April 2010

Schule neu gedacht

  • 13.07.2012, 18:18
Die Diskussionen über Schulreformen beschränken sich meist darauf, welche Inhalte gelehrt werden sollen. Die Reduzierung der Schule auf reine Wissensvermittlung wird jedoch in unserer Informationsgesellschaft ad absurdum geführt.
Die Diskussionen über Schulreformen beschränken sich meist darauf, welche Inhalte gelehrt werden sollen. Die Reduzierung der Schule auf reine Wissensvermittlung wird jedoch in unserer Informationsgesellschaft ad absurdum geführt.

Die Diskussionen über Schulreformen beschränken sich meist darauf, welche Inhalte gelehrt werden sollen. Die Reduzierung der Schule auf reine Wissensvermittlung wird jedoch in unserer Informationsgesellschaft ad absurdum geführt.

Schule ist immer ein Produkt ihrer Zeit, in Österreich ist sie jedoch das Produkt einer längst vergangenen Zeit. Ihr Grundkonzept stammt aus der Monarchie, ihre Rituale haben sich seither nicht maßgeblich weiterentwickelt. Doch unsere Gesellschaft ist längst eine andere.
1774 führte Maria Theresia die Allgemeine Schulordnung und mit ihr die Schulpflicht ein. Die ersten Lehrer waren häufig ausgemusterte Unteroffiziere der Armee, der Unterricht wurde daher stark von den Disziplinvorstellungen des Militärs geprägt und Gehorsam war oberstes Bildungsziel. Ausgehend von Großbritannien entwickelten sich im Zeitalter der Industrialisierung neue Prioritäten: Die Schule sollte möglichst viele normierte Arbeitskräfte für den Einsatz am Fließband hervorbringen.

Schule neu definieren. In unserer „globalisierten Wissensgesellschaft“ sind diese Bildungsziele längst überholt. Wissensvermittlung ist in dieser Informationsgesellschaft durch den fast unbeschränkten Zugang zu Informations- und Wissensbeständen per Medien, unter anderem durch Internet und Bücher, dynamischer und vielfältiger als damals. Nicht nur deshalb muss Schule neu gedacht werden. Das Konzept einer homogenen Gesellschaft entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen, multikulturelle Vielfalt muss als Bereicherung wahrgenommen werden. Individualität und Selbstverantwortung sind die Schlagworte unserer Zeit und die Basis für einen innovativen und richtungweisenden Denkansatz. Dafür braucht es eine Neudefinition und vor allem Weiterentwicklung von Schule.
Bildung ist als öffentliches Gut vom Staat allen zu garantieren. Soziale Chancengleichheit kann nur durch staatlich garantierten Bildungszugang sowie durch ein öffentliches Bildungssystem hergestellt werden. Damit verbunden ist die Verantwortung des Staates, durch öffentliche, kostenlose Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Hochschule jeder Person qualitätsorientierte Bildung zugänglich zu machen.

Neue Anforderungen. Neue Anforderungen an die Schule, aber auch an Kinder und Jugendliche, lassen die Frage aufkommen, ob die halbtägig organisierte Schule den veränderten Bedingungen von Familie einerseits, als auch den zunehmenden Wissensanforderungen an die Kinder andererseits gerecht wird.
Die konventionellen Schulstunden sowie die ständig steigenden Leistungsanforderungen bieten Kindern oft zu wenig Raum, um den entsprechenden Lernprozessen ausreichend Zeit zu geben. Ein erweitertes Zeitbudget durch eine ganztägige Schulform macht eine flexible Unterrichtsplanung möglich. Die Rhythmisierung des Schulalltages ermöglicht, der physiologisch schwankenden Leistungsbereitschaft der Kinder entgegenzukommen.

Lebensraum Schule. Schule ist einer der wichtigsten Lebensbereiche. Schule braucht eine Organisation, die für Kinder konzipiert und an ihren Lern- und Lebensbedürfnissen orientiert ist. Die Ganztagsschule kann in einem reformpädagogischen Sinn die Gesamtpersönlichkeit des Kindes wahrnehmen und fördern. Je vielfältiger die eingesetzten Lehr- und Lernmethoden sind und je mehr Sinne dabei angesprochen werden, desto nachhaltiger sind Lernprozesse. Ganztägige Schulformen bieten die Möglichkeit, neuere Lehr- und Lernmethoden effizienter einzusetzen und über den ganzen Tag zu verteilen.
Die Förderung von Kindern – sowohl leistungsstarker als auch leistungsschwacher Kinder – bedarf der Individualisierung.  anztagesschulen können diese individuelle Förderung besser leisten als Halbtagesschulen, die den Schwerpunkt im Vermitteln der Lerninhalte haben und weniger Wert auf das Üben, Festigen und Vertiefen des Gelernten legen. Viele Familien erleben Hausaufgaben und die Vorbereitung auf Schularbeiten und Tests als Stress. Im Konzept der Ganztagesschule kann eine Synthese von Unterricht, Fördermaßnahmen und Schul- bzw. Hausaufgaben so gelingen und darüber hinaus verhindern, dass Schulstress nach Hause transferiert wird.
Sich selbst ausdrücken zu können, seine Bedürfnisse wahrzunehmen und in einem sozialen Kontext zu artikulieren, respektvoll miteinander umzugehen und Meinungsverschiedenheiten und Konflikte austragen zu können, gehören zu den grundlegenden Fähigkeiten eines jeden Menschen. Schule soll eine Gesellschaft im Kleinen sein, in der demokratisches Verhalten und die Mitwirkung an demokratischen Entscheidungsprozessen möglich ist.

Freizeitgestaltung in der Schule. Eine ganztägigeSchule bietet im Bereich der Freizeitgestaltung vielfältige Chancen für Kinder. Freizeitpädagogik wird zur Lebens- und Kulturhilfe, wenn es nicht nur um Erholung, Entspannung und Spaß, sondern auch um den Aufbau und die Pflege sozialer Beziehungen und um Lebensplanung und Bildung im ganzheitlichen Sinn geht.

Lernumwelten. Dem „Wie“ des Lernens, den Rahmenbedingungen schulischen Lernens – beginnend von der Architektur der Schule bis hin zum konkreten Lernen lernen – wird kaum Beachtung geschenkt. Die zentrale Frage der Weiterentwicklung von Schule und Unterricht wird sein, wie Lehrerinnen und Lehrer zukünftig Lernumgebungen schaffen können, in denen mehrdimensionale Lernprozesse stattfinden können. Solche förderlichen Lernumwelten werden offene, kooperative und reformpädagogisch orientierte Lernformen mit Betonung auf Selbständigkeit und aktivem, selbstverantwortlichen Lernen ermöglichen.
All jene Punkte müssen bei einer Neuorientierung der „LehrerInnenausbildung Neu“ berücksichtigt werden und bilden die Basis, um den Herausforderungen unserer multikulturellen Gesellschaft im ausgehenden 21. Jahrhundert gerecht zu werden. In das Schulsystem der Zukunft bringt jedes Kind seine kulturellen und individuellen Stärken mit, die das Schulleben sozial und emotional bereichern und globales Lernen unterstützen.

Schule ist immer ein Produkt ihrer Zeit, in Österreich ist sie jedoch das Produkt einer längst vergangenen Zeit. Ihr Grundkonzept stammt aus der Monarchie, ihre Rituale haben sich seither nicht maßgeblich weiterentwickelt. Doch unsere Gesellschaft ist längst eine andere.
1774 führte Maria Theresia die Allgemeine Schulordnung und mit ihr die Schulpflicht ein. Die ersten Lehrer waren häufig ausgemusterte Unteroffiziere der Armee, der Unterricht wurde daher stark von den Disziplinvorstellungen des Militärs geprägt und Gehorsam war oberstes Bildungsziel. Ausgehend von Großbritannien entwickelten sich im Zeitalter der Industrialisierung neue Prioritäten: Die Schule sollte möglichst viele normierte Arbeitskräfte für den Einsatz am Fließband hervorbringen.

Schule neu definieren. In unserer „globalisierten Wissensgesellschaft“ sind diese Bildungsziele längst überholt. Wissensvermittlung ist in dieser Informationsgesellschaft durch den fast unbeschränkten Zugang zu Informations- und Wissensbeständen per Medien, unter anderem durch Internet und Bücher, dynamischer und vielfältiger als damals. Nicht nur deshalb muss Schule neu gedacht werden. Das Konzept einer homogenen Gesellschaft entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen, multikulturelle Vielfalt muss als Bereicherung wahrgenommen werden. Individualität und Selbstverantwortung sind die Schlagworte unserer Zeit und die Basis für einen innovativen und richtungweisenden Denkansatz. Dafür braucht es eine Neudefinition und vor allem Weiterentwicklung von Schule.
Bildung ist als öffentliches Gut vom Staat allen zu garantieren. Soziale Chancengleichheit kann nur durch staatlich garantierten Bildungszugang sowie durch ein öffentliches Bildungssystem hergestellt werden. Damit verbunden ist die Verantwortung des Staates, durch öffentliche, kostenlose Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Hochschule jeder Person qualitätsorientierte Bildung zugänglich zu machen.

