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Die faule Lüge

  • 01.01.2023, 15:57
Über die Scham, faul zu sein, und den Druck, durchgehend zu leisten: Was ist Faulheit und welchen Platz hat diese in unserer Leistungsgesellschaft?

 

CW: Schilderung von Rassismus 

"Warum kann ich das nicht einfach alles machen?", habe ich oft mich selbst und meine Therapeutin gefragt. Warum fällt es mir so schwer zu studieren, zu arbeiten, politisch aktiv zu sein, mich um den Haushalt zu kümmern, Menschen auf WhatsApp zurückzuschreiben, auf Emails zu antworten und dann auch noch jeden Abend meine Zähne zu putzen? Warum bin ich die Einzige, die das nicht schafft? Woher weißt du, dass du die Einzige bist?, fragt dann meine Therapeutin. Weil niemand sonst darüber spricht. Sprichst du darüber? Nein. Warum nicht? Weil ich mich schäme. Weil ich denke, dass ich faul bin, dass ich kaputt bin, und mich dafür schäme, nicht einfach leisten zu können.

Produktivität hatte in meiner Welt immer höchstes Gebot: schnell und effektiv arbeiten, Geld verdienen, am besten alles gleichzeitig machen. Die anderen schaffen es ja auch. "Die anderen, die alles schaffen" waren sogenannte Productivity Influencer auf Instagram und YouTube, die ihr Geld damit machen, darüber zu reden, wie unheimlich produktiv sie durch Methode X und Y geworden seien. Dabei beginnt die Geschichte viel früher: Schon als Volksschulkind wusste ich, dass meine Leistung das ist, was schlussendlich zählt. Wer nicht leistet, versagt. Ist ja schließlich auch das Einzige, das benotet wird - nicht der Weg dorthin, oder die Mühe, die ich mir gemacht habe. Das zieht sich durch’s Gymnasium und wurde mir dann auch später im Studium von der Regierung so bestätigt; siehe UG-Novelle. Du schaffst keine Mindestanzahl an ECTS pro Semester? Was für ein_e Versager_in.

Forderungen wie “Leistung muss sich wieder lohnen”[1] tauchen immer wieder im politischen Diskurs auf und wirken wie ein perverses Verlangen, Leute in nützlich und nutzlos, wertvoll und wertlos einzuteilen. Leistung wird durch und durch romantisiert - zum Beispiel als Hustle Culture oder “THAT girl”-Ästhetik. Auch das Studierendenleben wird glorifiziert: möglichst lang in der Bib zu bleiben, um 4:30 Uhr aufstehen, um zu lernen, 12h lange “Study with me”-Livestreams auf YouTube. Die Kehrseite, Überanstrengung bis hin zum Burnout, wird dabei ignoriert.

Wer nicht leistet ist faul? Oft scheint mir, als gäbe es bei diesem Thema nur schwarz oder weiß. Entweder bringt man Leistung, arbeitet 40h oder mehr, erfüllt alles, was gesellschaftlich  in diesem Lebensabschnitt erwartet wird - oder man ist faul. Ich unterrichte Deutsch für Menschen, die gerade erst nach Österreich gekommen sind, Menschen, die ausgewandert sind, aber auch Menschen mit Fluchterfahrungen. Manchmal höre ich dann: "Flüchtlinge sind faul. Sie sollen sich anstrengen, Deutsch zu lernen, sind ja schon seit Jahren hier." Ja, ich unterrichte auch Leute, die schon lange hier sind und kaum sprechen. Keine_r davon ist faul. Es sind Männer, die im Unterricht ganz still werden und merklich mit den Gedanken woanders sind; bei ihrer Familie, im Krieg, bei der Angst, nicht in Österreich bleiben zu dürfen. Das sind Stress und Trauma. Die Mutter, die seit elf Jahren in Österreich ist, aber ihre Hausübung nicht macht, weil keine Zeit dafür ist; neben ihrem Job als Putzkraft muss sie täglich zwei Mahlzeiten auf den Tisch bringen, den Haushalt machen und sich um ihre fünf Kinder kümmern. Sie fragt mich oft, wie sie das alles schaffen soll - ich wünschte, ich könnte es ihr sagen. Dann höre ich, wie wieder mal irgendein_e Politiker_in über die "faulen Flüchtlinge" schimpft, als würde die Person wissen, worüber sie spricht.

"Faul" ist ein Adjektiv, das ich eigentlich nur falsch verwendet höre. Meistens dann, wenn die Person nicht die ganze Situation kennt. Es ist so einfach, Leute als faul abzustempeln. Viel einfacher als Mitgefühl zu zeigen und versuchen zu verstehen.

Was ist Faulheit eigentlich? Faulheit ist laut dem Duden die Unlust, sich bei etwas zu betätigen.[2] “Faulheit” zählt auch als eine der sieben christlichen Todsünden, was uns zeigt, wie tief diese Angst vor der Faulheit in der westlichen Kultur verankert ist. Demnach ist in den vorher genannten Fällen nicht von Faulheit zu sprechen. In keinem der Beispiele waren die Personen unwillig, etwas zu tun.

Wirkliche Faulheit wäre also, gewollt weniger zu tun. Ich denke dabei an die Leute, die ich bei meinen unterschiedlichen Erfahrungen in der Arbeitswelt kennenlernen durfte. Leute in der Gastro, die ihre Leistung ihrem Gehalt anpassen. Wenn dieses unterirdisch gering ist, warum sollten sie sich schinden, wenn sie dafür nichts bekommen? Faulheit, die per Definition bewusst ist, kann auch eine aktive Rebellion gegen die Leistungsgesellschaft sein. Vielleicht ist sie gerade deshalb auch eine Todsünde - weil sie das System hinterfragt.

