesvertretung gewählt, an der Spitze. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Referaten (Referat für wirtschaftliche Angelegenheiten, Referat für Bildungspolitik und Referat für Sozialpolitik) existieren noch viele weitere Fachreferate.

Ein gutes Beispiel, um zu verstehen, was ein Referat macht, ist jenes für Sozialpolitik. Das Sozialreferat informiert, berät und interveniert kostenlos, um die soziale Situation von Studierenden zu verbessern. Tätig ist es vor allem in den Bereichen Beihilfen, Versicherungen, Arbeitsrecht und Aufenthaltsrecht. Auch der Sozialfonds, bei dem Studierende in finanziellen Härtesituationen um einmalige finanzielle Unterstützung ansuchen können, liegt in ihrem Zuständigkeitsbereich. Besonders aktuell sind die Unterstützungsleistungen (Corona-Härtefonds) der ÖH für Studierende, die finanzielle Probleme aufgrund der COVID-19 Pandemie erfahren. Bisher wurden weit über 1.000 Studierende österreichweit unterstützt.

HOCHSCHULVERTRETUNG.

Die Hochschulvertretung ist die Vertretung auf lokaler Ebene. In diesem Organ der ÖH sitzen auch verschiedene Fraktionen, die unterschiedliche Interessen vertreten. An den einzelnen Hochschulen kandidieren zum Teil andere Fraktionen als für die Bundesvertretung.

Alle Hochschulvertretungen müssen verpflichtend je ein Referat für Bildungspolitik, Sozialpolitik und wirtschaftliche Angelegenheiten einrichten, können aber bei Bedarf auch andere in ihrer Satzung festlegen.

Außerdem entsendet die Hochschulvertretung in den Senat bzw. Hochschulkollegium der eigenen Hochschule.

Der Senat ist nach dem Prinzip der Mitbestimmung der Universitätsangehörigen konstruiert und ist in viele wichtige Entscheidungen der Universität involviert.

Der Senat hat mehrere relevante Aufgaben, so entsendet er z. B. einen Teil der Mitglieder des Universitätsrat, ist federführend bei der Wahl einer_s neuen Rektors_in involviert oder ist leitend verantwortlich für die Erlassung und Änderung von Curricula.

STUDIENVERTRETUNG. 

Direkt bei den Studierenden befinden sich die Studienvertretungen.

Jede Studienrichtung hat ihre eigene Studienvertretung mit je nach Studiengröße drei bis fünf Personen. Sie organisiert z. B. Veranstaltung für Erstsemestrige, Informationsabende und berät direkt die Studierenden bei Fragen zu ihrem Studium. Außerhalb von Pandemien organisiert sie auch Feiern für die Studierenden. Gewählt werden die Vertreter_innen durch Personenwahl. Das bedeutet, dass die StudienvertreterInnen nicht für Fraktionen kandidieren. Auch nicht gewählte Studierende wirken in vielen Studienvertretungen mit. Die Studienvertretungen nominieren Vertreter_innen für Gremien wie z. B. Curriculakommissionen, Habilitationskommissionen oder Berufungskommissionen.

Die Wahl

Wie eingangs erwähnt, erfolgt die Wahl in einem Wahlgang pro Wähler_in. Wahlberechtigt ist jede_r Studierende die_der ihren ÖH Beitrag rechtzeitig bis zum 30. März 2021 eingezahlt hat. Bist du wahlberechtigt, so kannst du dich entscheiden, ob du dein Wahlrecht vor Ort oder per Briefwahl ausüben möchtest. Entscheidest du dich für die erste Variante, so kannst du alle Ebenen der Vertretung (Bundesvertretung, Hochschulvertretung und Studienvertretung) wählen. Einfach deinen Studierendenausweis schnappen und auf zum nächsten Wahllokal an deiner Hochschule (mehr Infos hier).

Aufgrund der derzeitigen Situation, sind jedoch viele Studierende nicht mehr an ihren Studienorten, manche gar nicht in Österreich. Doch auch dies steht der demokratischen Mitbestimmung nicht im Wege, denn es gibt die Briefwahl (Wahl per Wahlkarte). In Folge soll ein kurzes FAQ die wichtigsten Fragen rund um die Briefwahl beantworten.

Wer kann eine Wahlkarte für die Briefwahl beantragen?
Alle, die wahlberechtigt sind.

Wo kann eine Wahlkarte beantragt werden?

Online (Link/shortlink einfügen zu dieser Seite: https://wahl2021.oeh.ac.at/briefwahl/wahlkarte-beantragen-und-abgeben/ ).

Was kann ich per Brief wählen?
Per Briefwahl können nur die Hochschul- und Bundesvertretung gewählt werden. Die Studienvertretung muss direkt an der Hochschule vor Ort gewählt werden.

Wann ist der späteste Zeitpunkt, um die Briefwahl zu beantragen?
Beantragt werden kann die Briefwahlkarte bis eine Woche vor dem ersten Wahltag, also 11.Mai 2021.

Wie erfolgt die Zustellung der Wahlkarte?
Die Wahlkarte wird per Post an die Wohnadresse geschickt. Wenn die Wahlkarte an eine andere Adresse geschickt werden soll, muss die gewünschte Adresse im Antrag angegeben werden. Die Wahlkarten werden ab Ende April versandt.

Bis wann muss meine Wahlkarte bei der Wahlkommission eintreffen, damit sie gezählt wird?
Die Wahlkarte muss bis spätestens 18.00 Uhr am 19.05.2021 bei der Wahlkommission einlangen und korrekt ausgefüllt sein, damit die Stimme auch gültig ist.

Wohin bringe ich meine ausgefüllten Wahlkarten?
Die Wahlkarte kann entweder in den nächstgelegenen Postkasten eingeworfen (keine Frankierung notwendig) oder persönlich bei der Wahlkommission der ÖH in der Rosengasse abgegeben werden. Die ausgefüllte Wahlkarte kann nicht an den Wahltagen bei deiner Wahlkommission vor Ort abgegeben werden.

Kann ich trotz beantragter Wahlkarte, vor Ort wählen?

Ja. Wichtig dabei ist, dass du ALLE zugesandten Unterlagen in das Wahllokal mitbringst und die eidesstattliche Erklärung auf der Wahlkarte NICHT unterschrieben hast. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kannst du vor Ort alle drei Ebenen, Bundesvertretung, Hochschulvertretung und Studienvertretung wählen.

