Zugangsbeschränkungen

#oehwahlfahrt

  • 04.05.2015, 19:10

Zur ÖH-Wahl interviewen wir die Spitzenkandidat_innen der Fraktionen in ungewöhnlichen Settings.

Mit Lucia Grabetz (VSStÖ) fahren wir mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof und sprechen über die Heimförderung, die Gemeinsamkeiten mit der Mutterpartei und darüber, was die aktuelle ÖH nicht so gut umgesetzt hat.

 

That's how we roll! Und zwar mit Philip Flacke (FLÖ - Fachschaftslisten Österreich) durch den Türkenschanzpark. Dabei sprechen wir über BiPol-Nerdigkeit, die Relevanz von ÖH-Räumlichkeiten an Unis und darüber, was die aktuelle Bundesvertreung nicht so gut gemacht hat.

 

Jens Eipper von der AG kutschieren wir durch die Innenstadt um ihn zu fragen, was er zum Narrativ der deutschen NC-Flüchtlinge sagt, wieso er doch gegen Studiengebühren ist und was die letzte ÖH richtig gemacht hat.

 

Mit der Liliputbahn geht es gemeinsam mit Magdalena Goldinger (FEST) durch den Prater. Wir reden über sinnvolle Anwesenheitspflichten, Zugangsbeschränkungen an Kunstunis und was eigentlich eine FH zu einer FH macht.

 

Für die zweite Runde haben wir uns bei einem hippen Carsharing-Unternehmen ein flottes Cabrio ausgeborgt, um mit Niko Swatek (JUNOS) am Weg von der Mahü zur FHWien über nachgelagerte Zwangsstudienbeiträge, ein gemeinsames Bildungsministerium und unbezahlte Praktika zu reden.

 

In der Wahlfahrt-Premiere nahmen wir mit Meryl Haas (GRAS) die Fahrrad-Rikscha durch den Prater zur WU. Olja Alvir spricht mit ihr über Gender-Budgeting, Koalitionspoker und grünes Bürger_innentum.

Exklusive Gesundheitsstudien

  • 23.05.2014, 17:42

Gedrängte Studienpläne, Wartejahre und unbezahlte Praktika stehen in den gesundheitswissenschaftlichen Studien der Fachhochschulen auf der Tagesordnung. Neben dem Studium zu arbeiten, ist kaum möglich – was zu einer schlechten sozialen Durchmischung führt

Gedrängte Studienpläne, Wartejahre und unbezahlte Praktika stehen in den gesundheitswissenschaftlichen Studien der Fachhochschulen auf der Tagesordnung. Neben dem Studium zu arbeiten, ist kaum möglich – was zu einer schlechten sozialen Durchmischung führt.

In knapp zwei Monaten beendet Barbara König ihr Radiologietechnologie-Studium an der Fachhochschule (FH) Campus Wien. Die 23-Jährige ist eine von 4.580 Studierenden der Gesundheitswissenschaften an Österreichs FHs. Zwar entschied sie sich nach der Matura erst für ein Biologie-Studium an der Uni Wien, nach zwei Semestern erkannte sie aber, dass ihr „das Praktische“ und „der Kontakt mit Menschen“ fehlte, also trat sie beim EMS-Test an, um einen Medizinstudienplatz zu bekommen. Dieser wurde ihr auch zugesagt – allerdings in Innsbruck. Ein Wohnortwechsel kam für die Wienerin aber nicht in Frage. Daraufhin begab sie sich auf die Suche nach einem anderem Studium.

Der Bachelorstudiengang Radiologietechnologie gehört neben Fächern wie Logopädie, Biomedizinische Analytik oder Musiktherapie zu den 14 an österreichischen FHs angebotenen Vollzeitbachelorstudien im Bereich der Gesundheitswissenschaften. Ihr Studium beschreibt König als „sehr technisch und anspruchsvoll“, trotzdem zog sie es ohne größere Komplikationen durch. „Es ist motivierend, wenn man ein Ziel vor Augen hat“, erklärt sie. Dadurch, dass es an den FHs kein „Verschieben aufs nächste Semester“ wie an der Universität gibt, sei alles planbarer und vor allem absehbar.

Bevor sie überhaupt zum Studium zugelassen wurde, musste König jedoch ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren, bestehend aus Motivationsschreiben, psychologischem Test, Wissensabfrage und persönlichem Gespräch, absolvieren. „Die Zugangsbeschränkungen an den FHs führen dazu, dass sich Studierende für ein Studium an mehreren oder sogar allen Standorten bewerben“, sagt Michael Hnelozub, FH-Referent der ÖH-Bundesvertretung. Die FHs haben allerdings unterschiedliche Annahmefristen, weshalb FH-Erhalter_innen schon kurz nach der Zusage eine Kaution oder Studiengebühren einheben. Zum einen, um Planungssicherheit zu haben, wie viele Studierende ein Studium beginnen – aber auch, damit „sich Studierende nicht mehr umentscheiden können“, so Hnelozub. Studierende müssen sich somit sofort entscheiden, ob sie einen bereits sicheren Studienplatz annehmen oder lieber das Risiko eingehen und abwarten, ob sie noch eine Zusage von ihrer Wunsch-FH bekommen.

Solche Mehrfachbewerbungen waren bei Tobias Haas noch kein Thema. Er absolvierte von 2008 bis 2011, im ersten Jahrgang, das Bachelorstudium Gesundheit und Krankenpflege an der FH Campus Wien. Die Bewerber_innen wurden damals fast alle aufgenommen. Heute arbeitet Haas als Krankenpfleger in einem Wiener Spital und macht an der Uni Wien den Master in Pflegewissenschaften. An den FHs selbst gibt es nur selten weiterführende Masterstudien, die meisten aufbauenden Lehrgänge kosten mehrere tausend Euro.

Zwischen zwei Nachtschichten erinnert sich Haas daran, dass sein Studiengang, der als erster dieser Art an einer FH angeboten wurde, noch schlecht organisiert war: „Es war teilweise notwendig, nach den Praktika noch auf die FH zu fahren und Prüfungen zu schreiben. Das hat sich aber mittlerweile gebessert.“ Das Krankenpflegegesetz sieht ein Mindestmaß an Praktikumsstunden während der Ausbildung vor. Bei Haas umfassten sie die Hälfte der gesamten ECTSPunkte des Bachelorstudiums. „Dadurch musste der Theorieteil in 90 ECTS gequetscht werden“.

Theorie und Praxis. „Im Prinzip sind wir Montag bis Freitag mit unseren Praktika beschäf- tigt“, sagt König. Von Beginn an ist der Stundenplan der Radiologietechnologie in Theorieblöcke mit anschließenden praktischen Übungen in Krankenhäusern oder Diagnosezentren in Wien, Niederösterreich oder dem Burgenland unterteilt. Nach dem Aufnahmeverfahren mussten die Studierenden unterschreiben, dass sie für Fahrtkosten und Ähnliches selbst aufkommen können, erzählt König. Wenn ein Praktikum nur halbtags läuft, geht es danach zum Theoriebüffeln zurück an die FH. Praxis bekommen die Studierenden zusätzlich dadurch, dass sie an einander üben. „Wir legen uns etwa gegenseitig ein EKG an“, so König.

Die Pflichtpraktika, die sie absolvieren muss, sind, wie auch in den anderen gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen auf der FH, unbezahlt. Bei der Studierendensozialerhebung 2011 gab kein_e einzige_r Studierende_r an, für ein Pflichtpraktikum in diesem Bereich bezahlt worden zu sein. Gleichzeitig gilt 100-prozentige Anwesenheitspflicht bei den Praktika. „Ich darf keine Sekunde verpassen“, kritisiert König, „wenn ich krank bin, kann ich aber einfach nicht kommen.“ Zwar gibt es meist die Möglichkeit das Versäumte in den Ferien nachzuholen. „Gern wird das aber nicht gesehen“, meint König.

„Das Problem, mit dem wir am öftesten konfrontiert sind, ist das der Studienjahrwiederholung“, sagt Hnelozub. Krank zu sein ist bei den Vollzeitstudien mit ihrem dichten Stundenplan nicht drin. Zwar gibt es die Möglichkeit, Fächer zu wiederholen – wenn eine kommissionelle Prüfung nicht bestanden oder die Anwesenheitspflicht in einer klinischen Übung nicht erreicht wird –, allerdings stellt dies Studierende vor weitere Probleme. „In den technischen Studien- fächern ist es meistens kein Problem, wenn man ein Fach in das nächste Jahr hineinzieht“, sagt Hnelozub. Wegen den Voraussetzungsketten in den Gesundheitsfächern „verliert man hier aber gleich ein ganzes Studienjahr“. Durch das stark begrenzte Platzkontingent in den Gesundheitswissenschaften kann es aber sein, dass im Folgejahrgang gar kein Studienplatz mehr frei ist. „Dadurch haben Studierende dann ein Wartejahr oder steigen aus dem Studium aus“, sagt der FH-Referent.

Vollzeitstudium und Teilzeitarbeit. Neben dem gedrängten Studienplan ist es schwierig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Lediglich zehn Prozent aller Studierenden der Gesundheitswissenschaften an FHs arbeiten während des ganzen Semesters, 17 Prozent jobben gelegentlich. König kellnerte an Wochenenden bis zu 30 Stunden, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, ein Job unter der Woche wäre unmöglich gewesen. Auch Haas hat während seinem Studium gearbeitet – als persönlicher Assistent: „Das waren sehr flexible Zeiten, die ich mir selbst einteilen konnte.“ Neben einem FH-Vollzeitstudium könne man im Grunde nur in „sehr prekären Verhältnissen“ jobben oder bezahlte Ferialpraktika absolvieren. Die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Studium spiegelt sich auch in der sozialen Lage der Studierenden der Gesundheitswis-senschaften wider: 54 Prozent kommen aus einem bildungsnahen Elternhaus. Somit seien diese FH- Studien auch „sehr elitäre Studien“, sagt Hnelozub.

 

Oona Kroisleitner studiert Rechtswissenschaften an der Uni Wien.

Sprung ins kalte Wasser

  • 31.10.2013, 18:20

Seit 2010 wird für das Psychologiestudium in Wien ein Aufnahmeverfahren durchgeführt. Rund 2.000 BewerberInnen kämpften heuer um 500 Studienplätze. Verena Ehrnberger hat sich vor Ort umgesehen und die TeilnehmerInnen nach ihrer Meinung und ihren Erfahrungen mit der Prüfung befragt.