Faulheit ist ein Konstrukt, das versucht, uns ein schlechtes Gewissen zu machen, wann immer wir nichts “Nützliches” machen, nicht als produktiv gelten. Der Begriff “Produktivität” kommt eigentlich aus der Wirtschaft. Er beschreibt die Relation von Input und Output von Wirtschaftssystemen, wie Privathaushalten oder Unternehmen. Was gemeinhin als “Produktivität” bezeichnet wird, ist die “Arbeitsproduktivität” - die durchschnittliche Arbeitsleistung einer_s Mitarbeitenden innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Den Wert eine_rs Arbeitenden an der Produktivität zu messen, erfasst jedoch nie das ganze Bild. Menschen sind komplexe Wesen, und ihr Wert hängt nicht von ihrem Output ab.

Zeitverschwendung ist wichtig. Dinge, die gemeinhin als produktiv eingestuft werden, sind meistens damit verbunden, wie lukrativ sie sind. Side-Hustles sind lukrativ, Fantasybücher zu lesen ist es nicht. Pausen sind es nicht. Dabei ist es genau das, was wir brauchen, um uns zu erholen. Erholung ist keine Zeitverschwendung.

Auf Instagram scrollen, Netflix schauen, malen, mit Freund_innen telefonieren - all diese Dinge fühlen sich für mich wie guilty pleasures an, weil sie mir nichts “bringen”, im wirtschaftlichen Sinne. In einer idealen Welt wäre mir das aber egal - dann würde ich ohne Schuldgefühel tun, was mich glücklich macht. Kann denn etwas Zeitverschwendung sein, wenn es mir Freude bereitet? Menschen können nicht nur leisten. Menschen sind nicht dafür gemacht, durchgehend produktiv zu sein - wir brauchen Pausen und Auszeiten, um am Ende des Tages noch die Kraft zu haben, den Geschirrspüler auszuräumen und Zähne zu putzen. Man muss manchmal den Kopf ausschalten, um später wieder denken zu können.

Eine Art der Zeitverschwendung ist die Prokrastination. Meine Freund_innen höre ich oft über sich selbst schimpfen, weil sie “schon wieder prokrastinieren”, sie sind frustriert, nennen sich faul - Schuld und Scham drehen sich im Kreis. Dabei hat Prokrastination meistens einen Grund.[3] Es gibt Barrieren, warum wir gewisse Dinge nicht einfach so erledigen können. Es ist wichtig, diese Barrieren zu erkennen und zu benennen und sie nicht einfach als Faulheit abzustempeln. Dazu müssen wir mehr Nachsicht und Mitgefühl mit uns selbst haben, weil sie sonst niemand mit uns hat. Diese Barrieren sind ohne Schuldzuweisungen anzugehen, sondern mit Neugierde.

Prokrastination beispielsweise rührt oftmals aus der Angst, nicht gut genug zu sein. Oder sie ist ein Zeichen von Überforderung - nicht zu wissen, wo man anfangen soll. Ablenkung ist dann einfacher: schnelles Dopamin durch Instagram Reels zum Beispiel.

Universitäten sind keine Ausnahme. Der Drang nach Produktivität zieht sich durch jeden Teil unseres Lebens. Um dieses Problem langfristig zu lösen, müssen wir gegen die kaptitalistischen Denkweisen und das System selbst gehen. Wir können mit dem anfangen, was uns am nächsten ist: die Universitäten.

Das akademische Umfeld in Österreich bietet wenig Spielraum für die unterschiedlichen Kontexte, in denen wir uns als Studierende zurecht finden müssen. Seien es Arbeit, Pflegeverpflichtungen, Stress, Anxiety, Traumata - um nur einige zu nennen. Kaum jemand ist nicht betroffen und jede_r Studierende ist vor individuelle Herausforderungen gestellt. All diese Umstände können als Barrieren fungieren, die uns davon abhalten, im Studium aufzublühen. Das sollte aber Platz haben. Das heißt nicht, dass Noten geschenkt werden sollten - bereits einfache Anpassungen wie eine “No questions asked 48h Verlängerung” für Abgaben können bereits viel bewirken.

Ein Appell an Universitäten: Habt Empathie gegenüber euren Studierenden. Ein erfolgreiches Studium sollte nicht davon abhängen, wie frei von Altlasten eure Studierenden sind. Professor_innen sind oft Leute, denen die akademische Arbeit immer leicht gefallen ist. Diese gilt es zu überzeugen: Nur weil ihr in diesem System aufblühen konntet, heißt das nicht, dass eure Studierenden das genauso können. Wer jetzt davon anfängt, dass jene, denen das Studieren schwer fällt, nicht dafür gemacht seien, sollte kurz über dieses Statement nachdenken. Dürfen Leute mit Trauma nicht studieren? Sollte Menschen mit einer mentaler Krankheit der Abschluss verwehrt werden? Ich rede nicht davon, das Studieren inhaltlich “einfacher” zu machen. Ich rede davon, das Studieren so zu strukturieren, dass es für diese Personen machbar wird. "If a student is struggling, they probably aren't choosing to", schreibt Sozialpsycholog_in Devon Price.[4]

