Journalismus

Schulterklopftage

  • 10.04.2014, 13:41

Die Österreichischen Journalismustage, die am zweiten und dritten April 2014 zum ersten Mal organisiert wurden, hatten ein hehres Ziel: Statt wie sonst nur über Reichweite, Verbreitungskanäle und Finanzierung zu sprechen, wollte man „guten Journalismus“ und „gute Geschichten“ zum Thema machen.

Die Österreichischen Journalismustage, die am zweiten und dritten April 2014 zum ersten Mal organisiert wurden, hatten ein hehres Ziel: Statt wie sonst nur über Reichweite, Verbreitungskanäle und Finanzierung zu sprechen, wollte man „guten Journalismus“ und „gute Geschichten“ zum Thema machen.

Damit aus der eintägigen Konferenz im Museumsquartier doch noch die Journalismustage werden konnten, starteten die Journalismustage am Mittwochabend im Presseclub Concordia mit einer kurzen Einführung von Astrid Zimmermann, danach trug Florian Scheuba („Wir Staatskünstler“) aus seinem Programm vor. Das sollte dazu anregen, über die angeblich unklaren Grenzen zwischen Journalismus und Satire zu reflektieren, löste bei manchen aber eher Kopfschütteln aus. 

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Über Satiregeschmack lässt sich streiten – über die Frage, ob ein Satireprogramm über die österreichische Politik der letzten zwanzig Jahre so viel mit Journalismus zu tun hat, ebenfalls. Die befürchteten „Satiretage“ sollten jedoch ausbleiben, wurde auf twitter beruhigt.

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Eine Diskussion über die Frage, was Satire denn eigentlich darf, wäre auf jeden Fall lehrreicher gewesen.

Nach Frühstück und Begrüßung begann die eigentliche Konferenz gleich mit der Keynote, die ZiB2-Moderator Armin Wolf hielt. Er beantwortete die rhetorische Frage „Machen die Medien die Politik kaputt?“ mit einem deutlichen Jein, um dann die Fehlleistungen heimischer Politiker_innen aufzuzählen und genüsslich auszubreiten. Wenn „Medien“ die Politik kaputt machen, dann laut Wolf aber nicht die professionellen, sondern Online-Foren und soziale Medien. Das Leben von Journalist_innen würde dazu immer schwieriger, denn viele Politiker_innen hätten ein Mediencoaching und würden Interviewfragen nicht wie gewünscht beantworten. Fast hätte man glauben können, der Titel der Keynote sei „Macht die Politik die Medien kaputt?“ gewesen, da kam zum Schluss doch noch das wenig überraschende Eingeständnis, dass Medien „alles andere als fehlerlos“ seien. Wir lernen: Auch ein verdienter Journalist wie Armin Wolf ist nicht davor gefeit, sein Thema zu verfehlen. Und spricht nur dann von „Kolleginnen", wenn es um Ballkleider geht.

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Für alles andere reichten die „Kollegen“. Die ganze Keynote lässt sich auf diepresse.com nachlesen.

Das folgende Programm bestand vor allem aus Diskussionsrunden, denen ein kurzer Vortrag voranging. Über die Schwierigkeiten von guter Recherche, über gesponserte und organisierte Auslandsberichterstattung und über das oft problematische Näheverhältnis von Politik und Journalismus (schon wieder) wurde diskutiert, das aber wenig kontrovers. Wie auch, denn jene, die schlechten Journalismus machen, waren an den Journalismustagen nicht anwesend. So klopfte man sich gegenseitig auf die Schulter und zeigte mit dem Finger auf den Boulevard (oder „die Politik“), die nötige Selbstkritik blieb aber leider aus.

