Zugangsbeschränkungen

Kampf um faire Studienbedingungen

  • 08.10.2012, 14:37

Claudia Aurednik diskutierte mit Janine Wulz (zweite stv. Vorsitzende der ÖH), Peter Grabuschnig (Generalsekretär der ÖH) und Stefan Schön (Betriebsrat an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) über aktuelle hochschulpolitische Debatten, Herausforderungen und Missstände.

Claudia Aurednik diskutierte mit Janine Wulz (zweite stv. Vorsitzende der ÖH), Peter Grabuschnig (Generalsekretär der ÖH) und Stefan Schön (Betriebsrat an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) über aktuelle hochschulpolitische Debatten, Herausforderungen und Missstände.

Podcast zur Sendung „Diskurs am Freitag“ im Webradio von Ö1 “ÖH: Kampf um faire Studienbedingungen?!”.

Die ganze Sendung könnt ihr hier nachhören.

„Geregelter Zugang in stark nachgefragten Fächern“

  • 05.10.2012, 16:42

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle versucht sich in Schweigen zu hüllen und sagt trotzdem, dass an Zugangsbeschränkungen für ihn grundsätzlich „in stark nachgefragten Fächern“ kein Weg vorbeiführe. Diese „Fremdselektion der Interessen von Studierenden“ sei ungerecht, kontert Martin Schott vom Vorsitzteam der ÖH im progress Streitgespräch. Oona Kroisleitner und Flora Eder moderierten.

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle versucht sich in Schweigen zu hüllen und sagt trotzdem, dass an Zugangsbeschränkungen für ihn grundsätzlich „in stark nachgefragten Fächern“ kein Weg vorbeiführe. Diese „Fremdselektion der Interessen von Studierenden“ sei ungerecht, kontert Martin Schott vom Vorsitzteam der ÖH im progress Streitgespräch. Oona Kroisleitner und Flora Eder moderierten.

progress: Durch das aktuelle ÖH-Gesetz ist eine Stimme bei den ÖH-Wahlen aus Leoben noch immer mehr Wert als eine Stimme von der KFU Graz. Minister Töchterle, die ÖVP strebt nach einem Mehr an Demokratie. Warum gilt das nicht für die ÖH?

Karlheinz Töchterle: Aus meiner Sicht ist die direkte Wahl der bundesweiten Vertretung der Studierenden sehr wohl möglich, wenn diese Position von allen Fraktionen getragen wird. Das wird sie aber offenbar nicht – und ich werde sie auch nicht gegen die stärkste Fraktion in der ÖH, die Aktionsgemeinschaft, durchsetzen. Vielleicht sehe ich das aber zu simpel oder einseitig.

progress: Martin Schott, warum ist für  die ÖH die Reform so wichtig?

Martin Schott: Der derzeitigen ÖH Koalition geht es hier um eine Grundfrage: Wird die ÖH demokratisch gewählt oder nicht? Jede Stimme, egal ob von Studierenden der Kunst Uni Linz oder der Uni Wien muss gleich viel wert sein.

Töchterle: Aber man muss schon sehen: Ich kann das nicht gegen die größte Fraktion machen. Deswegen lade ich alle Fraktionen zu einem Gespräch ein. Da werden wir weitersehen.

progress: Die Presse bezeichnete Sie, Minister Töchterle, in den letzten Tagen aus diesem Grund als „Handlanger“ der Aktionsgemeinschaft. Wie gehen Sie mit der Kritik um?

Töchterle: Das habe ich auch gelesen. Ich weise das zurück.

progress: Eben sagten Sie aber noch, es gibt keine Wahlrechtsreform, wenn die AG nicht zustimmt.

Töchterle: Ich entscheide das nicht gegen die größte Fraktion. Diese könnte genauso VSStÖ oder GRAS heißen: Wenn sie sagen, „Mit uns nicht“, dann wäre das genauso ein Grund, mir zu überlegen, ob ich das mache. Jetzt ist es zufällig die AG, deshalb bin ich aber nicht ihr Handlanger.

progress: In der „Presse“ von Donnerstag werden zusätzliche Zugangsbeschränkungen in den Fächern Architektur, Wirtschaftswissenschaften, Biologie und Pharmazie angekündigt. Ist das Ihr neuer Vorschlag, Herr Minister?

Töchterle: Ich habe das gegenüber der „Presse“ nicht angekündigt und halte mich auch weiterhin an die Vereinbarung mit dem Koalitionspartner, dass wir erst nach einer Einigung an die Öffentlichkeit treten. Nur so viel: Aufs Ganze gesehen soll es am Schluss nicht weniger Studienplätze geben. Das war der Wunsch von Andrea Kuntzl (Wissenschaftssprecherin der SPÖ, Anm.) und entspricht auch meinem Anliegen. Für Details ist es noch zu früh, die Gespräche laufen.

progress: Zugangsbeschränkungen sind also eine Option?

Töchterle: Ich hab immer gesagt, Universitäten müssen – so wie viele andere Einrichtungen – ihre Kapazitäten leben. Dazu stehe ich. Das ist für mich sowas von plausibel, dass ich überhaupt nicht weiß, wie man etwas anderes verlangen kann. Aber gut.

progress: Martin Schott, die ÖH ist da ja anderer Meinung...

Schott: Es ist schade, dass Verhandlungen zur Verbesserung der Studienbedingungen ohne die ÖH ablaufen. Denn wir hätten da einige Ideen. Und man würde definitiv ohne Zugangsbeschränkungen auskommen.

Töchterle: Das schaue ich mir an. Mit welchen Maßnahmen? Ich kenne Ihr Papier [An. der Red.: Forum Hochschule] – Eine Milliarde mehr. Wir brauchen aber gerade in stark nachgefragten Fächern einen geregelten Zugang.

Schott: Zugangsbeschränkungen sind eine Fremdselektion von Interessen. Dabei gibt es bereits jetzt eine gewisse Planungssicherheit durch die eigenen Interessen der Studierenden. Wir halten es für wichtig, dass Studierende ihr Studium frei wählen, die Berufswahl frei treffen und sich für jene Zukunft entscheiden können, die sie haben wollen.

Töchterle: Und ihre Vorstellungen wollen Sie in der ganzen EU durchsetzen?

Schott: Ja, warum nicht? Wir haben uns auf einen europäischen Bildungsraum geeinigt.

Töchterle: Gehen Sie dann nach Rumänien Studienberatung machen?

Schott: Das ist wohl nicht Aufgabe der ÖH. Aber dieser Weg der Fremdselektion von Interessen kann meiner Meinung nach nicht das Ziel eines Ministeriums oder einer Gesellschaft in Europa sein.

Töchterle: Was tun sie, wenn statt 25.000 jetzt 40.000 Studierende an die WU wollen?

Schott: Immer diese Horrorszenarien aufzubauen, find ich nicht in Ordnung.

Töchterle: Ihre Vorstellungen können Sie vielleicht in Österreich umsetzen. Vielleicht. Aber nicht in der EU.

Schott: Die Perspektive der EU so kurz zu setzen, finde ich nicht in Ordnung. Ich kann mir zwar vorstellen, dass es relativ schwierig sein wird, europaweit 27 Staaten auf ein einheitliches System zu bringen. Aber dennoch glaube ich, dass wir diese Perspektive haben.

progress: Ebenso am Donnerstag haben Sie, Minister Töchterle, in der Kleinen Zeitung gesagt, Sie fänden die geschlechtergetrennte Auswertung des EMS-Tests diskriminierend. Wieso musste die Med Uni Wien überhaupt zu diesem Verfahren greifen? Müsste nicht eher etwas am Test geändert werden?

Töchterle: Es liegt wohl nicht an dem Test – in der Schweiz gibt es den gleichen und er wirkt dort nicht geschlechterselektiv – sondern an der Ausbildung der Schülerinnen und Schüler. Sie kommen mit verschiedenen Voraussetzungen zu diesem Test.

Schott: Das sehe ich anders, auch der Test ist zu kritisieren. Aber ja, das Schulsystem ist in Österreich möglicherweise schon so aufgebaut, dass es von Anfang an diskriminiert und damit auch der EMS-Test geschlechterselektiv wirkt.

Töchterle: Ich würde eher sagen, es könnte sein, dass das österreichische Bildungssystem auf diesen Test hin nicht neutral ausbildet. Dass das Schulsystem insgesamt die Mädchen diskriminiert, würde ich nicht sagen. Es gibt auch einige Felder, wo Burschen diskriminiert werden. Beim EMS-Test wirkt es so, als ob Mädchen eine Benachteiligung gegenüber Burschen hätten.

progress: Und so lange die Ursachen im Schulsystem nicht behoben sind, halten Sie, Minister Töchterle, es für diskriminierend dem via Quoten entgegenzuwirken?

Töchterle: Ich sehe diese Auswertung problematisch. Ich versetze mich hier in die Situation der jungen Burschen, die diesen Test bewältigt haben, aber dann keinen Platz bekommen, weil sie durch eine Quotenregelungen gegenüber Mädchen, die schlechter abgeschnitten haben, zurückgestellt werden.