Das ist kein individuelles Problem, sondern hat System. Es ist Hustle-Culture und Late Capitalism, aber das hilft nicht viel im Moment. Was ist jetzt zu tun? Wenn wir uns für unsere eigene “Faulheit” verurteilen, dann handelt es sich dabei nicht um Faulheit, sondern um ein Hindernis, bei dem wir Unterstützung brauchen. Das kann sich als Prokrastination äußern und ist nicht zu verurteilen. Es ist wichtig, uns selbst Pausen zu erlauben, unsere Umstände zu erkennen und uns nicht schlecht dafür zu fühlen. Aktiv “Zeit zu verschwenden”, um unserem Gehirn eine Pause zu lassen. Leistungsdruck kritisch zu betrachten und zu hinterfragen, was als produktiv eingestuft wird und was nicht. Aktiv faul zu sein. Forderungen an Universitäten und Institutionen einzubringen.

Es hat lange gebraucht, bis ich aufgehört habe, mich dafür zu schämen, keine Maschine zu sein;meinen Selbstwert nicht von meiner Leistung abhängig zu machen und mir ein Recht auf Menschlichkeit einzugestehen, wie u.a. mal eine Pause zu brauchen oder nicht durchgehend leistungsfähig zu sein. Crazy, ich weiß. Mein Appell an Empathie geht nicht nur an Universitäten: Es gibt noch genug Leute, die an Faulheit glauben und diesen Begriff falsch verwenden. Merksatz: Wenn wir eine Person als "faul" einstufen würden, sehen wir höchstwahrscheinlich nicht das ganze Bild. Und anstatt diese Person dann in die praktischen Schubladen “nützlich” und “nutzlos” einzuteilen, könnten wir diesen Moment nutzen, um Empathie zu zeigen.

 

Eluisa Kainz ist 22 Jahre alt und studiert Business & Economics an der Wirtschaftsuniversität Wien.

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Laura Wiesböck: „Leistung muss sich wieder lohnen“, Momentum Institut 10.09.2019, https://www.momentum-institut.at/news/leistung-muss-sich-wieder-lohnen

https://www.duden.de/rechtschreibung/Faulheit

Olubusayo Asikhia: "Academic Procrastination in Mathematics: Causes, Dangers and Implications of Counselling for Effective Learning", in: International Education Studies 3(3), Juli 2010, https://files.eric.ed.gov/fulltext/EJ1066019.pdf

Devon Price: “Laziness does not exist”, Medium 23.03.2018,https://humanparts.medium.com/laziness-does-not-exist-3af27e312d01

 

 

Keine Gerechtigkeit für Frauen

  • 01.01.2023, 15:56
Nicht funktionierende staatliche Schutzmaßnahmen, schwangere Teenager und eine Botschaft: Straflosigkeit. Gewalt an Frauen in Ecuador.

CW: Schilderung von Gewalt

Geraldina Guerra erzählt uns von einem Kampf, den die Zivilgesellschaft führt. Gegen komplizierte bürokratische Prozesse. Gegen ein System, das eigentlich beschützen sollte. Und gegen machistische und frauenfeindliche Stereotypen in der Gesellschaft. Sie ist Frauenrechtsaktivistin und Präsidentin der Stiftung ALDEA (Asociación Latinoamericana para el Desarrollo Alternativo). Wir treffen sie im Garten ihres Hauses in Mindo, nahe der Hauptstadt Quito. Inmitten von Vogelgezwitscher und Bananenbäumen erzählt Guerra von der Problematik der Gewalt an Frauen im Land: „Die Gewalt ist die andere Pandemie. Die Pandemie im Schatten. Sie bringt mehr Frauen um als der Krebs oder Verkehrsunfälle. Sie durchdringt leise das Leben und die Körper der Frauen.“

65 von 100 Frauen. Etwa 65 von 100 Frauen in Ecuador sind Gewaltopfer. Diese kann verschiedene Formen haben, zum Beispiel physisch, psychisch oder auch ökonomisch. Ein besonders großes Problem ist die sexualisierte Gewalt an Frauen, Kindern und Jugendlichen: „Vier von zehn ecuadorianischen Frauen sind Opfer sexualisierter Gewalt. In den Fällen von Sexualgewalt an Minderjährigen passieren 60% im eigenen Haushalt. Das heißt, es sind die eigenen Eltern, Onkel, Geschwister oder Großeltern, die Gewalt ausüben.“ Oft nimmt die geschlechtsspezifische Gewalt ihre schlimmste Form an: Alle 28 Stunden stirbt eine Frau durch einen Femizid.

An Gesetzen und Protokollen zum Schutz vor Gewalt mangelt es in Ecuador nicht. Schwierig ist eher die Umsetzung, denn bei der Staatsanwaltschaft und anderen zuständigen Stellen herrscht Personalmangel: „Du hast manchmal eine einzige Person, um die Gewaltfälle zu bearbeiten, aber gleichzeitig auch Diebstähle und alle möglichen Sachen, die in diesem Bezirk passieren.“ Dadurch bleiben Fälle jahrelang liegen und die Täter werden spät oder gar nicht zur Verantwortung gezogen: „Es gibt keine Gerechtigkeit für die Frauen. Die Message ist dann: Es ist egal, dass ein Vater seine siebenjährige Tochter vergewaltigt hat. Fatal. Was man mit der Gewalt machen muss, ist, eine handfeste Botschaft senden. Von Sanktionen, von Gefängnis. Von Bestrafung. Und das ist, was nicht passiert.“

Keine Schulung. Polizist_innen seien außerdem nicht genug geschult im Umgang mit Gewalt und die Frauen selbst würden oft ihre Rechte nicht kennen. Viele wissen nicht, dass sie sich im Ernstfall an eines von elf Frauenhäusern wenden können. Doch selbst dieses Angebot erscheint wenig: In Österreich gibt es 29 Frauenhäuser – bei halb so vielen Einwohner_innen wie in Ecuador.

