Zurück zur Elite

  • 13.07.2012, 18:18

Hertha Firnberg forcierte einst eine Demokratisierung der Universitäten und öffnete sie für ArbeiterInnenkinder. Seit einigen Jahren sind ihre Errungenschaften bedroht, Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) arbeitet daran, den freien Hochschulzugang zu zerstören.

Hertha Firnberg forcierte einst eine Demokratisierung der Universitäten und öffnete sie für ArbeiterInnenkinder. Seit einigen Jahren sind ihre Errungenschaften bedroht, Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) arbeitet daran, den freien Hochschulzugang zu zerstören.

Das Universitätsorganisationsgesetz von 1975 war ein Meilenstein für die Entwicklung österreichischer Universitäten. Das Gesetz trug maßgeblich die Handschrift der damaligen SPÖ-Ministerin Hertha Firnberg, die damit folgendes initiieren wollte: die Transparenz aller universitären Entscheidungen und demokratische Mitsprache und Mitbestimmung aller Menschen, die an der Hochschule tätig sind. Dies alles sollte der Qualität von Forschung und Lehre dienlich sein. Zusätzlich sollte die Verantwortung zwischen Universität und Gesellschaft geteilt werden, so der damalige Beschluss.
Am 10. Juni 2009 wurde das Universitätsgesetz von 2002 novelliert. Damit werden Bachelor- und Masterzugangsbeschränkungen ermöglicht, Studieneingangsphasen (die knock-out-Prüfungen gleichen) verpflichtend und die demokratische Mitbestimmung der Studierenden beschnitten.

Umbau. Der Umbau des Hochschulwesens nach den Kriterien einer konservativen und wirtschaftsliberalen Ideologie hat schon vor knapp zehn Jahren begonnen. 1999 enigten sich die europäischen WissenschaftsministerInnen auf die Vereinheitlichung des europäischen Hochschulraums. Von Seiten der schwarz-blauen Regierung wurde das als Freischein zur kompletten Neukonzeptionierung nach den schon erwähnten Kriterien gesehen. Ministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) führte die Studiengebühren ein, ihr Nachfolger Minister Elisabeth Hahn (ÖVP) die Möglichkeit, Zugangsbeschränkungen zu installieren. 

Veränderungen. Die österreichischen Universitäten folgten bis in die 70er dem Muster der Ordinarienuniversität. Diese Form der Universitätsorganisation beschreibt ein Modell von mehr oder weniger lose miteinander verknüpften Instituten, denen jeweils eine Professorin oder ein Professor vorsteht. StudentInnen haben nicht ein Fach studiert, sondern bei einem der ProfessorInnen. Diese Struktur bedeutete, dass Studierende den Lehrenden völlig ausgeliefert waren.
Hertha Firnberg, die erste Wissenschaftsministerin Österreichs, hat dies am eigenen Leib erfahren, als ein Professor sich weigerte, Frauen bei einer Prüfung positiv zu benoten. Sie musste ihr Studium wechseln, um sich dieser Schikane zu entziehen.
Als Ministerin änderte sie dieses System radikal zu Gunsten der Studierenden. Die Ordinarienuniversität wurde zur Gruppenuniversität. Zum einen schaffte sie die Studiengebühren ab, die bis dahin nur einer kleinen Elite ein Universitätsstudium erlaubten. Zum anderen änderte sie die innere Struktur der Universitäten. Die mächtige Position der ProfessorInnen wurde zu Gunsten eines Mitspracherechts beschnitten, von dem nun alle an der Universität vertretenen Gruppen profitieren sollten. 

Drittelparität. Damals wurde auch die Drittelparität eingeführt. Das bedeutete, dass Studierende, AssistentInnen und ProfessorInnen nun gleichberechtigt über die Vorgänge an den Universitäten entscheiden durften. In einigen Bereichen musste die geplante Drittelparität aber zu Gunsten von 50% ProfessorInnen und jeweils 25% Studierende und AssistentInnen aufgegeben werden, weil der Widerstand der ProfesorInnen gegen die neue Regelung zu groß war.. Sie drohten mit Streik und zeigten sich von Firnberg „persönlich enttäuscht“. Firnberg konterte lakonisch, dass „die Männer so schrecklich emotional“ seien und sah dem Streik gelassen entgegen, weil „die Herren Professoren nicht so unentbehrlich sind, wie sie glauben“. Dass nicht geheizt werde oder keine Rechnungen ’zahlt werden – das würd’ ma ja spürn“. (Firnberg konnte zuvor sowohl die Studierenden, wie die AssistentInnen als auch das Verwaltungspersonal für ihre Reformen gewinnen).
Gegen den ausdrücklichen Willen der ProfessorInnen, der Opposition (ÖVP, FPÖ) und des gesamtem konservativen Lagers wurde das UOG 1975 beschlossen. Ein absolutes Novum für ein Bildungsgesetz.

Demokratisierung. Die Öffnung und Demokratisierung der Universitäten führte dazu, dass mehr Leute aus den so genannten bildungsfernen Schichten den Weg an eine Hochschule fanden und diese auch abschlossen. „Mehr ArbeiterInnenkinder an die Universität“ war ein Credo von Firnberg, dem sie sich verpflichtet sah. Auch der Anteil der Studentinnen stieg rapide an. (Diskriminierungen im Ordinarienmodell, wie sie das Beispiel Firnbergs zeigte, waren kein Einzelfall). Der offene Hochschulzugang an österreichischen Universitäten war geboren.
Gleichzeitig stieg auch das Budget der Universitäten in den Jahren Firnbergs als Ministerin von  2,3 Millarden Schilling (1970) auf 10 Milliarden Schilling (1982). Ebenfalls wurden die Planstellen (ProfessorInnen, außerordentliche ProfessorInnen, AssistentInnen) von 8600 (1970) auf 12600 (1982) erhöht. 

Rücknahmen. Nach und nach wurden diese Errungenschaften zerstört. Zum einen mit einer schwarz-blauen Regierung, die die Studiengebühren wieder einführte, Universitäten wie Unternehmen geführt wissen wollte und die demokratische Direktwahl der ÖH abschaffte. Zum anderen mit Minister Hahn, der den freien Hochschulzugang abschaffte. 
Mittlerweile sind die Universitäten zurück bei einer quasi Alleinherrschaft der ProfessorInnen, die in allen Gremien die Mehrheit stellen. Zugangsbeschränkungen wurden neu errichtet, die Lehre an den Universitäten ist konsequent unterfinanziert und die Universitäten verfügen über zu wenige Planstellen in der Lehre. Das Wissenschaftsministerium stiehlt sich mit der „Autonomie der Universitäten“ aus der gesellschaftlichen Verantwortung.
Die Umstände und Probleme heutzutage gleichen denen vor dem UOG 75, auch wenn das Modell ein anderes war.  Das zeigt, dass sich jedes System verändern lässt, wenn der politische Wille dafür da ist.

AutorInnen: Natasha Strobl