Neue Anforderungen. Neue Anforderungen an die Schule, aber auch an Kinder und Jugendliche, lassen die Frage aufkommen, ob die halbtägig organisierte Schule den veränderten Bedingungen von Familie einerseits, als auch den zunehmenden Wissensanforderungen an die Kinder andererseits gerecht wird.
Die konventionellen Schulstunden sowie die ständig steigenden Leistungsanforderungen bieten Kindern oft zu wenig Raum, um den entsprechenden Lernprozessen ausreichend Zeit zu geben. Ein erweitertes Zeitbudget durch eine ganztägige Schulform macht eine flexible Unterrichtsplanung möglich. Die Rhythmisierung des Schulalltages ermöglicht, der physiologisch schwankenden Leistungsbereitschaft der Kinder entgegenzukommen.

Lebensraum Schule. Schule ist einer der wichtigsten Lebensbereiche. Schule braucht eine Organisation, die für Kinder konzipiert und an ihren Lern- und Lebensbedürfnissen orientiert ist. Die Ganztagsschule kann in einem reformpädagogischen Sinn die Gesamtpersönlichkeit des Kindes wahrnehmen und fördern. Je vielfältiger die eingesetzten Lehr- und Lernmethoden sind und je mehr Sinne dabei angesprochen werden, desto nachhaltiger sind Lernprozesse. Ganztägige Schulformen bieten die Möglichkeit, neuere Lehr- und Lernmethoden effizienter einzusetzen und über den ganzen Tag zu verteilen.
Die Förderung von Kindern – sowohl leistungsstarker als auch leistungsschwacher Kinder – bedarf der Individualisierung.  anztagesschulen können diese individuelle Förderung besser leisten als Halbtagesschulen, die den Schwerpunkt im Vermitteln der Lerninhalte haben und weniger Wert auf das Üben, Festigen und Vertiefen des Gelernten legen. Viele Familien erleben Hausaufgaben und die Vorbereitung auf Schularbeiten und Tests als Stress. Im Konzept der Ganztagesschule kann eine Synthese von Unterricht, Fördermaßnahmen und Schul- bzw. Hausaufgaben so gelingen und darüber hinaus verhindern, dass Schulstress nach Hause transferiert wird.
Sich selbst ausdrücken zu können, seine Bedürfnisse wahrzunehmen und in einem sozialen Kontext zu artikulieren, respektvoll miteinander umzugehen und Meinungsverschiedenheiten und Konflikte austragen zu können, gehören zu den grundlegenden Fähigkeiten eines jeden Menschen. Schule soll eine Gesellschaft im Kleinen sein, in der demokratisches Verhalten und die Mitwirkung an demokratischen Entscheidungsprozessen möglich ist.

Freizeitgestaltung in der Schule. Eine ganztägigeSchule bietet im Bereich der Freizeitgestaltung vielfältige Chancen für Kinder. Freizeitpädagogik wird zur Lebens- und Kulturhilfe, wenn es nicht nur um Erholung, Entspannung und Spaß, sondern auch um den Aufbau und die Pflege sozialer Beziehungen und um Lebensplanung und Bildung im ganzheitlichen Sinn geht.

Lernumwelten. Dem „Wie“ des Lernens, den Rahmenbedingungen schulischen Lernens – beginnend von der Architektur der Schule bis hin zum konkreten Lernen lernen – wird kaum Beachtung geschenkt. Die zentrale Frage der Weiterentwicklung von Schule und Unterricht wird sein, wie Lehrerinnen und Lehrer zukünftig Lernumgebungen schaffen können, in denen mehrdimensionale Lernprozesse stattfinden können. Solche förderlichen Lernumwelten werden offene, kooperative und reformpädagogisch orientierte Lernformen mit Betonung auf Selbständigkeit und aktivem, selbstverantwortlichen Lernen ermöglichen.
All jene Punkte müssen bei einer Neuorientierung der „LehrerInnenausbildung Neu“ berücksichtigt werden und bilden die Basis, um den Herausforderungen unserer multikulturellen Gesellschaft im ausgehenden 21. Jahrhundert gerecht zu werden. In das Schulsystem der Zukunft bringt jedes Kind seine kulturellen und individuellen Stärken mit, die das Schulleben sozial und emotional bereichern und globales Lernen unterstützen.

Garantien kann ich nicht bieten

  • 13.07.2012, 18:18

Journalismus ist seit jeher eine Branche, die Studierende anzieht. Die Fachhochschule Wien startet im kommenden Herbst ein neues Journalismus-Masterstudienprogramm. Das PROGRESS sprach mit Institutsleiter Reinhard Christl über das Pro und Contra einer solchen Ausbildung.

Journalismus ist seit jeher eine Branche, die Studierende anzieht. Die Fachhochschule Wien startet im kommenden Herbst ein neues Journalismus-Masterstudienprogramm. Das PROGRESS sprach mit Institutsleiter Reinhard Christl über das Pro und Contra einer solchen Ausbildung.

PROGRESS: Was macht den Journalismus-Master für Studierende interessant?

REINHARD CHRISTL: Das Masterstudium bietet die Möglichkeit, das Fachwissen, das Studierende aus einem abgeschlossenen Bachelor-Studium mitbringen, durch eine akademische Journalistenausbildung zu ergänzen. Es ermöglicht den Studenten eine praxisnahe Berufsausbildung.

Bei welchen Bachelor-Studien ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll, einen Journalismus- Master anzuhängen, beziehungsweise wem würden Sie davon abraten?

Grundsätzlich gibt es keine Einschränkungen. Natürlich gibt es aber prädestinierte Studiengänge, die sich auch ganz logisch ergeben. Wirtschaftsjournalisten und Journalisten, die sich im Bereich der Politik perfekt auskennen, werden immer gefragt sein. Insofern ist es natürlich sinnvoll, ein Wirtschafts-, Geschichte- oder Politikstudium mit dem Master aus Journalismus zu verbinden. Auch Juristen und Mediziner sind sehr gefragt, genauso aber auch Leute mit einem abgeschlossenen Technikstudium. Was allerdings alle gemeinsam haben müssen ist eine wirkliche Leidenschaft für den Beruf Journalismus. Davon abraten würde ich jenen Personen, die lediglich die Lust verspüren, einmal in den Journalismus reinzuschnuppern.

Der Master-Studiengang dauert vier Semester. Angesichts der Tatsache, dass man sich journalistisches Wissen in der Praxis sehr schnell selbst aneignen kann, stellt sich natürlich die Frage, welche Vorteile man aus einer akademischen Ausbildung im Vergleich zu einer praktischen zieht?

Das mit der schnellen Selbstausbildung stimmt in gewisser Weise. Das Master-Studium soll aber auch gar nicht die Praxis ersetzen, die man im Berufsleben erlernt. Es bietet vielmehr die Möglichkeit, sämtliche Sparten des Journalismus kennenzulernen. Sowohl jene des Print-, als auch die des TV-, Radio- und Online-Journalismus.

Der Online-Journalismus wird ja in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle spielen. Einige prophezeien bereits das Aussterben der Printmedien. Welche innovativen Ansätze bietet die FH hier?

Es ist schwierig, zu diesem Thema bereits konkrete Lösungsansätze vorzulegen. Der Online-Journalismus ist eine sehr junge Art des Journalismus und dementsprechend schwer ist es auch, eine fundierte Ausbildung dafür zu bieten. Wir werden allerdings mit Spezialisten aus der Branche zusammenarbeiten.

Das lässt die Krisen-Frage offen. Was wird Ihrer Meinung nach aus den Printmedien? Hat es denn überhaupt noch Sinn, sich in diese Richtung zu orientieren?

Ich glaube nicht an ein komplettes Aussterben der Printmedien. Natürlich wird ihre Anazahl zurückgehen, da die Konkurrenz aus dem Internet groß ist. War es früher üblich, Immobilien oder Autos in Zeitungen anzubieten, so geschieht dies nun vorwiegend im Internet. Insofern wird es für Zeitungen schwieriger werden, die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen.

Neben der Krise, die den Journalismus an sich betrifft, gibt es ja noch eine zweite: Jährlich wächst die Zahl der Publizistik- AbsolventInnen, die Printmedien müssen aber sparen – wie steht es denn um die Jobchancen als JournalistIn?

Nun, wie bereits gesagt. Der Journalismus ist eine Berufssparte, die man leidenschaftlich betreiben muss. Entscheidet man sich dafür, weil man sich Reichtum erwartet, oder einfach Freude am Zeitungslesen hat, wird man vermutlich eine Enttäuschung erfahren. Man muss mit dem Hauch des Weltverbesserers ausgestattet sein, um in diesem Beruf glücklich zu werden. Mit der richtigen Ausbildung, einer gewissen Risikobereitschaft und der nötigen Leidenschaft wird man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ohne Arbeit enden. Man muss allerdings auch damit rechnen, dass es sich bei der Bezahlung nicht immer um große Summen handeln wird. Auf jeden Fall werden Qualitätsjournalisten auch dann gefragt sein, wenn es im Internet einem jeden möglich sein wird, journalistisch tätig zu sein. Davon kann man ausgehen.

Es gibt an Fachhochschule Wien auch einen Bachelor-Studiengang für Journalismus. Wie viele der AbsolventInnen haben es denn tatsächlich in ein Angestelltenverhältnis geschafft und wie viele arbeiten noch freiberuflich?