Wir fahren nach Puerto Francisco de Orellana ins Amazonasgebiet. Palmen und Bananenbäume säumen die Straße, Schäfchenwolken stehen am blauen Himmel, es ist heiß. Hier befindet sich das Frauenhaus „Casa Paula“, welches seit über 20 Jahren eine Anlaufstelle für Gewaltopfer der Amazonasregion bietet. 

Inez Ramirez Maldonado hat das Haus gegründet und leitet es bis heute. Sie ist um die 50 und hat die langen schwarzen Haare zu einem Zopf geflochten. Neben ihr arbeiten hier im Haus eine Anwältin, eine klinische Kinderpsychologin, zwei Sozialarbeiterinnen, eine Lehrerin, zwei Pädagoginnen und die Administratorin. Die Frauen, Jugendlichen und ihre Kinder bekommen hier Unterkunft, Essen, Kleidung und gesundheitliche Versorgung. Das ist oft notwendig, so Maldonado: „Wenn die Frauen kommen, kommen sie mit dem, was sie am Leibe haben. Sie kommen zerschnitten, geschlagen, vergewaltigt, schwanger, manchmal mit einer Vielzahl an Krankheiten. Viele sind knapp einem Femizid entgangen. Sie wurden fast umgebracht. Wir möchten ihnen zumindest eine Grundausstattung geben, damit sie sich wohl fühlen hier im Haus.“ Das ist nicht billig. Eigentlich bekommen Frauenhäuser eine Teilförderung vom ecuadorianischen Staat. Casa Paula hat diese heuer aus bürokratischen Gründen nicht bekommen, das versprochene Geld von der Gemeinde ist auch noch nicht angekommen. So ist das Haus auf NGOs und Spendengelder angewiesen – die meisten davon aus Europa. Trotz der stetigen Geldnot hilft das Team des Frauenhauses, wo es kann. Jugendlichen Gewaltopfern wird ein Schulplatz gesucht und finanziert, damit sie ihre Ausbildung beenden und sich ein eigenes Leben aufbauen können. Doch das funktioniert nicht immer: Manche werden per Gerichtsentscheid zurück in ihre Familien geschickt und müssen dort wieder mit dem Täter zusammenleben. „Eine fatale Entscheidung“, so Guerra.

Casa Paula. Maldonado wohnt mit ihrer Tochter, ihrem Mann und fünf Hunden nicht weit vom Frauenhaus entfernt. Ihre Familie beschreibt sie als ihre größte Stütze, gerade in der schwierigen Zeit um die Gründung des Frauenhauses. Auf dem schwarzen Sofa im Wohnzimmer sitzend, erinnert sie sich zurück: „Es gab einige Männer hier, die mit allen Mitteln verhindern wollten, dass ein Frauenhaus entsteht. Sie haben sogar die Bauarbeiter_innen geschlagen das ganze Baumaterial auf die Straße geschmissen. Ich habe dann alle Frauen organisiert und wir haben in einem großen Aufmarsch den Baugrund besetzt. 15 Tage haben wir dort geschlafen, bis sie mit der Basis für das Haus fertig waren.“ Der Widerstand hat sich schließlich gelohnt und für Maldonado ist das Frauenhaus damals wie heute ein Herzensprojekt: „Ich würde sagen, es war ein Lebensziel von mir, dass diese Organisation aufrechterhalten und gepflegt wird. Dass sie diese Betreuung anbieten kann. Denn wir retten Leben, indem wir einer sehr vulnerablen Gruppe Betreuung und Schutz bieten. Einer Gruppe, die nicht mehr hat als Casa Paula.“

Spenden an Casa Paula: paypal.me/AylluHuarmicunaF

 

Zur Autorin: Julia Wendy studiert Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Sie hat 2021/22 ein Jahr in Mindo, Ecuador, verbracht.

 

 

“Wahrheit” im pandemischen Zeitalter

  • 19.05.2022, 11:52
Über die Stärken und Schwächen der Wissenschaft, die in der Corona-Pandemie offenbar wurde und wie gerade Konflikte dazu beitragen, Vertrauen zurückzugewinnen.

Seit dem Aufkommen von Fridays for Future, spätestens aber seit der globalen Corona-Pandemie, die seit dem Jahr 2020 andauert, ist Diskurs über Wissenschaft aus der öffentlichen Debatte nicht mehr wegzudenken. Kaum mehr ein Talkformat im Fernsehen, dass ohne prominente Forscher_innen auskommt, eine schier endlose Auswahl an wissenschaftlichen Podcasts und Politiker_innen, die sich das Rampenlicht bei Pressekonferenzen mit Virolog*innen teilen. Gleichzeitig sind aber nach Jahrzehnten eines wissenschaftsfreundlichen Klimas, zumindest in Europa, Brüche erkennbar. Wissenschaftliche Faktizität wird offen und laut angezweifelt, Forscher*innen bedroht und eingeschüchtert. So manche_r sieht das postfaktische Zeitalter angebrochen. Coronaleugner_innen-Demos in ganz Europa, Verschwörungstheorien und die Popularität von Politiker_innen wie Donald Trump oder Viktor Orban werden als Beleg dafür gesehen. Offenbart sich eine Krise der Wissenschaft? Was steckt hinter Verschwörung und Verleugnung? 