Mental Health - #Talkaboutit

  • 28.04.2021, 08:31

Mental Health - #TalkAboutIt

Im Jahr 2019 leben ungefähr 1,2 Millionen Menschen in Österreich mit einer psychischen Erkrankung. Bei der Versorgung besteht dennoch großer Aufholbedarf. Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) fordert mittels Petition (Pflaster für die Seele) nicht nur ausreichend Behandlungsplätze, sondern vielmehr auch eine klinisch-psychologische Behandlung als Leistung der Krankenkasse. Nicht nur die psychische Belastung auf Betroffene und Angehörige, sondern auch volkswirtschaftliche Kosten sind enorm. Schätzungen zufolge liegen sie bei jährlich zwölf Milliarden Euro, da beispielsweise psychische Erkrankungen für zwei Drittel aller Frühpensionen verantwortlich sind. Besonders häufig sind dabei Depressionen und Angststörungen (DerStandard, 10.10.19)

Auch die Lage in österreichischen Universitäten ist dementsprechend besorgniserregend: In etwa ein Viertel aller Studierenden haben psychische Probleme (wie beispielsweise Ängste, Depressionen, Krisen und Ähnliches), durch welche die Lebensqualität und der Studienerfolg erheblich leiden können. Die Studierenden-Sozialerhebungen der letzten Jahre zeigen ebenfalls, dass der Anteil Studierender, die von studienbezogenen Schwierigkeiten berichten, bedingt durch Stressfaktoren und/oder psychische Beschwerden, ansteigen. Von 2015 bis 2019 hat sich der Anteil Studierender, die mindestens eine studienerschwerende psychische Beschwerde genannt haben von 42% auf 48% erhöht. Auch heute ist die Hürde Hilfe aufzusuchen, hauptsächlich aufgrund gesellschaftlicher Stigmatisierung, noch sehr groß.

Psychisches Wohlbefinden bildet unter Anderem den Grundstein für die Lebensqualität und Produktivität jedes einzelnen Menschen. Gerade durch die schwierigen Umstände der Covid-19-Pandemie wurde dies vielschichtig deutlich. Psychische Gesundheit ist eine wichtige Ressource, die zum sozialen, menschlichen und wirtschaftlichen Kapital einer Gesellschaft beiträgt. Auf individueller Ebene setzt sie die Möglichkeit voraus, das eigene emotionale und intellektuelle Potenzial zu verwirklichen. Auf gesellschaftlicher Ebene stellt psychische Gesundheit eine Ressource für den sozialen Zusammenhalt sowie für ein besseres Sozialwohl dar. Trotzdem wird auch heute noch die Bedeutung von psychischer Gesundheit unterschätzt, während die Häufigkeit psychischer Erkrankungen zunimmt (Diel & Sonntag, 2009).

Wir, das Team hinter der Mental Health Kampagne der ÖH Bundesvertretung, nehmen dies zum Anlass, für die mentale Gesundheit von Studierenden aufzutreten. Mit dem Titel “Mental Health - #TalkAboutIt” wurde der Fokus des Sommersemesters 2021 darauf gelegt, Stigmatisierung und Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen abzubauen, sowie ein Bewusstsein über psychische Gesundheit zu schaffen. Durch diese Aufklärungsarbeit soll Prävention möglich und potenzielle Risikofaktoren gesenkt werden. Wir fordern, dass Hochschulen und Hochschullehre Studierenden nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch Räume bieten, in denen sich Menschen mit psychischen Erkrankungen frei von Diskriminierung bewegen können und jede Person die Hilfe bekommt, die sie benötigt. 

Aus diesen Gründen ist es uns besonders wichtig, ein größeres Bewusstsein für psychische Gesundheit bzw. auch psychische Krankheit zu entwickeln und auf die Einschränkungen und Barrieren für Studierende mit psychischen Problemen aufmerksam zu machen. Mentale Gesundheit bedeutet für uns, dass alle Personen, die Unterstützung benötigen, diese auch ohne Hürden in Anspruch nehmen können! Die massiven Missstände in der österreichischen Politik im Umgang mit psychischer Gesundheit müssen klar aufgezeigt und verbessert werden. Wir fordern daher den raschen Ausbau psychosozialer Dienste, mehr Aufmerksamkeit auf psychische Gesundheit insbesondere der von Studierenden und einen niederschwelligen und freien Zugang zu psychologischer und psychotherapeutischer Hilfe.

Umgesetzt wird die Kampagne unter anderem durch einen Fokus auf Aufklärung, dem Bereitstellen von Anlaufstellen, Beiträgen von Expert_innen und einer Broschüre zum Thema “Mental Health". Letztere soll ​alle Interessierten in das Thema einführen​, ​Erfahrungsberichte zu verschiedenen psychischen Krankheiten bzw. Problemen im Studierendenalltag zur Verfügung stellen und wichtige Anlaufstellen präsentieren. Dabei werden Themen bearbeitet wie: Stressbewältigung im Studium, sozial- und kulturwissenschaftliche Hintergründe sowie psychische Gesundheit im Zusammenhang mit anderen Diskriminierungsformen, beispielsweise LGBTIQ+/Queer Community, Körperliche Behinderungen oder Rassismus. Weiters wurden Gespräche mit den Autor_innen der Broschüre aufgezeichnet und stehen allen Interessierten online zum Nachhören zur Verfügung.

Zum Abschluss möchten wir euch noch mitgeben, dass es wichtig ist auf seine Mitmenschen, aber vor allem auch auf sich selbst zu achten. Beinahe die Hälfte aller Studierenden geben an psychische Beschwerden zu haben. Persönliche, finanzielle und gesundheitliche Probleme können die Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit entscheidend beeinträchtigen.

Die Inanspruchnahme professioneller Hilfe ist also vollkommen normal, wichtig und auch sinnvoll!