Schott: Ich frage mich, wie es den Frauen der letzten Jahre geht, die durch die Diskriminierung seitens des Schulsystems nicht das Studium ihrer Wahl aufnehmen konnten.

Töchterle: Wer die Prüfung besteht, hat doch das Recht auf einen Studienplatz. Und wer die Leistung nicht erbringt, nicht. Wo wir für Gerechtigkeit sorgen können, da sollten wir es tun. Und hier bin ich dafür, dass der, der die Leistung erbracht hat, auch dafür honoriert wird.

progress: Ist das auch aus der Sicht der ÖH ein fairer Ansatz?

Schott: Nein, ich bin dafür, dass man Diskriminierung überhaupt nicht zulässt. Warum sollte man Diskriminierung einfach bewusst fortsetzen?

Töchterle: Natürlich wäre das das Ideal. Sie sind für die ideale Welt, das wissen wir. Aber: Dass man die Burschen diskriminiert, nur weil sie Burschen sind, das ist keine Diskriminierung?

Schott: Gleichzeitig wirft man Frauen hinaus, nur weil sie Frauen sind.

Töchterle: Nein, die Mädchen haben die im Test geforderte Leistung anscheinend nicht erbracht.

progress: Martin Schott, es stehen die Klagen wegen der autonom eingehobenen Studiengebühren vor der Tür. Wenn der VFGH den Klagen stattgibt, würdesn Sie dann dem Minister empfehlen, den Berater zu wechseln?

Schott: Meiner Ansicht nach hätte man Nein zu Studiengebühren sagen und damit dem politischen Willen des Nationalrates folgen sollen, der ganz klar gesagt hat, dass er keine Studiengebühren will. Insofern wäre man anders besser beraten gewesen.

Töchterle: Professor Mayer ist Dekan der juridischen Fakultät in Wien und ein hoch angesehener Verfassungsrechtler. Da gibt’s nichts zu wechseln. Er ist der Ansicht, dass autonom eingehobene Studienbeiträge rechtskonform sind. Dieser Ansicht schließe ich mich an. Aber das Gesetz ist immer auch eine Interpretationsfrage.

progress: Der Dr.-Karl-Lueger-Ring in Wien wurde soeben in Universitätsring umbenannt. Herr Töchterle, Sie sind Mitglied des Cartellverbands, in dessen Zeitung Academia nachzulesen ist, dass dieser Umstand dem CV nicht passt, weil Lueger ein angesehener Cartellbruder war. Wie stehen Sie persönlich zur Umbenennung des Luegerrings?

Töchterle: Universitätsring ist ein sehr treffender Name. Was man auch sehen muss: Dass man hier jemanden aus dem Gedächtnis streicht, weil er zur Persona non grata geworden ist. Das hat man in der Antike „damnatio memoriae“ genannt. Dort ist das Kennzeichen von sehr harter Macht gewesen. Das ist also eine durchaus ambivalente Sache. Lueger war auch antisemitisch. Ich weise daher auf die Ambivalenz hin.

Reaktionäre Reaktionen

  • 29.09.2012, 17:04

Seit 2006 gibt es ihn – den EMS-Test als Zugangsbeschränkung zur MedUni Wien (MUW). Seither zeigen die Ergebnisse, dass Frauen bei dem Test schlechter abschneiden als Männer. Das soll sich jetzt ändern. Ein Kommentar von Mirijam Müller.

 

Seit 2006 gibt es ihn – den EMS-Test als Zugangsbeschränkung zur MedUni Wien (MUW). Seither zeigen die Ergebnisse, dass Frauen bei dem Test schlechter abschneiden als Männer. Das soll sich jetzt ändern. Ein Kommentar von Mirijam Müller.

EMS – Die unendliche Geschichte. Im vergangenen März wurde bekannt, dass die Aufnahmeprüfung an der Medizinischen Universität Wien zukünftig anders ausgewertet werden soll. Zielsetzung ist, den Nachteil, den Frauen durch die Zusammensetzung des EMSTests haben, auszugleichen. Zugegebenermaßen eine etwas späte Reaktion, ist doch seit Jahren bekannt, dass die Chancen für Frauen, gute Testergebnisse zu erzielen, wesentlich geringer sind, als die von Männern. Bereits 2008 kam die Bildungspsychologin Christiane Spiel zu dem Schluss, dass die Unterschiede zwischen dem Prozentsatz jener Frauen, die sich zum Test angemeldet hatten und dem Anteil derer, die letztendlich gut genug waren, um einen Studienplatz zu bekommen, im EMS-Test System haben. Selbst der damalige Wissenschaftsminister Hahn bezeichnete die Ergebnisse der sogenannten Spiel-Studie als „Kritikpunkte mit ziemlicher Schwere“. Einige der Untertests, in die der EMS unterteilt wird, führen zu einer strukturellen Diskriminierung von Frauen. Die passiert aufgrund von unterschiedlicher Bildungssozialisation bereits in der Schule. Schließlich leistet ein Großteil der Männer vor Beginn des Studiums Präsenz- oder Zivildienst, während Frauen zwischen Matura und Testzeitpunkt nur wenige Tage zur intensiven Vorbereitung bleiben. Trotz dieser mittlerweile breit anerkannten Feststellung hat sich jahrelang nichts geändert.

Kommt jetzt die Wende? Nun gab die neuernannte Vizerektorin für Lehre und Forschung, Karin Gutièrrez-Lobos, die bereits seit mehreren Jahren auch zuständig für Gender und Diversity an der MUW ist, bekannt, dass die Auswertung des EMS geändert werden solle, um der strukturellen Diskriminierung von Frauen entgegenzuwirken. Der Erfinder des EMS behauptet, durch den Test nicht die Qualifikation als zukünfigeR ÄrztIn zu prüfen, sondern einzig den Studienerfolg vorauszusagen. Zumindest in Bezug auf die Ergebnisse der beiden Geschlechter eine Falschaussage. Denn obwohl Frauen beim Eingangstest schlechter abschneiden, sind sie bei fünf der sechs Prüfungen im Medizinstudium besser als die männlichen Studierenden. Es gilt als wissenschaftlicher Standard, dass Ergebnisse von psychologisch-kognitiven Tests wie dem EMS geschlechtsspezifisch ausgewertet werden, nichts anderes soll die neue Auswertung erreichen. Anstatt von allen KandidatInnen einen gemeinsamen Mittelwert zu ermitteln, werden zukünftig für Frauen und Männer getrennt Mittelwerte evaluiert, was zu einem Ausgleich der unterschiedlichen Ergebnisse führen soll.

Reaktionäre Reaktionen. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Erschreckend war vor allem der sofort ertönende Protest der ÖH an der MUW, die von der ÖVP-nahen Fraktion der Aktionsgemeinschaft an der Medizinuni, der  ÖMU, dominiert wird. Diese ortete Diskriminierung von Männern, das Abstempeln von weiblichen Bewerberinnen als Quotenfrauen, wörtlich sprach sie sogar „vom Verschenken von Testpunkten an Frauen“. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten und Vorfälle im AKH, bei denen sich PatientInnen nicht mehr von Frauen behandeln lassen wollten, da sie ja nur aufgrund ihres Geschlechts durchs Studium gekommen wären, wurden bekannt. Die  StudentInnenvertreterInnen an der MUW schweigen also jahrelang angesichts der Diskriminierung von Frauen durch das Testverfahren, kaum soll das geändert werden, wird aber zum Kampf gegen eine Schlechterstellung von Männern geblasen? Sogar ein Gutachten eines Professors, der selbst beim Gleichbehandlungsausschuss seiner Universität Beschwerde führte, weil eine Frau statt ihm Rektorin wurde, wurde von der lokalen ÖH herangeschafft, um gegen die Änderung vorzugehen. Laut Gutachten sei die Regelung  gesetzeswidrig. Über die Gründe für diesen Aufstand kann nur gemutmaßt  werden. Klar ist jedoch, dass der Kampf um Gleichbehandlung, egal in welchen Bereich, ob es um die Einführung von verpflichtenden Quoten, das Schließen der  Lohnschere, Schutzrechte für Frauen als Opfer von Gewalt oder eben die Auswertung eines EMS-Tests geht, immer ein harter und langwieriger Kampf gegen viele Widerstände unserer immer noch männerdominierten Gesellschaft war und ist.

Positive Diskriminierung als Mittel. Die neue Art der Auswertung des Medizintests ist keine klassische Form der positiven Diskriminierung. Dennoch stellt sich im Zuge der Debatte rund um das Thema die Frage der Zulässigkeit von positiver Diskriminierung als Mittel zur schnelleren Erlangung von Gleichberechtigung. Es ist nicht einzusehen, dass Frauen weiterhin darauf warten sollen, bis Männer sich freiwillig dazu bereit erklären, einen Teil ihrer Macht an Frauen abzugeben. Wir sind über den Punkt hinaus, wo eine offensichtliche Diskriminierung von Frauen übersehen wird, dennoch prägen gerade versteckte und strukturelle Unterdrückungsmechanismen nach wie vor gesellschaftliche Teilbereiche und Situationen, wie zum Beispiel den Arbeitsmarkt. Auch in der Frage der Quoten musste sogar die dem konservativen Lager zuzurechnende EU-Kommissarin Viviane Reding einsehen, dass nur die verpflichtende Einführung Ergebnisse zeigen kann. Das EMS-Beispiel zeigt wie viele andere, wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Es gilt, vor allem jungen Frauen möglichst früh aufzuzeigen, welchen Mechanismen unsere Gesellschaft nach wie vor unterliegt, damit wir uns gemeinsam stark machen können. Es bleibt zu hoffen, dass sich eine weitere Diskussion über die Vorgangsweise beim EMS-Test erübrigt, indem die leidliche Zugangsbeschränkung überhaupt aufgehoben wird, auch wenn dieses Ziel momentan unerreichbar scheint.