Konkrete Zahlen habe ich da nicht. Ich kann aber sagen, dass die Abgänger der ersten beiden Jahre zu einem hohen Prozentsatz eine Karriere in einem Angestelltenverhältnis begonnen haben. Und das auch bei renommierten österreichischen Tageszeitungen. In den darauffolgenden Jahrgängen war dies nicht mehr ganz so der Fall. Dementsprechend schlechter fällt daher auch die Karrierebilanz aus.

Wir sprechen beim Masterstudium von 34 freien Plätzen pro Jahr, was also im besten Fall auch 34 AbsolventInnen wären. Ein Zuwachs von 34 JournalistInnen pro Jahr wäre wohl auch bei einem massiven Rückgang der Arbeitsplätze kein Problem, aber wie sieht das Ganze angesichts der tausenden Publizistik- AbsolventInnen aus?

Der Master-Studiengang bildet Qualitätsjournalisten aus. Mit einer derartigen Ausbildung fällt es bestimmt leichter, einen Beruf zu ergreifen. Ich möchte Publizisten auf keinen Fall abwerten, aber unter den vielen Absolventen befindet sich nur eine Hand voll zukünftiger Journalisten. Und diese wenigen, die die nötigen Qualifikationen besitzen, diese werden sich dann mit unseren Absolventen die freien Arbeitsplätze teilen müssen.

Das heißt, der Master-Studiengang kann keine Garantie für einen Job bieten?

Nein, Garantien kann ich und auch sonst niemand selbstverständlich nicht bieten. Aber ein Absolvent hat die besten Chancen, mit abgeschlossenem Master einen journalistischen Beruf ergreifen zu können. Vor allem, weil schon während der Ausbildung dafür gesorgt wird, dass man auch in der Praxis tätig ist.

Schotten dicht!

  • 13.07.2012, 18:18

Das Leitmotiv von Beatrix Karls Amtszeit hat sich in den letzten Monaten immer deutlicher gezeigt: Der offene Hochschulzugang soll beendet werden. Mit oder ohne Koalitionspartnerin, mit oder ohne gesetzliche Grundlage und gegen die Studierenden.

Das Leitmotiv von Beatrix Karls Amtszeit hat sich in den letzten Monaten immer deutlicher gezeigt: Der offene Hochschulzugang soll beendet werden. Mit oder ohne Koalitionspartnerin, mit oder ohne gesetzliche Grundlage und gegen die Studierenden.

Ausgerechnet den Karfreitag hat sich Beatrix Karl ausgesucht, um die Anträge auf Zugangsbeschränkungen nach § 124b des Universitätsgesetzes 2002 in den Fächern Publizistik, Architektur und der Wirtschaftsuniversität Wien in Begutachtung zu schicken.

Konsequent beschränken. Karls Position zu Zugangsbeschränkungen zieht sich konsequent durch ihre politische Karriere. Bereits als Wissenschaftssprecherin der ÖVP setzte sie sich für die Abschaffung des offenen Hochschulzugangs ein. Wenig verwunderlich forciert Karl auch als Ministerin Schranken an den Unis. „Die Regelung des Hochschulzugangs sei zwar nicht die eleganteste Lösung, aber eine notwendige, um die Probleme der Massenuniversität zu lösen“, war in einer ihrer ersten Presseaussendungen als Ministerin zu lesen.
Mit dieser Position steht sie den Interessen der Studierenden diametral entgegen, doch andere PlayerInnen im Hochschulbereich fordern und fördern dieses Anliegen. Allen voran steht Christoph Badelt, ehemaliger Chef der Rektoren, Karl zur Seite. Badelt versucht, Zugangsbeschränkungen zu einer Frage der Gerechtigkeit umzudeuten: Immer wieder wirft er Argumente wie eine sozial selektive Sekundarstufe, deren negative Effekte nicht durch offenen Zugang zu Hochschulen ausgeglichen werden könne, oder die ungerechten Knock-Out Prüfungen im ersten Abschnitt, die aufgrund von Kapazitätsproblemen an der WU Wien rund 80 Prozent der Studierenden vor Beginn des zweiten Abschnitts eliminieren müssen, in die Wagschale.
Auffallend ist die Intensitätssteigerung seiner Forderungen nach Beschränkungen seit der Abschaffung der Studiengebühren – brachte einst jede Inskribientin und jeder Inskribient der WU bares Geld, bleibt mit der heutigen Regelung nur ein großer Verwaltungsaufwand. Was Badelt in seinen Argumenten ebenso verschweigt, ist die Problemlosigkeit, mit der der Rektor fast eine halbe Milliarde Euro für den prestigeträchtigen Neubau der WU ausverhandeln konnte, doch eine Anhebung der Kapazitäten für die Lehre wird als unmöglich abqualifiziert.
Welchen Weg die Wirtschaftsuniversität in ihrer Zulassungspolitik einschlagen möchte, ist aufmerksamen LeserInnen seit Abschluss der letzten Leistungsvereinbarungen zwischen WU und Ministerium klar. Auf Seite drei des im Dezember letzen Jahres von Generalsekretär Faulhammer und Rektor Badelt unterzeichnetenPapiers wird als Maßnahme zur Verbesserung der Betreuungsrelation festgelegt: „In diesem Zusammenhang wird die WU einen Antrag nach § 124b (6) UG stellen.“ Das scheinbar neutrale Management-Tool „Leistungsvereinbarung“ wird zum Grundstein politischer Entscheidungen.

Notfallparagraph. Der Paragraph 124b im Universitätsgesetz ermöglicht eine Beschränkung des Hochschulzugangs für bestimmte Studienrichtungen unter folgenden Voraussetzungen: Die Studienrichtung muss von einem deutschen Numerus Clausus Studium betroffen sein, alle Universitäten, an denen die Studienrichtung angeboten wird, müssen den Antrag gemeinsam stellen, und die Studienbedingungen müssen durch die „erhöhte Nachfrage ausländischer Staatsangehöriger“ unvertretbar sein. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann die Bundesregierung eine Verordnung über die Zahl der zuzulassenden StudienanfängerInnen festlegen, diese Zahl darf aber nicht unter dem Durchschnitt der Studierenden der letzten drei Jahre liegen.
Vor allem der Antrag der WU liegt außerhalb jedes gesetzlichen Rahmens: Die WU hat als einzige Uni für jene Studienrichtung, in der vornehmlich (internationale) BetriebswirtInnen ausgebildet werden, einen Antrag gestellt. Die Anzahl ausländischer Studierenden an der WU ist in den letzten Jahren prozentual gesunken, das geht sogar aus den Daten im Antrag hervor. Und die Beschränkung der Erstsemestrigen auf 3.600 Studierende würde eine deutliche Reduktion der Studierendenzahlen bedeuten.
Kein Grund für die Ministerin, den Antrag abzulehnen, im Gegenteil. Nachdem die Koalitionspartnerin SPÖ Ablehnung für die Anträge in der Architektur (kein signifikanter Anstieg ausländischer Studierender) und der WU signalisierte, schickte die Ministerin die Anträge trotzdem in Begutachtung – sie wolle die Koalitionspartnerin während der Begutachtungsphase noch überzeugen.
Hinter den Kulissen sind einige verwundert: Weniger Anträge als erwartet wurden gestellt. Doch Ministerin Karl arbeite daran, das so schnell wie möglich zu ändern. Bei Terminen mit Rektoren halte sie konsequent dazu an, so viele Anträge auf Zugangsbeschränkungen wie möglich zu stellen. Am Ende ihrer Mission stünde dann ein Hochschulraum mit flächendeckenden Zugangsbeschränkungen und zentral gesteuerter Planung der Studierendenzahlen.

Notfallprotest. Was für die Ministerin ein erstrebenswertes Ziel ist, bedeutet für viele MaturantInnen das Ende der tertiären Ausbildung, bevor sie überhaupt begonnen hat. Für jene kritischen ÖHs und protestierenden Studierenden, die im Herbst ein Window of Opportunity im Hochschulbereich öffneten und für demokratische und offene Hochschulen kämpften, ist das eine inakzeptable Entwicklung, der auf geeignete Art und Weise Widerstand entgegengesetzt werden muss. Revolutionen sind nicht planbar, doch das Hochschulsystem hat dringend eine nötig, denn die momentane Politik bedeutet eine rückwärtsgewandte Reform. Der erste Schritt für eine Verbesserung der Situation an den Hochschulen ist eine Ablehnung aller 124b- Anträge durch die Regierung, eine Rücknahme der Budgetkürzungen im Bildungsbereich und eine deutliche Aufstockung der Unibudgets durch kluge einnahmenseitige Refinanzierung ohne konsumbremsende Massensteuern. Rationalen Argumenten scheinen Ministerin Karl und die ÖVP nicht zugänglich zu sein – scheinbar müssen erst Hörsäle besetzt werden, damit Veränderung möglich wird.

Der Saft ist draußen

  • 13.07.2012, 18:18

Red Bull war der Turbo einer Generation. Nun geht die Dekade der Energydrinks zu Ende.

Red Bull war der Turbo einer Generation. Nun geht die Dekade der Energydrinks zu Ende.