Seit 2010 wird für das Psychologiestudium in Wien ein Aufnahmeverfahren  durchgeführt. Rund 2.000 BewerberInnen kämpften heuer um 500 Studienplätze. Verena Ehrnberger hat sich vor Ort umgesehen und die TeilnehmerInnen nach ihrer  Meinung und ihren Erfahrungen mit der Prüfung befragt.

Anspannung. Stille. Nur manchmal hört man das Knarren eines Stuhls, das leise Rascheln eines der  vielen durchsichtigen Plastiksäckchen, in denen  die zukünftigen Studierenden ihre Habseligkeiten verstauen mussten. In der großen grauen Halle A der Messe Wien ist es kalt. Beim Hereinkommen wird man einem von 30 Sektoren zugewiesen und sucht im jeweiligen Sektor nach jenem Platz, der mit dem eigenen Namen beschriftet ist. Es ist der 3. September 2013 – der Tag der Psychologie-Aufnahmeprüfung.  Mit rund 4.000 anderen TeilnehmerInnen soll man nun um einen der begehrten 500 Studienplätze kämpfen.

Am Prüfungstag erscheint dann aber nur knapp die Hälfte der angemeldeten Personen. Der Saal ist bei weitem nicht voll. Ganze Tischreihen bleiben leer.  Der Dekan der psychologischen Fakultät, Germain  Weber, informiert die Anwesenden per Mikrophondurchsage,  dass nur knapp 2.000 TeilnehmerInnen erschienen sind. Großes Aufatmen im Saal – die eigene Chance, einen Studienplatz zu ergattern, hat sich damit plötzlich verdoppelt. „Bekommt man einen  Bachelor-Platz in Wien”, sagt der Dekan weiter, „dann hat man in Wien auch einen gesicherten Master-Platz.“ Die nächste gute Nachricht für die zukünftigen Psychologie-Studierenden.

Gemischte Reaktionen. Dann werden die Prüfungsmodalitäten erklärt. Die Aufnahmeprüfung besteht aus drei Teilen: Wissen, Methodik und Englisch. Für den Wissens-Teil waren bestimmte Kapitel eines Psychologie-Lehrbuchs zu lernen – dieser Teil ist 70 Punkte wert. Bei Methodik und Englisch kann man jeweils auf 40 Punkte kommen. Für 150 mögliche Punkte hat man 150 Minuten Zeit. Die Prüfungsbögen werden gleichzeitig umgedreht – ein lautes  Rascheln geht durch den Saal. Zur Beantwortung der jeweiligen Wissensfragen brauchen die Anwesenden nur wenige Sekunden. Die dadurch gewonnene Zeit wird für den Englisch- und den Methodik-Teil genützt,  auf die man sich nur schwer vorbereiten kann.

Als die 150 Minuten schließlich vorbei sind, fallen die Reaktionen der TeilnehmerInnen gemischt aus. Einige scheitern am Englisch, andere an den Fragen  zur Methodik. „Auf den Wissens-Teil konnte man sich sehr gut vorbereiten“, meint Hannah, 18, aus Niederösterreich:  „Der Methodik-Teil war nicht berechenbar. Aber wenn man solide Mathematikkenntnisse hat, ist er zu bewältigen. Englisch war auf Maturaniveau und relativ leicht.“ Auch Jonas, 25, aus Tübingen fand den Methodik-Teil anspruchsvoll: „Es war tückisch. Es  gab viel Text, der überflüssig war und zur Ablenkung diente“, sagt er.

Sinnhaftigkeit der Aufnahmeprüfung. Doch wie sinnvoll ist so eine Aufnahmeprüfung  überhaupt? Jonas findet das Aufnahmeverfahren eine gute Idee. „Da muss man zumindest etwas lernen.  Die Leute, die das wirklich wollen, haben einen gerechtfertigten Vorteil gegenüber Leuten, die sich  vielleicht nur so zum Spaß anmelden“, so Jonas. Elke, 35, sieht das genauso. Die Salzburgerin lebt gerade in Bayern. „In Deutschland haben sie den Numerus Clausus und glauben, dass ein Mensch, der an wenigen bestimmten Tagen seines Lebens nicht ganz so  gut abgeschnitten hat, nicht auch ein guter Psychologe oder Mediziner werden kann“, meint sie: „Ich finde das unsinnig und das österreichische System viel besser.“  Die Aufnahmeprüfung soll, laut Homepage des StudienServiceCenters der Psychologie, „studienrelevante Fähigkeiten“ überprüfen: Neben Textverständnis und  Prüfungswissen wird auch die „Fähigkeit zum formalanalytischen Denken“ der zukünftigen Studierenden  geprüft. Dies wird vor allem durch den Methodik-Teil erreicht. Der ist bei den TeilnehmerInnen aber nicht unumstritten. „Englisch und Methodik waren für  mich ein Sprung ins kalte Wasser. Ich hab mich nicht gezielt vorbereiten können“, sagt Hannah und fügt hinzu: „Mein Schulwissen hat mir aber geholfen.“ Die Schwierigkeit des Methodik-Teils variiert von Jahr zu Jahr. „Ich dachte mir, dass sie die Fragen schon so stellen, dass man sich kaum darauf vorbereiten kann – ähnlich wie bei einem IQ-Test“, sagt Jonas.

Letztlich scheint der Methodik-Teil aber nicht nur die  „Fähigkeit zum analytischen Denken“ abzuprüfen,  sondern vor allem Mathematikkenntnisse. Ein erlerntes Wissen also, das man sich je nach Schulbildung entweder aneignen konnte – oder eben nicht. Elke hat die Aufnahmeprüfung dieses Jahr nicht geschafft.  „Ich bin etwas älter als der Schnitt. Meine Matura ist demnach ewig her“, sagt sie: „Ich hab mich seit Jahrzehnten nicht mehr mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen und Co beschäftigt. Das waren also nicht unbedingt die besten Voraussetzungen, um diese  Prüfung zu bestehen.“ Enttäuscht ist sie trotzdem, vor  allem weil ihr das Lernen des Psychologiestoffs viel  Spaß gemacht hat. „Ich konnte den Zimbardo (Autor  des Psychologie-Lehrbuches, Anm. der Red.) wirklich gut und ich fand die Materie auch super interessant.“

Teure Vorbereitung. Intensives Lernen ist  offenbar nicht immer ein Garant dafür, die Prüfung  auch zu bestehen. Eine Umfrage in der Facebook-  Gruppe zum diesjährigen Aufnahmeverfahren ergab,  dass fast ein Viertel der TeilnehmerInnen einen Vorbereitungskurs besucht hat. Um sich gegen die große Konkurrenz durchzusetzen, sind manche bereit viel Geld zu zahlen. Für etwa 300 Euro kann man sich eine Woche lang von verschiedensten Instituten  gründlich auf die Aufnahmeprüfung vorbereiten  lassen.

Jonas hat die Prüfung auch ohne Kurs bestanden.  „Ich hab keinen wirklichen Nutzen darin gesehen“, sagt Jonas. „Auf den Methodik- und den Englisch-Teil kann man sich nicht vorbereiten und beim Lernen des Zimbardo hilft halt auch kein Kurs“, meint er. Auch Hannah hat es ohne Kurs geschafft. „Es spricht gegen meine Prinzipien, dass man Geld in Kurse investiert, während andere Menschen nicht die erforderlichen Mittel haben“, sagt sie: „Jeder Mensch sollte die gleichen Chancen haben.“

Fehlende Transparenz. An der Aufnahmeprüfung wird stark kritisiert, dass weder das erreichte Testergebnis noch der Rang, den man in der Reihung der TeilnehmerInnen erzielt hat, nach der Prüfung für die zukünftigen Studierenden einsehbar sind. „Für diejenigen, die überlegen, es erneut zu versuchen, wäre das sicherlich eine gute  Entscheidungsbasis“, meint Jonas: „Allerdings ist es auf der anderen Seite ärgerlich für alle, die herausfinden müssen, dass sie ganz knapp gescheitert sind.“ Hannah sieht in der mangelnden Transparenz des Aufnahmeverfahrens das größte Problem. „Dieses Vorgehen lässt möglicherweise bei einigen der TeilnehmerInnen Zweifel an der Korrektheit  des Testergebnisses aufkommen“, sagt sie, und fügt  hinzu: „So kann man die persönliche Leistung nur schwer einschätzen. Hat man die Prüfung nicht geschafft, kann man nicht beurteilen, welche Teile des Tests bei einem Neuantritt intensiver zu lernen wären.“

Seitens der Universität Wien beruft man sich hinsichtlich der fehlenden Transparenz der Aufnahmeprüfung auf die Universität Salzburg. „Das Verfahren in der Psychologie wird gemeinsam mit der Universität Salzburg durchgeführt. Die Federführung in Bezug auf die Gestaltung der Abläufe hat die Salzburger Universität“, erklärt Cornelia Blum, Pressesprecherin des Rektorats der Universität Wien: „Die  Universität Wien hat sich als Kooperationspartner der  Vorgangsweise angeschlossen.“ Obwohl der Wiener Universität ein transparentes Verfahren ein Anliegen sei, widerspräche eine allgemeine Veröffentlichung der Ergebnisse „datenschutzrechtlichen Bestimmungen“, heißt es weiter.

