STOP statt STEP?

  • 13.07.2012, 18:18

Zwei der drei Anträge auf Zugangsbeschränkungen nach §124b wurden nicht beschlossen, doch Ministerin Karl lässt nicht locker. Neues Projekt der Ministerin ist eine neue Studieneingangsphase, an deren Ende kräftig ausselektiert werden soll.

Zwei der drei Anträge auf Zugangsbeschränkungen nach §124b wurden nicht beschlossen, doch Ministerin Karl lässt nicht locker. Neues Projekt der Ministerin ist eine neue Studieneingangsphase, an deren Ende kräftig ausselektiert werden soll.

Die Anträge auf Zugangsbeschränkungen nach §124b für Architektur und die Wirtschaftsuniversität Wien wurden im Mai im MinisterInnenrat abgelehnt,  lediglich“ das Pubilizistik-Studium wird ab Herbst wieder beschränkt werden. Was für zukünftige Publizistik- StudentInnen eine massive Hürde bedeutet, ist Beatrix Karl noch lange nicht genug. Im Gegenteil, sie verbuchte die Ablehnung der restlichen Anträge als Niederlage und einigte sich dafür mit der Koalitionspartnerin auf eine Neugestaltung der Studieneingangsphase – die STEP soll zur Knock-Out-Phase werden. Eine Aktion der ÖH vor dem Bundeskanzleramt, eine Rektoratsbesetzung mit Kurzbesuch im Audimax und eine Besetzungs-Visite im BMWF waren die spontanen Reaktionen der Studierenden darauf, der Ausstieg der ÖH und der #unibrennt-Bewegung aus dem Hochschuldialog nur der nächste logische Schritt. 

Knock-Out. Trotz der vielen negativen Reaktionen lässt sich die Ministerin nicht beirren – erst kürzlich bestärkte sie ihre Forderungen nach Knock-Out-Phasen zu Studienbeginn bei einer Veranstaltung in Innsbruck. Die gewünschte „Qualität“ sei ohne Selektion nicht zu erreichen. Hier eine Gegenthese: Die gewünschte „Qualität“ der Studieneingangsphase lässt deutlich zu wünschen übrig, nicht die Fähigkeiten der StudienanfängerInnen!
Der Einstieg in die akademische Welt an sich fällt nicht leicht. Besonders an großen Universitäten und in großen Studienrichtungen ist der culture-clash zwischen schulischer Allround- Versorgung und universitärer Selbstständigkeit groß. Sich einen Stundenplan das erste Mal selbst zu erstellen, ist eine veritable Herausforderung – an der aber kaum eineR scheitert. Das zeigt die Studie über frühe StudienabbrecherInnen, die im letzten Jahr vom BMWF herausgegeben wurde: Das „System Universität“ habe nur 5,5 Prozent der AbbrecherInnen abgeschreckt, die wichtigsten Gründe für einen Abbruch sind nicht erfüllte Erwartungen an das Studium sowie Probleme mit der Vereinbarkeit von Studium und Erwerbsarbeit.
Ein ähnliches Bild zeigt der Projektbericht zum Studienwechsel, der ebenso vom BMWF in Auftrag gegeben wurde: 72 Prozent der Befragten wechselten ihr Studium, weil sie etwas anderes erwartet hatten oder sich die eigenen Interessen veränderten (62 Prozent). Die Gründe für den frühzeitigen Drop-Out können also nicht den neu gewonnenen Freiheiten, die ein Universitätsstudium mit sich bringt, zugeschanzt werden.
Dass Reformbedarf bei vielen Studieneingangsphasen besteht, leugnet niemand und wird auch durch die Empirie gezeigt. Problembearbeitung ist allerdings vorrangig in der größeren Durchlässigkeit zwischen Studienrichtungen angesagt – ein System, in dem ein Studienwechsel in den ersten beiden Semestern unproblematisch und ohne Zeitverlust vollzogen werden kann, wäre zumindest in verwandten Fachrichtungen dringend nötig. Das wäre zum Beispiel durch eine höhere Wahlfreiheit in der ersten Studienphase, in der Kurse aus verschiedenen Studienrichtungen belegt werden können, möglich. Auch die Studienwahl würde so erleichtert und verbessert, denn durch eine gute allgemeine Einführungsphase ins Fachgebiet erschließt sich erst die Vielfalt der Möglichkeiten.

Kerncurriculum. Einige Universitäten arbeiten bereits jetzt mit einem Kerncurriculum, das im ersten Studienjahr absolviert werden soll: Die Montanuniversität Leoben bietet ein gemeinsames erstes Studienjahr für neun Studienrichtungen an, die Studienwahlentscheidung zwischen den angebotenen Fächern verlagert sich also ein Jahr nach hinten. Ähnlich geht die Wirtschaftsuniversität Wien vor – diese Studieneingangsphase ist aber weniger für ihre Orientierung, sondern für ihre gnadenlose Selektion bekannt: Geschätzte 80 Prozent aller Studierenden an der WU werden hier rausgeprüft.
Es kommt also auf die Intention an, mit der Studieneingangsphasen umgesetzt werden: Sollen Studierende in die Hochschule integriert oder aus der Uni gedrängt werden? Karls Wünsche diesbezüglich sind eindeutig: Die Orientierung, die momentan laut Universitätsgesetz Ziel der Studieneingangsphase sein muss, soll der Selektion weichen. Am Ende der STEP soll es, wenn es nach der Ministerin geht, künftig Aufnahmeverfahren geben, deren Bestehen Voraussetzung für das weitere Studium sein soll – flächendeckende Zugangsbeschränkungen nach einem Jahr „Vorlaufzeit“ also.
Das Ziel, die AkademikerInnenquote zu erhöhen, wird damit freilich meilenweit verfehlt werden. Österreich hat nicht nur im OECDSchnitt zu wenige AbsolventInnen sondern auch weniger StudienanfängerInnen als die meisten Industriestaaten. Dass es für Volkswirtschaften wenig nachhaltigere Investitionsmöglichkeiten als Bildung gibt, ist ebenso Fakt. Ministerin Karl verschließt die Augen vor diesen Tatsachen – bleibt nur noch zu hoffen, dass „Spiegelministerin“ Claudia Schmied mehr Weitblick beweist und dem Beschränkungswahnsinn den gesellschaftlich notwendigen freien Bildungszugang entgegenhält. Wir Studierende werden uns in jedem Fall gegen die geplanten Schranken wehren.

 

AutorInnen: Eva Maltschnig