„Noch mehr von dem Gummibärchen- Saft“, sagt der Mann verächtlich, als er in meinen Einkaufskorb blickt, der rappelvoll mit Energydrinks gepackt ist. Mit einem Testeinkauf im Getränkemarkt wollte ich herausfinden, welche stimulierenden Brausen es am deutschen Markt zu kaufen gibt. Die überraschende Antwort: Immer weniger. Die Mischung aus Zucker und Koffein ist bei Jugendlichen ziemlich out.
„Nicht mit Alkohol mischen“, steht auf den Dosen von Red Bull. Für eine Generation von Barkeepern wirkte dieser Satz wie eine Aufforderung. Warnungen, dass Energygetränke gesundheitsschädlich sein könnten, gibt es seit Anfang der Neunziger. Verbote in Frankreich und Kanada gaben dem Produkt jedoch höchstens ein verruchtes Image und bestätigten gleichsam den potentiellen KonsumentInnen die Wirksamkeit des Trankes. Der Reiz des Verbotenen zog viele an, die nach billiger, schneller Energie hungerten. Dazu gehörten NachtschwärmerInnen ebenso wie BörsenmaklerInnen oder die jugendlichen SkateboarderInnen. Wodka Red Bull wurde bald zu einem Lifestyle-Getränk, von dem auch Mode-Ikone David Beckham gerne nippte. Aber auch ohne Alkohol fanden Energydrinks ihre AbnehmerInnen. Vor der Börse an der New Yorker Wall Street würden die Kioske Red Bull in Halbliterdosen an gestresste HändlerInnen verkaufen, berichtete die Financial Times Deutschland noch vor wenigen Jahren. Energydrinks galten als passendes Begleitprodukt zu den schnelllebigen Nullerjahren: Immer auf Achse, notfalls auch die ganze Nacht. Nun ist die Blase geplatzt.

Red Bull ist kein Saft mehr. Die Jugend von heute hat einen anderen Geschmack im Mund. Im vergangenen Jahr verkaufte sich Bionade in Deutschland erstmals besser als die verschiedenen Energydrink- Marken. Die HerstellerInnen werben dennoch aggressiv um ihre KundInnen. Eine Web-Suche nach „Red Bull“ offenbart wenig über das Getränk selbst. Vielmehr bietet sie einen kurzen Abriss der Geschichte blech-blauen Lifestyle-Sponsorings. Vom Red Bulletin-Magazin bis hin zu eponymen Eishockeyteams und dem Red Bull Racing Team in der Formel Eins: Nicht die bronzefarbene Brause des Herstellers ist in aller Munde, sondern ihr Marketing. Die Absätze dagegen stagnieren. Das gilt auch für die billigere Konkurrenz. Bereits jetzt sind 96 Prozent aller Energydrinks, die an Tankstellen verkauft werden, von der Marke Red Bull. Und deren Absätze sind seit zwei Jahren rückläufig.
Des Marktes letzter Seufzer ist Bifi Energy mit Guarana. Auch die Dauerwurst, die seit Januar verkauft wird, laboriert am selben „Energy“- Problem: Der Geschmack erinnert an Blutorange im Rauchbad und hat weder mit trinkbaren Gummibärchen noch mit herkömmlichem Schweinefleisch viel zu tun. Die Textur wirkt, als wäre Bifi Energy ein Abfallprodukt der Weltraumforschung. Es ist fraglich, ob die potentiellen KäuferInnen die Wurst jemals als Ausdruck ihres Lebensstiles empfinden werden, wie sie das einst mit Red Bull taten.
Vor allem Jugendliche tragen nicht mehr kistenweise Energydrinks aus den Läden. In der Altersgruppe der 15 bis 25 Jahre alten KonsumentInnen wird immer weniger davon getrunken. „Früher hat Red Bull für die Leute exotisch geschmeckt, heute wirkt es nur noch chemisch“, urteilt die 14 Jahre alte Sarah über Energygetränke. Diese veränderte Wahrnehmung hat für sie eindeutige Ursachen: „Damals haben Fruchtsäfte einfach noch nicht so lecker geschmeckt. Jetzt gibt es mehr mit Bio und so.“ „Red Bull schmeckt voll ekelig“, pflichtet ihr auch Freundin Charlotte bei. „Ich hab,s nur einmal getrunken – danach musste ich mir den Mund ausspülen.“

Behörden machen Werbung. Das Problem der Marke „Energydrink“ liegt nicht zuletzt in ihrer starren Konzeption. Der Begriff umfasst eigentlich jedes Getränk mit erhöhten Koffein-Werten oder aufputschenden Zutaten wie Taurin, Guaraná oder Maté. Für die meisten KonsumentInnen ist der Name jedoch synonym mit dem süßlichsynthetischen Geschmack von Red Bull. Diese geschmackliche Orthodoxie hat die Weiterentwicklung der Energygetränke schwierig gemacht. Was nicht nach Gummibärchen schmeckt, wird auch nicht als „Energy“ erkannt. Andere Getränke und Produkte wie Guaraná- Kaugummis und Bonbons, die versuchten, das kulinarische Spektrum zu erweitern, sind längst wieder vom Massenmarkt verschwunden. Ihr Geschmack war den KundInnen zu eigenwillig.
Die Behörden machen unterdessen weiterhin Werbung für die bunten Tränke. Erst Anfang Februar warnten deutsche Behörden vor dem neuesten Produkt der Firma Red Bull, dem Energy Shot. Für Jugendliche, die durch Warnhinweise und Verbote nicht von Nikotin und Cannabis ferngehalten werden, wirkt das eher ermutigend. Davor sorgte im Mai vergangenen Jahres das Verbotvon Red Bull Cola in einigen deutschen Bundesländern für Furore. Die hessische Lebensmittelbehörde gab bekannt, dass dem Getränk Kokain beigemischt sei, freilich in irrelevant kleinen Mengen. Dennoch musste das Getränk verboten werden, um den gesetzlichen Auflagen zu genügen. Cooler konnte das Getränk für viele Jugendliche nicht gemacht werden. Kurz nach Bekanntgabe explodierten die Verkaufszahlen von Red Bull Cola. Doch der große Boost ist nun vorüber.
Neuester Trend in den Getränkemärkten sind nicht Energydrinks, sondern Entspannungsgetränke. Brausen mit Kamille und Baldrian sollen helfen, den Schock von Wirtschaftskrise und steigendem Druck am Arbeitsmarkt zu verdauen. Produkte wie Slow Cow werden in Amerika als eine Art „Anti- Energydrink“ vermarktet. Wer durch die Regale eines größeren Supermarktes streift, wird heute auf eine Multitude an Produkten treffen, die lockeres und leichtes Leben versprechen, ganz ohne Belastung. Balance und Be.Light heißen die Produktreihen. Aldi hat über 50 solche Produkte im Angebot, von fettarmem Käse bis zum „probiotischen Fitnessdrink“.
Das passt zu einem größeren Trend: Wellness. Der Imperativ, schnell und leistungsfähig zu sein, auch auf Kosten der eigenen Gesundheit, hat ausgedient. Die Betonung der neuen Warenwelt liegt auf Nachhaltigkeit gegenüber dem eigenen Körper. Überzuckerte, hochkoffeinierte Energydrinks haben da keinen Platz. Red Bull mag zwar laut eigener Werbung Flügel verleihen. Längerfristige Höhenflüge können aber nicht mehr erwartet werden.

FPÖ-Mann Tiller: Ich kann rudelbumsen

  • 13.07.2012, 18:18

Gedanken zur Swingerclub-Installation des Künstlers Christoph Büchels offenbaren das schier unglaubliche künstlerische Potential in den Reihen der FPÖ. Eine staunende Betrachtung und Richtigstellung.

Gedanken zur Swingerclub-Installation des Künstlers Christoph Büchels offenbaren das schier unglaubliche künstlerische Potential in den Reihen der FPÖ. Eine staunende Betrachtung und Richtigstellung.

Wien, Ende Februar dieses Jahres: In die Gemächlichkeit der österreichischen Innenpolitik platzt ein empörter, nach einem Skandal rufender Schrei. Die FPÖ Wien (und somit auch die Mutterpartei) hat eine Kunstaktion des Schweizers Christoph Büchel in der Secession als groß angelegte Verschwendung von Steuergeld aufgedeckt. Unter dem „Deckmantel“ der Freiheit der Kunst wolle Büchel in der traditionsreichen Secession einen Swingerclub installieren, ließen die Freiheitlichen verlautbaren. Aber Rudelbumsen, so der freiheitliche Kulturfunktionär Helmut Tiller, das sei keine Kunst. Sogar er könne es, meinte der gute Mann. Eine Schweinerei, Vorführsex als Kunst auszuweisen und dafür auch noch enorme Summen einzustreichen. 90.000 Euro an jährlicher Förderung, das ist für die FPÖ schlichtweg „durchgeknallt“.
Ohne die exaltierten Freiheitlichen würde die Aktion des Schweizers vermutlich nicht einmal soviel Aufmerksamkeit wie der Podcast vom Bumsti aus Erdberg erregen. Erst durch das Jaulen der Wölfe erreicht das unerhörte Treiben gewisse Bekanntheit. JournalistInnen wissen zwar nicht, was und wie sie davon berichten sollen, sind aber erneut erstaunt über die überbordende Kreativität der Freiheitlichen, mit der sie ihre neueste künstliche Erregung zuwege gebracht haben.