Flucht vor dem Numerus Clausus. Auffallend ist beim Aufnahmeverfahren für Psychologie auch die große Anzahl deutscher TeilnehmerInnen. Das gibt einigen österreichischen Studierenden zu denken: „Ich finde wirklich, dass eine Quotenregelung hergehört. Es ist schon etwas komisch, dass so viele Deutsche an der österreichischen Psychologie  sitzen“, sagt Elke, die zwar gerade in Bayern wohnt,  aber ursprünglich aus Salzburg kommt: „Klar kann ich es bei deren Numerus Clausus nachvollziehen, aber Österreich kann doch nicht wirklich unzählige Millionen für Studierende ausgeben, die dann wieder in ihre Heimat zurückgehen“, meint sie weiter: „Es ist eine Regelung notwendig. Und das ganz dringend.“ Das sieht Hannah genauso: „Grundsätzlich sollte man die Möglichkeit haben, sich im Ausland fortzubilden. Aber unterschiedliche Regelungen in Europa führen zu unausgewogenen Verhältnissen. Hier kann nur  eine europaweite Regelung der Studienzulassung  helfen“, sagt sie. Jonas ist nun einer der deutschen  Psychologie-Studierenden in Wien. Er ist gegen eine Quotenregelung: „Es gibt auch viele ÖsterreicherInnen auf deutschen Unis. Da gibt es auch keine Quote“, sagt er: „Ich fände das auch irgendwie diskriminierend.“

Aus Sicht der Universität Wien hat eine mögliche Quotenregelung zugunsten österreichischer Studierender momentan keine hohe Dringlichkeit. Außerdem fühlt sich die Universität dafür auch nicht zuständig. „Diese Frage zu entscheiden liegt nicht in der Autonomie der Universität“, sagt Cornelia Blum.  „Es gibt derzeit eine Regelung in der Medizin, die in Abstimmung zwischen österreichischem und europäischem Gesetzgeber festgelegt ist. Eine Initiative  müsste daher vom österreichischen Gesetzgeber ausgehen und wäre in Abstimmung mit der EU festzulegen“,  erklärt sie weiter.  Beim Psychologie-Aufnahmeverfahren besteht sicher ein Bedarf an Verbesserungen. Sowohl der von Jahr  zu Jahr stark variierende Methodik-Teil als auch die fehlende Transparenz der Prüfung werfen kein gutes Licht auf das Aufnahmeverfahren. Auch im Hinblick auf eine mögliche ÖsterreicherInnen-Quote könnte  sich in den nächsten Jahren wohl noch einiges ändern. Derzeit scheinen allerdings keine entsprechenden  Maßnahmen geplant zu sein. Wer es dieses Jahr geschafft hat, muss sich damit jedenfalls nicht mehr auseinandersetzen. Während Jonas und Hannah sich schon auf ihr Studium an der Universität Wien  freuen, wird Elke es wieder versuchen. „Ich werde vermutlich nächstes Jahr noch einmal in der Prüfung sitzen – hoffentlich mit größerem Erfolg“, sagt sie  zuversichtlich.

Verena Ehrnberger ist Juristin und studiert Vergleichende Literatur an der Universität Wien.

 

 

 

        

 

Alles neu im Lehramt?

  • 21.03.2014, 12:33

Rund vier Stunden mehr pro Woche in der Klasse, weniger Geld, Berufseinstieg schon nach dem Bachelor – die Regierung hält das neue LehrerInnendienstrecht für einen Geniestreich, die Gewerkschaft ist sauer. Passend dazu wird auch die Ausbildung für angehende LehrerInnen komplett neu konzipiert. Was bedeutet das alles konkret für Lehramtsstudierende?

Rund vier Stunden mehr pro Woche in der Klasse, weniger Geld, Berufseinstieg schon nach dem Bachelor – die Regierung hält das neue LehrerInnendienstrecht für einen Geniestreich, die Gewerkschaft ist sauer. Passend dazu wird auch die Ausbildung für angehende LehrerInnen komplett neu konzipiert. Was bedeutet das alles konkret für Lehramtsstudierende?

Demonstrationen, ein scheinbar unendlicher Koalitionskrieg zwischen SPÖ und ÖVP, innerparteiliche Flügelkämpfe und ein zähes Ringen zwischen Gewerkschaft und Regierung prägten die insgesamt über ein Jahrzehnt dauernden Verhandlungen über das neue LehrerInnendienstrecht. Am 17. Dezember des vergangenen Jahres wurde das Gesetz dann im Parlament beschlossen. Ab dem Schuljahr 2019/20 tritt es voll in Kraft – bis dahin können neu in den Dienst eintretende LehrerInnen zwischen dem neuen und dem alten Dienstrecht wählen. Das neue Modell betrifft in erster Linie das Gehalt der LehrerInnen: Statt zweijährigen Gehaltssprüngen gibt es nun nur noch sieben Gehaltsstufen. Außerdem werden erstmals alle LehrerInnen gleich bezahlt, egal an welchem Schultyp sie unterrichten. Das Einstiegsgehalt der AHS- und BHS-LehrerInnen steigt dabei um rund 200 Euro, das der Volks-, Haupt- oder SonderschullehrerInnen um rund 400 Euro. In Bezug auf die Anzahl der Unterrichtsstunden bringt das neue Dienstrecht mit sich, dass LehrerInnen zwei bis vier Stunden pro Woche länger in der Klasse stehen müssen. Eine Zulage von bis zu 679 Euro pro Monat gibt es in allen Schultypen für Fächer, die mit einem höheren Vor- oder Nachbereitungsaufwand verbunden sind. Auch für Leitungs- oder Beratungsfunktionen sind zusätzliche Vergütungen vorgesehen.

Mehr Arbeit für weniger Geld. Kritik an dem neuen Dienstrecht übt unter anderem die Initiative für ein faires Dienstrecht für LehrerInnen (IFDL), eine unabhängige und überparteiliche Gruppe von JunglehrerInnen sowie LehramtsstudentInnen. Sie hat sich über soziale Netzwerke organisiert und tritt vehement gegen das neue Dienstrecht auf. Der IFDL ist vor allem die Ausweitung der Lehrverpflichtung ein Dorn im Auge: Sie würde sich vor allem in den Sprachfächern, aufgrund der hohen Vor- und Nachbereitungszeit potenzieren, so das Argument. PH-Studentin Anna Rauch schließt sich dieser Kritik an: „Vier Stunden mehr aktiv zu unterrichten, das fällt ins Gewicht. Da bleibt auf jeden Fall weniger Zeit für Vor- und Nachbereitung.“ Auch die individuelle Betreuung der SchülerInnen würde darunter leiden. Außerdem entsteht durch die erhöhte Arbeitszeit und die geringere Bezahlung auf lange Sicht eine erhebliche Gehaltseinbuße.

Des Weiteren bemängelt die IFDL, dass bei der Kalkulation der Arbeitszeit von LehrerInnen nur die reine Unterrichtszeit miteinbezogen wird. Auch Vor- und Nachbereitung, Gangaufsichten, Gespräche, Vertretungsstunden, Organisationsarbeit, Konferenzen, Fortbildungen (welche nunmehr außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden müssen) etc. müssten berücksichtigt werden. Kritisiert wird auch die neue Regelung, dass LehrerInnen in Fächern eingesetzt werden können, für die sie nicht ausgebildet sind. Darf man als DeutschlehrerIn also künftig Physik unterrichten? Das Unterrichtsministerium erklärte in einem Telefonat: „Nein! Hier wurde die Bestimmung vom alten Gesetz übernommen. Dass LehrerInnen vermehrt fachfremd eingesetzt werden sollen, ist ein Gerücht, das sich hartnäckig hält.“ Wenn LehrerInnen länger als ein Semester ein Fach unterrichten sollen, für das sie nicht ausgebildet sind, bedarf dies laut dem neuen Dienstrecht ihrer Zustimmung, sonst kann das nur vorübergehend und „aus wichtigen dienstlichen Gründen“ passieren.

Anne-Sophie Zechmeister, die an der Uni Wien Lehramt Englisch und Deutsch studiert, fühlt sich durch die ständigen Änderungen zunehmend entmutigt: „Durch laufende Erneuerungen – neues LehrerInnendienstrecht, Zentralmatura, Bildungsstandards etc. – fühlt man sich als angehende/r JunglehrerIn doch etwas überfordert. Von Transparenz ist keine Spur. Es scheinen sich jede Menge Herausforderungen anzuhäufen, die man nach dem Studium bewältigen soll.“

Die Vorsitzende der neuen Studienprogrammleitung Lehrer/innenbildung, Universitätsprofessorin Barbara Schneider-Taylor, sieht ebenfalls noch viel Klärungsund Aufklärungsbedarf, was das neue Dienstrecht angeht: „Ich sehe mich selbst dafür verantwortlich, dass die Studierenden der Universität Wien noch mehr als bisher auf diese Problematik aufmerksam gemacht werden.“ Sie will die Studierenden aber auch anregen, sich selbst im Zuge ihrer Ausbildung stärker mit der Thematik zu befassen: „Studierende des Lehramts müssen, ebenso wie andere Studierende, während ihres Studiums ein Bewusstsein entwickeln, in welchem rechtlichen Raum sie sich künftig bewegen werden.“

Bologna-System und mehr Pädagogik. Nicht nur das Dienstrecht, auch die LehrerInnenausbildung wird sich verändern. Glaubt man dem Ministerium, soll mit der Pädagog/innenbildung NEU die Qualität der Ausbildung gesteigert werden. Mit dem Studienjahr 2014/15 müssen alle Lehramtsstudien an der Uni Wien vom Diplomstudium auf das Bachelor-Master-System umgestellt werden. Dadurch sollen die Lehramtsausbildungen vereinheitlicht werden. Unabhängig vom Schultyp müssen alle LehramtsstudentInnen an Uni und PH dann ein vierjähriges Bachelorstudium absolvieren. Danach ist, eventuell berufsbegleitend, ein ein- bis eineinhalbjähriges Masterstudium anzuhängen, das für eine Fixanstellung nötig ist. Vorgesehen ist dabei eine stärkere Kooperation der PHs mit den Universitäten. „Die Idee ist, dass PH und Unis keine Konkurrenten mehr sind“, heißt es aus dem Ministerium. Die Zusammenarbeit soll auch im Bereich der Weiterbildung intensiviert werden. Hehres Ziel des Ministeriums ist eine stärkere Durchlässigkeit zwischen Unis und Pädagogischen Hochschulen, sie sollen gleichwertig werden, Ministerium und Gewerkschaften wollen die Pädagogischen Hochschulen „akademisieren“: Ab 2029 sollen nur noch Master-AbsolventInnen in den Klassen stehen. Für künftige PflichtschullehrerInnen dauert die Ausbildung somit fast doppelt so lange wie bisher.

