In persönlicher Integrität unangreifbar

  • 10.04.2014, 13:22

Am 03. April 2014 fanden in Wien die ersten Österreichischen Journalismustage statt. Namhafte JournalistInnen trafen sich mit anderen, eher unbekannteren, aber nichtsdestotrotz dennoch qualitativ hochwertig arbeitenden KollegInnen zum Stelldichein. Von kritischen Blicken, Verhaberung mit Bier und vielen aufgestellten Thesen.

Am 03. April 2014 fanden in Wien die ersten Österreichischen Journalismustage statt. Namhafte JournalistInnen trafen sich mit anderen, eher unbekannteren, aber nichtsdestotrotz dennoch qualitativ hochwertig arbeitenden KollegInnen zum Stelldichein. Von kritischen Blicken, Verhaberung mit Bier und vielen aufgestellten Thesen.

Einen kritischeren und etwas ehrlicheren Blick auf „die Branche“ zu werfen, das war laut Ingrid Brodnig (Falter) Sinn und Zweck der Journalismustage, die am 2. und 3. April im Museumsquartier in Wien stattfanden. Brodnig, die neben Josef Barth (Forum Informationsfreiheit), Mitglied des Organisationsteams war und auch selbst einen kurzen Vortrag zur Quellentransparenz hielt, wollte einen Mix aus Journalisten und Journalistinnen, die entweder schon lange im Geschäft sind und „wissen, wie der Hase läuft“, oder die noch nicht so weit in ihrer Karriere sind und dennoch schon spannende eigene Projekte aufgestellt haben.

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Mit Referenten und Referentinnen wie Renate Graber (Der Standard), Antonia Gössinger (Kleine Zeitung), Martin Staudinger (profil) und Martin Blumenau (FM4) sowie Armin Wolf (ORF) gelang dieser Mix durchaus. Wolf, der den Hauptteil der Veranstaltung mit einem Vortrag zum Thema „Machen Medien Politik kaputt?“ eröffnete, startete damit eine durchaus selbstkritische und  bemühte Vortragsreihe, die im gesamten nur dadurch negativ auffiel, dass sich fast niemand um gendergerechte Sprache kümmerte.

Wolf, der die Frage in den Raum warf, ob Medien Politik kaputt machen respektive ob es nicht gar die Politiker und Politikerinnen seien, die ihren Berufsstand zerstören, konnte die Frage im Vortrag nicht beantworten. Dennoch wartete er mit interessanten Statements auf. Und mit Zugeständnissen: „Nicht immer ist das, worüber am ausführlichsten berichtet wird, auch das Wichtigste. Nicht jede Journalistenfrage ist immer von überragender Sachkenntnis getragen.“

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Weiters denkt er, dass der Journalismus eine Branche sei, in der Selbstkritik vernünftigerweise relativ offen verläuft – und es notwendig sei, dass das Publikum Medien auf Fehler hinweist. Die passieren nämlich häufig und öfters als in anderen Berufen. Die Gründe darin findet Wolf im extremen Zeitdruck und in der geringen Größe österreichischer Redaktionen.

Nach Wolf betrat Renate Graber, Wirtschaftsredakteurin von Der Standard, das Podium. Sie sprach über den schmalen Grat zwischen Mut und journalistischer Sorgfaltspflicht. Durch mehrere Praxisbeispiele bewies sie, dass Recherchieren durchaus Freude bereiten kann, aber auch Mut und vor allem Vertrauen von Seiten der Chefredaktion braucht. Mit dem mutigen Plädoyer, dass JournalistInnen manchmal an die Grenze gehen müssen, vor allem wenn der Staat Grenzen überschreitet, spricht sie auch die These, Journalismus müsse als vierte Macht im Staat fungieren, an. Diese Ansicht teilt auch Josef Barth, der die Journalismustage initiierte: „Ich glaube, es ist unglaublich notwendig, den Charakter von Journalismus als vierte Macht in Österreich aufrechtzuerhalten.