Umsunst – die Kunst? Dieses Ereignis bringt mich ins Grübeln über Kunstbegriff und Kulturpolitik. Nach einigen Überlegungen erkenne ich klar, dass die Eff dabei ist, ins eigene Nest zu machen. Unter Artikel IV ihres Parteiprogramms lese ich Folgendes:
„Kunst ist Privatsache. Der Staat darf über seine Kunstpolitik keine Geschmacksbevormundung, politische Instrumentalisierung und Subventionsgängelung betreiben. […] Der Staat hat seine Kunstförderung auf die Schaffung von Rahmenbedingungen und infrastrukturellen Einrichtungen zu beschränken. Diese sollten insbesondere Kunsthochschulen, Konservatorien und Musikhochschulen, Galerien und Ausstellungsräumlichkeiten, öffentliche Bühnen und Konzertsäle, Werkräume und Starthilfen für Jungkünstler umfassen.“
Wie mir scheint wird unter der Goldkugel im freiheitlichen Takt geswingt. Die Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession erhält jährliche Subventionen, ist aber nicht „gegängelt“ in dem Sinne, weisungsabhängig zu arbeiten. Zudem stand hinter ihrer Gründung der Gedanke, zeitgenössischen, progressiven, eben jungen KünstlerInnen eine Plattform – eine „Starthilfe“ – zu geben. Ich frage mich also, wozu die ganze Aufregung – bloß schon wieder wegen des Wahlkampfs?

Fiat iustitia … Geht es den Freiheitlichen nicht um mehr als profanes Wahlkämpfen? Können die diesmal zugegebenermaßen bescheidenen Einwürfe zur Kulturpolitik von Seiten der FPÖ generell als Geschwätz abgetan werden? Haben ihre FunktionärInnen nicht eine wichtige Botschaft, sind sie vielleicht nur etwas zu ungeschickt, zu holprig im Umgang mit der deutschen Sprache, um diese auch zu kommunizieren? Unterschätze ich die Kunstkompetenz der Freiheitlichen?
Nun, ich will mich nicht in die Riege derer stellen, die reflexartig die FPÖ anpinkeln. Im Gegenteil, ich will unpopulär sein, ich will, dass der Eff und ihrer Kulturpolitik Gerechtigkeit widerfahre! Angestrengt denke ich also nach. Die Klagenfurter Seebühne kommt mir in den Sinn, ein inzwischen bereits versunkenes Kapitel des freiheitlichen Kunstaktionismus. Doch die Idee, lobend darüber zu berichten, versinkt ebenso. Der einstmals so strahlende Kunstkoloss ist in letzter Zeit so arg in Verruf geraten, dass selbst die Gründerväter ihm die Liebe entziehen. Trotz großzügiger Unterstützungen von Seiten des Landes und des schönen Karl-Heinz musste nicht nur künstlerischer Bankrott angemeldet werden. Ein anderes freiheitliches „Kunstprojekt“ glänzt dafür umso heller.

… et ars pereat. Ein für die FPÖ in den Niederösterreichischen Landtag gewähltes „gallisches Dorf“ hält der heimatlichen Politikerkaste einen Spiegel vor – ganz ohne Werbetrommel und moralisch anstößige Aktionen. Es handelt sich hierbei um Karl Schwab, den wohl talentiertesten Politsatiriker des Landes. Bescheiden und doch selbstüberzeugt und voll Inbrunst prangert er die intellektuellen Missstände unserer Gesellschaft an, indem er sie selbst vorspielt. Sein Spiel mit der Sprache gemahnt an Karl Kraus, er ist der lebende Beweis, wie sehr die Kunst den Freiheitlichen am Herzen liegt. Unvergessen sein Appell an die Abgeordneten zum Landtag: „Ich frage Sie, ist Kunst, wenn jemand vielleicht ein poar olte Radln zamschwoaßt? […] Und sagt, das ist Kunst. Des is Metallkunst. Aber des is net Kunst!“
Mit entlarvender Ehrlichkeit und überraschender Glaubwürdigkeit stellt dieser Fackelträger des Intellekts PolitikerInnen aller Couleurs und Ebenen nach, wie es kein anderer Kabarettist oder Kabarettistin bislang vermochte (Hader spielt Hader versus Schwab spielt Politiker). Ohne die Aufmerksamkeit seiner KollegInnen zu erregen, hat er den Landtag in eine Kleinkunstbühne verwandelt.
Stellen wir uns vor: Mit 6.500 Euro im Monat ist dieses Projekt voll ausfinanziert. Hochgerechnet ist das kaum mehr als die „Perversen“ in der Secession nehmen! Weiters wird in dieser „Werkstatt“ sicher keine „politische Instrumentalisierung“ betrieben. Eintritt ist sowieso nicht zu begleichen, sogar Minderjährige können beiwohnen. Schau, unseliges KritikerInnengesindel, das ist ordentliche Kulturpolitik!
Somit bin ich beruhigt, weiß nun, dass sich am Horizont des Freiheitlichen Kunstverständnisses die dunklen Wolken lichten. Mich erfüllt die Hoffnung, dass die FPÖ sich auf die weiteren großen KünstlerInnen in den eigenen Reihen besinnt, diese fördert und fortan von künstlichen Erregungen ablässt; sich gewahr wird, den Kunstbegriff als Partei vielleicht prägen zu können, aber nicht zu definieren. Denn wie Karl Schwab bereits auf die Frage, was Kunst denn überhaupt sei, zu antworten wusste: „Das entscheidet sicher der Volk, der was das konsumieren muss.“

Die Geister der Geisterstadt

  • 13.07.2012, 18:18

Vor einem Jahr hat ein Erdbeben die italienische Stadt L’Aquila zerstört. Der Wiederaufbau geht zäh bis gar nicht voran. Wie sich die AquilanerInnen ihre Stadt zurück erschleichen.

Vor einem Jahr hat ein Erdbeben die italienische Stadt L’Aquila zerstört. Der Wiederaufbau geht zäh bis gar nicht voran. Wie sich die AquilanerInnen ihre Stadt zurück erschleichen.

"Dal silenzio al silenzio“ steht über dem Eingang des Theaters von L’Aquila – oder dem, was davon übrig ist. Gegenüber befinden sich die Ruinen der ehemaligen Schule, kaputte Fenster, bröckelnde Fassade. Wo vor einem Jahr Kinder aus dem Unterricht gelaufen kamen, ist heute kein Mensch mehr. Nach dem Beben mussten die AquilanerInnen ihre Stadt verlassen. Auf den Theatereingang haben sie die Höllentor-Verse aus Dantes Göttlicher Komödie geschrieben: „Durch mich geht man hinein zur Stadt der Trauer, durch mich geht man zu dem verlorenen Volke.“
Bis auf einen ausgewiesenen Weg zum Hauptplatz darf die Stadt niemand betreten. Ein zwei Meter hoher Metallzaun umgibt die zerstörte Stadt, die von SoldatInnen mit Maschinengewehren bewacht wird. Sie streifen die Absperrungen entlang, lehnen gelangweilt an ihren Fahrzeugen oder rauchen Zigaretten. Sie sollen dafür sorgen, dass kein Mensch zu den Ruinen von L’Aquila vordringt.

Die BewohnerInnen kehren zurück. An diesem Nachmittag durchbricht aber das Klappern von Stöckelschuhen die gespenstische Stille von L’Aquila. Um die Ecke kommt eine Frau mit schicker Sonnenbrille, ihre Hände in einen braunen Trenchcoat gesteckt. Flotten Schrittes geht sie auf den Metallzaun zu, blickt sich zweimal um und zieht den Zaun ein Stück zu sich. Dann zwängt sie sich wie selbstverständlich durch die schmale Lücke zwischen Absperrung und Hausmauer, putzt sich ihren Mantel ab und klappert weiter die verlassene Straße entlang. Frau Gennaioli geht „nach Hause“.
Genau ein Jahr ist es her, dass das Erdbeben im Zentrum Italiens die Stadt L’Aquila zerstört hat. Ein Jahr wartet die beschauliche Stadt auf dem Hügel der Abruzzen im eigenen Schutt darauf, aufgeräumt zu werden. 308 Menschen sind in der Nacht, als die Erde bebte, ums Leben gekommen. Frau Gennaioli und ihre Familie hatten Glück: Ihre Wohnung in der Via dei Sali blieb verschont.
Aus dem Fenster der alten Erdgeschoßwohnung winkt Großvater Gennaioli, wenige Sekunden später kommt die Tochter um die Ecke gebogen. Sie
und ihre Mutter küssen sich und fallen sich um den Hals. Da pfeift der Großvater leise durch die Finger und deutet schnell zum anderen Ende der Straße. Ein Soldat in knallgelber Warnweste blickt die Straße zu ihnen hinunter. Sofort springen die beiden in das kühle Stiegenhaus ihrer Wohnung. Leise lachen sie, als der Großvater sie mit einer Flasche Grappa in Empfang nimmt.