Hier findest du Stellen, an die du dich wenden kannst:

  • Telefonisch unter 147 - Rat auf Draht
  • Telefonisch, Mail, Chat der Psychologischen Studierenden Beratung Infos unter: www.studentenberatung.at
  • Helpline der ÖH Infos unter: www.oeh.ac.at/helpline

Alle weiteren Informationen zu unserer Kampagne findest du unter: https://mentalhealth.oeh.ac.at/

 

Geschichte der ÖH- ein kurzer Überblick

  • 28.04.2021, 08:36

Geschichte der ÖH- ein kurzer Überblick

Die Anfänge

Die Idee zur Gründung einer allgemeinen Studierendenvertretung kam schon Ende des 19. Jahrhunderts auf. So forderte die 1893 gegründete „Freie Vereinigung Sozialistischer Studenten“ bereits 1896 die Errichtung einer solcher Interessenvertretung an der Universität Wien.
Diese Forderungen scheiterten jedoch an den Widerstand von deutschnationalen Studierendengruppierungen und der Universitätsleitung. Es sollte von der Gründung und dem Zerfall der ersten Republik, zwei verheerende und grausame Weltkriege, sowie das Überstehen des Austrofaschismus und der NS-Schreckensherrschaft andauern, bis im September 1945 per Gesetzesakt der provisorischen Staatsregierung Renner die Österreichische Hochschüler_innenschaft formal gegründet wurde. Schon zuvor im April 1945 konstituierte sich ein sogenannter „Sechserausschuss“, welcher die Leitung einer provisorischen studentischen Selbstverwaltung übernahm. Dieser „Sechserausschuss“ wurde später zu einem „Zehnerausschuss“ und danach zum „Hauptausschuss der Demokratischen Studentenschaft“ erweitert. Dieser Hauptausschuss verstand sich als provisorisch eingerichtete Studierendenvertretung, bestehend aus fünf Fachgruppenleiter_innen und je einer/m Vertreter_in der drei politischen Fraktionen. Bereits in dieser Zeit wurden die ersten Arbeitsreferate gegründet, welche die späteren Strukturen der Österreichischen Hochschüler_innenschaft wesentlich mitprägen sollten.

Mit dem Erlass des Hochschulgesetzes 1945 wurden sämtliche bisherigen Organe aufgelöst und in die neue Körperschaft öffentlichen Rechts „Österreichische Hochschülerschaft“ übergeführt. Die studentische Selbstverwaltung war in diesem Hochschulgesetz zwar formal geregelt, jedoch hatten die Rektoren ein Einspruchsrecht gegen ÖH-Beschlüsse und durften auch studentische Funktionäre des Amtes entheben. Die studentische Selbstverwaltung wurde erst mit dem Hochschülerschaftsgesetz 1950 tatsächlich verankert und realisiert. Bis zur ersten ÖH-Wahl schlugen die drei anerkannten Fraktionen FÖST (Freie Österreichische Studentenschaft), VSStÖ (Verband Sozialistischer Studenten) und die Kommunisten als Zwischenlösung den parteilosen Rudolf Wengraf zum provisorischen Vorsitzenden. Am 19. September 1946 war es dann soweit, mit einer 82% Wahlbeteiligung fand die erste ÖH-Wahl statt.

Soziale Studentenpolitik in der Nachkriegszeit

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs stand der Wiederaufbau der Hochschulen im Vordergrund. Sowohl Student_innen als auch Lehrende folgten im Mai 1945 den Aufruf der Universität Wien die zerstörten Universitätsräumlichkeiten wieder instand zu setzen. Neben der Wiederherstellung der Universitätsgebäuden stand auch die Beschaffung von Lebensmittel im Vordergrund. So berichtete die Tageszeitung „Neues Österreich“ in der Ausgabe vom 27. Mai 1947 davon, dass die Österreichische Hochschülerschaft zur Erntehilfe ausrief.  Rund 70.000 Erntehelfer_innen fehlten für den Kampf ums tägliche Brot. Generell mangelte es den Student_innen in der unmittelbaren Nachkriegszeit an vielen Dingen des Alltags (Lebensmittelknappheit, Bekleidung, Medikamente etc.) und die finanzielle Unterstützungen waren sehr beschränkt. Der Fokus der Österreichischen Hochschülerschaft lag dementsprechend in der monetären Entlastung von Studierenden durch Vergabe von Stipendien und Darlehen, um die Studiengebühren zu senken. Das Sozialreferat spendete Bekleidung und versuchte Studierenden Neben- und Ferialjobs zu vermitteln.

Neben der Grundversorgung bemühte man sich auch die Freizeit- und Kulturaktivitäten zu fördern. Das Sportreferat organisierte regelmäßig Wettbewerbe gegen Sportler_innen aus anderen (Bundes-)Länder und das Kulturreferat richtete unter der Leitung von Initiator Friedrich Langer ein eigenes Theaterstudio für Student_Innen in der Wiener Kolingasse ein. Die Schauspieler_Innen erhielten durch ihre Auftritte mitunter Verpflegung, Medikamente und Bekleidung.

ÖH Politik ab 1950

Anfang der 1950er Jahre war die soziale Lage von Student_Innen noch immer sehr angespannt. Die wirtschaftlichen Folgen des 2. Weltkriegs waren noch lange nicht überwunden. Ein beträchtlicher Teil (ca. 60%) der ÖH-Beiträge wurden für die Deckung von Stipendien, Arztkosten, Medikamente, Versicherungskosten, Mensen und mitunter Kurbesuche zur Rehabilitation aufgewendet. Als die Rektorenkonferenz (heute Universitätskonferenz) 1951 eine Verdopplung und später sogar eine Verfünffachung der Studiengebühren verlangte, gingen die Wogen in der ÖH hoch. Am 13.Oktober 1952 kam es dann zu einem Sitzstreik auf der Wiener Ringstraße. Die Student_innendemonstration zeigte Wirkung und die Studiengebühren wurden nur geringfügig erhöht. Anfang der 1960er Jahre begann die sogenannte „Bildungsexpansion“ und die Anzahl der Student_innen stieg rasant an. Die Universitäten benötigten aufgrund der steigender Studierendenzahlen immer mehr Geld. So wurden Kinosäle angemietet, um die überfüllten Hörsäle auszugleichen. Zwischen 29. Mai bis 7. Juni 1961 hielten in etwa 2000 Student_innen, aufgrund von ausgebliebenen Zusagen, einen einwöchigen Sitzstreik ab. Als Folge wurden eine Budgeterhöhung beschlossen.

Nach langen und zähen Verhandlungen konnte die Österreichische Hochschüler_innenschaft 1963 den Beschluss eines Studienbeihilfegesetzes durch den Nationalrat erreichen. Im Sinne eines sozialgerechten Bildungssystem hatten sozialbedürftige Student_innen - bei entsprechenden Studienerfolg – einen Rechtsanspruch auf Studienbeihilfe. Mit Beschluss des Allgemeine Hochschul-Studiengesetz 1966 (heute Universitäts-Studiengesetz) begann die erste große Studienreform. Auf Grundlage dieses Gesetzes wurden zahlreiche Studienordnungen, besondere Studiengesetze und Studienpläne erlassen. Das Ziel war eine Modernisierung und Vereinheitlichung des Studienrechts. Für die Österreichische Hochschüler_innenschaft begann eine Phase sich vermehrt in den einzelnen Studienrichtungen einzubringen, um gezielter die Interessen der verschiedenen Student_innen vertreten zu können.