In der anschließenden Podiumsdiskussion ging es aber von bekräftigenden Worten wieder zurück zu einer Diskussion rund um Fehler. Von Quellentransparenz, die keine Möglichkeit, sondern eine Verpflichtung sein sollte, war die Rede. Davon, dass Journalismus ein Gedächtnis braucht. Köpfe nickten, das Mikrofon wurde für Wortmeldungen herumgereicht. Und ein Teil der österreichischen Twitteria explodierte nahezu.

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Im weiteren Verlauf des Vormittages stellte Helge Fahrnberger ein Best-Of des erfolgreichen Medien-Watchblogs Kobuk.at vor und zeigte, dass nicht nur im Boulevard Kampagnenjournalismus und Spins zu finden sind. Nach der Mittagspause referierte Martin Staudinger (profil) über Auslandsberichterstattung und dessen Achillessehne. Die reißt nämlich gerne, wenn AuslandsjournalistInnen Reisen angeboten bekommen - zum Beispiel von Kanzler oder Caritas - und so wiederkäuen, was ihnen gegeben wird, anstatt sich selbst Geschichten zu suchen.

Zudem verlor er einige Worte zur Euromaidan-Krise. Diese war nämlich ein Armutszeugnis für den Journalismus: Es wurde erst umfassend berichtet, als es Tote gab, und jene, die bereits zuvor kontinuierlich berichteten, könne man an einer Hand abzählen. Weiters besteht ein krasser Gegensatz zwischen Kommentaren und Reportagen – anhand der Tageszeitung Der Standard, die aber mit dieser Negativserie nicht alleine im österreichischen Mediendschungel dasteht, wurde dies mehr als offensichtlich dargestellt.

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Im darauffolgenden „Kurzmeldungsblock“, in dem mehrere Referenten und Referentinnen jeweils fünf Minuten über diverse Themen sprachen, kamen nebst Ingrid Brodnig auch Christine Grabner (ORF), Markus Hametner (transparenzgesetz.at), Sonja Fercher (Freischaffende) und Dominik Sinnreich (Puls 4) zu Wort, ehe Antonia Gössinger (Kleine Zeitung) ihren Vortrag „Zu nah dran“ über die Begünstigung von JournalistInnen durch PolitikerInnen hielt.

Während es Armin Wolf am Vormittag noch in Ordnung fand, mit PolitikerInnen auf einen Kaffee zu gehen (Bier trinkt er nämlich nicht), da dies zum Job gehöre, plädierte Gössinger darauf zu achten, dass „der Journalist nur über ein Kapital verfüge – seine Glaubwürdigkeit.“ Und mit der habe er/sie gut umzugehen, denn Verhaberung mindere den Qualitätsjournalismus enorm. „Der Anspruch am Journalisten“, so Gössinger, „muss sein, dass er in seiner persönlichen Integrität unangreifbar ist.“

Seltsamerweise sprach Gössinger aber auch, wie schon ReferentInnen zuvor, davon, dass die „ältere Generation“ den jüngeren, unerfahrenen JournalistInnen vermitteln solle, wie journalistisches Handwerk zu funktionieren habe. Die Meinung, dass auch Jüngere den „Alten“ etwas mitteilen, zeigen und lehren können, schien unter den Vortragenden niemand zu vertreten.

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Nach Gössinger bewies Florian Skrabal mit Dossier.at, dass Idealismus durchaus belohnt wird - und es mehr als verdient, mit #goodjournalism betitelt zu werden. Nach dem letzten Klatschen kehrten die meisten der Besucher und Besucherinnen wieder dahin zurück, wo sie herkamen – in eine Redaktion. Um, vielleicht im Glauben gestärkt, weiterhin auszuüben, worüber den herrlichen Tag lang Diskurs geführt wurde: qualitativ hochwertigen Journalismus.

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Anmerkung: Auch Joël Adami besuchte die Veranstaltung. Seinen Eindruck könnt ihr hier nachlesen.

 

Maximilian H.Tonsern studiert Journalismus & PR an der FH Joanneum in Graz.

 

Webtipp: http://journalismustage.at/

Twitternachlese: #jt14

 

 

AutorInnen: Maximilian H. Tonsern