Die Blendung umgehen

  • 13.07.2012, 18:18

Thomas Kwapil (29) arbeitet als medienübergreifender Künstler.

Thomas Kwapil (29) arbeitet als medienübergreifender Künstler.

Begonnen hat alles in Montreal. Für ein Jahr dort, um seinen Zivildienst zu leisten, und fort aus seinem bisherigen Umfeld, hatte Thomas Kwapil, Wirtschaftsstudent, zum ersten Mal die Ruhe, über alles nachzudenken. Ganz grundlegende Fragen: „Was sind Dinge, die von meiner Familie auf mich projiziert worden sind und andere von mir erwarten, und was sind Dinge, die ich mir für mich selbst vorstelle.“ Heraus kam der Entschluss, die Wirtschaft zu schmeißen – Spaß hatte es ohnehin nie gemacht – und stattdessen das zu tun, was ihn wirklich interessiert: Kunst zu machen.
Ein halbes Jahr später wurde Kwapil in der Klasse für medienübergreifende Kunst von Bernhard Leitner an der Universität für angewandte Kunst aufgenommen. Mittlerweile,sechs Jahre später, hat er sein Studium bereits abgeschlossen und kann entspannt und mit Ironie auf die damalige Situation zurückblicken: „Während meines Zivildienstes habe ich es geschafft, die Blendung zu umgehen. Wenn man in den 80ern groß wird mit Filmen wie Wall Street oder Das Geheimnis meines Erfolges, dann kommt glatt das Gefühl auf, dass das anzustrebende Ziele wären, Macht und finanziellen Erfolg zu haben.“ Dass er Kunst als Beruf wählen kann, wäre für Kwapil als Jugendlicher noch undenkbar gewesen.

Kunst war kein Thema. In der bildnerischen Erziehung in der Schule gab es einen kunstgeschichtlichen Teil und einen handwerklichen, in dem fast ausschließlich gezeichnet wurde, erzählt er. „Und da ich gemerkt habe, dass ich das nicht besonders gut kann, habe ich mich nie in dieser Berufssparte gesehen.“ Zeitgenössische Kunst war ohnehin kein Thema („Picasso war noch das Jüngste, was im Kunstunterricht gelehrt wurde“), auch nicht im familiären Umfeld und im damaligen FreundInnenkreis.
Heute steht die Kunst im Mittelpunkt seines Lebens. Diplomiert im Fach Bildhauerei und Multimedia ist es immer noch die medienübergreifende Kunst, die Kwapil am meisten interessiert. Viele seiner Arbeiten sind fotografisch, Installationen oder Videoarbeiten, mit Öl hatte er schon zu tun und es gab auch Werke aus Karton. Thematisch sind es aktuell Gebäude und ihre Wirkung, die den 29-Jährigen faszinieren: „Architektur ruft ganz spezifische Handlungen in Menschen hervor. Wenn TouristInnen zum Beispiel vor Sehenswürdigkeiten für ein Erinnerungsfoto posieren, dann stehen sie für einen kurzen Moment wie festgefroren da und nehmen dadurch völlig freiwillig selbst einen skulpturalen Charakter an“ – und verschwimmen so mit ihrem Hintergrund („Skulpturengarten“). In einer fotografischen Arbeit, die aktuell in St. Pölten zu sehen ist, hat Kwapil, gemeinsam mit seiner Freundin Elena Kristofor, versucht, Architektur im wahrsten Sinne des Wortes „greifbar“ zu machen („Gesten“ – siehe Bild) und über die (Un-)Möglichkeit der Partizipation an Architektur für Normalmenschen nachgedacht.

Kunst als Gegenteil der Kategorisierung. Wichtig ist ihm, dass Kunst so ziemlich alles sein kann: „Bei allem, was ich tue, denke ich nach, ob es vielleicht künstlerisch für mich interessant ist und ob ich etwas für mich herauspicke.“ Auch wenn er sein alltägliches Leben und sein Aussehen nicht als Projektionswand für seine künstlerische Tätigkeit sehen und verwenden will. „Ich glaube, je intensiver ich mich mit künstlerischen Fragestellungen auseinandersetze, desto weniger Zeit bleibt mir, das nach außen zu tragen oder wie das Stereotyp eines Künstlers zu leben.“ Kunst sieht er als Auffangbecken für alles, „wo die Menschheit nicht daran gedacht hat, es zu kategorisieren.“
Nach außen tragen möchte Kwapil auch lieber nicht Projekte, an denen er aktuell arbeitet. „Wenn ich merke, dass ich etwas gedanklich noch nicht völlig ausgeschöpft habe, dann möchte ich das noch nicht kommunizieren. Jeder Input von außen würde eine Richtung vorgeben oder dem Ganzen einen Einschlag geben, den ich noch nicht selbstbestimmt beitragen konnte. In dieser Hinsicht bin ich ein Kontrollfreak.“
Für die Zukunft würde sich Kwapil wünschen, zu hundert Prozent selbstständig künstlerisch zu arbeiten, von seiner eigenen Kunsttätigkeit leben zu können und ein größeres Budget zu haben, mit dem er seine Ideen umsetzen könnte, vielleicht sogar in einem eigenen Atelier. Als Brotjob arbeitet Kwapil neben seinen eigenen Projekten als Assistent seines ehemaligen Professors, dem international erfolgreichen Multimedia- Künstler Erwin Wurm. Auch wenn er es nicht als künstlerische Tätigkeit per se bezeichnen würde, von der Kunst anderer Menschen zu leben, ist das immerhin ein Anfang.

AutorInnen: Alina Sklenicka