1970er Jahre: Eine goldene Ära

Anfang der 1970er Jahre wurde unter der Regierung Kreisky ein eigenes Wissenschaftsministerium geschaffen. An die Spitze dieses Ministeriums wurde Hertha Firnberg berufen – die erste Wissenschaftsministerin Österreichs. 1973 werden die Studiengebühren abgeschafft und mit Einführung des Universitätsorganisationsgesetz (UOG) 1975 schuf man ein neues Verwaltungssystem der österreichischen Hochschulen mit wesentlichen Mitbestimmungsrechten der Studierenden. Weitere Meilensteine sollten folgen: Zugang zu den Universitäten ohne Matura durch Studienberechtigungsprüfung, Abschaffung des Numerus Clausus und der Aufnahmeprüfungen, Möglichkeit eines Doppelstudiums und Mischung von Studienrichtungen, Erweiterung der Wiederholungsmöglichkeiten bei Prüfungen, mehr Mitspracherecht auf allen Ebenen der Universität, Studentenermäßigung und Freifahrten in den öffentlichen Verkehrsmitteln usw. Insgesamt wurden die Universitätsstrukturen „demokratisiert“ und die Übermacht der ordentlichen Professoren abgeschwächt.

1980er Jahre: Die Umweltbewegung

 Die Donaukraftwerke planten 1983 den Bau eines Wasserkraftwerks in der Hainburger Au. Trotz umwelttechnischer Bedenken seitens der Bevölkerung wurde der Bau des Kraftwerks östlich von Wien im November 1984 bewilligt. Die Österreichische Hochschüler_innenschaft protestierte an vorderster Front mit und zahlreiche Studierende nahmen an der Besetzung der Hainburger Au im Dezember 1984 teil. Die Protestbewegungen zeigten Wirkung und die Bundesregierung verhängte noch kurz vor Weihnachten einen Rodungsstopp. Nach den zahlreichen Bildungsreformen der 1970er Jahre hatte nun auch das Thema Umweltpolitik die ÖH endgültig erreicht. Man klärte vermehrt über Nachhaltigkeit, sowie fachgerechte Mülltrennung- und Entsorgung auf und setzte sich für den Ausbau von Radwegen ein.

1990er und 2000er Jahre

Im Winter 1992 beteiligte sich die ÖH an der Aktion „Der Mensch zuerst“, um der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit gegenüber Flüchtlingen aus Ex-Jugoslawien unter der Haider-FPÖ Regierung entgegenzutreten. An allen Universitäten fanden Veranstaltung gegen Hetze und für mehr Solidarität gegenüber Schutzsuchenden statt. Der Höhepunkt dieser Aktion wurde mit einem Schweigemarsch von über 10.000 Teilnehmer_innen und dem Lichtermeer am Heldenplatz erreicht. Bis heute setzt sich die ÖH mit der non-profit Organisation „Helping Hands“ für die Integration von Flüchtlingen ein.

Weitere Protestaktionen löste 1996 ein von der Bundesregierung angekündigtes Sparpaket aus. Diesmal demonstrierten unter den rund 40.000 Teilnehmer_innen nicht nur Studierende, sondern auch Universitätsassistent_innen und sonstige Hochschullehrende. Die Aktion sorgte zwar medial für viel Aufsehen, jedoch konnte man an dem Sparpaket nur wenig ändern. Viele Student_innen verloren daraufhin die Familienbeihilfe. Auch die Proteste gegen die Einführung der Studiengebühren Anfang der 2000er Jahre und das Universitätsgesetz 2002 blieben fruchtlos. Im Wintersemester 2001/2002 wurden Studiengebühren für Österreicher_innen in Höhe von € 363,36 und € 726,72 für Drittstaatsangehörige erhoben. Abertausende Studierende brachen daraufhin das Studium ab oder mussten aufgrund der zusätzlichen finanziellen Belastung länger studieren. Es sollte bis zum September 2008 dauern, bis der Nationalrat eine Änderung der Studiengebühren beschloss. Gebührenbefreit sind zukünftig Österreicher_innen und EWR-Bürger_innen wenn sie innerhalb der Mindeststudiendauer plus zwei Toleranzsemester studierten.

ÖH im Jahr 2021

Mit Ausbruch der Covid-19 Pandemie Ende 2019/Anfang 2020 steht die ÖH vor gänzlich neuen Herausforderungen. Seit der Verhängung des ersten Lockdowns im März 2020 wurde der Präsenzunterricht für Studierende österreichweit – mit Unterbrechungen – quasi stillgelegt. Eine Entscheidung die zum Schutz der gesamten österreichischen Bevölkerung notwendig war und ist. Jedoch darf man nicht vergessen welche fatalen Folgen dies für Student_innen mit sich bringt. Insbesondere die schweren psychischen Belastungen, ausgelöst durch fehlenden sozialen Kontakt und finanzielle Sorgen, stellen eine ernstzunehmende Gefahr für die Studierenden dar.  Die Österreichische Hochschüler_innenschaft reagierte schnell und richtete einen Corona-Härtefallfonds für einkommensschwache Student_innen ein. Zusätzlich erweiterte die ÖH das kostenlose Angebot für psychologische Beratungen und setzt sich für mehr Digitalisierung an den Hochschulen ein.

Alle 13 Tage tötet ein Mann

  • 25.11.2021, 00:39
Trigger Warning: Dieser Artikel behandelt das Thema Femizide. Am Ende des Artikels sind Helplines für Betroffene und Zeug_innen angeführt.

Wohnung, Trafik, Parkplatz und Waldstück - all diese Orte verbindet dieses Jahr ein Merkmal: Sie wurden zum Tatort eines Mordes. Die Opfer alle weiblich, die Täter alles Männer. Was verbindet diese Tötungen und wie fühlt es sich an, so einem knapp entrinnen zu sein?