Spätestens beim Thema Auslandsberichterstattung zeigte sich, dass sich Journalismus leider nicht abgekapselt von der finanziellen Situation der Medienhäuser betrachten lässt: Auslandskorrespondent_innen sind teuer und wer sie sich nicht leisten kann oder will, schickt seine Journalist_innen eben auf die von NGOs oder Regierung bezahlten und organisierten Reisen. Am Podium und im Publikum schien eine gewisse Nostalgie vorzuherrschen, denn über die Zukunft des Journalismus wurde erstaunlich wenig gesprochen.

Lichtblicke waren die Präsentationen abseits der Diskussionsrunden. Ein Vertreter des Medienwatchblogs Kobuk zeigte ein „Best Of“ vergangener Medienpannen und -katastrophen. Boulevardmedien, insbesondere Gratiszeitungen kamen hier zur Belustigung der Anwesenden natürlich sehr schlecht weg. Die sogenannten „Kurzmeldungen“, in denen Journalist_innen fünf Minuten und fünf Slides lang Zeit hatten, ihre Thesen zum Journalismus vorzustellen, waren besonders erfrischend. Das Format, auf Technologie- und Hacker_innenkonferenzen als „Lighting Talks“ bekannt, lockerte die Konferenz auf und bot interessante Inputs, zum Beispiel über die Recherchemöglichkeit von staatlichen und amtlichen Informationen durch die Initiative „Frag den Staat“. Auch über Quellentransparenz, Links als Qualitätsmerkmal und sogenannte „he said she said“-Geschichten waren kluge Gedanken zu hören.

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Eindeutiger Höhepunkt des Tages war die Präsentation des Dossier.at-Schwerpunkts zum Thema Asyl. Florian Skrabal erklärte die Herangehensweise an Materialsammlung, Recherche und Aufbereitung des Pilotprojektes, das die Lebensbedingungen von Asylsuchenden in Österreich genauestens dokumentierte. Leider war der Saal des Quartier21 im Wiener Museumsquartier bereits deutlich leerer als noch am Vormittag.

Insgesamt dürfen die Veranstalter_innen der Journalismustage wohl zufrieden sein: das Event war gut (und in sehr kurzer Zeit) organisiert, die Räumlichkeiten ansprechend, die Geschlechterquote auf der Bühne ausgewogen. Die Themenauswahl hätte aber breiter sein können, denn abgedeckt waren so gut wie nur die  Ressorts „Wirtschaft“, „Innenpolitik“ und „Außenpolitik“. Feuilleton, Wissenschaft und Sport waren leider so gut wie kein Thema. Dabei gilt es auch in diesen Sparten, die eigenen journalistischen Arbeitsweisen immer wieder kritisch in Frage zu stellen. Journalist_innen mit Migrationshintergrund oder People of Colour fehlten ebenfalls auf der Bühne. Blogs und soziale Netzwerke kamen in den Diskussionen fast nur als Gegenspieler_innen der klassischen Medien vor. Dabei hat Österreich doch grandiose Projekte wie zum Beispiel neuwal.com. Freie Medien (wie z.B. die freien Radios, freie Kanäle oder Zeitschriften wie MALMÖ oder über.morgen) wurden weitestgehend ignoriert, dabei findet sich wirklich kritischer Journalismus oft in diesen Redaktionen. Wünschenswert wären neben einem kritischeren Umgang mit Sprache auch mehr Diskussion zur Zukunft von Journalismus, mehr Visionen darüber, wie Medien in zehn Jahren funktionieren könnten, gewesen.

Allerdings: Die Journalismustage 2015 sind angedacht und bringen hoffentlich einen tiefergehenden Diskurs über die österreichische Medienlandschaft.

 

Anmerkung: Auch Maximilian H. Tonsern besuchte die Veranstaltung. Seinen Eindruck könnt ihr hier nachlesen.

 

Joël Adami studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien.