STOP statt STEP?

  • 13.07.2012, 18:18

Zwei der drei Anträge auf Zugangsbeschränkungen nach §124b wurden nicht beschlossen, doch Ministerin Karl lässt nicht locker. Neues Projekt der Ministerin ist eine neue Studieneingangsphase, an deren Ende kräftig ausselektiert werden soll.

Zwei der drei Anträge auf Zugangsbeschränkungen nach §124b wurden nicht beschlossen, doch Ministerin Karl lässt nicht locker. Neues Projekt der Ministerin ist eine neue Studieneingangsphase, an deren Ende kräftig ausselektiert werden soll.

Die Anträge auf Zugangsbeschränkungen nach §124b für Architektur und die Wirtschaftsuniversität Wien wurden im Mai im MinisterInnenrat abgelehnt,  lediglich“ das Pubilizistik-Studium wird ab Herbst wieder beschränkt werden. Was für zukünftige Publizistik- StudentInnen eine massive Hürde bedeutet, ist Beatrix Karl noch lange nicht genug. Im Gegenteil, sie verbuchte die Ablehnung der restlichen Anträge als Niederlage und einigte sich dafür mit der Koalitionspartnerin auf eine Neugestaltung der Studieneingangsphase – die STEP soll zur Knock-Out-Phase werden. Eine Aktion der ÖH vor dem Bundeskanzleramt, eine Rektoratsbesetzung mit Kurzbesuch im Audimax und eine Besetzungs-Visite im BMWF waren die spontanen Reaktionen der Studierenden darauf, der Ausstieg der ÖH und der #unibrennt-Bewegung aus dem Hochschuldialog nur der nächste logische Schritt. 

Knock-Out. Trotz der vielen negativen Reaktionen lässt sich die Ministerin nicht beirren – erst kürzlich bestärkte sie ihre Forderungen nach Knock-Out-Phasen zu Studienbeginn bei einer Veranstaltung in Innsbruck. Die gewünschte „Qualität“ sei ohne Selektion nicht zu erreichen. Hier eine Gegenthese: Die gewünschte „Qualität“ der Studieneingangsphase lässt deutlich zu wünschen übrig, nicht die Fähigkeiten der StudienanfängerInnen!
Der Einstieg in die akademische Welt an sich fällt nicht leicht. Besonders an großen Universitäten und in großen Studienrichtungen ist der culture-clash zwischen schulischer Allround- Versorgung und universitärer Selbstständigkeit groß. Sich einen Stundenplan das erste Mal selbst zu erstellen, ist eine veritable Herausforderung – an der aber kaum eineR scheitert. Das zeigt die Studie über frühe StudienabbrecherInnen, die im letzten Jahr vom BMWF herausgegeben wurde: Das „System Universität“ habe nur 5,5 Prozent der AbbrecherInnen abgeschreckt, die wichtigsten Gründe für einen Abbruch sind nicht erfüllte Erwartungen an das Studium sowie Probleme mit der Vereinbarkeit von Studium und Erwerbsarbeit.
Ein ähnliches Bild zeigt der Projektbericht zum Studienwechsel, der ebenso vom BMWF in Auftrag gegeben wurde: 72 Prozent der Befragten wechselten ihr Studium, weil sie etwas anderes erwartet hatten oder sich die eigenen Interessen veränderten (62 Prozent). Die Gründe für den frühzeitigen Drop-Out können also nicht den neu gewonnenen Freiheiten, die ein Universitätsstudium mit sich bringt, zugeschanzt werden.
Dass Reformbedarf bei vielen Studieneingangsphasen besteht, leugnet niemand und wird auch durch die Empirie gezeigt. Problembearbeitung ist allerdings vorrangig in der größeren Durchlässigkeit zwischen Studienrichtungen angesagt – ein System, in dem ein Studienwechsel in den ersten beiden Semestern unproblematisch und ohne Zeitverlust vollzogen werden kann, wäre zumindest in verwandten Fachrichtungen dringend nötig. Das wäre zum Beispiel durch eine höhere Wahlfreiheit in der ersten Studienphase, in der Kurse aus verschiedenen Studienrichtungen belegt werden können, möglich. Auch die Studienwahl würde so erleichtert und verbessert, denn durch eine gute allgemeine Einführungsphase ins Fachgebiet erschließt sich erst die Vielfalt der Möglichkeiten.

Kerncurriculum. Einige Universitäten arbeiten bereits jetzt mit einem Kerncurriculum, das im ersten Studienjahr absolviert werden soll: Die Montanuniversität Leoben bietet ein gemeinsames erstes Studienjahr für neun Studienrichtungen an, die Studienwahlentscheidung zwischen den angebotenen Fächern verlagert sich also ein Jahr nach hinten. Ähnlich geht die Wirtschaftsuniversität Wien vor – diese Studieneingangsphase ist aber weniger für ihre Orientierung, sondern für ihre gnadenlose Selektion bekannt: Geschätzte 80 Prozent aller Studierenden an der WU werden hier rausgeprüft.
Es kommt also auf die Intention an, mit der Studieneingangsphasen umgesetzt werden: Sollen Studierende in die Hochschule integriert oder aus der Uni gedrängt werden? Karls Wünsche diesbezüglich sind eindeutig: Die Orientierung, die momentan laut Universitätsgesetz Ziel der Studieneingangsphase sein muss, soll der Selektion weichen. Am Ende der STEP soll es, wenn es nach der Ministerin geht, künftig Aufnahmeverfahren geben, deren Bestehen Voraussetzung für das weitere Studium sein soll – flächendeckende Zugangsbeschränkungen nach einem Jahr „Vorlaufzeit“ also.
Das Ziel, die AkademikerInnenquote zu erhöhen, wird damit freilich meilenweit verfehlt werden. Österreich hat nicht nur im OECDSchnitt zu wenige AbsolventInnen sondern auch weniger StudienanfängerInnen als die meisten Industriestaaten. Dass es für Volkswirtschaften wenig nachhaltigere Investitionsmöglichkeiten als Bildung gibt, ist ebenso Fakt. Ministerin Karl verschließt die Augen vor diesen Tatsachen – bleibt nur noch zu hoffen, dass „Spiegelministerin“ Claudia Schmied mehr Weitblick beweist und dem Beschränkungswahnsinn den gesellschaftlich notwendigen freien Bildungszugang entgegenhält. Wir Studierende werden uns in jedem Fall gegen die geplanten Schranken wehren.

 

Schotten dicht!

  • 13.07.2012, 18:18

Das Leitmotiv von Beatrix Karls Amtszeit hat sich in den letzten Monaten immer deutlicher gezeigt: Der offene Hochschulzugang soll beendet werden. Mit oder ohne Koalitionspartnerin, mit oder ohne gesetzliche Grundlage und gegen die Studierenden.

Das Leitmotiv von Beatrix Karls Amtszeit hat sich in den letzten Monaten immer deutlicher gezeigt: Der offene Hochschulzugang soll beendet werden. Mit oder ohne Koalitionspartnerin, mit oder ohne gesetzliche Grundlage und gegen die Studierenden.

Ausgerechnet den Karfreitag hat sich Beatrix Karl ausgesucht, um die Anträge auf Zugangsbeschränkungen nach § 124b des Universitätsgesetzes 2002 in den Fächern Publizistik, Architektur und der Wirtschaftsuniversität Wien in Begutachtung zu schicken.

