Über den Tod hinaus

  • 13.07.2012, 18:18

Die Medien bedachten Johanna Dohnal nach ihrem Tod im Februar sowohl mit güldenen Worten als auch mit harscher Kritik. Das spiegelt ihr Leben wider. Dohnal war stets eine Kämpferin.

Die Medien bedachten Johanna Dohnal nach ihrem Tod im Februar sowohl mit güldenen Worten als auch mit harscher Kritik. Das spiegelt ihr Leben wider. Dohnal war stets eine Kämpferin.

Selten hat der Tod einer Politikerin in Österreich so viel Öffentlichkeit erregt. Kurz nachdem bekannt wurde, dass Johanna Dohnal nicht mehr lebt, überschlugen sich Würdigungen, Mitleidsbekundungen und Anteilnahmen. Das Spektrum reichte von tiefer Trauer bis hin zu gekränkter Abrechnung. Andreas Unterberger (ehemaliger Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse und der Wiener Zeitung) schrieb in einem Blogeintrag, Dohnal hätte den „größtmöglichen Schaden in der zweiten Republik angerichtet“. Eine Frau, die über den Tod hinaus die Gemüter von FreundInnen und FeindInnen so heftig bewegt, muss in ihrem Leben etwas richtig gemacht haben.

Einzementierung der Ungerechtigkeit. Die österreichischen 1950er und 60er Jahre noch einmal vor Augen gehalten, ergibt sich ein Bild, das heute fern jeder Realität scheint. Die öffentliche Sphäre war Männern vorbehalten, Frauen wurden ins Private gezwungen. Jede und jeder wusste, wo ihr beziehungsweise sein Platz zu sein hatte. Während weite Teile der Öffentlichkeit von Politik, den Medien, den Universitäten, den Schulen oder der Gesundheitsversorgung Männern vorbehalten waren, hatte der Platz vieler Frauen im Privaten bei der Kinderversorgung, Altenpflege und Hausarbeit zu sein. Der gesetzliche Rahmen zementierte die gängigen Vorstellungen über eine Arbeitsteilung der Geschlechter auch ausdrücklich ein. So galt etwa „der Mann“ per Gesetz als Hauptmann der Familie. Es stand ihm etwa zu, den Wohnort der Familie zu bestimmen oder der Ehegattin die Ausübung eines Berufs zu verbieten. Ohne Erlaubnis des Ehemanns hatten Frauen nicht die Möglichkeit, für das eigene Kind einen Passantrag oder eine Schuleinschreibung zu unterzeichnen. Im Falle einer Scheidung fiel das gemeinsame Vermögen automatisch dem Ehegatten zu, da angenommen wurde, das familiäre Vermögen sei von diesem erwirtschaftet worden. Für den Fall einer Auflösung der familiären Einheit fiel die Obsorge, sofern sie nicht an den Vater ging, zuerst der öffentlichen Amtsvormundschaft und erst dann der Mutter zu.
Vor dem Hintergrund dieser Zeit begann Johanna Dohnal, geboren 1939 in Wien, ihre politische Laufbahn. Der Kampf um die Fristenlösung (die Möglichkeit eines straffreien Schwangerschaftsabbruchs bis zur vierten Schwangerschaftswoche) verstärkte die Überzeugung von Dohnal, dass die österreichische Gesellschaft in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit eine Durchlüftung braucht. Es galt nicht nur die zahlreichen rechtlichen Diskriminierungen von Frauen zu beseitigen, sondern auch die Fülle der Ungleichbehandlungen aufzuzeigen und diese aufzubrechen. Dabei war Dohnal davon überzeugt, dass dieser Kampf sowohl innerhalb und außerhalb von politischen Organisationen und Institutionen wie auch über die Grenzen politischer Parteilichkeit hinweg geführt werden muss. Dies galt nicht nur, aber vor allem auch, angesichts der immensen Kräfte, die einer geschlechtergerechten Gesellschaft entgegenstanden.

Aufbruch im Morgenrot. Die allgemeine Aufbruchsstimmung der 1970er Jahre in Österreich begünstigte den Kampf von Dohnal und ihrer MitstreiterInnen. Dohnal wurde 1979 als erste Staatsekretärin für „allgemeine Frauenfragen“ angelobt. Ausgehend von dieser Institution wurden nun sämtliche Gesetzesmaterien auf Geschlechterfragen hin überprüft, notwendige Veränderungen angestoßen, nationale Frauenberichte erstellt sowie Aktionen zur kritischen Meinungsbildung in der Öffentlichkeit organisiert. „Werkelfrau und Schlossermädl“, „Gleiche Lehrpläne für Buben und Mädchen“ oder die Aktion „Medienbeobachtungen“ waren einige der bekannteren von ihnen. Mitte der siebziger bis Anfang der neunziger Jahre wurden die meisten gesetzlichen Ungleichstellung von Frauen beseitigt, das Koedukationsprinzip (geschlechterübergreifender Unterricht) fand Einzug in österreichische Schulen, außerdem wurden Frauenhäuser zum Schutz vor häuslicher Gewalt gegründet. Nachdem Dohnal 1990 schließlich als erste Frauenministerin angelobt wurde, schied sie 1995 nach einer Regierungsumbildung aus der aktiven Politik aus.

Strand finden unter dem Pflaster. Auch nach dem Tod von Johanna Dohnal ist der Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter nicht zu Ende. Die Verteilung der Arbeit ist nach wie vor stark geschlechtlich gefärbt. Die Entlohnung für gleiche Arbeit, wie branchen- und geschlechterspezifische Lohnquoten deutlich zeigen, geht weit auseinander. Politische und universitäre Entscheidungsgremien sind in der Regel einseitig besetzt. Gerade in Bereichen der Mitgestaltung und Machtverteilung wundern Standpunkte wie solche von Andreas Unterberger nur auf den ersten Blick. Denn wie die ehemalige Frauenministerin einmal pointiert feststellte, bedeuten mehr Frauen in der Politik dort eben auch weniger Männer. Umgekehrt bedeutet dies aber vor allem auch, dass das Vordringen von Männern in traditionelle Arbeitsfelder von Frauen absolut notwendig ist. Auch um daran zu erinnern, dass die Aufhebung von geschlechterbezogenen Diskriminierungen eben alles andere als ein Gegeneinander-Ausspielen sei, sagte Johanna Dohnal einmal 2004: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‘weibliche Zukunft’. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.”

AutorInnen: Georg Sattelberger