Das Erdbeben. Seit einem Jahr ist die Wohnung quasi unberührt. Die Familie ist nur einige Male seit der verheerenden Nacht heimlich heimgekehrt, um zu putzen. In der Spüle liegen Schwamm und Geschirrspülmittel, die Töpfe sind geordnet, auf dem Regal neben dem Esstisch liegen die Zeitungen von damals. 5. April, der Tag vor dem Erdbeben. „Wir hatten großes Glück“, erzählt Frau Gennaioli. „Um elf in der Nacht hatte die Erde bereits einmal stark gebebt, das hat vielen Menschen in L’Aquila das Leben gerettet.“ Sie flüchteten auf die Straße, die Gennaiolis überhaupt raus aus der Stadt. Die Familie besitzt ein zweites Haus etwa 20 Minuten außerhalb L’Aquilas. Um 3:32 Uhr fesselten sie die Erdstöße buchstäblich an ihr Bett. Niemand hat sich getraut, sich zu bewegen. Doch der eigentliche Schock kam erst tags darauf, als sie zurück in ihre Stadt kamen. „L’Aquila war eine einzige weiße Schlange, die langsam hin und her kroch.“ Der Schutt, die Asche, dazwischen blutüberströmte Menschen. „Wir waren umgeben von einem Geruch, den wir noch nie gerochen hatten und den wir wohl auch nie wieder riechen werden.“
Frau Gennaioli zeigt die hölzerne Kommode, die sie selbst babyblau gestrichen hat, das Schlafzimmer ihrer Kinder, die beide in diesem Haus mit ihrem Studium fertig wurden. Jeder Schritt, jeder Handgriff der Familie Gennaioli ist über Jahrzehnte erprobt. Das ist ihr Haus, hier sind sie zuhause.

Die Berlusconi-Häuser. Daran ändern auch die in Windeseile erbauten, erdbebensicheren Ersatzhäuser um L’Aquila nichts. Früher lebten etwa 80.000 Menschen in der Stadt, heute sind es 20.000, die sich am Rand der Stadt ein neues Haus schenken haben lassen. Silvio Berlusconi wusste politisches Kapital aus dem Erdbeben zu schlagen. Mit Steuergeldern ließ der ehemalige Bauunternehmer das neue L’Aquila, „L’Aquila 2“, aus dem Boden stampfen. In jeder einzelnen Wohnung wartete gekühlter Champagner auf die neuen HausbewohnerInnen, mit bis zu € 1.500 Taschengeld im Monat wurde den Menschen sofort geholfen. Währenddessen verfällt das alte L’Aquila. „Man muss Berlusconi allerdings lassen: Er hat es geschafft, binnen einen Jahres eine neue Bleibe für 80.000 Menschen zu organisieren“, sagt Frau Gennaioli.

„Wir wollen unsere Stadt zurück.“ Doch viele AquilanerInnen werden unruhig. Während die Gennaiolis in ihrer alten Wohnung Erinnerungen austauschen, füllt sich langsam der Hauptplatz mit den AquilanerInnen, die heute am Jahrestag des Bebens zurückkehren und ihrem Unmut freien Lauf lassen: „Wir wollen unsere Stadt zurück“, steht auf dem großen Transparent am Piazza del Duomo. Für sie geht der Wiederaufbau viel zu langsam voran, sie wollen endlich heimkehren. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr nur einige wenige Häuser renoviert, bezeichnenderweise als erstes die zwei Banken am Hauptplatz. Einige AquilanerInnen leben noch immer in Hotels an der Adriaküste. „Verwendet die Steine neu: Das L’Aquila von gestern für das L’Aquila von morgen!“, fordern sie auf einem anderen Transparent. Ein älterer Italiener schüttelt nur den Kopf, wenn er nach seiner Stadt befragt wird. „Es ist ein Desaster. Eine militarisierte Stadt und kein Geld zum Wiederaufbau.“
In der Nacht zum 6. April werden sich 25.000 Menschen zum Gedenken versammeln, für einen Tag kehrt Leben in die Stadt zurück. Doch schon am Morgen, nach den Gedenkveranstaltungen werden hier wieder nur die SoldatInnen zurückbleiben, die darauf aufpassen, dass Menschen wie die Gennaiolis nicht in die verbotene Stadt eindringen. Das wird sie aber nicht davon abhalten, es trotzdem zu tun.

Über den Tod hinaus

  • 13.07.2012, 18:18

Die Medien bedachten Johanna Dohnal nach ihrem Tod im Februar sowohl mit güldenen Worten als auch mit harscher Kritik. Das spiegelt ihr Leben wider. Dohnal war stets eine Kämpferin.

Die Medien bedachten Johanna Dohnal nach ihrem Tod im Februar sowohl mit güldenen Worten als auch mit harscher Kritik. Das spiegelt ihr Leben wider. Dohnal war stets eine Kämpferin.

Selten hat der Tod einer Politikerin in Österreich so viel Öffentlichkeit erregt. Kurz nachdem bekannt wurde, dass Johanna Dohnal nicht mehr lebt, überschlugen sich Würdigungen, Mitleidsbekundungen und Anteilnahmen. Das Spektrum reichte von tiefer Trauer bis hin zu gekränkter Abrechnung. Andreas Unterberger (ehemaliger Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse und der Wiener Zeitung) schrieb in einem Blogeintrag, Dohnal hätte den „größtmöglichen Schaden in der zweiten Republik angerichtet“. Eine Frau, die über den Tod hinaus die Gemüter von FreundInnen und FeindInnen so heftig bewegt, muss in ihrem Leben etwas richtig gemacht haben.

Einzementierung der Ungerechtigkeit. Die österreichischen 1950er und 60er Jahre noch einmal vor Augen gehalten, ergibt sich ein Bild, das heute fern jeder Realität scheint. Die öffentliche Sphäre war Männern vorbehalten, Frauen wurden ins Private gezwungen. Jede und jeder wusste, wo ihr beziehungsweise sein Platz zu sein hatte. Während weite Teile der Öffentlichkeit von Politik, den Medien, den Universitäten, den Schulen oder der Gesundheitsversorgung Männern vorbehalten waren, hatte der Platz vieler Frauen im Privaten bei der Kinderversorgung, Altenpflege und Hausarbeit zu sein. Der gesetzliche Rahmen zementierte die gängigen Vorstellungen über eine Arbeitsteilung der Geschlechter auch ausdrücklich ein. So galt etwa „der Mann“ per Gesetz als Hauptmann der Familie. Es stand ihm etwa zu, den Wohnort der Familie zu bestimmen oder der Ehegattin die Ausübung eines Berufs zu verbieten. Ohne Erlaubnis des Ehemanns hatten Frauen nicht die Möglichkeit, für das eigene Kind einen Passantrag oder eine Schuleinschreibung zu unterzeichnen. Im Falle einer Scheidung fiel das gemeinsame Vermögen automatisch dem Ehegatten zu, da angenommen wurde, das familiäre Vermögen sei von diesem erwirtschaftet worden. Für den Fall einer Auflösung der familiären Einheit fiel die Obsorge, sofern sie nicht an den Vater ging, zuerst der öffentlichen Amtsvormundschaft und erst dann der Mutter zu.
Vor dem Hintergrund dieser Zeit begann Johanna Dohnal, geboren 1939 in Wien, ihre politische Laufbahn. Der Kampf um die Fristenlösung (die Möglichkeit eines straffreien Schwangerschaftsabbruchs bis zur vierten Schwangerschaftswoche) verstärkte die Überzeugung von Dohnal, dass die österreichische Gesellschaft in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit eine Durchlüftung braucht. Es galt nicht nur die zahlreichen rechtlichen Diskriminierungen von Frauen zu beseitigen, sondern auch die Fülle der Ungleichbehandlungen aufzuzeigen und diese aufzubrechen. Dabei war Dohnal davon überzeugt, dass dieser Kampf sowohl innerhalb und außerhalb von politischen Organisationen und Institutionen wie auch über die Grenzen politischer Parteilichkeit hinweg geführt werden muss. Dies galt nicht nur, aber vor allem auch, angesichts der immensen Kräfte, die einer geschlechtergerechten Gesellschaft entgegenstanden.

Aufbruch im Morgenrot. Die allgemeine Aufbruchsstimmung der 1970er Jahre in Österreich begünstigte den Kampf von Dohnal und ihrer MitstreiterInnen. Dohnal wurde 1979 als erste Staatsekretärin für „allgemeine Frauenfragen“ angelobt. Ausgehend von dieser Institution wurden nun sämtliche Gesetzesmaterien auf Geschlechterfragen hin überprüft, notwendige Veränderungen angestoßen, nationale Frauenberichte erstellt sowie Aktionen zur kritischen Meinungsbildung in der Öffentlichkeit organisiert. „Werkelfrau und Schlossermädl“, „Gleiche Lehrpläne für Buben und Mädchen“ oder die Aktion „Medienbeobachtungen“ waren einige der bekannteren von ihnen. Mitte der siebziger bis Anfang der neunziger Jahre wurden die meisten gesetzlichen Ungleichstellung von Frauen beseitigt, das Koedukationsprinzip (geschlechterübergreifender Unterricht) fand Einzug in österreichische Schulen, außerdem wurden Frauenhäuser zum Schutz vor häuslicher Gewalt gegründet. Nachdem Dohnal 1990 schließlich als erste Frauenministerin angelobt wurde, schied sie 1995 nach einer Regierungsumbildung aus der aktiven Politik aus.