Auf das Studium folgt, anstatt des bisherigen Unterrichtspraktikums, eine ein- bis zweijährige Berufseinführungsphase bei bereits bestehendem Dienstverhältnis. In dieser Zeit werden die jungen LehrerInnen von speziell ausgebildeten MentorInnen begleitet. Außerdem kann währenddessen das Masterstudium absolviert werden. Lisa Strasser, seit zwei Jahren Volksschullehrerin in Wien, ist skeptisch: „Mir fehlt jetzt schon die Zeit, um mich mehr vorzubereiten. Bei einem zusätzlichen Master leidet die Qualität hundertprozentig.“ Auch Maria Wörister, die an der Uni Wien Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert, ist davon überzeugt, dass die Qualität des Unterrichts durch die neue Ausbildung eher sinkt als steigt: „Die Erhöhung der Arbeitszeit bringt mit Sicherheit Verschlechterungen im Betreuungsverhältnis mit sich.“

Aufnahmeverfahren. Ab nächstem Wintersemester gibt es laut dem neuen Universitätsgesetz auch für das universitäre Lehramtsstudium ein Aufnahmeverfahren. Bisher war das nur an den Pädagogischen Hochschulen der Fall. Für das Wintersemester 2014/15 ist an der Uni Wien ein dreistufiges Prozedere vorgesehen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Selektion. Alle, die das ganze Verfahren durchlaufen, bekommen einen Studienplatz. Zuerst findet ein Online-Assessment statt, in dem die persönlichen Erwartungen und Interessen geklärt werden können, der Informationsstand zum Lehramt vertieft wird und die AnwärterInnen sich anhand psychologischer Tests mit ihrer persönlichen Eignung auseinandersetzen. Weiters wird es am 1. September einen schriftlichen Test über logisch schlussfolgerndes Denken, verbale und analytische Grundkompetenzen sowie Wissen über eine Sammlung einführender bildungswissenschaftlicher Texte geben. Alle BewerberInnen, die 30 Prozent der Punkte erreichen, werden automatisch zugelassen, die anderen werden zu einem Informations- und Beratungsgespräch eingeladen und erhalten eine Analyse ihrer Testergebnisse und Empfehlungen zum Studieneinstieg. Laut einem Newsletter des Rektorats der Uni Wien erwartet man sich davon, „dass die strukturierte Auseinandersetzung mit dem Studienwunsch und dem Berufsbild LehrerIn zu einer fundierten Studienwahl und einem besseren Studieneinstieg führt“. Das Vorsitzteam der ÖHBundesvertretung sieht das anders: „Die geplanten Aufnahmeprüfungen für alle PädagogInnen lehnen wir aufs Schärfste ab. Aufnahmeverfahren hindern vor allem finanziell schlechter gestellte Studierende am Studium. Die Universität Innsbruck plant sogar, rechtswidrige Gebühren für den Aufnahmetest zu verlangen. Zudem ist die Überprüfung der scheinbaren Eignung bereits vor Antritt des Studiums mehr als fragwürdig.“ Wie andere Universitäten das Aufnahmeverfahren im Detail gestalten wollen, ist noch nicht bekannt.

An den Studienplänen für das Lehramt NEU bastelt das Ministerium noch. Bis zum Wintersemester 2015/16 sollen sie fertig sein. Fachdidaktik, pädagogische Inhalte und Wahlfächer sollen ausgebaut werden, ebenso sollen mehr Praxisstunden an Schulen absolviert werden. Außerdem sind im Lehramt NEU Zeitfenster vorgesehen, die LehramtsstudentInnen anregen sollen, ins Ausland zu gehen und Erfahrungen für den Umgang mit immer multikulturelleren Klassen zu sammeln.

Lehramt neu denken. Eine Änderung des Curriculums wird von den Lehramtsstudierenden aber durchwegs positiv aufgenommen: „Pädagogik sollte viel praxisbezogener sein. Wie man mit SchülerInnen im Unterricht umgeht, muss viel ausführlicher besprochen werden. Und nicht zuletzt müsste man als StudentIn viel öfter und früher Unterrichtsstunden halten, um herauszufinden, ob der Beruf überhaupt für einen geeignet ist“, sagt Ulli Grill, die in Wien Mathematik und Darstellende Geometrie auf Lehramt studiert. Auch die PH-Studentin Julia Schmidt stimmt dem zu: „Das Wichtigste ist die Praxis. Davon haben wir auf der PH schon viel, aber es kann ruhig noch mehr sein. Vor allem in der AHS fehlt die Praxis.“ In ihrem bildungspolitischen Positionspapier Forum Hochschule sieht die ÖH-Bundesvertretung es als künftige Herausforderung der LehrerInnenausbildungen, die Stärken der praxisbezogenen PH- und der fachlich-wissenschaftlichen Uni-Ausbildung in einem gemeinsamen System zu vereinen.

Simon Weinberger ist Lehramtsstudent an der KFU Graz für die Fächer Physik und Geographie und kritisiert vor allem die inadäquate Behandlung der LehramtsstudentInnen an den Universitäten: „Oft sind die Lehrveranstaltungen für LehramtsstudentInnen nicht an ihren späteren Berufsweg angepasst. Aufgrund von Sparmaßnahmen haben wir oft die selben Lehrveranstaltungen wie jene Studierenden, die das Fach nicht auf Lehramt studieren. Das ist nicht förderlich.“

Während die Kritik am Dienstrecht überwiegt und sich kaum zustimmende Positionen unter den angehenden LehrerInnen finden, wird die neue Ausbildung differenzierter beurteilt: Moritz Deininger, der an der KFU Graz Englisch und Geschichte auf Lehramt studiert und sich auch in der Studienvertretung engagiert, spricht abschließend noch einen wichtigen Punkt an: das allgegenwärtige LehrerInnen-Bashing. „Was mich besonders nervt, ist der Reflex mich bereits jetzt für meinen zukünftigen Beruf rechtfertigen zu müssen. Die dienstrechtliche Debatte, zusammen mit der fragwürdigen Berichterstattung, hat da viel böses Blut gemacht und ich finde es unfair, dass wir angehenden Lehrenden das nun ausbaden können!“

 

Fragen und Antworten zum neuen Dienstrecht: http://bit.ly/1dSgbcu

Blog der Initiative für ein faires Dienstrecht für LehrerInnen: http://ifld-blog.at

 

Lisa Breit studiert Publizistik, Margot Landl Lehramt Deutsch und Geschichte sowie Politikwissenschaften an der Universität Wien.

Zurückbleiben bitte!

  • 12.06.2013, 10:32

In Österreich erreichen nur fünf Prozent jener Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss aufweisen, einen Hochschulabschluss. Claudia Aurednik hat mit dem Bildungssoziologen Ingolf Erler über die Probleme von Studierenden und AkademikerInnen aus der sogenannten „Workingclass“ sowie über die Fallstricke des österreichischen Bildungssystems gesprochen.

In Österreich erreichen nur fünf Prozent jener Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss aufweisen, einen Hochschulabschluss. Claudia Aurednik hat mit dem Bildungssoziologen Ingolf Erler über die Probleme von Studierenden und AkademikerInnen aus der sogenannten „Workingclass“ sowie über die Fallstricke des österreichischen Bildungssystems gesprochen.

Ausschnitt aus dem Interview:

„Folgende Parameter sind für die Bildungslaufbahn entscheidend: der Geburtsort, der schulische Abschluss der Eltern und des sozialen Umfeldes, das Wohnviertel, die Lage der nächsten Schule, das Geschlecht des Kindes, das Einkommen der Eltern usw. Wenn man die Parameter weiß, so kann man relativ gut einschätzen wo das Kind einmal später landen wird. […]

Natürlich ist es ein Unterschied, ob man seine ganze Kindheit über AkademikerInnen am Sonntagstisch beim Essen gehabt hat, oder ob man AkademikerInnen nur als ÄrztInnen, ApothekerInnen und Lehrer in der Schule kennt. Kinder aus AkademikerInnenfamilien haben da einen ganz anderen Bezug. Sie merken, dass AkademikerInnen keine natürlichen Autoritäten sind, sondern Menschen mit denen man ganz normal reden kann. In Studien zeigt sich, dass gerade bei mündlichen Prüfungen dieser Unterschied ganz stark hervortritt. Denn bei in der Prüfungssituation ist die Inszenierung besonders wichtig. Zudem lassen sich Menschen aus unterprivilegierten Familien viel leichter einschüchtern und suchen die Fehler vor allem bei sich selbst. Auch die Autorität der Lehrenden wird von ihnen kaum hinterfragt. […]

Der universitätere Habitus wirkt auf „Workingclass Students" oft einschüchternd. Foto: Wolfgang Bankowski

Das Bildungssystem wird über Steuern finanziert und das ist auch sinnvoll. […] Aber da das Bildungssystem über Steuern finanziert wird, müssen die Universitäten und die höheren Schulen darauf achten, dass sie die öffentlichen Ausgaben auch wieder an die Gesellschaft zurückgeben. Eine der Grundvoraussetzungen dafür ist, dass sie halbwegs sozial und gleichberechtigt Leute aufnehmen und auch gleichberechtigt ihr Wissen an die Gesellschaft zurückgeben. Und das nicht nur einmal im Jahr bei einer ‚Langen nach der Forschung‘, sondern das ganze Jahr über. Das würde bedeuten, dass sich die Universitäten öffnen müssten, was wiederum dem Bild der Universität als elitäre Einrichtung widerspricht [...] Aber wenn Forschung und Lehre nur an wenige Gruppen in der Gesellschaft weitergegeben werden, dann darf man sich nicht wundern, dass die ÖsterreicherInnen so intellektuellen- und wissenschaftsfeindlich sind."

 

Ingolf Erler (Hg.): Keine Chance für Lisa Simpson? Soziale Ungleichheit im Bildungssystem. Wien: Mandelbaum Verlag 2007.

Ingolf Erler: http://www.ingolferler.net/

"Ich hätte gerne Zugangsregeln gehabt"

  • 09.05.2013, 14:26

Im zweiten Teil der progress-SpitzenkandidatInnendiskussion mit Florian Lerchbammer (AG), Anna Lena Bankel (FEST), Florian Kraushofer (FLÖ), Marie Fleischhacker (GRAS), Claudia Gamon (JuLis) und Julia Freidl (VSStÖ) werden Positionen zu Zugangsbeschränkungen, Studienorientierung und Frauenförderung abgeklopft. Oona Kroisleitner und Georg Sattelberger moderierten die Runde.

Im zweiten Teil der progress-SpitzenkandidatInnendiskussion mit Florian Lerchbammer (AG), Anna Lena Bankel (FEST), Florian Kraushofer (FLÖ), Marie Fleischhacker (GRAS), Claudia Gamon (JuLis) und Julia Freidl (VSStÖ) werden Positionen zu Zugangsbeschränkungen, Studienorientierung und Frauenförderung abgeklopft. Oona Kroisleitner und Georg Sattelberger moderierten die Runde.

pogress: Gerade wurden in fünf neuen Fächergruppen Zugangsregelungen eingeführt. Die derzeitigen Exekutiv-Fraktionen (bestehend aus FLÖ, VSStÖ, GRAS und FEST, Anmk.) treten gegen sämtliche Zugangsbeschränkungen auf, JuLis und AG sehen das anders…

Lerchbammer: Wir sind für faire und transparente Zugangsregeln, dort wo es mehr Bewerber als Kapazitäten gibt. Es ist eine Frage der Grundehrlichkeit, wenn man jemanden auf die Uni lässt, dass man ihn auch in den Hörsaal lässt. Das heißt, wenn man sich irgendwo inskribiert, muss auch ein Studienplatz garantiert sein, damit man in Mindeststudienzeit studieren kann und nicht bei Prüfungsanmeldungen zittern muss. Über faire und transparente Zugangsregeln kann das sichergestellt werden. Knock-Out Prüfungen werden somit obsolet, weil eine Studieneingangs- und Orientierungsphase dann auch wirklich zu einer solchen wird. Damit kann man sich wieder aufs Studieren konzentrieren.