Insgesamt hat es 2021 (Stand 25.11.21) schon 28 Morde an Frauen in Österreich gegeben. Dabei handelt es sich keineswegs um Einzelfälle, die nicht gemeinsam betrachtet werden können: Alle Opfer wurden vom eigenen (Ex-)Partner umgebracht. Die Morde werden daher auch alle als Femizide oder Frauenmorde bezeichnet. Dabei soll die spezifische Ursache der Tötungen hervorgehoben werden - es handelt sich um die vorsätzliche Tötung von Frauen durch Männern, auf Grund des Geschlechts oder weil sie gegen traditionelle und soziale Rollenvorstellungen in unserer Gesellschaft “verstoßen” haben. Dabei töten Männer nicht aus “Liebe” wie medial so oft Berichtet wird. Auch können die Täter keiner einheitlichen Bildungs- oder Einkommensschicht zugeordnet werden - Frauenmorde gibt es also auf allen Gesellschaftsebenen.

Wann beginnt Gewalt?

Die Ermordung der Frauen ist dabei nur die Spitze der Eskaltion, denn Gewalt an Frauen beginnt nicht erst mit einem Mord. Die Gewalt setzt schon viel früher in der Beziehung ein - sowohl physisch wie auch psychisch. Es handelt sich bei Frauenmorden daher nicht um unausweichliche Phänomene menschlichen Zusammenlebens. Vielmehr sind sie das schreckliche Endresultat einer unfähigen Frauenministerin und überforderter Behörden.

Wie ist es, Opfer eines gewalttätigen Partners zu sein?

Am 27.12.19 hätte so ein Mord auch mein Todesurteil sein können. Der Tatort: mein eigenes Bett, die Todesursache: ersticken. Ein Zufall hat das damals verhindert. Denn zwei Zimmer weiter hat just im Moment meines letzten Hilfeschreis die Kaffeemaschine aufgehört zu kochen und ich wurde gehört. Vor mittlerweile über einem Jahr hab ich mich dann dazu entscheiden, Gewalt die vom eigenen Partner ausgeht öffentlich und im Internet ein Gesicht zu geben. Mein Gesicht zu geben. Es war und bleibt der Versuch den Frauen, die nicht nur einen Mordversuch miterlebt haben, sondern getötet wurden eine Stimme zu geben.

Heuer sind es bereits 28. Getötet wurden sie durch erstechen, erschießen oder verbrennen. Alle 13 Tage muss eine Frau in Österreich ihr Schicksal teilen. Trotz dieser akuten Gefahr müssen Hilfsorganisationen um jeden Cent für ihre Projekte wie Frauenhäuser und Beratungsstellen betteln. Und was tun die Zeitungen im Auge dieser Bedrohung? Sie geilen sich an den unmenschlichsten Frauenmorden auf. Berichten über “eskalierte Beziehungsstreits” und “Eifersuchtsdramen” Am Ende bleibt für die ermordeten Frauen deshalb immer nur Schlagzeilen, wie die folgende übrig: “Brandanschlag auf Ex” - Das Protokoll der Eifersucht.” Berichtet hat die Zeitung übrigens über eine Frau, die bei lebendigem Leib, Mitten am Tag, in Wien von einem Mann angezündet wurde.

Wir, unsere Körper, unsere Morde sind nicht irgendwelche Gegenstände, die man pietätlos ausschlachten darf. Wir sind reale Menschen, mit realen Geschichten. Zeit, dass wir sie öffentlich erzählen. Vielleicht helfen sie dabei die Anstandslosigkeit, die in diesem Land zum Thema Gewalt und Mord an Frauen herrscht, in ihre Schranken zu weisen. Es folgen die Teile von häuslicher Gewalt, die nicht in Zeitungen erzählt werden. Die nicht in der öffentlichen Debatte gehört werden. Die nicht von der Frauenministerin wahrgenommen werden. Es folgt ein Einblick in das Leben mit einem gewalttätigen Partner.

Schon während der Beziehung habe ich angefangen Texte zu schreiben, um gewisse Situationen zu verarbeiten. Wirklich Verstanden habe ich die Ereignisse damals nicht. Heute hab ich Passagen unterschiedlicher Texte verbinden können, sie teilweise in ein neues Gerüst setzen können. Im folgenden teile ich ausgewählte Ausschnitte dieser Texte.

Ein ganz normaler Abend

08/19, 3Uhr: Ich sperre die Badezimmertüre zu. Es ist das erste Mal, dass ich das Gefühl habe, zwischen ihm und mir Raum schaffen zu müssen. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Er haut gegen die Türe, fragt mich, ob ich jetzt Angst vor ihm habe. Ich dreh mich um, seh meine Umrisse im Spiegel und mir wird klar was hier gerade passiert. Klar, dass er so mit mir nicht umgehen kann. Ich komme raus und sage ihm, dass er gehen muss. Er schreit mich an, läuft in der Wohnung herum, packt seine Sachen. Ich will ihm Geld fürs Taxi geben, aber er wirft mir den Zwanziger entgegen und bevor er geht sagst er einen Satz, den ich bis heute nicht vergessen kann: „Lösch meine Nummer.“ Ich schaue ihm vom Fenster aus zu, wie er ins Auto steigt und fährt. Kurz überlege ich, ob ich meine Mama anrufen soll, aber ich kann nicht. Niemand soll wissen, was hier gerade passiert ist. Ich leg mich in mein Bett und gehe einfach schlafen. So als wäre alles normal. Am nächsten Tag stehe ich auf und fahre in die Arbeit. So gegen 10 ruft mich M. wie immer an. Ich hebe nicht ab, aber er wird mich solange anrufen bis ich nachgebe. Und er wird wie immer das gleiche sagen: „Bebo, mir geht’s nicht gut. Kannst du kommen?“ Nach ein paar Stunden werde ich wie immer einknicken und kommen. Wenn wir uns dann sehen, wird er mich wie immer mit den gleichen Worten begrüßen: „Wie geht’s?“ So als ob er die Antwort auf diese Frage nicht wüsste. Ich werde wie immer drauf sagen, „nicht gut“ und ihn fragen, was gestern los war. Und er wird wie jedes einzelne Mal antworten: „Keine Ahnung - Kann mich nicht erinnern.“ Und damit ist wie immer unser Gespräch über gestern Abend vorbei. Wie soll man auch mit jemanden reden, der meint sich nicht erinnern zu können? Wie jemanden klar machen, dass sein Verhalten nicht mehr ertragbar ist, wenn er nicht mehr weiß, was er getan hat? Wohin dann mit der ganzen Angst?