 

Webtipp: http://journalismustage.at/

Twitternachlese: #jt14

In persönlicher Integrität unangreifbar

  • 10.04.2014, 13:22

Am 03. April 2014 fanden in Wien die ersten Österreichischen Journalismustage statt. Namhafte JournalistInnen trafen sich mit anderen, eher unbekannteren, aber nichtsdestotrotz dennoch qualitativ hochwertig arbeitenden KollegInnen zum Stelldichein. Von kritischen Blicken, Verhaberung mit Bier und vielen aufgestellten Thesen.

Am 03. April 2014 fanden in Wien die ersten Österreichischen Journalismustage statt. Namhafte JournalistInnen trafen sich mit anderen, eher unbekannteren, aber nichtsdestotrotz dennoch qualitativ hochwertig arbeitenden KollegInnen zum Stelldichein. Von kritischen Blicken, Verhaberung mit Bier und vielen aufgestellten Thesen.

Einen kritischeren und etwas ehrlicheren Blick auf „die Branche“ zu werfen, das war laut Ingrid Brodnig (Falter) Sinn und Zweck der Journalismustage, die am 2. und 3. April im Museumsquartier in Wien stattfanden. Brodnig, die neben Josef Barth (Forum Informationsfreiheit), Mitglied des Organisationsteams war und auch selbst einen kurzen Vortrag zur Quellentransparenz hielt, wollte einen Mix aus Journalisten und Journalistinnen, die entweder schon lange im Geschäft sind und „wissen, wie der Hase läuft“, oder die noch nicht so weit in ihrer Karriere sind und dennoch schon spannende eigene Projekte aufgestellt haben.

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Mit Referenten und Referentinnen wie Renate Graber (Der Standard), Antonia Gössinger (Kleine Zeitung), Martin Staudinger (profil) und Martin Blumenau (FM4) sowie Armin Wolf (ORF) gelang dieser Mix durchaus. Wolf, der den Hauptteil der Veranstaltung mit einem Vortrag zum Thema „Machen Medien Politik kaputt?“ eröffnete, startete damit eine durchaus selbstkritische und  bemühte Vortragsreihe, die im gesamten nur dadurch negativ auffiel, dass sich fast niemand um gendergerechte Sprache kümmerte.

Wolf, der die Frage in den Raum warf, ob Medien Politik kaputt machen respektive ob es nicht gar die Politiker und Politikerinnen seien, die ihren Berufsstand zerstören, konnte die Frage im Vortrag nicht beantworten. Dennoch wartete er mit interessanten Statements auf. Und mit Zugeständnissen: „Nicht immer ist das, worüber am ausführlichsten berichtet wird, auch das Wichtigste. Nicht jede Journalistenfrage ist immer von überragender Sachkenntnis getragen.“

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Weiters denkt er, dass der Journalismus eine Branche sei, in der Selbstkritik vernünftigerweise relativ offen verläuft – und es notwendig sei, dass das Publikum Medien auf Fehler hinweist. Die passieren nämlich häufig und öfters als in anderen Berufen. Die Gründe darin findet Wolf im extremen Zeitdruck und in der geringen Größe österreichischer Redaktionen.

Nach Wolf betrat Renate Graber, Wirtschaftsredakteurin von Der Standard, das Podium. Sie sprach über den schmalen Grat zwischen Mut und journalistischer Sorgfaltspflicht. Durch mehrere Praxisbeispiele bewies sie, dass Recherchieren durchaus Freude bereiten kann, aber auch Mut und vor allem Vertrauen von Seiten der Chefredaktion braucht. Mit dem mutigen Plädoyer, dass JournalistInnen manchmal an die Grenze gehen müssen, vor allem wenn der Staat Grenzen überschreitet, spricht sie auch die These, Journalismus müsse als vierte Macht im Staat fungieren, an. Diese Ansicht teilt auch Josef Barth, der die Journalismustage initiierte: „Ich glaube, es ist unglaublich notwendig, den Charakter von Journalismus als vierte Macht in Österreich aufrechtzuerhalten.