Freidl: Die Frage ist, wer kann sich aufs Studieren konzentrieren, wer ist dann überhaupt noch auf der Hochschule? Man hat das bei der Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium gesehen. Vor der Einführung dieses Tests war die Quote von Studierenden aus finanziell schlechter gestellten Schichten schon schlecht, bei etwa 16 Prozent. Nachdem die Aufnahmeprüfungen gekommen sind, lag sie nur mehr bei 8 Prozent.

progress: Was ist dann die Alternative?

Freidl: Wir setzen bei einer wirklichen Orientierungsphase an. Dabei muss schon bei der Information an den Schulen angesetzt werden. Andererseits wollen wir, dass Studierende sich im ersten Semester an drei verschiedenen Hochschulen verschiedene Studienrichtungen ansehen können.  Durch so eine Orientierungsphase kann man Studierendenströme viel studierendengerechter steuern als durch Zugangsbeschränkungen.

Lerchbammer: Bei einer Orientierungsphase sind wir auf jeden Fall dabei und wir fordern einen Ausbau der Studienplätze. Auf der anderen Seite brauchen wir aber Zugangsregeln dort, wo es mehr Bewerber als Kapazitäten gibt. Aktuell fallen jene Leute aus dem System, die nicht den finanziellen Atem haben über die Mindestzeit hinaus zu studieren. Ein Drittel ist mit Kapazitätsproblemen konfrontiert und wenn man mit 24 die Familienbeihilfe verliert und sich das Studium nicht mehr leisten kann, dann bleiben nur mehr diejenigen über, deren Eltern das dicke Geldbörsel haben. Was die soziale Durchmischung betrifft: Auf den Fachhochschulen ist die Durchmischung besser und da gibt es Zugangsregeln.

Bankel: Die soziale Durchmischung an Fachhochschulen ist aber auch deshalb besser, weil man dort zum Beispiel berufsbegleitend studieren kann. Das hat nichts mit Zugangsbeschränkungen zu tun, sondern mit einem klaren Bekenntnis des Staats zur Bildung.

Freidl: Bei der Psychologie gibt es auch Aufnahmeprüfungen und die Studierenden sitzen trotzdem am Boden. Das heißt, durch Zugangsbeschränkungen wirst du das Kapazitätsproblem nicht lösen können.

Lerchbammer: Mit einer echten Studienplatzfinanzierung schon.

Bankel: Und wer soll über diese Kapazitäten entscheiden?

Lerchbammer: Die Regierung entscheidet darüber. Wir können dann dort mehr Plätze fordern, wo es zu wenig gibt. Wenn du die bessere Vereinbarkeit von Studium und Beruf auf den Fachhochschulen ansprichst: Na bitte, dann machen wir das auch an den Unis.

Fleischhacker: Ja, aber dass es an den Unis Teilzeitstudien geben soll, bedingt nicht, dass es Zugangsbeschränkungen geben muss. Zugangsbeschränkungen sind eine ganz andere Geschichte. Was ist zum Beispiel, wenn man die Aufnahmeprüfung nicht schafft? Dann muss man ein Jahr warten, verliert die ganzen Beihilfen usw. Worum es gehen muss, ist eine sinnvolle Orientierung, wenn man an die Uni kommt, bei der man sich verschiedene Studienrichtungen anschauen kann. Natürlich soll jedeR einen Platz im Seminarraum bekommen, aber da sind Zugangsbeschränkungen nicht die Lösung. Das ist nur Symptombekämpfung.

Lerchbammer: Da lassen GRAS, VSStÖ, FEST und FLÖ mich als Student am Boden sitzen. Ich verliere die Zeit nicht, weil ich nicht auf die Uni komme, sondern weil ich auf der Uni nicht in den Hörsaal komme. 52 Prozent schätzen ihre Studienzeit so ein, dass sie aus der Regelzeit hinausfallen, die Mindeststudienzeit ist aktuell eine Illusion, die für viele nicht erreichbar ist. An Fachhochschulen wird die Zustimmung zum Studium mit sehr gut bewertet, das ist etwas, wovon wir auf den Universitäten nur träumen können.

Kraushofer: Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Systeme. Das Problem ist doch eigentlich, dass die Universitäten immer gerade so viel Geld bekommen, dass sie überleben können. Wenn du dieser Problematik mit Hilfe der für das Ministerium sehr angenehmen und einfachen Lösung „Zugangsbeschränkungen“ ausweichst, erreichst du, dass das eigentliche Problem der Unterfinanzierung langfristig nicht mehr diskutiert wird. Wir bleiben dann auf den Zugangsbeschränkungen sitzen, die sich über die Jahre wahrscheinlich noch verschärfen werden. Und die AkademikerInnenquote wird weiter sinken.

Lerchbammer: Ich hätte gerne Zugangsregeln gehabt. 65 Prozent geben an, dass eine STEOP in dieser Form, die für Knock-Out-Prüfungen missbraucht wird, zum Studienabbruch führt. Was hilft es, wenn wir darauf hoffen, dass sich in zehn Jahren etwas verbessert. Ich sitze jetzt am Boden, ich weiß nicht, wann ich mit meinem Studium fertig werden kann.

Fleischhacker: Ja, aber du sagst selbst, dass es jetzt schon Nock-Out-Prüfungen gibt. Und die sind Teil von Zugangsbeschränkungen. Das macht das System ja nicht besser.

Freidl: Flo, du kannst doch nicht irgendwelche Zahlen aneinander reihen und meinen, dass sie deswegen einen kausalen Zusammenhang haben. Wir wissen, dass es zu wenig Kapazitäten gibt, aber das werden wir nicht durch Zugangsbeschränkungen lösen können. Unzählige Beispiele zeigen, dass das nicht der Fall ist.

Lerchbammer: Du wirst mich nicht vom Boden wegbekommen, indem du Luftschlössern hinterherjagst.

Freidl: Ich jage keinem Luftschloss hinterher. Aber dem Wissenschaftsminister die Forderungen von den Lippen abzulesen, anstatt selber etwas zu fordern, was den Studierenden hilft, ist auch nicht die Lösung. Dass viele Studierende ihr Studium abbrechen, hat vor allem den Grund, dass sie finanziell schlecht abgesichert sind. 60 Prozent der Studierenden müssen nebenbei arbeiten, 11 Prozent sogar über 35 Stunden in der Woche. Das ist ein viel größeres Problem.

Lerchbammer: Wie willst du mich in mein Seminar hineinsetzen?

Bankel: Ich würde gern weg von diesem scheinbaren Zusammenhang von Kapazitäten und Zugangsbeschränkungen. Es gibt keine transparenten oder fairen Zugangsbeschränkungen. Ich habe bisher vier verschiedene Zulassungsprüfungen bestanden und kann aus dieser Erfahrung sagen, das Kriterium hätte genau so gut sein können, dass diejenigen mit grünen Augen aufgenommen werden. Eine Prüfung ist auch immer nur eine Momentaufnahme deines Zustands an einem bestimmten Tag.

Gamon: Ich bin derzeit in einem zugangsbeschränkten Master. Die Studierenden sind in Österreich aber mitunter auch falsch verteilt. Unglaublich viele beginnen z.B. ein BWL-Studium oder ein anderes Massenfach, für das sie sich eigentlich nicht interessieren und wechseln dann nach zwei drei Semestern. Dadurch haben sie aber, grob gesagt, anderen Studenten, die sich vielleicht wirklich dafür interessieren, ihren Platz weggenommen. Ich glaube, einem erwachsenen Menschen kann man abverlangen, dass er sich mit dem Angebot beschäftigt. Die Leute können immerhin auch schon wählen. Dann kann man auch verlangen, dass er sich auf Zugangsbeschränkungen vorbereitet. Die fehlende soziale Mischung hat noch andere Gründe.

progress: Welche Gründe sprichst du an?

Gamon: Dass sich Menschen bereits mit zehn Jahren für eine Bildungslaufbahn entscheiden müssen, ist hier meiner Meinung nach das größte Problem.

Freidl: Natürlich muss man beim Schulsystem ansetzen und natürlich soll es genug Zeit geben, um schauen zu können, welches Studium zu einem passt. Genau deswegen wollen wir bei einer Orientierungsphase ansetzen. Ich bin auch in einem zugangsbeschränkten Master auf der WU und in den ersten Lehrveranstaltungen haben sie uns bereits gesagt: Wenn wir nebenbei arbeiten müssen, wird das nicht funtktionieren. Wenn man dann noch dazu den Universitäten die Autonomie dazu gibt – also ich will nicht, dass Rektor Badelt alleine entscheidet, wie Zugangsbeschränkungen aussehen sollen.

Gamon: Bei meinem Master hatte ich das Gefühl, dass es ein relativ faires Verfahren war. Man hat sich die Lebensläufe angeschaut, es hat Interviews gegeben, das war alles sehr ausgewogen.

Fleischhacker: Da sind wir doch genau wieder bei dem, was Anna Lena vorhin schon angeschnitten hat: In welcher Tagesverfassung bin ich gerade oder wie passt der Prüfungsmodus zu meinen Typ? Das ist nicht fair. Es gibt Leute, die in einem Prüfungsmodus besser sind oder eben im anderen. Worum es geht, und das hast du eh auch schon angeschnitten, ist Orientierung und eine gescheite Überleitung von der Schule auf die Hochschule.

