Schulterklopftage

  • 10.04.2014, 13:41

Die Österreichischen Journalismustage, die am zweiten und dritten April 2014 zum ersten Mal organisiert wurden, hatten ein hehres Ziel: Statt wie sonst nur über Reichweite, Verbreitungskanäle und Finanzierung zu sprechen, wollte man „guten Journalismus“ und „gute Geschichten“ zum Thema machen.

Die Österreichischen Journalismustage, die am zweiten und dritten April 2014 zum ersten Mal organisiert wurden, hatten ein hehres Ziel: Statt wie sonst nur über Reichweite, Verbreitungskanäle und Finanzierung zu sprechen, wollte man „guten Journalismus“ und „gute Geschichten“ zum Thema machen.

Damit aus der eintägigen Konferenz im Museumsquartier doch noch die Journalismustage werden konnten, starteten die Journalismustage am Mittwochabend im Presseclub Concordia mit einer kurzen Einführung von Astrid Zimmermann, danach trug Florian Scheuba („Wir Staatskünstler“) aus seinem Programm vor. Das sollte dazu anregen, über die angeblich unklaren Grenzen zwischen Journalismus und Satire zu reflektieren, löste bei manchen aber eher Kopfschütteln aus. 

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Über Satiregeschmack lässt sich streiten – über die Frage, ob ein Satireprogramm über die österreichische Politik der letzten zwanzig Jahre so viel mit Journalismus zu tun hat, ebenfalls. Die befürchteten „Satiretage“ sollten jedoch ausbleiben, wurde auf twitter beruhigt.

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Eine Diskussion über die Frage, was Satire denn eigentlich darf, wäre auf jeden Fall lehrreicher gewesen.

Nach Frühstück und Begrüßung begann die eigentliche Konferenz gleich mit der Keynote, die ZiB2-Moderator Armin Wolf hielt. Er beantwortete die rhetorische Frage „Machen die Medien die Politik kaputt?“ mit einem deutlichen Jein, um dann die Fehlleistungen heimischer Politiker_innen aufzuzählen und genüsslich auszubreiten. Wenn „Medien“ die Politik kaputt machen, dann laut Wolf aber nicht die professionellen, sondern Online-Foren und soziale Medien. Das Leben von Journalist_innen würde dazu immer schwieriger, denn viele Politiker_innen hätten ein Mediencoaching und würden Interviewfragen nicht wie gewünscht beantworten. Fast hätte man glauben können, der Titel der Keynote sei „Macht die Politik die Medien kaputt?“ gewesen, da kam zum Schluss doch noch das wenig überraschende Eingeständnis, dass Medien „alles andere als fehlerlos“ seien. Wir lernen: Auch ein verdienter Journalist wie Armin Wolf ist nicht davor gefeit, sein Thema zu verfehlen. Und spricht nur dann von „Kolleginnen", wenn es um Ballkleider geht.

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Für alles andere reichten die „Kollegen“. Die ganze Keynote lässt sich auf diepresse.com nachlesen.

Das folgende Programm bestand vor allem aus Diskussionsrunden, denen ein kurzer Vortrag voranging. Über die Schwierigkeiten von guter Recherche, über gesponserte und organisierte Auslandsberichterstattung und über das oft problematische Näheverhältnis von Politik und Journalismus (schon wieder) wurde diskutiert, das aber wenig kontrovers. Wie auch, denn jene, die schlechten Journalismus machen, waren an den Journalismustagen nicht anwesend. So klopfte man sich gegenseitig auf die Schulter und zeigte mit dem Finger auf den Boulevard (oder „die Politik“), die nötige Selbstkritik blieb aber leider aus.

Spätestens beim Thema Auslandsberichterstattung zeigte sich, dass sich Journalismus leider nicht abgekapselt von der finanziellen Situation der Medienhäuser betrachten lässt: Auslandskorrespondent_innen sind teuer und wer sie sich nicht leisten kann oder will, schickt seine Journalist_innen eben auf die von NGOs oder Regierung bezahlten und organisierten Reisen. Am Podium und im Publikum schien eine gewisse Nostalgie vorzuherrschen, denn über die Zukunft des Journalismus wurde erstaunlich wenig gesprochen.

Lichtblicke waren die Präsentationen abseits der Diskussionsrunden. Ein Vertreter des Medienwatchblogs Kobuk zeigte ein „Best Of“ vergangener Medienpannen und -katastrophen. Boulevardmedien, insbesondere Gratiszeitungen kamen hier zur Belustigung der Anwesenden natürlich sehr schlecht weg. Die sogenannten „Kurzmeldungen“, in denen Journalist_innen fünf Minuten und fünf Slides lang Zeit hatten, ihre Thesen zum Journalismus vorzustellen, waren besonders erfrischend. Das Format, auf Technologie- und Hacker_innenkonferenzen als „Lighting Talks“ bekannt, lockerte die Konferenz auf und bot interessante Inputs, zum Beispiel über die Recherchemöglichkeit von staatlichen und amtlichen Informationen durch die Initiative „Frag den Staat“. Auch über Quellentransparenz, Links als Qualitätsmerkmal und sogenannte „he said she said“-Geschichten waren kluge Gedanken zu hören.

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Eindeutiger Höhepunkt des Tages war die Präsentation des Dossier.at-Schwerpunkts zum Thema Asyl. Florian Skrabal erklärte die Herangehensweise an Materialsammlung, Recherche und Aufbereitung des Pilotprojektes, das die Lebensbedingungen von Asylsuchenden in Österreich genauestens dokumentierte. Leider war der Saal des Quartier21 im Wiener Museumsquartier bereits deutlich leerer als noch am Vormittag.

Insgesamt dürfen die Veranstalter_innen der Journalismustage wohl zufrieden sein: das Event war gut (und in sehr kurzer Zeit) organisiert, die Räumlichkeiten ansprechend, die Geschlechterquote auf der Bühne ausgewogen. Die Themenauswahl hätte aber breiter sein können, denn abgedeckt waren so gut wie nur die  Ressorts „Wirtschaft“, „Innenpolitik“ und „Außenpolitik“. Feuilleton, Wissenschaft und Sport waren leider so gut wie kein Thema. Dabei gilt es auch in diesen Sparten, die eigenen journalistischen Arbeitsweisen immer wieder kritisch in Frage zu stellen. Journalist_innen mit Migrationshintergrund oder People of Colour fehlten ebenfalls auf der Bühne. Blogs und soziale Netzwerke kamen in den Diskussionen fast nur als Gegenspieler_innen der klassischen Medien vor. Dabei hat Österreich doch grandiose Projekte wie zum Beispiel neuwal.com. Freie Medien (wie z.B. die freien Radios, freie Kanäle oder Zeitschriften wie MALMÖ oder über.morgen) wurden weitestgehend ignoriert, dabei findet sich wirklich kritischer Journalismus oft in diesen Redaktionen. Wünschenswert wären neben einem kritischeren Umgang mit Sprache auch mehr Diskussion zur Zukunft von Journalismus, mehr Visionen darüber, wie Medien in zehn Jahren funktionieren könnten, gewesen.

Allerdings: Die Journalismustage 2015 sind angedacht und bringen hoffentlich einen tiefergehenden Diskurs über die österreichische Medienlandschaft.

 

Anmerkung: Auch Maximilian H. Tonsern besuchte die Veranstaltung. Seinen Eindruck könnt ihr hier nachlesen.

 

Joël Adami studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien.

 

Webtipp: http://journalismustage.at/

Twitternachlese: #jt14

AutorInnen: Joël Adami