Am Beginn solcher Reflexe steht eine kognitive Dissonanz. Wissenschaftliche Fakten und unser eigenes Handeln sind nicht immer kongruent. Gerade während der Corona-Pandemie wurde das sichtbar. Als Beispiel: Wir Menschen sind soziale Wesen und haben das Bedürfnis nach sozialen Kontakten, Freund_innen zu umarmen etc. Genau das war aber in Zeiten von hohen Inzidenzen epidemiologisch nicht ratsam. In Bezug auf die Klimakriese verhält es sich ähnlich. Obwohl wir wissen, welche Belastungen Fleischkonsum oder Flugreisen für die Umwelt hat, können sich die meisten nur schwer von diesen Gewohnheiten lösen. Es entsteht also ein unangenehmer Gefühlszustand, ein innerer Konflikt, der für uns Menschen unerträglich ist. Den Konflikt können wir nur lösen, indem wir entweder unser Verhalten ändern oder unsere Einstellungen. Letzteres heißt Probleme zu leugnen, sie auszublenden oder sie kleinzureden: „Corona ist nicht gefährlicher als eine Grippe“ oder „Der Klimawandel ist natürlich und nicht menschengemacht“ heißt es dann. 

Im Echoraum

Wir Menschen sind als soziale Wesen noch dazu ständig auf der Suche nach Bestätigung. Deswegen tendieren wir dazu, nach Informationen zu suchen, die unseren eigenen Überzeugungen, Wertvorstellungen und Meinungen entsprechen. Big Data führt uns zielgenau in die auf unsere Einstellung zugeschnittene Bubbel. Genau das kann Wissenschaft nicht. Wissenschaft liefert keine Bestätigung, sondern stellt Behauptungen auf, die bis zum nachvollziehbaren Widerspruch Gültigkeit haben. Um diesen Prozess des Erkenntnisgewinns zu organisieren, wurden Praktiken, Mechanismen, Strukturen und Institutionen geschaffen, die sich an gesellschaftlich ausverhandelten Werten wie Überprüfbarkeit, Transparenz, Redlichkeit oder Verlässlichkeit orientieren. Was aber, wenn ein Teil der Gesellschaft die Strukturen, innerhalb derer Wissensproduktion stattfindet ablehnt? Wie umgehen mit einem Milieu, das den wissenschaftlichen Betrieb als „Herrschaftsform“ ansieht und alles ablehnt was eine Autorität sein möchte? Wie konnte es dazu kommen und was, wenn dieses Milieu nicht homogen ist, sondern sich quer durch alle sozialen Schichten und Bildungsniveaus erstreckt?  Bei den Demonstrationen von Coronaleugner_innen und Impfgegner_innen wurde dieses breite gesellschaftliche Spektrum, vom rechtsradikalen bis hin zum öko-alternativen Milieu, sichtbar. Für diese Gruppe ist die Pandemie maximal noch Initialzündung, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen.  

Die Kritik frisst ihre Kinder

Mit der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule gab es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen wissenschaftstheoretischen Ansatz, welcher der Wissenschaft die Kritik an der Gesellschaft als Hauptaufgabe zuweist. Damit wurde auch ein Instrument der Kritik an bürgerlicher Wissenschaft und ihrer Begriffe von Objektivität entwickelt: Kritische Theorie als ein weiterer Selbstregulierungsmechanismus des Wissenschaftsbetrieb. Als die Kritische Theorie von der 68er-Bewegung erneut aufgegriffen und rezipiert wurde, wurde sie auch auf einer breiteren, gesellschaftlichen Ebene relevant. Eine vernünftige, aufgeklärte Gesellschaft aus mündigen Menschen war das Ziel. Notwendig dafür waren das Hinterfragen von Ideologien und die Aufdeckung von Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft: Wer sagt und macht was aus welchem Interesse? Die Dekonstruktion gesellschaftlicher, politischer und kultureller Praxis war die Folge. 

Kritische Theorie, Ideologiekritik, Science Studies, all das führte zu der Erkenntnis, dass es so etwas wie einen unvermittelten, unvoreingenommenen Zugang zur Wahrheit nicht gibt. Erkenntnisse sind nie rein objektiv, sondern gehen aus einem historisch-sozialen Kontext hervor. Wir Menschen sind immer Gefangene der Sprache und sprechen immer von einem bestimmten Standpunkt aus. Wissenschaftliche Wahrheit ist demnach sozial konstruiert. Paradoxerweise wird genau dieses Argument nun vom Milieu der Verschwörungstheoretiker*innen aufgegriffen. Sie verwehren sich gegen alles was eine Autorität darstellt, also auch gegen eine unkritische Wissenschaftsgläubigkeit, welche die Gesellschaft in ihren Augen kontrollieren und disziplinieren möchte. 

Raus aus den Kritikschleifen? 