Konsequent beschränken. Karls Position zu Zugangsbeschränkungen zieht sich konsequent durch ihre politische Karriere. Bereits als Wissenschaftssprecherin der ÖVP setzte sie sich für die Abschaffung des offenen Hochschulzugangs ein. Wenig verwunderlich forciert Karl auch als Ministerin Schranken an den Unis. „Die Regelung des Hochschulzugangs sei zwar nicht die eleganteste Lösung, aber eine notwendige, um die Probleme der Massenuniversität zu lösen“, war in einer ihrer ersten Presseaussendungen als Ministerin zu lesen.
Mit dieser Position steht sie den Interessen der Studierenden diametral entgegen, doch andere PlayerInnen im Hochschulbereich fordern und fördern dieses Anliegen. Allen voran steht Christoph Badelt, ehemaliger Chef der Rektoren, Karl zur Seite. Badelt versucht, Zugangsbeschränkungen zu einer Frage der Gerechtigkeit umzudeuten: Immer wieder wirft er Argumente wie eine sozial selektive Sekundarstufe, deren negative Effekte nicht durch offenen Zugang zu Hochschulen ausgeglichen werden könne, oder die ungerechten Knock-Out Prüfungen im ersten Abschnitt, die aufgrund von Kapazitätsproblemen an der WU Wien rund 80 Prozent der Studierenden vor Beginn des zweiten Abschnitts eliminieren müssen, in die Wagschale.
Auffallend ist die Intensitätssteigerung seiner Forderungen nach Beschränkungen seit der Abschaffung der Studiengebühren – brachte einst jede Inskribientin und jeder Inskribient der WU bares Geld, bleibt mit der heutigen Regelung nur ein großer Verwaltungsaufwand. Was Badelt in seinen Argumenten ebenso verschweigt, ist die Problemlosigkeit, mit der der Rektor fast eine halbe Milliarde Euro für den prestigeträchtigen Neubau der WU ausverhandeln konnte, doch eine Anhebung der Kapazitäten für die Lehre wird als unmöglich abqualifiziert.
Welchen Weg die Wirtschaftsuniversität in ihrer Zulassungspolitik einschlagen möchte, ist aufmerksamen LeserInnen seit Abschluss der letzten Leistungsvereinbarungen zwischen WU und Ministerium klar. Auf Seite drei des im Dezember letzen Jahres von Generalsekretär Faulhammer und Rektor Badelt unterzeichnetenPapiers wird als Maßnahme zur Verbesserung der Betreuungsrelation festgelegt: „In diesem Zusammenhang wird die WU einen Antrag nach § 124b (6) UG stellen.“ Das scheinbar neutrale Management-Tool „Leistungsvereinbarung“ wird zum Grundstein politischer Entscheidungen.

Notfallparagraph. Der Paragraph 124b im Universitätsgesetz ermöglicht eine Beschränkung des Hochschulzugangs für bestimmte Studienrichtungen unter folgenden Voraussetzungen: Die Studienrichtung muss von einem deutschen Numerus Clausus Studium betroffen sein, alle Universitäten, an denen die Studienrichtung angeboten wird, müssen den Antrag gemeinsam stellen, und die Studienbedingungen müssen durch die „erhöhte Nachfrage ausländischer Staatsangehöriger“ unvertretbar sein. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann die Bundesregierung eine Verordnung über die Zahl der zuzulassenden StudienanfängerInnen festlegen, diese Zahl darf aber nicht unter dem Durchschnitt der Studierenden der letzten drei Jahre liegen.
Vor allem der Antrag der WU liegt außerhalb jedes gesetzlichen Rahmens: Die WU hat als einzige Uni für jene Studienrichtung, in der vornehmlich (internationale) BetriebswirtInnen ausgebildet werden, einen Antrag gestellt. Die Anzahl ausländischer Studierenden an der WU ist in den letzten Jahren prozentual gesunken, das geht sogar aus den Daten im Antrag hervor. Und die Beschränkung der Erstsemestrigen auf 3.600 Studierende würde eine deutliche Reduktion der Studierendenzahlen bedeuten.
Kein Grund für die Ministerin, den Antrag abzulehnen, im Gegenteil. Nachdem die Koalitionspartnerin SPÖ Ablehnung für die Anträge in der Architektur (kein signifikanter Anstieg ausländischer Studierender) und der WU signalisierte, schickte die Ministerin die Anträge trotzdem in Begutachtung – sie wolle die Koalitionspartnerin während der Begutachtungsphase noch überzeugen.
Hinter den Kulissen sind einige verwundert: Weniger Anträge als erwartet wurden gestellt. Doch Ministerin Karl arbeite daran, das so schnell wie möglich zu ändern. Bei Terminen mit Rektoren halte sie konsequent dazu an, so viele Anträge auf Zugangsbeschränkungen wie möglich zu stellen. Am Ende ihrer Mission stünde dann ein Hochschulraum mit flächendeckenden Zugangsbeschränkungen und zentral gesteuerter Planung der Studierendenzahlen.

Notfallprotest. Was für die Ministerin ein erstrebenswertes Ziel ist, bedeutet für viele MaturantInnen das Ende der tertiären Ausbildung, bevor sie überhaupt begonnen hat. Für jene kritischen ÖHs und protestierenden Studierenden, die im Herbst ein Window of Opportunity im Hochschulbereich öffneten und für demokratische und offene Hochschulen kämpften, ist das eine inakzeptable Entwicklung, der auf geeignete Art und Weise Widerstand entgegengesetzt werden muss. Revolutionen sind nicht planbar, doch das Hochschulsystem hat dringend eine nötig, denn die momentane Politik bedeutet eine rückwärtsgewandte Reform. Der erste Schritt für eine Verbesserung der Situation an den Hochschulen ist eine Ablehnung aller 124b- Anträge durch die Regierung, eine Rücknahme der Budgetkürzungen im Bildungsbereich und eine deutliche Aufstockung der Unibudgets durch kluge einnahmenseitige Refinanzierung ohne konsumbremsende Massensteuern. Rationalen Argumenten scheinen Ministerin Karl und die ÖVP nicht zugänglich zu sein – scheinbar müssen erst Hörsäle besetzt werden, damit Veränderung möglich wird.

Gesichter der STEOP

  • 13.07.2012, 18:18

Mit der Begründung, StudienanfängerInnen einen Einblick in ihr Studium geben zu wollen, wurde im Wintersemester 2011/12 die Studieneingangsphase (STEOP) verschärft und verpflichtend am Anfang des Studiums an allen österreichischen universitäten eingeführt. Wieviel dieser Einblick gebracht hat, erzählen drei STEOP-Prüflinge.

Mit der Begründung, StudienanfängerInnen einen Einblick in ihr Studium geben zu wollen, wurde im Wintersemester 2011/12 die Studieneingangsphase (STEOP) verschärft und verpflichtend am Anfang des Studiums an allen österreichischen universitäten eingeführt. Wieviel dieser Einblick gebracht hat, erzählen drei STEOP-Prüflinge.

Seit dem Wintersemester 2011/12 gibt es an allen österreichischen Universitäten eine verpflichtende Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP). Die Umsetzung dieser wird allerdings nicht einheitlich gehandhabt. So kommt es vor, dass den StudienanfängerInnen an fast allen Wiener Unis sowie in Graz, Klagenfurt, Salzburg und Leoben drei Prüfungsantritte pro STEOP-Prüfung zugestanden werden, während die Uni Linz und Uni Wien eine rigorose Umsetzung mit nur zwei Antritten beschlossen haben. Meist sind die Prüfungen, die man innerhalb der STEOP absolvieren muss, klar vorgeschrieben, vereinzelt können die StudienanfängerInnen wählen. Immer aber kann man mit negativ absolvierter STEOP keine anderen Lehrveranstaltungen abschließen, was nun viele Studierende vor immense Beihilfen- oder Stipendienprobleme stellt.

Alexandra, Johanna und Stefan erzählen dem PROGRESS ihre Geschichte:

 

Foto: Johanna Rauch

„Es sind nur 26 Leute angetreten“

Die Linzerin Johanna Mayr (18) studiert Mathematik im Bachelor an der Karl Franzens Universität in Graz:

„Meine STEOP besteht aus einer Orientierungslehrveranstaltung und einer Vorlesung zu Linearer Algebra, insgesamt ist sie 6,5 ECTS wert. Neben den Leuten aus dem ersten Semester, die den Mathe-Bachelor angefangen haben, sitzen da auch die Lehramtsleute aus dem dritten Semester drinnen. Es ist also vielleicht nicht die beste Idee, gerade diese Vorlesung in eine STEOP reinzupacken. Ich finde, sie war relativ schwierig.

Die Prüfung sieht so aus, dass es zuerst einen schriftlichen Teil gibt, und erst, wenn du den bestehst, darfst du zur mündlichen Prüfung antreten. Bei der schriftlichen Prüfung hat es drei Fragen gegeben, wobei wir die erste so nie durchgemacht haben. Zu der Prüfung sind nur 26 Leute angetreten, weil sie als so schwierig gilt. 14 Leute haben 8,5 Punkte und dürfen zur mündlichen Prüfung antreten, zwölf haben weniger. Ich hab 8,5 Punkte und darf antreten. Ich habe mir in der Schule recht leicht getan mit dem Lernen, mein Maturazeugnis hat einen 1,0-Schnitt. Aber für die Uni muss ich viel mehr lernen, und viele sind die anderen Prüfungsmodalitäten auch noch nicht gewöhnt. Mathe in der Schule und Mathe auf der Uni sind halt zwei ganz verschiedene Dinge. Zum Glück werde ich auch finanziell von meinen Eltern unterstützt. Wenn ich nebenbei 20 Stunden die Woche arbeiten müsste, wäre sich das mit der STEOP nie ausgegangen.