Strand finden unter dem Pflaster. Auch nach dem Tod von Johanna Dohnal ist der Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter nicht zu Ende. Die Verteilung der Arbeit ist nach wie vor stark geschlechtlich gefärbt. Die Entlohnung für gleiche Arbeit, wie branchen- und geschlechterspezifische Lohnquoten deutlich zeigen, geht weit auseinander. Politische und universitäre Entscheidungsgremien sind in der Regel einseitig besetzt. Gerade in Bereichen der Mitgestaltung und Machtverteilung wundern Standpunkte wie solche von Andreas Unterberger nur auf den ersten Blick. Denn wie die ehemalige Frauenministerin einmal pointiert feststellte, bedeuten mehr Frauen in der Politik dort eben auch weniger Männer. Umgekehrt bedeutet dies aber vor allem auch, dass das Vordringen von Männern in traditionelle Arbeitsfelder von Frauen absolut notwendig ist. Auch um daran zu erinnern, dass die Aufhebung von geschlechterbezogenen Diskriminierungen eben alles andere als ein Gegeneinander-Ausspielen sei, sagte Johanna Dohnal einmal 2004: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‘weibliche Zukunft’. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.”

Neues aus der Beziehungskiste

  • 13.07.2012, 18:18

Sibylle Hamann fordert, dass auch Männer über Gleichberechtigung nachdenken sollen.

Sibylle Hamann fordert, dass auch Männer über Gleichberechtigung nachdenken sollen.

Feminismus ist eine großartige Sache, hat Unterhaltungswert und vertreibt die Zeit. Auch Männer finden mittlerweile Gefallen daran – immer vorausgesetzt, er findet bloß im Fernsehen statt. Feminismus heute ist meistens eine Art Zuschauersport: Ein Moderator schickt Frauen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen in den Ring, rotzige Girlies gegen angegraute Frauenrechtlerinnen, kühle Karrieristinnen gegen schwurbelige Esoterikerinnen, und dann freuen sich alle, wenn die Fetzen fliegen. Kinder oder keine? Vielfliegerlounge oder Vollwertkochkurs? Ach, was Frauen sich bloß alles an Problemen aufgehalst haben mit ihrer Gleichberechtigung! Wie herzig, ihnen bei der Bewältigung zuzuschauen! Aber wie gut, dass uns Männer das alles nichts angeht!
Die Gleichberechtigung der Geschlechter wird, immer noch und immer wieder, als „Frauenfrage“ definiert, mit einer Hartnäckigkeit, die ihresgleichen sucht. In der Politik ist die Frauenministerin dafür zuständig, im Betrieb die Frauenbeauftragte, im Beziehungsalltag der weibliche Beziehungsteil. Warum eigentlich?
Wahrscheinlich ist genau das der Hauptgrund, warum wir in der Geschlechterdebatte schon recht lange nicht mehr vom Fleck kommen.
Schauen wir uns die Gleichberechtigung einmal aus einer größeren historischen Perspektive an. Nüchtern betrachtet haben Frauen ihren Teil des Deals erfüllt. Ihr Auftrag lautete: Lernt etwas, stellt euch beruflich auf eigene Beine, macht euch ökonomisch unabhängig und erobert die Hälfte der Arbeitswelt. Das haben sie getan. Mädchen haben heute die besseren Noten in der Schule. Frauen machen die Mehrzahl der Universitätsabschlüsse. Sie haben gelernt, Flugzeuge und Anwaltskanzleien zu lenken, Raketen und Frühstücksflocken zu designen. Sie haben gezeigt, dass man Kanzlerin werden kann und Soldatin in Afghanistan. Sie machen ihre Sache eigentlich ganz gut.
Seltsam ist bloß: Die versprochene Gegenleistung will sich nicht recht einstellen. Frauen tun, was Männer immer schon getan haben, nur eben zusätzlich. Denn dabei, ihre traditionellen Aufgaben abzutreten, kommen sie nicht recht vom Fleck. Die Verantwortung fürs Kümmern und Pflegen, Trösten und Organisieren klebt an ihnen, als sei sie angewachsen. Man nennt sie jetzt „Alphamädchen“, doch sie räumen immer noch regelmäßig den Geschirrspüler aus und checken die Termine beim Kinderarzt. Sie wissen natürlich, dass man dabei cool lächeln sollte, um nicht als frustrierte, verhärmte Zicke dazustehen. Aber ein bisschen erschöpft, ein bisschen ausgetrickst fühlen sie sich doch.
Gleichzeitig sind auch die Männer unzufrieden. Sie spüren die weibliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, je jünger, desto heftiger, und haben immer weniger gute Argumente bei der Hand, um ihre letzten kleinen Exklusivreviere zu verteidigen. Ihre Erwerbsbiographien werden unsicherer, immer öfter zweifeln sie daran, ob sie tatsächlich noch genauso verlässlich als „Ernährer“ taugen wie ihre Väter und Großväter. Sie wissen nicht genau, was Frauen von ihnen erwarten, und sind sicherheitshalber misstrauisch. Immer öfter verweigern sie Beziehungen und laufen vor der Verantwortung für Kinder davon.

Das kann doch eigentlich nicht alles gewesen sein? Wahrscheinlich haben Frauen schon genug über Gleichberechtigung geredet. Wahrscheinlich sind jetzt einfach einmal die Männer dran. Es ist höchst an der Zeit, sich den Themen, die Frauen mittlerweile zum Hals heraushängen, einmal von der anderen, der männlichen Seite her zu nähern.
Da tun sich plötzlich gähnende Leerstellen auf. Wie lässt sich, zum Beispiel, eigentlich die Vaterrolle mit einer ernsthaften Karriere vereinbaren? Was tun, wenn die Dienstreise mit der Schulaufführung der Raupe Nimmersatt kollidiert, und was wird die Kollegin denken, wenn schon zum dritten Mal in diesem Jahr ein Pflegeurlaub notwendig wird? Welches Jobangebot lässt sich besser mit den Öffnungszeiten des Kindergartens verbinden? Und hätte ich über all das nicht schon bei der Wahl des Studiums oder des Lehrberufs nachdenken müssen?
Wer solche Fragen ernst nimmt, wird schnell draufkommen: Auch Männer können sich in Geschlechterklischees eingesperrt fühlen. Es ist nicht lustig, sich Wünsche, Bedürfnisse und Fähigkeiten abzuschneiden, bloß weil sie nicht in die Rolle passen. Und man wird auch draufkommen: Männer werden mit diesen Konflikten fast immer sehr allein gelassen. Von Politikern, von Vorgesetzten, von ihren Kollegen und Freunden – und, sehr oft, auch von ihren Kolleginnen, Freundinnen und Frauen.
Zeit wird’s also für eine Männerbewegung, die endlich drauf pocht, dass Männer in ihrer ganzen Vielfalt für voll genommen werden.
In vielen Bereichen der Gesellschaft fehlen sie nämlich bis heute, und ihr Fehlen tut weh. Sie fehlen in den Schulen und in den Sozialberufen, in der Pflege, in der Jugendarbeit. Sie hätten hier immens viel zu tun: Sie könnten Kindern zeigen, dass richtige Männer nicht nur zum Naseputzen, sondern auch zu komplexen Erziehungsaufgaben fähig sind. Sie könnten Buben auf die Idee bringen, sich fürs Trösten und Streitschlichten zuständig zu fühlen, statt automatisch Automechaniker werden zu wollen. Speziell für Buben aus traditionellen MigrantInnenfamilien könnten sie Identifikationsfiguren darstellen, die ein bisschen anders reden und handeln als die Väter daheim.
Es ist einige Jahrzehnte her, dass Frauen sich anschickten, die männlich beherrschte Arbeitswelt zu erobern. Sie waren dort nicht auf Anhieb willkommen. Man hat sich über sie lustig gemacht, sie mit Geringschätzung bestraft, oft stoßen sie bis heute auf eiskalte, berechnende Abwehr. Es war nicht immer einfach, trotzdem blieben sie dran.
Jetzt wären Männer an der Reihe, den zweiten Teil des Deals anzupacken – und den Frauen endlich die Familienkiste aus der Hand zu nehmen. Auch sie können nicht damit rechnen, überall auf Anhieb willkommen zu sein. Manchmal wird man sich über sie lustig machen, sie mit Geringschätzung strafen, mitunter werden sie auch auf eiskalte, berechnende Abwehr stoßen – denn loslassen fällt auch Frauen schwer.
Es wäre schön, wenn sie sich nicht so leicht entmutigen lassen. Wenn sie trotz allem dranbleiben. Sie könnten beweisen, was man ihnen – traditionell und klischeehaft gesprochen – so gerne nachsagt: Verwegenheit, Mut und Pioniergeist. Wir können ihnen versichern: Es ist nicht immer einfach, aber es zahlt sich aus.
Wovor fürchten sie sich eigentlich?

