Wem gehört die Sonne?

  • 11.08.2014, 16:29

Die rechtskonservative Regierung in Madrid hat die Nutzung von Sonnenenergie für den Eigenbedarf unmöglich gemacht. Ein Präzedenzfall, der in anderen EU-Staaten bereits NachahmerInnen findet – zu Lasten der KonsumentInnen.

Die rechtskonservative Regierung in Madrid hat die Nutzung von Sonnenenergie für den Eigenbedarf unmöglich gemacht. Ein Präzedenzfall, der in anderen EU-Staaten bereits NachahmerInnen findet – zu Lasten der KonsumentInnen.

KritikerInnen nennen sie „Sonnensteuer“ oder „Sonnenmaut“. Und unter dem Motto #DeSOLbediencia, ein Wortspiel, zusammengesetzt aus den spanischen Wörtern für „zivilen Ungehorsam“ (desobediencia) und Sonne (sol), wird der Widerstand der Bevölkerung gegen ein Quasi-Verbot der Nutzung von Solarenergie für den Eigenbedarf in Spanien zuletzt deutlich forciert. Privathaushalten wurde mit der jüngsten Reform der rechtskonservativen Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy praktisch verunmöglicht, Strom aus Fotovoltaik-Anlagen auf ihren eigenen Dächern, Balkonen oder in ihren Gärten zu nutzen. Wer seine Paneele zur Erzeugung von Ökostrom pflichtgemäß ans Netz anschließt, dem wird seit der Reform mit eklatant höheren Stromrechnungen gedankt, was die Nutzung, zumindest finanziell, absurd macht. Jenen, die ihre Paneele nicht ans Stromnetz anschließen und behördlich melden, drohen drakonische Strafen von bis zu einer Million Euro und in bestimmten Fällen sogar bis zu
60 Millionen Euro.

Offizielles Ziel der Reform sei, „die Energiewende zu beschleunigen“ und die Subventionskosten zu senken, wie man im Energieministerium in Madrid betont. Klima- und UmweltschützerInnen warnen hingegen vor gegenteiligen Effekten und einer deutlichen Verzögerung in puncto Umstieg auf erneuerbare Quellen. Tatsächlich wird Sonnenenergie nämlich unrentabel für die KleinstproduzentInnen und für KonsumentInnen exorbitant teurer. Tausende SpanierInnen haben bereits begonnen, ihre Paneele abzumontieren und zu entsorgen. Gas, Öl und Uran. Es mag hochgradig paradox erscheinen, dass gerade im sonnigen Spanien die ohnehin von Krisen geplagten BürgerInnen um ein augenscheinliches Allgemeingut, die Sonne, gebracht werden. Daran zeigt sich jedoch deutlich, in welche Richtung die Energiepolitik der Konservativen steuert. In die Sondierung neuer Erdöl- und Erdgasvorkommen vor den Balearen und den Kanaren wird massiv investiert und der von der sozialdemokratischen PSOE anberaumte Ausstieg aus der Atomenergie immer weiter aufgeschoben. Auch das AKW Santa María de Garoña bei Burgos, baugleich mit dem in Japan havarierten Fukushima-Reaktor und seit 1971 in Betrieb, soll noch viele Jahre Strom liefern.

„KleinsterzeugerInnen werden von der Regierung behandelt, als hätten sie ein AKW am Dach“, kritisiert Mario Sánchez-Herrero, Mitinitiator der #DeSOLbediencia-Kampagne. Der Soziologe und Politikwissenschafter betont, dass eine Forcierung der Produktion nachhaltiger Energie über Selbstversorgung und die Einspeisung der dabei anfallenden Überschüsse jedoch der einzige Weg wäre, um die Preise für die EndverbraucherInnen zu senken. Stattdessen sind die Energiepreise seit 2007 um etwa 70 Prozent gestiegen. Die spanischen Energiekonzerne schwelgen derweil in satten Gewinnen von sieben bis acht Milliarden Euro jährlich, und rangieren selbst angesichts eines krisenbedingt eingebrochenen Verbrauchs im Spitzenfeld der EU-Stromerzeuger.