Der Philosoph und Soziologe Bruno Latour warf schon 2004 in seinem Aufsatz „Why has Critique run out of Steam?” die Frage auf, ob Gefahr heute nicht mehr von ideologischen Argumenten drohe, sondern vielmehr von einem „exzessivem Misstrauen“ gegenüber Tatsachen, die zu Unrecht für ideologische Argumente gehalten werden. Müssen wir also nun „das Schwert der Kritik gegen die Kritik selbst richten?“ Müssen wir, nachdem wir jahrelang versucht haben die wirklichen Befangenheiten aufzudecken, die sich hinter der Anwendung von objektiven Aussagen stecken, die unbestreitbaren Fakten aufdecken, die sich hinter der Anwendung von Vorurteilen verstecken? 

Konkret geht Latour hier auf die Debatte über die Erderhitzung ein. Reaktionäre Kräfte, Extremisten und Industrien haben in der Vergangenheit auch hier das Argument der sozialen Konstruktion von Fakten über die Klimakatastrophe bemüht, „um mühsam gewonnene Beweise zu zerstören, die unser Leben retten könnten“. So etwa der republikanische Stratege Frank Luntz, der seiner Partei geraten hat, den überwiegenden wissenschaftlichen Konsens zum menschengemachten Klimawandel in Frage zu stellen und das Fehlen von letztgültiger wissenschaftlicher Sicherheit hervorzuheben. Auch während der Covid-19 Pandemie können wir dieses Argumentationsmuster beobachten. Dazu kommt, dass wissenschaftliche Evidenz und deren Leugnung medial als gleichberechtigt dargestellt werden – eben als Meinung und als Gegenmeinung. „False Balance“ ist der medienwissenschaftliche Fachausdruck hierfür. Werden Fakten so einfach nur ein weiteres Narrativ, dass man glauben kann, oder eben nicht? 

Verschwörungstheorie als Wissenschaftskritik? 

Die prinzipielle Unterstellung von verborgenen Interessen und Agenden stellt bei oberflächlicher Betrachtung sowohl für die Ideologiekritik als auch für Verschwörungstheorien einen Ausgangspunkt dar: Es gilt anerkanntes Wissen zu hinterfragen. Der entscheidende Unterschied dabei ist jedoch, dass Verschwörungstheorien keine wissenschaftlichen Analysen von komplexen Zusammenhängen darstellen, sondern viel mehr Erzählungen sind, die hintersinnige aber doch recht simple Antworten auf die Unübersichtlichkeit der Welt bieten. Die Q-Anon Verschwörungstheorie basiert im Grunde auf einem kollektiven Schreibexperiment, dass rassistische und antisemitische Positionen spielerisch hervorbringt. Schuldige sind hier schnell gefunden: Hillary Clinton, George Soros, Bill Gates oder der Deep State.

Immer wieder konnte auch gezeigt werden, dass Verschwörungstheorien nicht über unmittelbare Indoktrination funktionieren, sondern über „suggestive Fährten“ entstehen, die dazu ermutigen, klassischen Vorurteilen entsprechende Ergebnisse „selbstständig“ aufzuspüren.  Diese Erzählungen bieten emotionale Entlastung, da man so den Befunden der Wissenschaft nicht mehr hilflos ausgeliefert ist. Das ermöglicht auch den Wechsel „vom passiven Opferstatus in das wesentlich attraktivere Selbstbild des aktiven Rebellentums“ wie Thomas Edlinger in seinem Aufsatz „Die Verkehrung der Widerstände – Zero Covid. Querfront-Demos und das neue dunkle Zeitalter“ schreibt. Die Pose des Rebellentums kann dabei auch ganz oben eingenommen werden – man denkt hierzulande an Herbert Kickls Auftritte bei Coronaleugner*innen-Demos oder an Donald Trump. 

Die Kunst der Konspiration

Problematisch in der Bewertung von Informationen ist, dass es auch tatsächliche Verschwörungen gibt. Die Existenz von Schattennetzwerken, geheimen Absprachen und mafiösen Verbindungen ist politische Realität. Der US-amerikanische Künstler Mark Lombardi hat mit seinen Soziogrammen komplexe Machtstrukturen, politische Skandale und Netzwerke ästhetisch aufbereitet. Dabei handelt es sich keineswegs um Verschwörungstheorien, sondern um akribisch recherchierte, belegbare Sachverhalte. In Lombardis Bildern wurden etwa die ökonomischen Verstrickungen der Familien Bush und Bin-Laden schon vor dem 11.September 2001 dargestellt. Mit voranschreitender Bekanntheit seiner Werke wurde Lombardi bis zu seinem Selbstmord im Jahr 2000 vom FBI überwacht. 

Lombardis Werke machen aber eines deutlich: Im Unterschied zur imaginierten Verschwörungstheorie sind reale Verschwörungen in ihren Zielen und in den einbezogenen Akteursgruppen begrenzt. Sie lassen sich im Gegensatz zur „Weltverschwörung“ nachweisen, darstellen, belegen und benennen. 

Die Verteidigung der Wissenschaft 

Die Covid-19 Pandemie hat auch gezeigt, dass eine wissenschaftliche Debatte keine politische Debatte ersetzt. Fakten sprechen nicht für sich allein. Die Vorstellung von harten, objektiven Fakten schränkt den Blick auf den eigentlichen Prozess der Wissenschaftsproduktion ein. Die Geschichte aller Wissenschaften war immer auch eine Geschichte von Irrtümern. Genau dieses Verständnis wäre ein Schlüssel, um die Position der Wissenschaft in der Öffentlichkeit zu verteidigen. Es reicht in der öffentlichen Debatte nicht aus, bloß auf die Wissenschaftlichkeit von Fakten zu bestehen, oder auf den von gegenseitiger Überprüfung und Kritik strukturierten Forschungsprozess. Die transparente Darstellung von Wissenschaft als unsicheren, kontroversen „Trial-and-Error Prozess“ als „Science in Action“, wie es Bruno Latour fordert, ist eine Möglichkeit, Vertrauen zurückzugewinnen, auch wenn damit das Risiko einhergeht, dass Konflikte und Irrtümer explizit werden.