In der anschließenden Podiumsdiskussion ging es aber von bekräftigenden Worten wieder zurück zu einer Diskussion rund um Fehler. Von Quellentransparenz, die keine Möglichkeit, sondern eine Verpflichtung sein sollte, war die Rede. Davon, dass Journalismus ein Gedächtnis braucht. Köpfe nickten, das Mikrofon wurde für Wortmeldungen herumgereicht. Und ein Teil der österreichischen Twitteria explodierte nahezu.

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Im weiteren Verlauf des Vormittages stellte Helge Fahrnberger ein Best-Of des erfolgreichen Medien-Watchblogs Kobuk.at vor und zeigte, dass nicht nur im Boulevard Kampagnenjournalismus und Spins zu finden sind. Nach der Mittagspause referierte Martin Staudinger (profil) über Auslandsberichterstattung und dessen Achillessehne. Die reißt nämlich gerne, wenn AuslandsjournalistInnen Reisen angeboten bekommen - zum Beispiel von Kanzler oder Caritas - und so wiederkäuen, was ihnen gegeben wird, anstatt sich selbst Geschichten zu suchen.

Zudem verlor er einige Worte zur Euromaidan-Krise. Diese war nämlich ein Armutszeugnis für den Journalismus: Es wurde erst umfassend berichtet, als es Tote gab, und jene, die bereits zuvor kontinuierlich berichteten, könne man an einer Hand abzählen. Weiters besteht ein krasser Gegensatz zwischen Kommentaren und Reportagen – anhand der Tageszeitung Der Standard, die aber mit dieser Negativserie nicht alleine im österreichischen Mediendschungel dasteht, wurde dies mehr als offensichtlich dargestellt.

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Im darauffolgenden „Kurzmeldungsblock“, in dem mehrere Referenten und Referentinnen jeweils fünf Minuten über diverse Themen sprachen, kamen nebst Ingrid Brodnig auch Christine Grabner (ORF), Markus Hametner (transparenzgesetz.at), Sonja Fercher (Freischaffende) und Dominik Sinnreich (Puls 4) zu Wort, ehe Antonia Gössinger (Kleine Zeitung) ihren Vortrag „Zu nah dran“ über die Begünstigung von JournalistInnen durch PolitikerInnen hielt.

Während es Armin Wolf am Vormittag noch in Ordnung fand, mit PolitikerInnen auf einen Kaffee zu gehen (Bier trinkt er nämlich nicht), da dies zum Job gehöre, plädierte Gössinger darauf zu achten, dass „der Journalist nur über ein Kapital verfüge – seine Glaubwürdigkeit.“ Und mit der habe er/sie gut umzugehen, denn Verhaberung mindere den Qualitätsjournalismus enorm. „Der Anspruch am Journalisten“, so Gössinger, „muss sein, dass er in seiner persönlichen Integrität unangreifbar ist.“

Seltsamerweise sprach Gössinger aber auch, wie schon ReferentInnen zuvor, davon, dass die „ältere Generation“ den jüngeren, unerfahrenen JournalistInnen vermitteln solle, wie journalistisches Handwerk zu funktionieren habe. Die Meinung, dass auch Jüngere den „Alten“ etwas mitteilen, zeigen und lehren können, schien unter den Vortragenden niemand zu vertreten.

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Nach Gössinger bewies Florian Skrabal mit Dossier.at, dass Idealismus durchaus belohnt wird - und es mehr als verdient, mit #goodjournalism betitelt zu werden. Nach dem letzten Klatschen kehrten die meisten der Besucher und Besucherinnen wieder dahin zurück, wo sie herkamen – in eine Redaktion. Um, vielleicht im Glauben gestärkt, weiterhin auszuüben, worüber den herrlichen Tag lang Diskurs geführt wurde: qualitativ hochwertigen Journalismus.

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Anmerkung: Auch Joël Adami besuchte die Veranstaltung. Seinen Eindruck könnt ihr hier nachlesen.