Ich würde die STEOP abschaffen, was sonst? Sie hat überhaupt nicht zu meiner Orientierung beigetragen. Ich finde das nicht sinnvoll, weil es nur Stress schafft. In Graz hat man zwei normale Antritte und der dritte ist kommissionell. Wenn ich weiß, ich hab jetzt zwei Antritte und dann sitz ich vor der Kommission, dann glaub ich nicht, dass man da gut rausfinden kann, ob das das richtige Studium für einen ist. Wie soll eine Prüfung darüber entscheiden? Die meisten Leute kommen direkt von der Schule oder nach dem Zivi, und die sind schon generell von der Abstraktion am Anfang überfordert.“

 

Foto: Johanna Rauch

„Es ist eine Selektionsphase“

Stefan Kastel ist Mitbegründer der Stop-STEOP-Bewegung in Wien und wollte Deutsch und Geschichte auf Lehramt studieren:

„Ich hab mir nach der Schule überlegt, welchen Beruf es gibt, wo ich mit Menschen in Kontakt kommen kann und anderen helfen kann. Das war dann der Lehrerberuf, und da bin ich auch mit viel Begeisterung an die Sache rangegangen. Mit der STEOP ist das dann immer weniger geworden. Ich wollte Deutsch- und Geschichtelehrer werden, und habe auch in beiden Fächern alle Prüfungen und Übungen positiv absolviert. Nur die Pädagogikprüfung, die hab ich verhaut. Die Pädagogikprüfung ist für alle, die Lehramt studieren wollen, gleich. Das war ein Single Choice Test. Da sind die meisten gescheitert, ich denke, ein paar hundert.

Diese Prüfung sagt überhaupt nichts darüber aus, ob du als Lehrer geeignet bist oder nicht. Aus der Sicht von vielen waren bei den Fragestellungen mehrere Antworten möglich, das war teilweise einfach nur realitätsfremd. Eine Frage war zum Beispiel: ‚Was ist ein symbolhaftes Tier für den Unterricht?“ Esel wär‘s gewesen, keine Ahnung. Das Problem ist aber sowieso eher grundsätzlich: Bei einem Test mit 40 Fragen kannst du nicht herausfiltern, ob du für den Beruf geeignet bist oder nicht. Aber das interessiert die Uni anscheinend nicht. Meine Erwartungen waren, dass es zuerst mal die Möglichkeit gibt, sich wirklich zu orientieren, genug Zeit für sich selber zu haben, und he- rauszufinden, was wichtig ist fürs Studium. In der Realität war es dann so, dass sie uns in der zweiten Woche gesagt haben: ‚Ihr habt zwei Antritte, dann fliegt ihr raus.‘ Vom Stress her war das sicherlich wesentlich mehr als bei der Matura.

Die Stimmung im Studium war einfach nur angepisst. Alle haben sich das anders vorgestellt, orientierungsmäßiger, ruhiger, und nicht so zukunftsabhängig. Die Studieneingangs- und Orientierungsphase soll ihrem Namen gerecht werden, jetzt ist das eine Selektionsphase. Ich glaube, es wurde gezielt so angelegt, dass einige Studenten keine Chance haben, weiter zu studieren. In Pädagogik war es so, dass ein paar zuerst 20 von 40 Punkten hatten und kurz vor der Prüfungseinsicht waren‘s dann auf einmal 21. Töchterle finde ich extrem arrogant. Wie kann ein Mensch, der alles erreicht hat und sicher gut verdient, so herablassend mit den Zukunftsplänen anderer Menschen umgehen?“

 

Foto: Jakob Burtscher

„Dem Töchterle ist das scheißegal“

Alexandra Eisenmenger (33) ist alleinerziehende Mutter und wollte Biologie an der Uni Wien studieren:

„Ich bin eine Nachzüglerin. Ich habe vor sechs Jahren die Matura an der Abendschule nachgeholt, und letztes Wintersemester Biologie inskribiert.
Ich bin draufgekommen, dass mich Biologie extrem interessiert, dass ich gerne ins Labor gehen würde. Ich komme aus der kaufmännischen Richtung und wollte weg von dort. Da ich alleinerziehende Mutter bin, habe ich mich um ein Stipendium gekümmert, und das auch bekommen.
Ich habe mich sehr darauf gefreut und war irrsinnig motiviert. Ich war bestimmt 80 Prozent der Vorlesungen anwesend, hab das immer irgendwie gedeichselt, außer wenn ich krank war oder es nicht gegangen ist wegen meiner Tochter. Ich habe auch parallel schon andere Vorlesungen besucht.

Bei der ersten von zwei Prüfungen habe ich mich gefragt, ob ich da wirklich auf der Uni bin. Die Prüfung hat 15 Minuten später gestartet, weil sie zu wenig Prüfungsbögen hatten, die Fragen hatten überhaupt nichts mit Wissen zu tun. Wir waren so eine Vierer-Mädls-Lernpartie, die haben alle zu mir gesagt, ich könne das in- und auswendig. Es hat dann geheißen, das Ergebnis komme vor Weihnachten, erfahren hab ich es dann nach Jahreswechsel: Nicht geschafft. Das war wirklich das totale Aussiebverfahren, 56 Prozent sind durchgefallen. Ich hab mich aber wieder hingesetzt, alles gelernt, ich hab mir gedacht: ‚Bitte fragt’s mich das alles, ich kann’s ja!’ Bei der zweiten Prüfung war’s aber dasselbe in grün. Ich find’s irrsinnig traurig, wie man Leuten wie mir, die halt erst später draufkommen, was sie machen wollen, noch mehr Steine in den Weg legen kann. Die Fragen waren viel zu detailliert und teilweise auch nicht mal aus dem Stoffgebiet. Die Stimmung unter den Studierenden war absoluter Wahnsinn, wir haben uns alle angeschaut und gefragt, was das für ein Theaterstadl ist! Warum kann man denn da keine normalen Fragen stellen? Ich bin wiedermal in ein großes Loch gefallen. Von der Stipendienstelle hab ich bestimmte Auflagen bekommen, und man kann ja keine anderen Prüfungen machen, solange man die STEOP nicht abgeschlossen hat. Ich muss jetzt knapp 5.000 Euro zurückzahlen, außer ich finde eine andere Lösung. Ein mündlicher Antritt – ich würd’ alles dafür geben.

Ich bin 33, ich bin nicht alt, das weiß ich schon – aber für gewisse Sachen bleibt die Zeit nicht stehen, die rennt. Irgendwann geht’s einfach nicht mehr mit Ausbildung und Hin und Her. Ich hab nicht wirklich ein anderes Fach, das ich studieren will. Viele haben auch gesagt; ‚Na dann geh doch nach Graz studieren!’, aber die stellen sich das auch ziemlich einfach vor: Ich bin alleinerziehend mit einem siebenjährigen, schulpflichtigen Kind. Ich kann nicht einfach alle Sachen packen und gehen!
Mein Lernaufwand war sehr hoch. Neben 20 Stunden die Woche Arbeiten und meinem Kind habe ich zwei Monate intensiv gelernt. Es gibt natürlich immer welche, die’s heraußen haben. Ich hab seit sechs Jahren nichts mehr gelernt, trotzdem war ich supergut vorbereitet. Jetzt bin ich lebenslang für Biologie gesperrt.
Überall liest man: Bildung! Bildung! Bildung! Wir wollen alle bilden und stellen alles zur Verfügung! Da kannst du dir doch nur an den Kopf greifen, wenn dann sowas rauskommt. Aber so Leuten wie dem Töchterle, denen is das im Prinzip alles scheißegal.“

„Ich habe nun einmal keinen Goldesel“

  • 13.07.2012, 18:18

Wie sie mit „kreativen Möglichkeiten“ für Zugangsbeschränkungen die AkademikerInnenquote heben will und warum österreichische Unis im Wettkampf mit Harvard, Oxford und Co. einfach nicht mitkönnen. Die neue Wissenschaftsministerin Beatrix Karl im Interview.

Wie sie mit „kreativen Möglichkeiten“ für Zugangsbeschränkungen die AkademikerInnenquote heben will und warum österreichische Unis im Wettkampf mit Harvard, Oxford und Co. einfach nicht mitkönnen. Die neue Wissenschaftsministerin Beatrix Karl im Interview.

PROGRESS: Vergangenen Herbst haben Sie gesagt: „Mit dem Besetzen von Hörsälen werden keine Studienbedingungen verbessert.“ Was hätten Sie denn getan, wenn Sie sich als Studentin in einem überfüllten Hörsaal wiedergefunden hätten?

Karl: Ich hätte früher den Dialog mit der Politik gesucht. Ich habe Verständnis dafür, dass die vollen Hörsäle für die Studierenden natürlich ein Problem sind. Die Studienbedingungen in den Massenstudien sind sowohl den Studierenden als auch den Lehrenden nicht zumutbar. Ich hätte mir als Studierende auch vorstellen können, an Demonstrationen teilzunehmen. Aber ich hätte sicher keine Hörsäle besetzt, weil man dadurch andere Studierende am Studieren hindert. 

Sie fordern Zugangsbeschränkungen. In Österreich fangen allerdings um 14 Prozent weniger Menschen an zu studieren als im Durchschnitt der OECD-Länder, auch die AkademikerInnenquote ist weit niedriger. Sind Beschränkungen wirklich der richtige Weg?