Kraushofer: Ich würde gerne noch auf den Aspekt eingehen, dass es zumutbar sein muss, dass Leute sich damit beschäftigen, was sie machen wollen und das würden sie tun, wenn es ein Aufnahmeverfahren gibt. Jetzt nehmen wir an, dass alle, die zu einem Aufnahmeverfahren kommen, sich bereits damit auseinandergesetzt und sich entschieden haben. Dann muss aber immer noch selektiert werden. Damit habe ich dann ein Problem. Ich stimme Claudia aber zu, dass sich Leute müssen damit auseinandersetzen müssen, was sie studieren wollen und da tut die ÖH auch gerade sehr viel.

progress: In beinahe allen Wahlprogrammen findet sich die Forderung nach Frauenförderung. Wie soll diese aus eurer Sicht aussehen und wie unterscheidet ihr euch diesbezüglich?

Freidl: Ein wichtiger Punkt sind für uns Praktika: Es sind vor allem Frauen, die niedriger bezahlt und oft nicht ihren Qualifikationen gemäß beschäftigt werden. Zweitens ist uns die Förderung von Frauen in technischen Berufen ein Anliegen: An der TU ist der Frauenanteil extrem gering. Hier muss schon in der Schule angesetzt werden, es benötigt aber auch Mentoring-Programme in den jeweiligen Studien – explizit für Frauen. Außerdem fordern wir die Offenlegung der Gehälter an den Universitäten. Frauen werden noch immer schlechter bezahlt als Männer. Das hört auch nicht an den Eingängen der Hochschulen auf. Frauen sollen durch die Offenlegung eine bessere Grundlage haben, um höhere Gehälter zu fordern und gleichzeitig wird Ungleichgewicht sichtbar gemacht.

Lerchbammer: Bei uns ist es leichter: Geschlecht soll in keinem Fall eine Rolle spielen, weder bei der Bezahlung noch sonstwo. Es muss die Leistung im Vordergrund stehen. Leistung ist ein faires Auswahlkriterium. Kein Geschlecht soll schlechter gestellt werden, es soll um die Person gehen. Deswegen lehnen wir auch jegliche Quotenregelungen ab: Sie diskriminieren immer das andere Geschlecht und sie widersprechen fairen Auswahlverfahren. Für uns als AG müssen Leistung und Person im Vordergrund stehen.

Fleischhacker: In unserer Gesellschaft spielt Geschlecht aber eine Rolle.

Lerchbammer: Deswegen muss ich bei den Rahmenbedingungen ansetzten, damit das keine Rolle spielen kann.

Bankel: Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, dass das Geschlecht eine Rolle spielt. Es ist einfach die Realität, dass Frauen diskriminiert werden, wenn es beispielsweise um Jobs oder Gehälter geht.

Lerchbammer: Wo wirst du auf der Uni diskriminiert? Männer sind beispielsweise beim letzten EMS-Test diskriminiert worden.

Bankel: Ich wurde gegenüber meinen männlichen Mitstudenten die ganze Zeit diskriminiert. Zum Beispiel wurden nur Männer bei den Professoren in Ateliers aufgenommen. Sie haben nie eine Frau als Praktikantin beschäftigt. Auch hinter einer Quotenregelung stehen wir. Dafür sprechen wir uns aus, auch beim EMS-Test. Wenn es um uns selbst, innerhalb unserer Fraktion geht, ebenso. Die FEST hat einen starken Männerüberhang, weshalb bei uns speziell Frauen gefördert werden.

Gamon: Als Liberale bin ich gegen Quoten und ich pflichte Florian auch bei, dass die Leistung im Vordergrund stehen soll. Wir gehen hier aber von der österreichischen Realität aus und da geht es oft nicht um Leistung sondern um Netzwerke und Beziehungen. Gerade an der WU haben wir kaum Frauen in der Forschung und kaum Professorinnen. Wenige gehen den Weg der Forschung, weil sie nicht gefördert werden. Dabei würde die Uni letztendlich davon profitieren. Ich bin dafür, dass man Frauen aktiv fördert, weil sie aus verschiedenen Gründen nicht in die Forschung gehen: weil sie sich diskriminiert fühlen, weil sie es auch werden und weil sie nicht dazu aufgefordert werden. Wenn man anerkennt, dass viele Frauen in der Forschung und Lehre für eine Uni wichtig sind, muss man das fördern. Wir wurden lange diskriminiert und es gibt noch keine echte Gleichberechtigung in Österreich.

Lerchbammer: Förderprogramme sind gut und richtig. Da sind wir auch dabei, aber für beide Geschlechter und vor allem für Talente.

Fleischhacker: Man hat selbst im Jahr 2013 keine Gleichstellung. Frauen werden auf vielen Ebenen diskriminiert. Gerade wenn man sich ansieht, wie viele Studienanfängerinnen es gibt und wie die Zahl sich dann nach oben hin ausdünnt. Wir haben fünf Rektorinnen in Österreich, aber es gibt sicher nicht nur fünf fähige Frauen, sondern unglaublich viele Hindernisse, die Frauen davon abhalten in solche Positionen zu kommen. Die Quote ist dazu da, dass bei gleicher Leistung die Frau bevorzugt wird. Die Quote ist auch nur so einzusetzen bis man zu einer Gleichstellung kommt – also bis man bei 50 zu 50 Prozent steht.

Freidl: Es gibt jetzt schon inoffizielle 80 bis 90prozentige Männerquoten …

Kraushofer: …etwa unter den ProfessorInnen an der TU Wien. So sieht’s eben in der Realität aus. Wir können das Problem nicht einfach wegreden oder verleugnen. Es gibt ein Problem und es geht uns etwas an. Ich finde, dass sich die ÖH damit beschäftigen kann. Ich finde es polemisch zu sagen, es müssen alle gleich behandelt werden, ohne sich die Frage zu stellen, warum ist es so, dass eben nicht alle gleichberechtigt sind.

Lerchbammer: Dann sollten aber die Hindernisse abgebaut werden. Das heißt aber auch keine Hindernisse für Männer aufzubauen.

Bankel: Als Mann siehst du es dann vielleicht so, dass du diskriminiert wirst, aber es ist eine Art Umverteilung von Machtverhältnissen. Genauso wie Leute, die mehr verdienen auch höhere Steuern zahlen müssen, müssen auch Männer Abstriche machen.

Gegen Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren

  • 04.01.2013, 14:46

Am 5. Dezember 2012 fand in Wien die Demonstration gegen Zugangsbeschränkungen und gegen Studiengebühren statt. Die Demonstrantinnen und Demonstranten protestierten gegen die von SPÖ und ÖVP geplanten Zugangsbeschränkungen. Claudia Aurednik interviewte Protestierende.

Am 5. Dezember 2012 fand in Wien die Demonstration gegen Zugangsbeschränkungen und gegen Studiengebühren statt. Die Demonstrantinnen und Demonstranten protestierten gegen die von SPÖ und ÖVP geplanten Zugangsbeschränkungen. Claudia Aurednik interviewte Protestierende.

Angst und Bange

  • 09.11.2012, 17:43

Der Hochschulzugang war in Österreich noch nie frei. Die Bundesregierung hat beschlossen, die Barrieren auszubauen.

Der Hochschulzugang war in Österreich noch nie frei. Die Bundesregierung hat beschlossen, die Barrieren auszubauen.

Architektur, Biologie, Informatik, Pharmazie und Wirtschaftswissenschaften: Nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP sollen diese fünf Studienfächer in Zukunft beschränkt werden – also nur nach erfolgreich bestandenem Aufnahmetest studiert werden können. Von Seiten der Bundesregierung hält man sich über die Bestätigung genannter Fächerauswahl zwar noch bedeckt, die Auswahl gilt jedoch als sehr wahrscheinlich.

More of the same. Seit Monaten verhandeln SPÖ-
Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl und Wissenschaftsminister Karl-Heinz Töchterle (ÖVP) bereits über neue Zugangsbeschränkungen im Hochschulbereich. Diese läuten eine neue Zeit der Zugangsbeschränkungen jedoch nicht erst ein, sondern sind lediglich eine weitere Draufgabe zu den bisherigen Regelungen. Bereits 2011 wurde mit der verschärften Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) eine Zugangsbeschränkung eingezogen, die für viele auf den ersten Blick nicht als solche erkennbar war: Die neuen Bestimmungen sollten Studierenden offiziell lediglich zu mehr Orientierung und Klarheit bezüglich ihrer Studienwahl verhelfen. Die Umsetzung der neuen Orientierungsphase wurde den Universitäten weitgehend autonom überlassen, die gesetzlichen Bestimmungen hielten die Universitäten zum Beispiel nicht zwingend an, nur zwei Prüfungsantritte zu ermöglichen, mit denen sich viele StudienanfängerInnen aber konfrontiert sahen. Die verpflichtende STEOP wurde von vielen RektorInnen als willkommenes Instrument zum Rausprüfen von Studierenden aus Studienrichtungen mit nicht ausreichenden Kapazitäten verwendet. Besonders rigoros wurde die STEOP an der Uni Wien gehandhabt, die Durchfallsquoten waren enorm. Nur sieben Pharmazie-StudienanfängerInnen konnten beispielsweise die STEOP beim ersten Versuch positiv abschließen, bei einer Umfrage der ÖH Bundesvertretung unter knapp 2000 STEOP-Prüflingen gaben rund 80 Prozent an, die STEOP verursache verglichen mit ihrem Nutzen zu viel Druck, knapp 65 Prozent finden nicht, dass „die STEOP die im Gesetz genannten Ziele erreicht“. Auch nach den katastrophalen Erfahrungen mit der STEOP und der Einsicht von Wissenschaftsminister Töchterle, dass diese von den Universitäten „teilweise missbraucht“ werde, werden flächendeckene Zugangsbeschränkungen als Fortführung der STEOP verhandelt.