Die Poesie der Landschaft

  • 29.03.2022, 20:56

Eine Ausstellung in Eisenstadt, ein Land-Art Projekt im Burgenland und warum Baukultur in Österreich mehr Aufmerksamkeit verdient.

Die Sonne hat sich doch noch durchgekämpft an diesem Novembertag und eröffnet ein einzigartiges Zusammenspiel der kargen Landschaft mit Farben, Lichtern, schroffen Gesteinsformationen, Flora und Fauna. Wir stehen am Rande des Leithagebirges, das Niederösterreich vom Burgenland trennt. Hier beginnt die Eurasische Steppe, ein über weite Teile zusammenhängender Natur- und Kulturraum, der sich bis in die östlichsten Regionen Chinas, Russlands und der Mongolei erstreckt. Man blickt in die Weite der Pusztaebene und beginnt zu träumen. Region und Natur waren hier immer schon vom Menschen beeinflusst. Weinbau, Viehzucht und der Steinbruch prägen die Landschaft bis heute noch. In der kleinen burgenländischen Gemeinde Breitenbrunn wurde bis in die 1930er-Jahre der Kalksandstein des Leithagebirges abgebaut, der seine Verwendung bei Bauten wie dem Stephansdom, der Staatsoper oder dem Wiener Rathaus fand. Genau hier befindet sich auch ein Projekt der viel beachteten und schwierig zu definierenden Kunstströmung „Land Art“: „Die Grube“ von Peter Noever, dem ehemaligen Direktor des Museums für angewandte Kunst in Wien (MAK). Vor allem international wurde das Projekt breit rezipiert, zuhause in Österreich kennt es fast niemand. Eine Ausstellung in der Architekturgalerie RaumBurgenland in Eisenstadt versucht das jetzt zu ändern.

Zwischen Ost und West

Noever hat das Areal rund um den aufgelassenen Steinbruch in Breitenbrunn in den 1960er Jahren erworben. „Die Grube“ wurde also auf Privatgrund realisiert, was es mitunter schwierig macht, das Projekt selbst zu besichtigen und womöglich auch zum geringen Bekanntheitsgrad beiträgt – bei aller Offenheit, die der Gestalter Besucher_innen bei jeder Gelegenheit entgegenbringt. Andererseits konnte Peter Noever so seine eigenen Vorstellungen und Ideen ganz ohne Auftraggeber oder Bauherren verwirklichen. „Die Grube“ ist Noevers Auseinandersetzung mit der traditionellen burgenländischen Architektur, die an der Schnittstelle zwischen zwei Weltkulturen steht und seinen Versuch darstellt, die von Menschenhand (mit-)geformte Natur unmittelbar und sinnlich begreifbar zu machen. Die Natur wird hier aber nicht, wie in der Landschafts- oder Gartenkunst üblich, modelliert oder in Szene gesetzt. Die bloße Darstellung der beiden Pole Natur und (Bau-)Kultur sowie deren Dialog reichen aus, um Wirkung zu erzeugen. Ausgangspunkt der Landschaftsintervention ist ein 200 Jahre alter Weinkeller, wie sie häufig in der Region zu finden sind. Man steigt hinab in ein 30 Meter langes unterirdisches Gewölbe mit charakteristischem Raumklima, dessen nördliches Ende allerdings zu einem kreisrunden Erdtrichter, „der Grube“, hin freigelegt wurde. „Es gibt beim Prinzip Keller immer die Gewissheit von einem dead end. Man steigt aus dem Hellen kommend in den Keller und dann wird es immer dunkler. Alle Sicherheit ist dahin. Mein Keller ist das genaue Gegenteil dieses Prinzips“, so Noever. Durch die Freilegung und Verschiebung der Kellerabschlusswand nach innen befindet man sich nun in einem überwölbten, intimen Platz mit speziellem Mikroklima, windgeschützt, mit Tischen und Bänken möbliert, und blickt auf den Graskegel unter freiem Himmel, der das Zentrum der Arbeit darstellt. „Wir hatten viele Räusche hier“, lässt Noever an anderer Stelle durchblicken. Man ist geneigt zu denken, dass es dafür wohl keinen geeigneteren und gemütlicheren Ort gibt.