 

Maximilian H.Tonsern studiert Journalismus & PR an der FH Joanneum in Graz.

 

Webtipp: http://journalismustage.at/

Twitternachlese: #jt14

 

 

Über den „Guten Journalismus“ – Zwei Perspektiven

  • 10.04.2014, 13:05

Am 2. und 3. April fanden im Museumsquartier in Wien die Österreichischen Journalismustage statt.
Unsere beiden Autoren Joel Adami und Maximilian H. Tonsern waren unter den TeilnehmerInnen und beschrieben für progress online ihre Eindrücke. Zwei unterschiedliche Perspektiven:

Zwischen unangreifbarer Integrität und gegenseitigem Schulterklopfen – Die Österreichischen Journalismustage aus zwei Perspektiven

Am 2. und 3. April fanden im Museumsquartier in Wien die Österreichischen Journalismustage statt.
Unsere beiden Autoren Joël Adami und Maximilian H. Tonsern waren unter den TeilnehmerInnen und beschrieben für progress online ihre Eindrücke.

Dieselbe Veranstaltung aus zwei unterschiedlichen Perspektiven:

 

In persönlicher Integrität unangreifbar - Maximilian H. Tonsern

Schulterklopftage - Joël Adami

 

Webtipp: http://journalismustage.at/

Twitternachlese: #jt14

Garantien kann ich nicht bieten

  • 13.07.2012, 18:18

Journalismus ist seit jeher eine Branche, die Studierende anzieht. Die Fachhochschule Wien startet im kommenden Herbst ein neues Journalismus-Masterstudienprogramm. Das PROGRESS sprach mit Institutsleiter Reinhard Christl über das Pro und Contra einer solchen Ausbildung.

Journalismus ist seit jeher eine Branche, die Studierende anzieht. Die Fachhochschule Wien startet im kommenden Herbst ein neues Journalismus-Masterstudienprogramm. Das PROGRESS sprach mit Institutsleiter Reinhard Christl über das Pro und Contra einer solchen Ausbildung.

PROGRESS: Was macht den Journalismus-Master für Studierende interessant?

REINHARD CHRISTL: Das Masterstudium bietet die Möglichkeit, das Fachwissen, das Studierende aus einem abgeschlossenen Bachelor-Studium mitbringen, durch eine akademische Journalistenausbildung zu ergänzen. Es ermöglicht den Studenten eine praxisnahe Berufsausbildung.

Bei welchen Bachelor-Studien ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll, einen Journalismus- Master anzuhängen, beziehungsweise wem würden Sie davon abraten?

Grundsätzlich gibt es keine Einschränkungen. Natürlich gibt es aber prädestinierte Studiengänge, die sich auch ganz logisch ergeben. Wirtschaftsjournalisten und Journalisten, die sich im Bereich der Politik perfekt auskennen, werden immer gefragt sein. Insofern ist es natürlich sinnvoll, ein Wirtschafts-, Geschichte- oder Politikstudium mit dem Master aus Journalismus zu verbinden. Auch Juristen und Mediziner sind sehr gefragt, genauso aber auch Leute mit einem abgeschlossenen Technikstudium. Was allerdings alle gemeinsam haben müssen ist eine wirkliche Leidenschaft für den Beruf Journalismus. Davon abraten würde ich jenen Personen, die lediglich die Lust verspüren, einmal in den Journalismus reinzuschnuppern.

Der Master-Studiengang dauert vier Semester. Angesichts der Tatsache, dass man sich journalistisches Wissen in der Praxis sehr schnell selbst aneignen kann, stellt sich natürlich die Frage, welche Vorteile man aus einer akademischen Ausbildung im Vergleich zu einer praktischen zieht?