Doch auch vor der Einführung der STEOP gab es keinen freien Hochschulzugang in Österreich. An vielen Hochschulen wie Fachhochschulen oder den Pädagogischen Hochschulen, Kunstuniversitäten sowie einzelnen Studienrichtungen an den wissenschaftlichen Universtitäten gab und gibt es Aufnahmeprüfungen, die eineN für das jeweilige Studium erst berechtigen. Die Matura oder die Studienberechtigungsprüfung als Studiumsvoraussetzung reicht an vielen Hochschulen längst nicht mehr aus. Für viele StudienanfängerInnen heißt es nach der Matura gleich Weiterlernen für die erste Prüfung auf der Uni, noch bevor das Studium überhaupt begonnen hat. Teure Vorbereitungskurse und Insiderinfos werden für viele zum unbezahlbaren Vorteil, um das eigene Wunschstudium aufnehmen zu können. Carina Strasser, Studienanfängerin an der Uni Wien, holte sich bereits nach dem ersten Überfliegen der Prüfungslektüre für ihr Wunschstudium Psychologie in Wien Hilfe: „Ich habe mit anderen zusammen gelernt und zusätzlich einen Vorbereitungskurs besucht, der rund 200 Euro gekostet hat. Dafür ging mein Erspartes drauf.“ Doch nicht alle können sich den Luxus eines Vorbereitsungskurses leisten, auch wenn dieser oft notwendig ist, um die Prüfung zu bestehen. Der Konkurrenzdruck unter den Prüflingen war spürbar groß: „2000 AnwärterInnen, die mit mir um einen Studienplatz rangen, machten mir schon Angst und Bange.“

Diese Prozedur steht David Riegler, Absolvent eines BORG im ländlichen Oberösterreich, noch bevor. David kann sich einen Vorbereitungskurs nicht leisten: „Die sind sehr teuer. Ich könnte mir auch während des Studiums keine Nachhilfe oder kostenpflichtige Kurse leisten.“ Er bereitet sich so wie viele andere StudienanwärterInnen im Selbststudium vor. „Das ist natürlich auch mit Kosten verbunden.“

Wirklich geeignet? Auf die meisten StudienanfängerInnen übt die Tatsache, dass es für das jeweilige Wunschstudium Zugangsbeschränkungen gibt, einen großen Einfluss aus. Auch Carina und David haben sich ihre Studienwahl mehr als einmal überlegt, obwohl sie für Psychologie am meisten Interesse gezeigt haben: „Man muss sich absolut sicher sein, noch bevor das Studium überhaupt begonnen hat“, sagt David.

Besonders bei prestigeträchtigen Studienrichtungen wie Medizin wirken sich Beschränkungen fatal auf die sogenannte soziale Durchmischung aus: Vergleicht man den Anteil von ArbeiterInnenkindern im Medizinstudium mit dem ähnlich prestigeträchtigen Jusstudium, das ohne Aufnahmetest auskommt, muss man feststellen, dass sich die StudentInnenschaft in ersterm wesentlich elitärer zusammensetzt. Werden nun auch die Medizin-Ausweichstudien Biologie und Pharmazie beschränkt, wird sich dieser Trend verstärken.

Auch anerzogene Geschlechterrollenbilder werden durch Beschränkungen verstärkt: Während mehr Frauen Psychologie als Wunschstudium anstreben, streben zugangsbeschränkte technische Studienrichtungen unverhältnismäßig mehr Männer an. Die Wahrscheinlichkeit, ein Studienfach zu wählen, das außerhalb der rollenbilderbehafteten Normen liegt, wird durch Beschränkungen verringert. Diese Erkenntnisse gehen unter anderem aus dem Studierendensozialbericht 2011 hervor, der gerade vom Institut für höherere Studien (IHS) präsentiert wurde.

Im Kontrast dazu steht das Orientierungs- und Informationsangebot über die verschiedenen Studienrichtungen in den Schulen. Besonders außerhalb Wiens, im ländlichen Raum, ist es schwierig, nicht nur oberflächliche Informationen durch engagierte KlassenlehrerInnen zu bekommen. Carina hat es schließlich geschafft, sie darf nun ihren Bachelor in Psychologie machen: „Insgesamt hätte ich ohne Kurs den Test sehr wahrscheinlich nicht bestanden, da ich diese speziellen Fragen und Methoden nicht gekannt hätte. Es war ein großer Teil zum Lehrbuch, circa fünf Seiten Statistik-Fragen und ein vierseitiger Text zu englischer Fachliteratur, weit weg von Englisch auf Maturaniveau.“

StudienanfängerInnen als Management-Aufgabe. Sieht man von der sozialen Chancenungerechtigkeit bei Zugangsbeschränkungen ab, und versteht Hochschulen als Unternehmen, die sich ihre MitarbeiterInnen selbst aussuchen können, bliebe immer noch die Möglichkeit, durch Aufnahmetests die Geeignetsten der BewerberInnen herauszufiltern. Doch auch die birgen ihre Tücken: Barbara König hat nach ihrer Matura an einem niederösterreichischen Gymnasium die Aufnahmeprüfung für die FH Campus Wien geschafft. Neben einem mathematischen und allgemeinbildenen Prüfungsteil folgte ein personenbezogener Teil, der dazu dienen sollte, die StudienanfängerInnen besser kennenzulernen. „Dort wurden mir Fragen gestellt wie: Werden sie leicht aggresiv? Fühlen Sie sich in ihrem FreundInnenkreis wohl? Oder Mögen Sie sich selbst? Das finde ich dann doch zu persönlich.“

Nachlese:

Was heißt Gerechtigkeit?

Gesichter der STEOP

Reaktionäre Reaktionen

Was heißt Gerechtigkeit?

  • 09.11.2012, 17:02

Barbara Rothmüller hat im Auftrag der Akademie der bildenden Künste in Wien deren Zulassungsprüfung auf soziale Gerechtigkeit untersucht. Vanessa Gaigg
traf die Studienautorin an ihrer Arbeitsstelle am Institut für Soziologie an der Linzer Johannes Kepler Universität.

Barbara Rothmüller hat im Auftrag der Akademie der bildenden Künste in Wien deren Zulassungsprüfung auf soziale Gerechtigkeit untersucht. Vanessa Gaigg traf die Studienautorin an ihrer Arbeitsstelle am Institut für Soziologie an der Linzer Johannes Kepler Universität.

progress: Wie bist du zu dem Projekt gekommen?

Barbara Rothmüller: Das hat 2008 begonnen, als es an der Akademie eine Arbeitsgruppe zum Thema Antidiskriminierung gab. Man wollte sich einerseits anschauen, wer sich überhaupt für das Studium bewirbt und andererseits, ob im Zuge der Zulassungsprüfung bestimmte BewerberInnengruppen benachteiligt werden.

progress: Gibt es Verfahren, die fairer sind, als andere?

Rothmüller: Das ist schwierig. Es gibt unterschiedliche Probleme bei den verschiedenen Verfahren. Bei offenen Verfahren wie zum Beispiel an dem untersuchten Institut für bildende Kunst an der Akademie gibt es den Vorteil, dass man auf die Bedürfnisse der BewerberInnen besser eingehen kann, was ein Problem ist bei den stark standardisierten Verfahren wie dem EMS (Aufnahmetest für das Medizinstudium, Anm. d. Red.). Man muss sich überlegen, was Fairness in diesem Zusammenhang heißt. Wenn das Gleichbehandlung heißt, kann das der EMS gut sicherstellen.

progress: Aber bei standardisierten Tests haben Persönlichkeitsmerkmale trotzdem einen starken Einfluss.

Rothmüller: Ja, das ist das andere Problem, dass solche Tests natürlich nie neutral sind. Sie können auch indirekt benachteiligen, wenn sie Kriterien anwenden, die bestimmte Gruppen systematisch seltener erfüllen können. Auf der Medizin hat man aber auch einen geringen Anteil von Leuten mit niedriger sozialer Herkunft, das ist schon ein relativ elitäres Studium. Mit der Einführung des Tests ist der Anteil nochmal zurückgegangen.

progress: Verstärken Zugangsbeschränkungen die sozialen Hürden also?

Rothmüller: Was bei unserer Befragung auffällig war, war dass der Anteil von BewerberInnen niedriger sozialer Herkunft im Zuge des Verfahrens nochmal geringer wurde. Und dabei war es sowieso eine geringe Anzahl, die sich überhaupt beworben hat aus dieser Gruppe.

progress: Welch besondere Rolle nehmen Kunstuniversitäten da ein?

Rothmüller: Es gibt in den letzten Jahren den Versuch, die formale Durchlässigkeit im Bildungssystem zu erhöhen, das heißt, dass man zum Beispiel nicht nur mit der klassischen Matura studieren kann, der Zugang also erleichtert wird. Dadurch erhofft man sich, die so genannten „bildungsfernen Schichten“ eher ins Studium zu leiten. Was man an den Kunstunis jetzt sehr gut sehen kann, ist, dass diese Strategie eigentlich nur begrenzt aufgehen wird. Weil die meisten Kunststudien konnten immer schon ohne Matura, also ohne formale Voraussetzungen, studiert werden. Und trotzdem ist das offenbar kaum eine Option für Leute mit niedriger sozialer Herkunft. Wenn nicht mehr alle Matura haben müssen, dann versucht man im Gegenzug die Vorkenntnisse über diese Zulassungsverfahren zu kontrollieren.

progress: Ist das finanzielle Aushungern der Unis eine bewusste Taktik, um Zugangsbeschränkungen argumentierbar zu machen?

Rothmüller: Das hat tatsächlich die SPÖ mal in ihrem Bildungsprogramm geschrieben, da war sie aber noch in der Opposition. Sie hat gesagt: Man zwingt die Unis zu Zugangsbeschränkungen, weil ihnen das Geld fehlt, das sie brauchen. Aus einer Organisationslogik heraus macht das auch Sinn, wie soll man mit den Ressourcenengpässen umgehen? In Wirklichkeit ist das natürlich ein Problem, das von der Politik kommt und an die Unis weitergegeben wird, die das wiederum an die Studierenden weitergeben.

progress: Inwiefern kann der Begriff des offenen Hochschulzugangs als Euphemismus gesehen werden?

Rothmüller: Der offene Hochschulzugang ist ein Idealbild, das mit der Realität schon länger nicht viel zu tun hat. Bei den Kunstunis, den FHs und den Sportstudien gab es immer schon Zulassungsverfahren. Und interessanterweise sind die Studierendenproteste 2009 ja von der Akademie ausgegangen, gleichzeitig ist es dort sehr traditionsreich, Zulassungsverfahren zu haben, und das wird auch nicht in Frage gestellt. Das fand ich fast schon ein bisschen irritierend. Wenn man von „offenem Hochschulzugang erhalten“ spricht, übersieht man also, dass es da schon längst Einschränkungen gibt.

progress: Gab es überhaupt jemals so etwas wie einen offenen Zugang?

Rothmüller:Theoretisch ja, praktisch eher nein. Die Bildungs- und Berufswahl war und ist in Österreich extrem sozial selektiv. Weil diese Selbstselektion, wie das in der Bildungssoziologie heißt, so stark ist, hat es vielleicht sogar so lange einen zumindest theoretisch offenen Zugang gegeben. Selbstselektion ist aber auch ein problematischer Begriff – er spielt auf eine naturhafte Auswahl, eine Auslese an, als wäre das nicht ein sozial ausverhandelter Prozess. Und er suggeriert, dass es da um eine Auseinandersetzung der Individuen mit sich selbst ginge, und möglicherweise sogar noch eine bewusste. Tatsächlich kann man aber sehen, dass diese Selbstausschlussprozesse hochkomplex und meistens eine Folge von sozialem Ausschluss sind, der auf eine bestimmte Art verinnerlicht wird.

progress: Wie kann man mehr Leuten ermöglichen, diesen Ausschlüssen zu entgehen?