Kunst ist wie ein Spiegel

  • 13.07.2012, 18:18

Svenja Hofe (22), Fashion & Management-Studentin, Model und leidenschaftliche Fotografin

Svenja Hofe (22), Fashion & Management-Studentin, Model und leidenschaftliche Fotografin

Durch mein Studium International Fashion & Management am Amsterdam Fashion Institute muss ich ständig aufmerksam sein für globale Trends und wirtschaftliche sowie kulturelle Entwicklungen. Ich muss die Fähigkeit haben, feinfühlig neue Modetrends, Stimmungen und Veränderungen in der Gesellschaft wahrzunehmen. All diese Eindrücke und Entwicklungen analysiere ich und übersetzte sie in kommerzielle Geschäftsmöglichkeiten und wirtschaftliche Strategien.
Ich lerne über alle ineinander greifenden Prozesse, die das Endprodukt ausmachen, welches den KonsumentInnen dann letztendlich auf dem Markt angeboten wird. Diese Prozesse beinhalten die Innovation und Gestaltung neuer Produktkonzepte, Imagegestaltung, Produktionsmanagement, Finanzierung und Textiltechnologie. In Projekten arbeiten wir an der Prozessinnovation der Beschaffungskette und an Firmenstrategien.

Aufgeschlossenheit. Aufgeschlossenheit, die Fähigkeit neue Problemstellungen zu lösen und kreatives Denken sind hierfür notwendig. Durch Verständnis und Einfühlungsvermögen muss ich Menschen mit ihren Bedürfnissen und Wünschen visualisieren. Ich muss wissen, wie KonsumentInnen ticken und warum sie kaufen. Kunst inspiriert mich zu neuen Ideen, da sie Ausdruck ist von Gedanken, Wissen, Emotionen und Entwicklungen unserer Gesellschaft und einzelner Menschen. In Kunst drückt sich aus, was unsere Gesellschaft bewegt und in Zukunft bewegen wird. Durch Kunst bekomme ich einen Eindruck über die Erfahrungen und Wahrnehmungen anderer Menschen. Ich kann durch Kunst neue Perspektiven auf meine Umwelt gewinnen und versuchen, durch die Augen eines anderen Menschen zu sehen. Dadurch bekomme ich vielfältige Eindrücke. Manchmal identifiziere ich mich mit diesen Erfahrungen. Oftmals werde ich überrascht von der Kreativität, die mir neue Denkanstöße und Inspiration gibt. Kunst bedeutet für mich auch, unerwartet neue Perspektiven zu erkennen. Auf diese Weise kann ich meine Gedanken teilen und weiterentwickeln. Ich finde es wichtig, aufgeschlossen zu sein und mich darauf einzulassen, von der Sichtweise eines Künstlers oder einer Künstlerin überrascht zu werden. Dadurch kann ich für einen Moment lang regelrecht in eine andere Welt gerissen werden. Die unterschiedlichen Kunstrichtungen beziehen sich aufeinander und inspirieren sich gegenseitig, sodass interdisziplinäre Kreationen entstehen können.

Mode ist Kunst. Modedesign ist inspiriert durch vielfältige Kunstrichtungen von Film bis hin zu Fotografie und Architektur. In Mode verschmelzen die unterschiedlichen Disziplinen. JedeR KünstlerIn hat eine eigene individuelle Art sich auszudrücken. Deshalb sehe ich in Kunst ein Ausdrucksmittel individueller Empfindungen. JedeR betrachtet Kunst auf eine eigene Art und Weise und reflektiert in Kunst individuelle Empfindungen. Das macht Kunst oftmals schwer fassbar, da jedeR persönlich etwas anderes in ihr sieht. Kunst ist wie ein Spiegel, in dem wir uns reflektieren und durch den wir uns kritisieren und Empfindungen aufbewahren können.
Momentan fasziniert mich insbesondere die Kunst der analogen Fotografie. Heutzutage kann durch digitale Technik ein Motiv massenhaft abfotografiert, bearbeitet oder gelöscht werden. In der analogen Fotografie hingegen wird eine Momentaufnahme, sobald sie auf den Film trifft, festgehalten. Dieser Moment wird wie in einer Zeitkapsel durch den Film aufbewahrt. Mich fasziniert die Authentizität. Ein einziges Bild kann die Situation eines Moments eindrucksvoll wiedergeben. Durch analoge Fotografie kann ich meine momentane Empfindung konservieren und vor der Vergänglichkeit aufbewahren.

Die Blendung umgehen

  • 13.07.2012, 18:18

Thomas Kwapil (29) arbeitet als medienübergreifender Künstler.

Thomas Kwapil (29) arbeitet als medienübergreifender Künstler.

Begonnen hat alles in Montreal. Für ein Jahr dort, um seinen Zivildienst zu leisten, und fort aus seinem bisherigen Umfeld, hatte Thomas Kwapil, Wirtschaftsstudent, zum ersten Mal die Ruhe, über alles nachzudenken. Ganz grundlegende Fragen: „Was sind Dinge, die von meiner Familie auf mich projiziert worden sind und andere von mir erwarten, und was sind Dinge, die ich mir für mich selbst vorstelle.“ Heraus kam der Entschluss, die Wirtschaft zu schmeißen – Spaß hatte es ohnehin nie gemacht – und stattdessen das zu tun, was ihn wirklich interessiert: Kunst zu machen.
Ein halbes Jahr später wurde Kwapil in der Klasse für medienübergreifende Kunst von Bernhard Leitner an der Universität für angewandte Kunst aufgenommen. Mittlerweile,sechs Jahre später, hat er sein Studium bereits abgeschlossen und kann entspannt und mit Ironie auf die damalige Situation zurückblicken: „Während meines Zivildienstes habe ich es geschafft, die Blendung zu umgehen. Wenn man in den 80ern groß wird mit Filmen wie Wall Street oder Das Geheimnis meines Erfolges, dann kommt glatt das Gefühl auf, dass das anzustrebende Ziele wären, Macht und finanziellen Erfolg zu haben.“ Dass er Kunst als Beruf wählen kann, wäre für Kwapil als Jugendlicher noch undenkbar gewesen.

Kunst war kein Thema. In der bildnerischen Erziehung in der Schule gab es einen kunstgeschichtlichen Teil und einen handwerklichen, in dem fast ausschließlich gezeichnet wurde, erzählt er. „Und da ich gemerkt habe, dass ich das nicht besonders gut kann, habe ich mich nie in dieser Berufssparte gesehen.“ Zeitgenössische Kunst war ohnehin kein Thema („Picasso war noch das Jüngste, was im Kunstunterricht gelehrt wurde“), auch nicht im familiären Umfeld und im damaligen FreundInnenkreis.
Heute steht die Kunst im Mittelpunkt seines Lebens. Diplomiert im Fach Bildhauerei und Multimedia ist es immer noch die medienübergreifende Kunst, die Kwapil am meisten interessiert. Viele seiner Arbeiten sind fotografisch, Installationen oder Videoarbeiten, mit Öl hatte er schon zu tun und es gab auch Werke aus Karton. Thematisch sind es aktuell Gebäude und ihre Wirkung, die den 29-Jährigen faszinieren: „Architektur ruft ganz spezifische Handlungen in Menschen hervor. Wenn TouristInnen zum Beispiel vor Sehenswürdigkeiten für ein Erinnerungsfoto posieren, dann stehen sie für einen kurzen Moment wie festgefroren da und nehmen dadurch völlig freiwillig selbst einen skulpturalen Charakter an“ – und verschwimmen so mit ihrem Hintergrund („Skulpturengarten“). In einer fotografischen Arbeit, die aktuell in St. Pölten zu sehen ist, hat Kwapil, gemeinsam mit seiner Freundin Elena Kristofor, versucht, Architektur im wahrsten Sinne des Wortes „greifbar“ zu machen („Gesten“ – siehe Bild) und über die (Un-)Möglichkeit der Partizipation an Architektur für Normalmenschen nachgedacht.

Kunst als Gegenteil der Kategorisierung. Wichtig ist ihm, dass Kunst so ziemlich alles sein kann: „Bei allem, was ich tue, denke ich nach, ob es vielleicht künstlerisch für mich interessant ist und ob ich etwas für mich herauspicke.“ Auch wenn er sein alltägliches Leben und sein Aussehen nicht als Projektionswand für seine künstlerische Tätigkeit sehen und verwenden will. „Ich glaube, je intensiver ich mich mit künstlerischen Fragestellungen auseinandersetze, desto weniger Zeit bleibt mir, das nach außen zu tragen oder wie das Stereotyp eines Künstlers zu leben.“ Kunst sieht er als Auffangbecken für alles, „wo die Menschheit nicht daran gedacht hat, es zu kategorisieren.“
Nach außen tragen möchte Kwapil auch lieber nicht Projekte, an denen er aktuell arbeitet. „Wenn ich merke, dass ich etwas gedanklich noch nicht völlig ausgeschöpft habe, dann möchte ich das noch nicht kommunizieren. Jeder Input von außen würde eine Richtung vorgeben oder dem Ganzen einen Einschlag geben, den ich noch nicht selbstbestimmt beitragen konnte. In dieser Hinsicht bin ich ein Kontrollfreak.“
Für die Zukunft würde sich Kwapil wünschen, zu hundert Prozent selbstständig künstlerisch zu arbeiten, von seiner eigenen Kunsttätigkeit leben zu können und ein größeres Budget zu haben, mit dem er seine Ideen umsetzen könnte, vielleicht sogar in einem eigenen Atelier. Als Brotjob arbeitet Kwapil neben seinen eigenen Projekten als Assistent seines ehemaligen Professors, dem international erfolgreichen Multimedia- Künstler Erwin Wurm. Auch wenn er es nicht als künstlerische Tätigkeit per se bezeichnen würde, von der Kunst anderer Menschen zu leben, ist das immerhin ein Anfang.

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