Das mit der schnellen Selbstausbildung stimmt in gewisser Weise. Das Master-Studium soll aber auch gar nicht die Praxis ersetzen, die man im Berufsleben erlernt. Es bietet vielmehr die Möglichkeit, sämtliche Sparten des Journalismus kennenzulernen. Sowohl jene des Print-, als auch die des TV-, Radio- und Online-Journalismus.

Der Online-Journalismus wird ja in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle spielen. Einige prophezeien bereits das Aussterben der Printmedien. Welche innovativen Ansätze bietet die FH hier?

Es ist schwierig, zu diesem Thema bereits konkrete Lösungsansätze vorzulegen. Der Online-Journalismus ist eine sehr junge Art des Journalismus und dementsprechend schwer ist es auch, eine fundierte Ausbildung dafür zu bieten. Wir werden allerdings mit Spezialisten aus der Branche zusammenarbeiten.

Das lässt die Krisen-Frage offen. Was wird Ihrer Meinung nach aus den Printmedien? Hat es denn überhaupt noch Sinn, sich in diese Richtung zu orientieren?

Ich glaube nicht an ein komplettes Aussterben der Printmedien. Natürlich wird ihre Anazahl zurückgehen, da die Konkurrenz aus dem Internet groß ist. War es früher üblich, Immobilien oder Autos in Zeitungen anzubieten, so geschieht dies nun vorwiegend im Internet. Insofern wird es für Zeitungen schwieriger werden, die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen.

Neben der Krise, die den Journalismus an sich betrifft, gibt es ja noch eine zweite: Jährlich wächst die Zahl der Publizistik- AbsolventInnen, die Printmedien müssen aber sparen – wie steht es denn um die Jobchancen als JournalistIn?

Nun, wie bereits gesagt. Der Journalismus ist eine Berufssparte, die man leidenschaftlich betreiben muss. Entscheidet man sich dafür, weil man sich Reichtum erwartet, oder einfach Freude am Zeitungslesen hat, wird man vermutlich eine Enttäuschung erfahren. Man muss mit dem Hauch des Weltverbesserers ausgestattet sein, um in diesem Beruf glücklich zu werden. Mit der richtigen Ausbildung, einer gewissen Risikobereitschaft und der nötigen Leidenschaft wird man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ohne Arbeit enden. Man muss allerdings auch damit rechnen, dass es sich bei der Bezahlung nicht immer um große Summen handeln wird. Auf jeden Fall werden Qualitätsjournalisten auch dann gefragt sein, wenn es im Internet einem jeden möglich sein wird, journalistisch tätig zu sein. Davon kann man ausgehen.

Es gibt an Fachhochschule Wien auch einen Bachelor-Studiengang für Journalismus. Wie viele der AbsolventInnen haben es denn tatsächlich in ein Angestelltenverhältnis geschafft und wie viele arbeiten noch freiberuflich?

Konkrete Zahlen habe ich da nicht. Ich kann aber sagen, dass die Abgänger der ersten beiden Jahre zu einem hohen Prozentsatz eine Karriere in einem Angestelltenverhältnis begonnen haben. Und das auch bei renommierten österreichischen Tageszeitungen. In den darauffolgenden Jahrgängen war dies nicht mehr ganz so der Fall. Dementsprechend schlechter fällt daher auch die Karrierebilanz aus.

Wir sprechen beim Masterstudium von 34 freien Plätzen pro Jahr, was also im besten Fall auch 34 AbsolventInnen wären. Ein Zuwachs von 34 JournalistInnen pro Jahr wäre wohl auch bei einem massiven Rückgang der Arbeitsplätze kein Problem, aber wie sieht das Ganze angesichts der tausenden Publizistik- AbsolventInnen aus?

Der Master-Studiengang bildet Qualitätsjournalisten aus. Mit einer derartigen Ausbildung fällt es bestimmt leichter, einen Beruf zu ergreifen. Ich möchte Publizisten auf keinen Fall abwerten, aber unter den vielen Absolventen befindet sich nur eine Hand voll zukünftiger Journalisten. Und diese wenigen, die die nötigen Qualifikationen besitzen, diese werden sich dann mit unseren Absolventen die freien Arbeitsplätze teilen müssen.