Ja, die Akademikerquote ist in Österreich zu niedrig. Mein erklärtes Ziel ist es ja auch, die Akademikerquote zu erhöhen. Nur haben wir in Österreich gerade in den Massenfächern sehr hohe Drop-Out-Quoten. Und wir sehen ganz klar, dass mehr Studierende nicht automatisch mehr Absolventinnen und Absolventen bedeuten. 

Die Drop-Out-Quote ist in Österreich im Vergleich zu anderen OECD-Ländern mit 24 Prozent im Vergleich zu 31 Prozent niedrig. 

Aber in Ländern, wo es Zugangsregelungen gibt – und das sind viele europäische Länder – besteht trotzdem eine höhere Akademikerquote als in Österreich. Zum Beispiel in Finnland, dem Parade-Bildungsland. Dort hat man Zugangsregelungen an den Universitäten und die Universitäten selbst können zum Beispiel Aufnahmetests vornehmen. 

Haben Sie eine konkrete Vorstellung für Zugangsbeschränkungen in Österreich?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Zugangsregelungen, die müssen wir diskutieren. Wenn Sie zum Beispiel an Veterinärmedizin denken, dort gibt es ein mehrstufiges Verfahren, wo es auch Bewerbungsgespräche gibt. Da kann man durchaus auch über kreative Möglichkeiten nachdenken und auch internationale Vergleiche heranziehen, wie dort mit Zugangsregelungen umgegangen wird. 

Neben Zugangsbeschränkungen fordern Sie auch Studiengebühren. Ist das korrekt?

Ich habe immer gesagt, dass sich meines Erachtens Studienbeiträge bewährt haben, aber momentan Studienbeiträge nicht durchsetzbar sind. Es ist jetzt nicht meine erste Priorität, Studienbeiträge wieder einzuführen. 

Sind Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren denn wirklich die einzigen Maßnahmen für bessere Studienbedingungen?

Es geht auch darum, die Studienpläne zu verbessern. Hier sind wir bei der Bologna-Architektur. Die Umsetzung ist in Österreich nicht an allen Universitäten so gelaufen, wie sie laufen hätte sollen. Hier führe ich Gespräche mit den Verantwortlichen. Es ist aber auch wichtig, dass die Defizite, die Sie von den einzelnen Universitäten kennen, am Hochschuldialog mit den Studierenden besprochen werden. 

Wie könnte man die Studienpläne besser gestalten?

Man muss sich natürlich die Fehler ansehen, die passiert sind. Aufgefallen ist mir zum Beispiel die inhaltliche Überfrachtung, die teilweise passiert ist. Dass zum Beispiel ein achtsemestriges Diplomstudium in sechs Semester hineingepresst wurde. Oder dass die Wahlfächer gestrichen wurden. Und dann muss man sich in einem zweiten Schritt ansehen: Was kann man besser machen? Und da ist es mir wichtig aufzuzeigen, wo sind Best Practice Modelle, es gibt ja auch gute Studienpläne. 

Wären bei der Erarbeitung der Studienpläne weniger Fehler passiert, wenn Studierende und Lehrende im Mittelbau besser eingebunden gewesen wären? An manchen Universitäten hat es ja funktioniert.

Haben Sie da Beispiele?

Ich verschaffe mir gerade einen Überblick, will aber die gelungenen und weniger gelungenen Beispiele noch nicht veröffentlichen. 

Nicht nur die Protestbewegung der Studierenden verlangt mehr Geld für die Hochschulen, auch Universitätenkonferenz und Senatsvorsitzende fordern die Erhöhung der Hochschulausgaben auf zwei Prozent des BIP schon bis 2015, nicht erst 2020. Warum macht man das nicht?

Wir sind auf dem Weg zum Zwei-Prozent-Ziel. Man muss sehen: Hier geht es um öffentliche Mittel und um private Mittel. Im Moment liegen wir bei 1,3 Prozent des BIP, davon sind 1,2 Prozent öffentliche Mittel, nur 0,1 Prozent sind privat. Mit den 1,2 Prozent des BIP liegen wir über dem Schnitt der EU19 und der OECD. 

Aber bis wann werden die zwei Prozent erreicht sein?

Das Ziel ist 2020. Aber da ist nicht nur die öffentliche Hand gefordert, es fehlen vor allem private Mittel. 

Und warum nicht bis 2015? 

Wir haben im Moment eine wirtschaftlich schwierige Phase, das sollte auch an den Studierenden und den anderen Hochschulpartnern nicht vorübergegangen sein. Es werden auch andere Ressortkollegen mehr Geld für ihre Ressorts fordern. Aber ich werde mich natürlich dafür einsetzen, für die Universitäten mehr Geld zu bekommen.

Die Republik hat aber auch für das Bankenpaket im vergangenen Jahr fast sieben Milliarden Euro Schulden aufgenommen. Um die Hochschulausgaben bis 2015 auf  zwei Prozent des BIP zu erhöhen, bräuchte man pro Jahr 200 Millionen Euro. 

Bevor ich Wissenschaftsministerin wurde, war ich ÖAAB-Generalsekretärin. Und ich war da bei sehr vielen Treffen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dort wurde immer gefragt: Das Geld, das die Banken bekommen, warum gibt man das nicht für Arbeitsmarkt- und Sozialpakete aus? Ich wünsche mir natürlich als Wissenschaftsministerin mehr Geld für die Universitäten. Aber es gibt auch von anderen Kreisen berechtigte Forderungen.

Das ist ja schön und gut, wenn man die einen Bedürftigen gegen die anderen ausspielt. Sie müssen als Wissenschaftsministerin selber wissen, dass die Bankenkrise nicht selbst von der Bevölkerung verschuldet wurde.

Die Bevölkerung hat aber auch gern bei Banken ihr Erspartes gesichert. Wenn die Banken Probleme bekommen hätten in Österreich, da hätten wir ein generelles Problem gehabt. Das muss man schon auch sehen. 

Also sind Banken wichtiger als Bildung.

Nein, das sage ich nicht. Ich will nur nicht die einen gegen die anderen ausspielen. Es gibt viele Bereiche, in die investiert werden muss. Ich bin Wissenschaftsministerin und wünsche mir, dass Geld in die Universitäten, Fachhochschulen und in die Forschung fließt. Aber ich alleine bestimme nicht über das Geld. 

Klar.

Ich habe nun einmal keinen Goldesel und ich habe auch keine Gelddruckmaschine.

Mit Ihrer Aussage zum Studienplatzproblem: „Wenn in einem Opernhaus alle Karten verkauft sind, kann auch niemand mehr hinein“ haben Sie vor kurzem für Aufregung gesorgt. Warum sind Sie und die ÖVP so dagegen, mehr Studienplätze zu finanzieren?

Ich kenne ja Massenstudien. Ich habe selbst in einem Massenstudium studiert und gelehrt. Ich weiß auch, dass die Probleme, die wir in den Massenstudien haben, nicht behoben werden können, indem man einfach nur mehr Geld investiert. Ich kann nicht von heute auf morgen größere Hörsäle schaffen, man kann auch nicht von heute auf morgen genügend qualifiziertes Lehrpersonal rekrutieren. Das funktioniert so nicht. 

Das muss ja nicht von heute auf morgen sein, sondern in einem angemessenen Zeitraum.

Schon. Man braucht hier die entsprechenden strukturellen Maßnahmen. Ein Massenstudium kann man auch mit mehr Geld nicht wirklich qualitativ hochwertig führen. 

Cirka 20.000 Nicht-EU-BürgerInnen studieren in Österreich. Diese müssen als einzige Gruppe von Studierenden an Unis Studiengebühren zahlen. Nach dem Studium muss ein Großteil von ihnen wieder zurück in ihre Heimatländer. Warum gibt es hier eigentlich so ein Zwei-Klassen-System?

Dass diese Regelungen teilweise für die Betroffenen schwierig sind, ist klar. Meines Erachtens ist es auch nicht sehr zielführend, dass Drittstaatsangehörige hier studieren dürfen, und wenn sie fertig ausgebildet sind, nicht hierbleiben dürfen, also hier ihre Arbeitskraft nicht zur Verfügung stellen dürfen beziehungsweise nur unter bestimmten Voraussetzungen, zum Beispiel als Schlüsselarbeitskräfte. Wenn Drittstaatsangehörige hier eine Ausbildung bekommen, dann sollten sie auch hier die Möglichkeit haben, sich eine Arbeit zu suchen. 

Wäre das ein Ziel?

Das fällt nicht in mein Ressort, das kann ich nicht alleine bestimmen. Aber mir würde es sinnvoll erscheinen, etwa eine Regelung wie in Deutschland vorzusehen: Dort wird eine bestimmte Zeit für die Arbeitssuche eingeräumt, und wenn in einer bestimmten Zeit eine Arbeit gefunden wird, kann man diese Tätigkeit auch aufnehmen. 

Was ist mit den Studiengebühren, die Nicht-EU-BürgerInnen an den Universitäten als einzige von vornherein zahlen müssen?

Wenn Sie sehen, wie viel an Studienbeiträgen die Drittstaatsangehörigen in anderen Ländern zahlen, dann muss ich sagen, sind die Studienbeiträge in Österreich für diese Gruppe wirklich niedrig. Die Drittstaatsangehörigen könnten auch in andere EU-Länder studieren gehen und in den meisten anderen Ländern müssen sie viel mehr bezahlen. 