Todesstoß für KMUs. Klagen gegen das neue Gesetz wurden längst vorbereitet und auch eingereicht, unter anderem von kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs), die es in den Konkurs getrieben hat. Auch Klagen vor EU-Gerichten sind angedacht. Denn sollte Madrid damit durchkommen, drohen auch in anderen EU-Staaten solche Szenarien: Die einst großzügig durch die öffentliche Hand geförderten Anlagen, die den BesitzerInnen über Einspeisevergütungen überdies monatlich eine kleine Gutschrift auf der Stromrechnung brachten, müssen nun auf eigene Kosten abmontiert werden. Spaniens Nachbar Portugal bereitet bereits ein vergleichbares Gesetz vor, mehr und mehr Unternehmen ziehen sich deshalb aus dem Geschäftsfeld zurück.

Einmal mehr zeigt sich durch die umstrittene spanische Reform auch, wie nahe sich Energiekonzerne und Politik stehen. Ein Blick in die Aufsichtsräte der Energiegiganten zeigt deutlich, dass diese zu einem Großteil mit Ex-PolitikerInnen besetzt sind: Der sozialistische Ex-Premier Felipe González ist bei Gas Natural tätig, der konservative Ex-Premier José Maria Aznar bei Endesa, Javier Solana bei Acciona, um nur die wichtigsten zu nennen. Bereits jetzt kursieren im Internet „Wetten“, wo Energie- und Industrieminister José Manuel Soria (PP) nach seiner Politkarriere landen wird. Der Ibero-Erdölgigant Repsol führt derweil im Wettranking.

„Energiewende gegen die Wand“. Auch in Deutschland wurde gerade beschlossen, die Steuerlast für Eigenheim-Solaranlagen zu erhöhen. Zukünftig werden auch Privathaushalte, die mit Sonnenenergie Strom für den Eigenbedarf produzieren, mit der sogenannten EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) von 40 Prozent belastet. Rentabel wären solche Anlagen somit nicht mehr, sind sich ExpertInnen einig. „Hier droht der größte Rückschritt seit Beginn des Klimaschutzes in Deutschland. Wer Klimaschützer derart bestraft, wird die Energiewende gegen die Wand fahren“, warnte etwa Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft e.V. in der FAZ. Er kritisierte zudem, dass Förderkürzungen für Fotovoltaik in Deutschland längst die Nachfrage nach solchen Anlagen für Eigenheime einknicken haben lassen.

In Österreich formierte sich im Frühjahr bereits seitens der Grünen Widerstand gegen die Besteuerung von Solaranlagen ab 5.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch, die seit dem Vorjahr zu entrichten ist. Die Grünen fordern eine Befreiung von so kleinen Anlagen, die in etwa den Strom erzeugen, den ein Vier-Personen-Haushalt in einem Jahr verbraucht. Wie schwer es in Österreich ist, eine Mini-Solaranlage zu montieren beschreibt beispielsweise Simon Niederkircher auf seinem lesenswerten Solar-Zwerg-Blog (siehe Webtipps).

Eine Selbstversorgung der BürgerInnen mit erneuerbaren Energien ist in der EU seitens der regierenden Großparteien mit ihrem Naheverhältnis zu Energiekonzernen nicht gewünscht, wenn nicht sogar gefürchtet. Um sie trotzdem zu verwirklichen, bedarf es einer raschen, weitreichenden Mobilisierung der EU-Bevölkerung, unterstreicht Sánchez-Herrero: „Wir müssen dieses Stück Freiheit erkämpfen!“ Nur so sei eine wahre Energiewende möglich: „Nachhaltig, sauber, grün und vor allem mit und in den Händen der BürgerInnen.“

Webtipps:

http://desolbediencia.org/
http://www.ecooo.es/
http://solarzwerg.wordpress.com/

Jan Marot arbeitet als freier Journalist in Granada.

AutorInnen: Jan Marot