Das heißt, der Master-Studiengang kann keine Garantie für einen Job bieten?

Nein, Garantien kann ich und auch sonst niemand selbstverständlich nicht bieten. Aber ein Absolvent hat die besten Chancen, mit abgeschlossenem Master einen journalistischen Beruf ergreifen zu können. Vor allem, weil schon während der Ausbildung dafür gesorgt wird, dass man auch in der Praxis tätig ist.

Traumberuf JournalistIn?

  • 13.07.2012, 18:18

Etwa 8000 JournalistInnen arbeiten derzeit hauptberuflich in Österreich. Der Kampf um feste RedakteurInnenstellen erfordert eine herausragende Qualifikation. Neben der guten journalistischen Ausbildung ist laut Autor vor allem eine Spezialisierung gefragt.

Etwa 8000 JournalistInnen arbeiten derzeit hauptberuflich in Österreich. Der Kampf um feste RedakteurInnenstellen erfordert eine herausragende Qualifikation. Neben der guten journalistischen Ausbildung ist laut Autor vor allem eine Spezialisierung gefragt.

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich der Journalismus von der klassischen Literatur abgegrenzt und sich als eigenes Berufsfeld etabliert. Klar, einE SchriftstellerIn braucht Schreibtalent, um einen Roman zu verfassen. Doch wie viel Talent und wie viel Ausbildung stecken in einem Journalisten, einer Journalistin? Eine Frage, die wohl dazu beigetragen haben könnte, dass es bis heute keinen einheitlichen Ausbildungsweg für JournalistInnen gibt.
Rein juristisch darf sich in Österreich wie auch in Deutschland jede Person JournalistIn nennen, die mit Stift oder Tastatur etwas zu Papier bringt. In der Arbeitswelt sieht das natürlich anders aus. Redaktionen und Verlage in Deutschland setzen in der Regel ein Studium voraus.

Studium erwünscht. Tatsächlich haben 70 Prozent aller deutschen JournalistInnen ein abgeschlossenes Hochschulstudium, die wenigsten davon im Bereich der reinen Journalistikstudiengänge. In Österreich sind die Voraussetzungen nicht ganz so streng. Hier haben weniger als 40 Prozent der JournalistInnen ein abgeschlossenes Studium. Bisher galt aber die Matura als grundsätzliche Voraussetzung. Da aber auch hierzulande in Folge der Medienkrise der Markt umkämpfter geworden ist, stehen die Chancen für HochschulabsolventInnen um einiges besser.
Wie auch in Deutschland eröffnen sich in Österreich den AbsolventInnen „nicht-journalistischer“ Studiengänge die besten Möglichkeiten. So sagte Andreas Unterberger noch vor seiner Ablösung als Chefredakteur der Wiener Zeitung gegenüber Journalist-Online: „Unter den Studienrichtungen gibt es wieder klare Prioritäten. Die größte Chance auf eine Aufnahme in eine Redaktion eröffnet ein Wirtschaftsstudium, die schlechtesten ein Publizistikstudium. Generell gilt, dass jedes Studium, das vom Inhalt und Aufbau ein seriöses und qualitätsorientiertes Image hat, willkommen ist.“

Journalistisches Schreiben. Hier zeigt sich bereits, dass für journalistische Arbeit- oder AuftraggeberInnen ein fachliches „Vorauswissen“ gefragt ist. Neben dem Studium bleibt aber vor allem die Praxis von höchster Bedeutung. Denn zwar sollte eine gewisse Schreibaffinität vorhanden sein, doch gutes journalistisches Schreiben und Recherchieren unterliegt Kriterien, die erlernbar sind. Ein klassisches, 24 Monate dauerndes Volontariat bei einer Zeitung oder einem Verlag, wie es in Deutschland üblich ist, gibt es in Österreich nicht. Das wurde noch bis vor wenigen Jahren kritisiert. Doch auch in Deutschland verliert diese Form der Ausbildung an Bedeutung. Theorie wird in der Ausbildung kaum vermittelt, Verlage drücken sich vor der Bezahlung nach Tarif bzw. Kollektivvertrag.