Viele andere Länder treiben aber auch einen größeren Aufwand, AusländerInnen in ihren Ländern anzuwerben. Was macht da Österreich?

An den Kunstuniversitäten gibt es viele Drittstaatsangehörige, etwa aus dem asiatischen Raum. Und sonst haben wir ja ohnehin sehr viele Studierende an unseren Universitäten. 

Ziel der Universitäten ist doch, die besten Köpfe zu sich zu bringen. Warum holt man sich nicht die besten Studierenden?

Weil wir da im Wettbewerb mit etwa Harvard, Cambridge, Oxford und so weiter einfach nicht mitkönnen. Die besten Köpfe werden dort angeworben, weil sie dort viel bessere Studienbedingungen haben. 

Sie haben doch gerade gesagt, die Studiengebühren sind in Österreich so niedrig.

Aber die bekommen dort beispielsweise ein Stipendium. 

Könnten Sie das in Österreich auch bekommen?

Ich habe immer gesagt, wenn die Studienbeiträge wieder eingeführt werden, wäre das natürlich auch mit einer Verbesserung des Studienförderungssystems verbunden. Für mich müssen Studienbeiträge immer mit einem guten Stipendiensystem Hand in Hand gehen.  

Sie sprechen sich für eine Verlängerung des Moratoriums für die Quotenregelung im Medizinstudium aus. Warum sucht man nicht eine langfristige Lösung wie Ausgleichszahlungen, wie etwa seit 1996 zwischen den skandinavischen Ländern üblich?

Weil von Seiten Deutschlands keine Bereitschaft besteht, Ausgleichszahlungen zu leisten. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass in Deutschland die Universitäten Ländersache sind, die Universitäten fallen also in die Kompetenz der Bundesländer. Das heißt, man müsste hier Vereinbarungen mit jedem einzelnen Bundesland treffen. Und die deutschen Bundesländer werden vermutlich nicht sagen: „Juhu, wir zahlen nun an Österreich.“

Sie sind jetzt seit knapp einem Monat Ministerin. Sehnen Sie sich nicht manchmal in den Hörsaal zurück?

[lacht] Nein, jetzt noch nicht. Ich habe noch zu wenig Zeit gehabt, um darüber nachzudenken, was jetzt in meinem Leben anders ist. Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, wo ich wieder sehr gerne in den Hörsaal zurückkomme. 

Und glauben Sie, die Studierenden werden Sie dann freundlich begrüßen?

Ich habe zu den Studierenden immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Ich habe auch sehr viele Diplomanden und Dissertanten betreut. Also das war nie ein Problem.

Allheilmittel

  • 13.07.2012, 18:18

Bildungspolitik wird derzeit in Österreich so heiß diskutiert wie schon lange nicht, allerdings mangelt es in der Diskussion an neuen Ideen. Schon werden die „Allheilmittel“ Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen aus der Schublade gezogen. Während Wissenschaftsministerin Karl agiert wie ein hilfloser Käfer, der am Rücken liegt, dreht sich die Diskussion um die Zukunft der Hochschulen weiter im Kreis.

Bildungspolitik wird derzeit in Österreich so heiß diskutiert wie schon lange nicht, allerdings mangelt es in der Diskussion an neuen Ideen. Schon werden die „Allheilmittel“ Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen aus der Schublade gezogen. Während Wissenschaftsministerin Karl agiert wie ein hilfloser Käfer, der am Rücken liegt, dreht sich die Diskussion um die Zukunft der Hochschulen weiter im Kreis.

Die Wissenschaftsministerin möchte auf den Hochschulen die besten Köpfe Österreichs versammeln, die Drop Out Rate senken und mehr Studierende für die so genannten MINTFächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) begeistern. Das alles will sie durch Zugangsbeschränkungen erreichen und findet bei RektorInnen, Industriellenvereinigung und in der ÖVP großen Zuspruch. Als Standardbeispiel für den Erfolg von Zugangsbeschränkungen wird gerne auf das Medizinstudium mit der Einführung des EMS-Tests verwiesen. Dass jedoch seit 2006, als der Test zum ersten Mal durchgeführt wurde, die soziale Durchmischung an den medizinischen Universitäten Wien und Innsbruck stark gesunken ist, Frauen benachteiligt und so weniger oft zum Studium zugelassen werden und nebenbei die Nachhilfeindustrie für Hochschulprüfungen boomt, wird verschwiegen. Wie es auch gedreht wird sind auch heuer wieder nur 45 Prozent der StudienanfängerInnen in Medizin Frauen. Obwohl mehr Frauen als Männer zu diesem Test antreten. Auch der Versuch über die zusätzliche Testung von sozialen Kompetenzen in Graz änderte an der Benachteiligung von Bewerberinnen nichts.

Das Zauberwort heißt MINT. Publizistik als so genanntes Massenstudium wurde mit einer Aufnahmeprüfung versehen, die so abschreckend wirkte, dass sich in Wien weniger Studierende angemeldet haben, als Plätze zur Verfügung stünden. Auch dieses Faktum wird vom Wissenschaftsministerium gern als Zeichen gesehen, dass sie sich auf richtigen Pfaden bewegen. Es bleibt abzuwarten wohin die Studierendenströme ausweichen, denn dass es zu Verdrängungseffekten kommen wird, war bereits bei Psychologie zu beobachten. So wird das nächste Fach zum Massenfach, dann wohl auch beschränkt, so dass die Studierenden wieder ausweichen, fertig ist der Teufelskreis. Fakt ist, dass das Modell Planwirtschaft im 10-Jahres Takt auf den Hochschulsektor nicht anwendbar ist. Wenn Gehrer vor zehn Jahren Panik verbreitet hat in Österreich gäbe es viel zu viele LehrerInnen und LehramtstudentInnen würden brotlos ohne Arbeit enden, so zeigt sich heute, dass derartige Eingriffe in Studienwahlentscheidungen kein gutes Ende nehmen. So droht uns in den nächsten Jahren dank Pensionierungswelle auch ein Mangel an zukünftigen ÄrztInnen, aber von einer Aufstockung der Plätze in Wien, Innsbruck und Graz oder dem Bau einer Meduni Linz, will im Ministerium niemand etwas wissen. Im Ministerium wird lieber fleißig Werbung für die unterbesetzten MINT-Fächer betrieben. Wer Publizistik oder Psychologie studieren möchte, lässt sich im Regelfall auch nicht durch tägliche Inserate in diversesten Printmedien von den Vorzügen eines MINT-Studiums überzeugen. Dass die Kapazitäten in Informatik in Wien längst ausgeschöpft sind, weil kein Geld für neue Infrastruktur und Lehrmittel da ist, scheint dabei egal zu sein. Karl will auf den Hochschulen die besten Köpfe versammeln. Die „besten Köpfe“ Österreichs werden aber kaum nützlich sein, wenn sie nicht das studieren können, was sie möchten, geschweige denn, dass, dank chronischer Unterfinanzierung, die derzeitigen Studienbedingungen zu Hochleistungen anspornen.

Fünf vor Zwölf. Österreich braucht eine Gesamtstrategie im Bildungsbereich, scheitert aber am politischen Hick-Hack der verschiedenen Parteien. Bildung darf in ihren einzelnen Segmenten, angefangen beim Kindergarten, über den Pflichtschulbereich, bis hin zur höheren Bildung nicht weiter isoliert betrachtet werden. Es ist also auch nicht förderlich zwei Ministerien mit derselben Materie zu beschäftigen, denn nichts kann eine tiefgreifende Reform besser verhindern, als willkürlich zwischen zwei Parteien aufgeteilte Kompetenzen.
Die Uhr tickt, denn ab 2012 ist Peak Student erreicht, das heißt, dass ab diesem Zeitpunkt auf Grund sinkender MaturantInnenzahlen auch die StudienanfängerInnenzahlen sinken werden, und das in einem Land, das im Bezug auf StudienanfängerInnen, ohnehin schon 17 Prozent unter dem OECD-Schnitt liegt. Umso absurder ist es gerade jetzt die Studienfächer zu beschränken und so die Zahl der Studierenden weiter zu dezimieren. Doch der Kurs, der bei Gehrer begann, wird auch nach der Ära Hahn fortgeführt. Wenn die Politik weiterhin auf ein Allheilmittel im Bildungssektor wartet, wird sich an der Misere nichts ändern, mittlerweile gibt es einfach zu viele Baustellen. Wohin uns das alles führt wird sich zeigen, die Folgen dieser desaströsen Politik werden wohl auch noch die nächsten Generationen beschäftigen. Frei nach Kafka liegt der Käfer weiter auf seinem Rücken, seine vielen Beine flimmern ihm hilflos vor den Augen.

Ablenkungsmanöver

  • 13.07.2012, 18:18

Wer den protestierenden Studierenden einmal wirklich zuhört, wird schnell merken, dass die Diskussion über Beschränkungen des Hochschulzuganges lediglich ein Ablenkungsmanöver ist.