Über 2 Monate war ich damals noch mit diesem Partner zusammen. Doch auch nach meiner Trennung hörte die Gewalt nicht auf - egal was ich tat. Ich zog in eine neue Wohnung, versuchte den Kontakt zu vermeiden, doch es nützte alles nichts. Als letzten Ausweg wandte ich mich im Dezember 2019 an seine Familie. Hilfe hatten sie schon Monate zuvor ausgeschlagen, aber dieses Mal nicht. Eine Aktion, die mir Stunden nach dem Gespräch mit seiner Familie fast mein Leben kosten wird: Seine Familie kam extra über die Landesgrenze, um ihn zu holen, doch vor der Gewalt die mir gegenüber nach ihrem Eintreffen folgte, konnten auch sie mich nicht schützen. Im Dezember 2020, ein Jahr nach der Tat, schaffte ich es das erste Mal, einen Text über die Ereignisse zu schreiben:

(K)ein Albtraum

Ich träume in der Nacht immer und immer wieder davon, wie jemand versucht meine Wohnungstür einzutreten. Wache immer und immer wieder auf und muss mir in Erinnerung rufen, dass das nur ein Traum war. Bis ich realisiere, dass die Angst sich in dem Moment so nah, so real anfühlt, weil sie wirklich da war. Weil das zwar jetzt nur mehr in meinem Träumen versucht wird, verstanden zu werden, aber vor einem Jahr so wirklich passiert ist. Frage mich oft, ob ich hätte anzeigen müssen, was nach dem Türeintreten passiert ist. Erwische mich selber dabei, wie ich google, ob Würgen unter den Straftatbestand des versuchten Mordes fällt und wie lange die Verjährungsfrist ist. Geh in meinem Kopf durch, wie ich vor Gericht gefragt werde, warum ich nicht die Polizei gerufen habe, wenn ich doch so Angst hatte? Warum ich nicht schon früher Anzeige erstattet habe, wenn es doch so schlimm war? Stelle mir vor, wie ich immer und immer wieder erzählen muss, was in dieser Nacht passiert ist. Immer und immer wieder durchspielen muss, wie ich die Finger meines Ex-Partners nicht mehr von meinem Hals lösen konnte. Immer und immer wieder durchspielen muss, wie ich dachte, dass ich jetzt sterben werde. Frage mich, was mir so ein Prozess bringt? Ob es mich Nachts besser schlafen lässt? Ob es mir das Grundvertrauen zurückgeben kann, das ich in meinem eigenen Bett verloren habe? Ob es mir dabei helfen kann, damit abzuschließen? Einen Weg zu finden, damit zu leben?

Ich würde gerne sagen können, dass dieser Morgen der letzte Moment war in dem ich mit meinem Ex-Partner Kontakt hatte. Doch so war es nicht. Zu lange hab ich nicht verstanden, was damals auf dem Spiel gestanden ist. Es hat viel Therapie, psychiatrische und juristische Hilfe gebraucht, um das alles hier einzuordnen. Es hat Medikamente gebraucht, um mit der Gewissheit dieser Erlebnisse leben und schlafen zu können. Es hat eine Anzeige wegen versuchten Mordes gegen meinen Ex-Partner gebraucht, um einen Schlussstrich unter diese Lebensperiode setzen zu können. Einen Schlussstrich, den ich allen 28 ermordeten Frauen dieses Jahr so sehr gewünscht hätte. Diese Frauen werden niemals wissen, dass es ein Leben nach der Gewalt geben kann. Sie werden niemals die zurückgewonnen Freiheit erleben können. Nie mehr mehr erfahren, wie sich tatsächliche Liebe anfühlen wird. Niemals sehen, was ihr Leben noch alles zu bieten hatte. Dafür bricht mein Herz bei jeder neuen Meldung. Statistisch gesehen wird es von ihnen mindestens noch 3 geben. 3 Frauenmorde, die noch verhindert werden können. Ob sich die Regierung dieser Verantwortung bewusst ist?

Hilfe für Betroffene

Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555 | frauenhelpline.at

24h Frauennotruf der Stadt Wien: 01 71 71 9 | frauennotruf.wien.at

24h Notruf der Wiener Frauenhäuser: 05 77 22 | frauenhaeuser-wien.at

Frauenberatungsstelle bei sexueller Gewalt: 01 523 22 22 | frauenberatung.at

Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: 01 585 32 88 | interventionsstelle-wien.at

Männerhotline - Gewaltprävention: 0800 400 777 | maenner.at

Gefangen im Inseratensumpf

  • 05.01.2022, 11:51
Die Österreicher_innen verbindet seit jeher ein schwieriges Verhältnis mit den Medien. Ein Grund hierfür sind nicht zuletzt die zahlreichen Skandale, in denen nicht nur die Zeitungen selbst, sondern auch ranghohe Politiker_innen verwoben sind. Doch was begünstigt diese Strukturen und was müsste passieren, um sie einzugrenzen?

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis es mal wieder richtig kracht in der von Skandalen gebeutelten politischen Landschaft Österreichs. Dass es aber bis hinauf in die höchsten politischen Ämter reicht und sich sogar der Bundeskanzler dazu gezwungen sehen würde zurückzutreten, damit haben wohl die wenigsten gerechnet. Schuld an der jüngsten Krise der Republik Österreich, die unter dem Schlagwort Inseratenaffäre publik wurde, ist nicht zuletzt das diffuse Selbstverständnis von einigen Politker_innen, wenn es um die Vergabe von Inseraten geht.

Eigentlich handelt es sich bei der Schaltung von Inseraten um nichts Verwerfliches, da es einen legitimen Weg darstellt, eine breite Öffentlichkeit über politische Vorhaben zu informieren. So wurden insbesondere während der Corona-Krise viele Anzeigen geschaltet, um die Gesellschaft über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. Das Problematische hierbei ist aber ein tiefverwurzeltes Selbstverständnis von Politiker_innen, dass die Zahlung für die Inserate nicht nur eine Schaltung, sondern auch eine (positive) Berichterstattung beinhalten müsse. Das traf etwa im jüngsten Fall zu, als manipulierte Umfragen zu Gunsten des damaligen Außenministers Sebastian Kurz veröffentlicht wurden, die vom Finanzministerium gesteuert worden waren.*

Direkte, indirekte und verdeckte Presseförderung

Während sich in einigen Ländern die Medien explizit gegen eine direkte Medienförderung aussprechen, um ihre Unabhängigkeit zu wahren, wie etwa in Deutschland oder den USA, besteht die direkte Presseförderung in Österreich bereits seit 1975, wobei sie 2004 novelliert wurde und seitdem durch die staatliche Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) umgesetzt wird. Die direkte Presseförderung belief sich im Jahr 2019 auf 8,6 Mio. Euro, wobei 2020 im Zuge der Pandemie die Förderungen auf knapp 27,5 Mio. Euro angehoben wurden. Diese Förderungssumme gliedert sich in drei Töpfe auf 1) Vertriebsförderung für Tages- und Wochenzeitungen (3,8 Mio. Euro) 2) besondere Förderungen zur Erhaltung der regionalen Vielfalt der Tageszeitungen (3,2 Mio. Euro) und 3)  Zukunftsförderung und Qualitätssicherung (1,5 Mio. Euro). Unter die indirekte Presseförderung fallen zudem die Senkung der Mehrwertsteuer auf Zeitungen und Zeitschriften sowie reduzierte Posttarife.