Sach- und Fachkompetenz gefragt. In einer Redaktion ausgebildete JournalistInnen, ob nun durch Volontariat oder Quereinstieg durch Praktika, werden in der Regel in der Arbeitswelt flexibel einsetzbar, nicht aber spezialisiert sein. Gerade aber unsere Informationsgesellschaft, in der Wissen einen immer größeren Stellenwert einnimmt, verlangt nach ExpertInnen.
Das erkennen vor allem private Schulen und Akademien. Das Österreichische Journalisten-Kolleg des Kuratoriums für Journalistenausbildung (KfJ) in Salzburg schult neben der journalistischen Sachkompetenz explizit auch die Fachkompetenz. Wissen in einem speziellen Ressort, wie etwa in der Politik, Wirtschaft oder im Sport, sollen vertieft und erweitert werden. Ein ähnliches Konzept wird in der Freien Journalistenschule (FJS) in Berlin verfolgt. „Mit der Kombination aus Fachwissen und einer guten journalistischen Zusatzqualifikation können sich FachjournalistInnen von ‚AllrounderInnen‘ absetzen und haben deutlich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, sagt René Teichmann, Direktor der FJS.
Der Deutsche Fachjournalistenverband (DFJV), der in enger Kooperation mit der FJS steht, hat den weltweiten Branchenwandel längst erkannt und unterstützt die Entwicklung des fachlich orientierten Qualitätsjournalismus. „Deshalb gehört Journalisten die Zukunft, die sich auf ein Ressort spezialisiert haben. Denn nur sie verfügen über das Hintergrundwissen, das es ihnen ermöglicht, ihre Leser, Zuhörer und Zuschauer kompetent in ihrem Berichterstattungsfeld zu informieren“, heißt es auf der Homepage des DFJV.

Berufsbegleitende Ausbildung. Die FJS bietet AkademikerInnen ein Fernstudium an, in dem sie zusätzlich zu ihrem fachlichen, erworbenen Spezialwissen das nötige Rüstzeug erlernen, um sich als FachjournalistIn etablieren zu können. Die Haus- und Praxisarbeiten werden von zu Hause aus erledigt, DozentInnen und TeilnehmerInnen tauschen sich regelmäßig in Seminaren im Online-Campus aus. „Das Studium ist zeit- und ortsunabhängig, eine berufsbegleitende Ausbildung ist so möglich. Viele unserer TeilnehmerInnen kommen aus Österreich“, sagt Teichmann.
Leila Wabenneger etwa hat in Österreich Mikro-Biologie studiert und arbeitet bei einer amerikanischen Biotech-Firma in Wien. „Ich wollte nebenher Fachartikel auf meinem Gebiet schreiben. In Österreich habe ich nichts Passendes gefunden. Das Fernstudium ist auch von den Inhalten her optimal für mich“, sagt die Studentin der FJS.
Wie speziell und erkenntnisreich der Fachjournalismus Strukturen untersuchen kann zeigte das Urteil einer Gruppe britischer GolfjournalistInnen, die im Auftrag der International Association of Golf Tour Operators (IAGTO) 2004 weltweit fachlich recherchierten. „Das Golfland Österreich ist die Entdeckung des Jahres“, lautete ihr Fazit.
Ob nun Fernstudium, JournalistInnenschule oder Weiterbildung während Redaktionspraktika: Qualität wird in Zukunft eine immer gewichtigere Rolle im Journalismus einnehmen.
Denn Qualität bleibt auch im Journalismus einfach das beste Rezept. 

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