Wer den protestierenden Studierenden einmal wirklich zuhört, wird schnell merken, dass die Diskussion über Beschränkungen des Hochschulzuganges lediglich ein Ablenkungsmanöver ist. Es ist der Versuch, den Streik der Studierenden zu entpolitisieren und ihn um seine wichtigsten Inhalte zu bringen: nämlich um die Kritik an der Bologna-Reform und am Universitätsgesetz (UG) 2002. Die Studierenden streiken für ein Studium, das allen einen selbständigen Wissenserwerb in der Auseinandersetzung mit Forschung ermöglicht. Darüber hinaus soll es eine Universität geben, in der die Entscheidungen wieder bei denjenigen liegen, die etwas von der Sache verstehen, nämlich Studierende und Lehrende.
Der Zorn der Studierenden hat sich angesichts der drohenden Einführung der sogenannten „Bologna-Struktur“ entzündet, das heißt eines in die Stufen „Bachelor“ und „Master“ zweigeteilten Studiensystems. Diese Einführung würde aufgrund der aktuellen Unterfinanzierung der Universitäten dazu führen, dass ein Zweiklassensystem der Bildung entsteht: mit einem billigen, stumpfsinnig verschulten Bachelor-Teil für viele und einem teuren Master-Teil für wenige, zahlungskräftige Menschen.
Weiters hat die Studierenden empört, dass sich die durch das Universitätsgesetz 2002 eingeführte, so genannte „Vollrechtsfähigkeit“ der Universitäten in der aktuellen Praxis so darstellt, dass das Ministerium den Universitäten bei den wichtigsten Entscheidungen massiv hineinregiert. Bei der Finanzierung werden die Universitäten allerdings im Regen stehen gelassen. Überdies richtet sich der Streik gegen die Tatsache, dass das UG 2002 und das Universitätsorganisationsgesetz 1993 fast jede Form der universitätsinternen Beratung und Entscheidungsfindung abgeschafft haben. Stattdessen entsteht eine straffe Befehlskette mit wirkungsvoll schwach gehaltenen Gliedern. Einzelne EntscheidungsträgerInnen, wie beispielsweise der oder die RektorIn, sind mit zu viel Macht ausgestattet, um sie überhaupt tragen zu können.
Die Reformen des letzten Jahrzehnts haben eine Unterwerfung von Forschung und Lehre unter die Kriterien der Bürokratie bewirkt. 

Zurück zur Elite

  • 13.07.2012, 18:18

Hertha Firnberg forcierte einst eine Demokratisierung der Universitäten und öffnete sie für ArbeiterInnenkinder. Seit einigen Jahren sind ihre Errungenschaften bedroht, Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) arbeitet daran, den freien Hochschulzugang zu zerstören.

Hertha Firnberg forcierte einst eine Demokratisierung der Universitäten und öffnete sie für ArbeiterInnenkinder. Seit einigen Jahren sind ihre Errungenschaften bedroht, Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) arbeitet daran, den freien Hochschulzugang zu zerstören.

Das Universitätsorganisationsgesetz von 1975 war ein Meilenstein für die Entwicklung österreichischer Universitäten. Das Gesetz trug maßgeblich die Handschrift der damaligen SPÖ-Ministerin Hertha Firnberg, die damit folgendes initiieren wollte: die Transparenz aller universitären Entscheidungen und demokratische Mitsprache und Mitbestimmung aller Menschen, die an der Hochschule tätig sind. Dies alles sollte der Qualität von Forschung und Lehre dienlich sein. Zusätzlich sollte die Verantwortung zwischen Universität und Gesellschaft geteilt werden, so der damalige Beschluss.
Am 10. Juni 2009 wurde das Universitätsgesetz von 2002 novelliert. Damit werden Bachelor- und Masterzugangsbeschränkungen ermöglicht, Studieneingangsphasen (die knock-out-Prüfungen gleichen) verpflichtend und die demokratische Mitbestimmung der Studierenden beschnitten.

Umbau. Der Umbau des Hochschulwesens nach den Kriterien einer konservativen und wirtschaftsliberalen Ideologie hat schon vor knapp zehn Jahren begonnen. 1999 enigten sich die europäischen WissenschaftsministerInnen auf die Vereinheitlichung des europäischen Hochschulraums. Von Seiten der schwarz-blauen Regierung wurde das als Freischein zur kompletten Neukonzeptionierung nach den schon erwähnten Kriterien gesehen. Ministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) führte die Studiengebühren ein, ihr Nachfolger Minister Elisabeth Hahn (ÖVP) die Möglichkeit, Zugangsbeschränkungen zu installieren. 

Veränderungen. Die österreichischen Universitäten folgten bis in die 70er dem Muster der Ordinarienuniversität. Diese Form der Universitätsorganisation beschreibt ein Modell von mehr oder weniger lose miteinander verknüpften Instituten, denen jeweils eine Professorin oder ein Professor vorsteht. StudentInnen haben nicht ein Fach studiert, sondern bei einem der ProfessorInnen. Diese Struktur bedeutete, dass Studierende den Lehrenden völlig ausgeliefert waren.
Hertha Firnberg, die erste Wissenschaftsministerin Österreichs, hat dies am eigenen Leib erfahren, als ein Professor sich weigerte, Frauen bei einer Prüfung positiv zu benoten. Sie musste ihr Studium wechseln, um sich dieser Schikane zu entziehen.
Als Ministerin änderte sie dieses System radikal zu Gunsten der Studierenden. Die Ordinarienuniversität wurde zur Gruppenuniversität. Zum einen schaffte sie die Studiengebühren ab, die bis dahin nur einer kleinen Elite ein Universitätsstudium erlaubten. Zum anderen änderte sie die innere Struktur der Universitäten. Die mächtige Position der ProfessorInnen wurde zu Gunsten eines Mitspracherechts beschnitten, von dem nun alle an der Universität vertretenen Gruppen profitieren sollten. 

Drittelparität. Damals wurde auch die Drittelparität eingeführt. Das bedeutete, dass Studierende, AssistentInnen und ProfessorInnen nun gleichberechtigt über die Vorgänge an den Universitäten entscheiden durften. In einigen Bereichen musste die geplante Drittelparität aber zu Gunsten von 50% ProfessorInnen und jeweils 25% Studierende und AssistentInnen aufgegeben werden, weil der Widerstand der ProfesorInnen gegen die neue Regelung zu groß war.. Sie drohten mit Streik und zeigten sich von Firnberg „persönlich enttäuscht“. Firnberg konterte lakonisch, dass „die Männer so schrecklich emotional“ seien und sah dem Streik gelassen entgegen, weil „die Herren Professoren nicht so unentbehrlich sind, wie sie glauben“. Dass nicht geheizt werde oder keine Rechnungen ’zahlt werden – das würd’ ma ja spürn“. (Firnberg konnte zuvor sowohl die Studierenden, wie die AssistentInnen als auch das Verwaltungspersonal für ihre Reformen gewinnen).
Gegen den ausdrücklichen Willen der ProfessorInnen, der Opposition (ÖVP, FPÖ) und des gesamtem konservativen Lagers wurde das UOG 1975 beschlossen. Ein absolutes Novum für ein Bildungsgesetz.

Demokratisierung. Die Öffnung und Demokratisierung der Universitäten führte dazu, dass mehr Leute aus den so genannten bildungsfernen Schichten den Weg an eine Hochschule fanden und diese auch abschlossen. „Mehr ArbeiterInnenkinder an die Universität“ war ein Credo von Firnberg, dem sie sich verpflichtet sah. Auch der Anteil der Studentinnen stieg rapide an. (Diskriminierungen im Ordinarienmodell, wie sie das Beispiel Firnbergs zeigte, waren kein Einzelfall). Der offene Hochschulzugang an österreichischen Universitäten war geboren.
Gleichzeitig stieg auch das Budget der Universitäten in den Jahren Firnbergs als Ministerin von  2,3 Millarden Schilling (1970) auf 10 Milliarden Schilling (1982). Ebenfalls wurden die Planstellen (ProfessorInnen, außerordentliche ProfessorInnen, AssistentInnen) von 8600 (1970) auf 12600 (1982) erhöht. 

Rücknahmen. Nach und nach wurden diese Errungenschaften zerstört. Zum einen mit einer schwarz-blauen Regierung, die die Studiengebühren wieder einführte, Universitäten wie Unternehmen geführt wissen wollte und die demokratische Direktwahl der ÖH abschaffte. Zum anderen mit Minister Hahn, der den freien Hochschulzugang abschaffte. 
Mittlerweile sind die Universitäten zurück bei einer quasi Alleinherrschaft der ProfessorInnen, die in allen Gremien die Mehrheit stellen. Zugangsbeschränkungen wurden neu errichtet, die Lehre an den Universitäten ist konsequent unterfinanziert und die Universitäten verfügen über zu wenige Planstellen in der Lehre. Das Wissenschaftsministerium stiehlt sich mit der „Autonomie der Universitäten“ aus der gesellschaftlichen Verantwortung.
Die Umstände und Probleme heutzutage gleichen denen vor dem UOG 75, auch wenn das Modell ein anderes war.  Das zeigt, dass sich jedes System verändern lässt, wenn der politische Wille dafür da ist.

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