Die besonders lukrative Förderung liegt aber in der „verdeckten“ Presseförderungen, wie manche die Inseratenvergabe von staatlichen Stellen nennen. Eine unter der Leitung von Medienwissenschaftler und -berater Andy Kaltenbrunner erstellte Studie des Medienhauses Wien zur Inseratenvergabe an Tageszeitungen im Pandemiejahr 2020, „Scheinbar transparent II“,  untersuchte die jeweiligen Ausga-ben der einzelnen Ministerien. Insgesamt gaben die Bundesministerien 2020 knapp 47,5 Mio. Euro für Inserate aus, wovon 33,5 Mio. auf die österreichi-schen Tageszeitungen allein ausfielen. Allein 14,3 Mio. Euro inserierte das Bundeskanzleramt und 95 Prozent aller Inserate kamen von ÖVP-regierten Ministerien. Größte Nutznießer dieser Inserate waren die Kronen Zeitung (8,4 Mio. Euro) sowie die beiden Gratiszeitungen Heute (5,5 Mio. Euro) und Österreich/Oe24 (5,2 Mio. Euro). 

Die Einnahmen durch staatlich geschaltete Inserate kommen für die Zeitungen jedoch nicht nur aus den Ministerien. Allein für die Kronen Zeitung sind im Medientransparenzregister für das Jahr 2020 Inserate in Höhe von 25,8 Mio. Euro gelistet. Dagegen wirkt die gesetzlich geregelte Presseförderung, aus der die Kronen Zeitung im gleichen Zeitraum trotz üppigerer Presseförderung durch die Pandemie ca. 3,2 Mio. Euro bezog, eher gering. Mickrige 20.000,00 Euro entfielen dabei auf die Qualitätsförderung und Zukunftssicherung. 
Insgesamt wird die Inseratenvergabe von allen staatlichen Stellen sowie staatsnahen Betrieben in Österreich auf 200 bis 300 Mio. Euro geschätzt. Allein die Stadt Wien hat 2020 Inserate im Wert von 24 Mio. Euro geschaltet. Auch hier sicherten sich die drei großen Boulevard-Medien den größten Anteil mit knapp 10,4 Mio. Euro. Zwar verteidigt sich die Stadt Wien, dass die Inseratenvergabe auf einer Mediendiskursstudie von 2018 basiere. Doch erst vor kurzem berichtete die Rechercheplattform „Dossier“ über ein am Medientransparenzgesetz vorbei gemogeltes Inserat in Höhe von 172.000,00 Euro für einen SPÖ-nahen Verlag. Die vehemente Weigerung der Stadt Wien, die Höhe des Inserats preis zu geben, und die Tatsache, dass erst nach drei Jahren aufgrund von zwei Gerichtsbeschlüssen Auskunft gegeben wurde, lässt vermuten, dass die Stadt Wien auch keine gänzlich reine Weste hat. Kaltenbrunner kommt zu dem Schluss: „Die Inseraten- und Förderpolitik von Österreichs Bundesregierung im Tageszeitungsmarkt ist in den vergangenen Jahren ideell und konzeptuell aus dem Ruder gelaufen.“

Antikorruptionsvolksbegehren

Die im Herbst publik gewordene jüngste Inseratenaffäre ist dabei nur ein Symptom von vielen anderen, die die in Österreich existierende Korruption aufzeigen. In dem 2020 von Transparency International veröffentlichen Korruptionsindex belegt Österreich derzeit mit 76 von 100 Punkten Platz 15 im internationalen Vergleich und hat somit definitiv noch Verbesserungsbedarf, wie auch Martin Kreutner, Mitbegründer des Antikorruptionsbegehrens, findet: „Auch haben wir in Österreich thematisch einen immer noch fast folkloristisch-verniedlichten Zugang zu Korruption.“ Hinter dem Antikorruptionsbegehren, das im Juni 2021 initiiert wurde, stehen dutzende prominente Unterstützer_innen aus allen gesellschaftlichen Bereichen. 
Anhand 72 konkreter Forderungen rufen sie die Politik aktiv dazu auf, gegen die Auswüchse von Korruption in Österreich vorzugehen. „Obwohl Korruption in Österreich jährlich Schäden im zweistelligen Milliardenbereich verursacht – Gelder, die etwa für Klimaschutz, Ausbau der Universitäten, Menschenrechte, Kinder- und Familienbetreuung etc. genützt werden sollten - und zudem durch Korruption offensichtlich Wahlen beeinflusst worden sind während die Inseratenkorruption nie gekannte Ausmaße erreicht hat, tun wir vielerorts immer noch so, als ob dies ‚eh immer schon so gewesen‘ sei oder gar ‚sozialadäquat‘ wäre. Nein, ist es nicht!“, so Martin Kreutner. Bis zum 9. Dezember, dem Welt-Anti-Korruptions-Tag, wurden insgesamt tausende Unterschriften gesammelt, wodurch das Innenministerium dem Begehren nun eine Eintragungswoche zuweisen muss. 

Aber nicht nur externe Akteur_innen äußern Kritik am Umgang mit Inseraten. Viele Zeitungen sehen sich unter Generalverdacht. Der Verein der Chefredakteur_innen, dem die Boulevard-Medien übrigens nicht angehören, veröffentlichte im Oktober eine Stellungnahme, in der sie sich klar gegen die Vorwürfe aussprachen: „Die in den Justizunterlagen beschriebenen Zustände sind unethisch, unmoralisch und verwerflich. Medienkonsumenten wurden dadurch getäuscht, der Ruf der Medienbranche beschädigt.“ 

Was müsste passieren?