Rothmüller: Das ist nicht nur, aber schon auch Aufgabe der Unis. Weil wenn uns bekannt ist, dass Frauen, oder Menschen je nach sozialer Herkunft, in bestimmte Richtungen driften, dann müssen die Unis bis zu einem gewissen Grad auch Verantwortung übernehmen und gegensteuern. Und sich Konzepte überlegen, wie sie dafür Sorge tragen, dass alle Bevölkerungsgruppen entsprechend ihrer Anteile auch an den Unis repräsentiert sind. Ich finde, es gibt gute Gründe, dass man das gesellschafts- und hochschulpolitisch als Ziel hat.

progress: Warum gibt es beim EMS so starke geschlechtsspezifische Unterschiede?

Rothmüller: Darüber zerbrechen sich einige ForscherInnen den Kopf, darauf gibt es verschiedene Antworten. Möglicherweise liegt es am Schulsystem. Man hatte früher ein ähnliches Problem in den USA beim zentralisierten SAT-Test. Da gab es zuerst eine Benachteiliung der Männer, daraufhin wurde der Test korrigiert. Dann waren umgekehrt die Frauen benachteiligt und dann wollten sie ihn nicht mehr korrigieren. Es ist also immer auch eine Machtfrage. Es gibt natürlich noch andere Benachteiligungskategorien, die man sich anschauen müsste. Soziale Herkunft etwa klingt immer so abgedroschen, ist aber nach wie vor ein Riesenproblem.

                                                                                                                                                                                           

progress: Gibt es eine Möglichkeit von fairen Zugangsbeschränkungen?

Rothmüller: Naja, ich will nicht ausschließen, dass das irgendwie erreichbar ist, aber im Moment sicher nicht so einfach, wie die Leute sich das vorstellen. Vor allem sehe ich keine Debatte darüber, was soziale Gerechtigkeit beim Studienzugang heißt. Wenn Leute bestimmter Fraktionen oder Parteien sagen: „Es muss fair sein“ denk ich mir ja natürlich muss es fair sein, kein Mensch würde sagen: „Ich bin für unfaire Zulassungsverfahren!“ Aber es macht sich niemand drüber Gedanken, was heißt das, Fairness und soziale Gerechtigkeit? Wie ist es systematisch sicherzustellen? Das muss endlich gesellschaftlich ausverhandelt werden und nicht nur als Rhetorik verwendet werden, um möglichst wenig Widerspruch gegen die Einführung von allen möglichen Verfahren zu haben.

progress: Woran liegt es, dass es so wenig Datenmaterial in diesem Bereich gibt?

Rothmüller: Ich weiß es nicht, möglicherweise daran, dass Gerechtigkeit insgesamt nur von eingeschränktem Interesse ist.

Nachlese:

Angst und Bange

Gesichter der STEOP

Reaktionäre Reaktionen

Selbstverwirklichung statt Pensionsschock

  • 15.10.2012, 16:35

Rund fünf Prozent aller Studierenden in Österreich sind SeniorInnen. Claudia Aurednik hat mit Gerti Zupanich (73), Herta Spitaler (74) und Walter Waber (67) über ihre Erfahrungen an der Universität gesprochen. Drei Kurzportraits.

Rund fünf Prozent aller Studierenden in Österreich sind SeniorInnen. Claudia Aurednik hat mit Gerti Zupanich (73), Herta Spitaler (74) und Walter Waber (67) über ihre Erfahrungen an der Universität gesprochen. Drei Kurzportraits.

„Beim ersten Sehr Gut habe ich damals einen Luftsprung gemacht!“, erinnert sich Gerti Zupanich (73): „Denn bei der Prüfung war nicht stures Auswendig lernen, sondern das Reflektieren von Zusammenhängen gefragt.“ Die lebenslustige rothaarige Powerfrau hatte 1996 mit dem Studium der Politikwissenschaft begonnen und sich damit einen Lebenstraum erfüllt. Noch heute schwärmt sie von ihrem Hauptstudium und der selbst gewählten Fächerkombination aus Geschichte, Soziologie, Publizistik und Gender-Forschung: „Das hat alles so gut zusammengepasst und richtig Spaß gemacht.“ Schmunzelnd erinnert sie sich an den Studienalltag und die jungen StudienkollegInnen, die sie damals wegen ihrer exakten Mitschriften schätzten. „Gerti, du hast doch das letzte Mal mitgeschrieben? Darf ich mir eine Kopie davon machen?“ – diese Fragen waren der Beginn von Freundschaften, die bis heute andauern. Eigentlich wollte Gerti immer studieren. Doch als sie jung war, konnte sie sich ein Studium aus finanziellen Gründen nicht leisten. Und auch ihre Mutter war mit einem Studium nicht einverstanden. Ein Schicksal, das sie mit vielen Frauen ihrer Generation teilt: „Eine Frau heiratet eh, die braucht nicht studieren. Das entsprach dem damaligen Gesellschaftsbild.“ Während ihrer Tätigkeit in der ÖH Uni Wien als Studierendenberaterin für ältere Studierende hat sie festgestellt: „Seniorenstudierende lassen sich in zwei Gruppen teilen: Die Einen sind Menschen, die bereits ein Studium gemacht haben und jetzt ein Fach studieren, das sie interessiert. Und dann gibt es die zweite Gruppe, zu der ich auch gehöre. Das sind meist Frauen, die sich einen Lebenstraum erfüllen, weil sie in ihrer Jugend nicht studieren konnten. Viele machen dafür sogar die Studienberechtigungsprüfung.“ Gerti hat ebenfalls die Studienberechtigungsprüfung für Politikwissenschaft abgelegt. Die Politologie war ihre erste Wahl, weil sie während ihres Arbeitslebensin der Gewerkschaft engagiert und als technische Sachbearbeiterin tätig war.. Ihr Studium hat sie 2003 mit der Diplomarbeit „Alltagsrassismus und institutioneller Rassismus: am Beispiel Marcus Omofuma und Operation Spring“ abgeschlossen. Heute engagiert sie sich als Projektleiterin bei European Women in Older Age (EWA) und als Koordinatorin bei dem Bildungsnetzwerk Danube Networkers.

Auch Herta Spitaler (74) ist in der ÖH Uni Wien tätig. Gemeinsam mit Gerti organisiert sie den monatlichen Stammtisch für SeniorInnenstudierende am Campus der Universität Wien. Vor allem Kunstgeschichte, Geschichte, Philosophie, Europäische Ethnologie und Sprachen sind unter den älteren Studierenden sehr beliebt. Herta hat Romanistik studiert und danach noch ein weiteres Studium begonnen: „Ich habe gleich nach dem Abschluss meines Italienisch- und Französischstudiums im Jahr 1998 Geschichte und Spanisch inskribiert. Aber als dann die Studiengebühren eingeführt wurden, habe ich aus Protest im Jahr 2000 nicht mehr inskribiert.“ Herta besucht aber weiterhin je nach Interesse Vorlesungen auf der Judaistik, Byzantinistik, Romanistik und Anglistik. Die Leidenschaft der ruhigen nachdenklichen Frau sind Fremdsprachen – vor allem die fremdsprachige Literatur: „Ich habe in meiner Schulzeit eine Handelsakademie besucht und war beruflich bis zu meiner Pension bei einer Bank im Auslandsgeschäft tätig. Dabei hatte ich immer mit Fremdsprachen im wirtschaftlichen Kontext zu tun. In meiner Pension wollte ich mich dann mit der fremdsprachigen Literatur auseinandersetzen.“ Während ihres Studiums sind auch Freundschaften mit Lehrenden entstanden. Mit einer Professorin trifft sie sich immer wieder, wenn diese nach Wien kommt. Den Bolognaprozess und die darauffolgende Dreigliederung des Studiensystems betrachtet Herta sehr kritisch: „Ich habe immer gedacht, dass einem die Universität eine umfassende Bildung vermittelt. Aber in den letzten Jahren habe ich bemerkt, dass die Menschen immer mehr einseitig und nur noch in ihrem Fachgebiet gebildet sind. Die Studiengänge sind immer verschulter geworden.“

Walter Waber (67) übt auch Kritik an der Studiensituation der letzten Jahre: „Für die Studierenden ist es nicht einfacher geworden. Die Industrie bekommt von der Uni Schmalspurakademiker, die schnell ausgebildet werden. Wissensaneignung mit Zeit zum Forschen bleibt so nicht. Was steckt denn da für ein Menschenbild dahinter, wenn man nur möglichst rasch Menschen für den Arbeitsprozess ausbildet?“ Walter war über dreißig Jahre in der EDV tätig. Seit drei Jahren studiert er Philosophie an der Universität Wien. Das Studium betrachtet er als Kontrast zu seinem früheren Beruf: „Es ist sehr spannend für mich. Ich kann die Fragen nach dem Menschen und der Bewusstseinserweiterung verfolgen.“ Dabei zählt nicht der Abschluss, wichtig sind Walter das Lesen und die Auseinandersetzung mit der Philosophie. Er studiert gerne und fühlt sich auch seinen jüngeren StudienkollegInnen gegenüber sehr wohl: „Ich kann nur allen Seniorinnen und Senioren ein Studium empfehlen, wenn sie Interesse an einer Studienrichtung haben.“ Walter hält jedoch nichts von älteren Studierenden, die meinen alles besser zu wissen: „Denn das, was man selbst als Erfahrungen mitnimmt, ist nicht das einzig wahre. Es gibt viele Wahrheiten.“ Auch die EDV sollte die älteren Studierenden seiner Meinung nach nicht abschrecken, „Als älterer Student muss ich interessiert sein, etwas zu lernen. An der Uni gibt es eine eigene Anlaufstelle für EDV, die einem weiterhilft.“ Wie er sich heute als junger Studierender verhalten würde? „Ich würde mir bei den heutigen Studienbedingungen als junger Mensch schwer tun zu studieren. Man kann sich nur wünschen, dass kompetente Leute aufstehen und diesen Prozess zugunsten der jungen Studenten verändern.“

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