Die Probleme, die mit den bisherigen Förderungsgesetzen einhergehen, sind schon seit längerem bekannt. Tatsächlich gab es schon unter der Regierung Christian Kerns mit dem damaligen Kanzleramtsminister Thomas Drozda konkrete Pläne, die bestehenden Medienförderungen grundlegend zu ändern, indem die Presseförderung angehoben und die Inseratenvergabe reduziert werden sollte. Laut Drozda scheiterte das Vorhaben jedoch auf den letzten Metern, weil der damalige Koalitionspartner ÖVP intervenierte, wobei sicherlich auch nicht jede_r rote Minister_in von einem Inseraten-Entzug angetan gewesen wäre.  Im aktuellen Regierungsvertrag ist die Rede von einer „Überprüfung der derzeitigen Vergabe- und Förderkriterien" mit den Unterpunkten „Überprüfung der Kriterien der Inseratenvergabe der öffentlichen Verwaltung staatsnaher Unternehmen“ sowie der „Überprüfung des Medientransparenzgesetzes“. Was darunter zu verstehen ist bleibt zwar vage, dennoch besteht ein Bewusstsein für die Unabdingbarkeit einer Reform des vorherrschenden Systems.

Novellierung der Presseförderung

Eine Novellierung der Presseförderung scheint aufgrund der derzeitigen Dynamiken unabwendbar. Hierbei müsste für eine Presseförderung, die wirklich die Qualität und Vielfalt journalistischer Angebote gewährleistet, deutlich mehr Geld bereitgestellt werden als die bisher jährlich angesetzten knapp neun Mio. Euro. Zwei Beispiele, die in diesem Kontext immer wieder genannt werden, sind Dänemark und Schweden. So gibt Schweden (ca. 10,5 Mio. Einwohner_innen) jährlich knapp 70 Mio. Euro an Presseförderung aus. In Dänemark (ca. 5,5 Mio. Einwohner_innen) sind es sogar 60 Mio. Euro.** Auch hier wird die Presseförderung dazu genutzt, die Qualität, Vielfalt und den Vertrieb zu fördern, wobei in Dänemark seit 2013 noch eine zusätzliche Förderung für die Digitalisierung vorgesehen ist. 

Die derzeitige Ausschüttung horrender Summen für Inserate unterstützt insbesondere die Boulevard-Medien, die ihre Nachrichten ohnehin mit einem vergleichsweise geringen journalistischen Aufwand erstellen. Vielmehr müsste ein effektives Presseförderungsgesetz her, das gezielt mehr Geld für die Vielfalt an Medien sowie für die Zukunftssicherung und Qualitätsförderung bereitstellt. Die Vergabekriterien für  Förderungen sollten klar vorgegeben sein, sodass sowohl die Medien als auch die Presseförderungskommission, die über die Vergabe der Förderung entscheidet, diese effektiv umsetzen können. Eine solche Förderung könnte dann tatsächlich dazu beitragen, den politischen Diskurs durch qualitative Meinungspluralität zu bereichern. Eine konkrete Summe, wie hoch eine derartige Presseförderung sein müsste, nannte Kaltenbrunner im Interview mit Der Standard im Oktober 2021: „Wahrscheinlich wären 100 Millionen Euro ein sinnvoller Budgeteinsatz.“

Deckelung des Inseratenbudgets

Um eine solche Summe zu finanzieren, wäre eine Umverteilung des Inseratenbudgets möglich. Eine damit einhergehende Kürzung der Inseratenvergabe würde für viele Medienunternehmen einem kalten Entzug gleichkommen. In Anbetracht der enormen Summe, die die Boulevard-Medien erhalten, wäre es zumindest für die Gratis-Zeitungen fraglich, ob sie ihr Geschäft weiterhin aufrechterhalten könnten. Dabei darf es sicherlich nicht das Ziel eines entsprechenden Gesetzes sein, gewisse Zeitungen zu benachteiligen. Vielmehr sollte die Umverteilung des Inseratenbudgets zugunsten einer stärkeren Presseförderung dazu dienen, die Diskrepanz zwischen Auflagenmaximierung und journalistischen Qualitätskriterien zu minimieren.

Aber auch ohne eine Kürzung der Inseratenausgaben müssten die Vergabekriterien nachvollziehbaren Vorgaben entsprechen und transparent dokumentiert werden. Zwar müssen staatliche Stellen seit dem 2011 beschlossenen Medientransparenzgesetz ihre Inseratenausgaben offenlegen, jedoch sind die auf der KommAustria bereitgestellten Dokumente bislang noch unübersichtlich aufbereitet und teilweise lückenhaft, da Grauzonen des Gesetzes ausgenutzt werden, wie Kaltenbrunners Analyse aufzeigt. 

Was die Zukunft bringt

Für das Jahr 2022 ist nun eine Digitalisierungsförderung für etablierte Zeitungen und den Rundfunk in Höhe von 34 Mio. Euro allein für das erste Jahr geplant. Markus Mair, Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen, äußerste sich begeistert zu dem Gesetzesvorhaben: „Damit österreichische Medienunternehmen verlegerischer Herkunft auch nachhaltig konkurrenzfähig gegenüber den internationalen Online-Giganten sind, führt kein Weg an der Umsetzung der Digitalförderung vorbei. Diese ist damit eine notwendige Ergänzung zur bestehenden Presseförderung.“ Gleichzeitig gibt es aber auch Kritik an dem Vorhaben, so gab das forum journalismus und medien (fjum) zu bedenken, dass „bereits existierende, aber vor allem noch zu gründende, journalistische Digitalmedien einen klaren Wettbewerbsnachteil bzw. höhere Markteintrittsbarrieren haben.“ Erst die Umsetzung 2022 wird zeigen, welche Auswirkungen die Förderung auf die Dynamiken der österreichischen Medienlandschaft haben wird und wer schlussendlich davon profitieren wird. Zudem bleibt abzuwarten, ob die im Regierungsprogramm angekündigten Vorhaben zur Überarbeitung der Presseförderung umgesetzt werden. Genug (gute) Gründe für eine Änderung gibt es auf jeden Fall.  

* Da die Ermittlungen derzeit noch laufen und es noch zu keiner Verurteilung gekommen ist, gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.

** Die Zahlen beziehen sich auf die direkten Presseförderungen Schwedens und Dänemark vor der Covid-Pandemie. 

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