Zurückgeben statt abbauen

In einer weiteren Bauphase wurde von dem Erdtrichter weg, in einer Achse mit dem Weinkeller, ein 65 Meter langer Gang ausgehoben, der an beiden Seiten von zwei langgezogenen Mauern begrenzt ist und aus der eigentlichen Grube hinaus auf das Areal des ehemaligen Steinbruchs führt. Hier stößt man auf weitere bauliche Interventionen wie bspw. die Sitzgruben des Universalkünstlers Walter Pichler, in denen man die klimatischen Bedingungen Pannoniens auf Augenhöhe mit den Bodenlebewesen erfahren kann. Auch 36 Betonkuben findet man auf dem Grundstück – sie sind Ausdruck von Noevers Wunsch, dem Steinbruch auch etwas zurückzugeben und nicht nur abzubauen. Bauliches und Natur fließen hier gewissermaßen ineinander – aus einigen Betonwürfel wachsen Bäume. Als 37. Kubus wird die spartanische Wohneinheit, die mit dem Weinkeller verbunden ist, bezeichnet. Hat man das Gelände des Steinbruchs, in dem die Spuren der Abbautätigkeit noch deutlich sichtbar sind, durchschritten, so stellt dieser Kubus den Endpunkt des Rundgangs dar. Hier werden zugleich Elemente der vernakulären Architektur und traditioneller Bauweisen im Burgenland aufgegriffen. Der Kubus ist straßenseitig fensterlos, also nach außen hin abgeschirmt, ähnlich dem Typus der burgenländischen Streckhäuser. Nur das Betreten einer Treppe ohne Handlauf auf der inneren Seite des Wohnkubus erlaubt einen Blick auf den Neusiedlersee. Die Fassade ist, wie für die Region typisch, gekalkt. Ein Vorgang, der zwei- bis dreimal im Jahr wiederholt werden muss. Im Gegensatz zu Kunststofffassaden sind Kalkfassaden jedoch atmungsfähig. Sie haben zudem nicht nur die Eigenschaft, Sonnenstrahlen auf eine bestimmte Art und Weise zu reflektieren, sodass ein besonderes Schauspiel von Materialität und Licht entsteht, sondern auch den Vorteil, dass sie durch ihr hohes Rückstrahlungsvermögen der Erwärmung von Außenwänden an heißen Sommertagen entgegenwirken. Auch aus hygienischen Gründen ist eine weiß gekalkte Oberfläche günstig.

Anonyme Architektur

Es ist dieses Wissen um lokale Materialien und organische Strukturen, das in den letzten Jahren verloren ging und gerade jetzt im Angesicht der Klimakrise von Bedeutung ist. Es sind die Aspekte der „Anonymen Architektur“ oder auch der „Architektur ohne Architekten“, die speziell im Burgenland Analogien zur Mediterranen Architektur aufweist, in deren Tradition auch „die Grube“ steht. Der Begriff „Anonyme Architektur“, dem schon Bernard Rudofsky oder Roland Rainer nachgespürt haben, wird verstanden als Abgrenzung zu einer akademischen „top-down“ Architektur ohne Bezug zu lokalen Traditionen und Charakteristika. Während der Architekturdiskurs in den 1960er-Jahren durch diesen Begriff geprägt war und immer mehr Architekt_innen begannen, statt exzeptioneller Bauwerke unprätentiöse Gebäude zu planen, die den örtlichen Kontext und lokale Identitäten berücksichtigten, gab es in den folgenden Jahrzehnten eine gegensätzliche Entwicklung. Wie in so vielen Gegenden in Österreich lösten sich ab den 1970er-Jahren auch im Burgenland viele neu gebaute Häuser von alten Strukturen, Traditionen und Morphologien los. Die Folgen davon sehen wir bis heute: Stilistische Beliebigkeit, zerstörte Ortsstrukturen und zersiedelte Gemeinden resultierend in hohem Bodenverbrauch. Ein fatales Missverständnis, wenn „Anonyme Architektur“ mit austauschbarer Architektur verwechselt wird.

Ein Widerspruch

Gerade dieser Kontext macht Peter Noevers Projekt so relevant, weil es dadurch einen Standpunkt markiert. „Die Grube“ ist einerseits ein Ort, der nur durch seine ästhetische Qualität funktioniert, gleichzeitig aber mit Bedeutung aufgeladen ist, da er wie ein Gegenpol zur gedankenlosen Landschaftsverwertung wirkt. Das Projekt ist auch ein Plädoyer für mehr Fantasie in der Gestaltung, für Mut, Freude und experimentelle Hinwendung zur Radikalität. „Es reicht nicht, 1000 Bäume zu versprechen, man muss Gestaltung versprechen“, so die Landschaftsarchitektin Maria Auböck unlängst in einem Radiointerview. „Das Problem der Versäumnisse der letzten Jahre ist, dass wir durch den Klimawandel jetzt unter großen Druck gekommen sind, sodass viele Planungsentscheidungen plakativ wirken“, führt sie weiter aus und spielt damit auf Gesetze in der Stadtplanung an, die auf einen Mindestflächenanteil an Fassadenbegrünung abzielen. „Das geht aber nicht ohne eine Fassadengestaltung“, erklärt Auböck. Auch in dieser Hinsicht ist „die Grube“ ein Gegenentwurf. Noever, der es im Übrigen als unsinnig empfindet, Natur „zu bauen“ (z.B. Bäume mit großem Energieaufwand auf Dächer zu setzen), sieht viel Scheitern in der Architektur darin begründet, dass man in relativ kurzer Zeit eine Vielzahl von Entscheidungen treffen und Probleme lösen muss. Hat man jedoch den Luxus, einen Ort über Jahrzehnte hinweg zu gestalten, entsteht eine andere Dynamik. „Die Grube“ ist ein Ort der Beruhigung. Das macht den Kontrast zur der aktuellen Planungspraxis im öffentlichen Raum sichtbar. „Im öffentlichen Raum sind so viele Verordnungen und Gesetze einzuhalten, dass man das Gefühl hat, es handelt sich um eine Sicherheitsplanung und nicht um eine Fantasieplanung“, sagt Maria Auböck. In einer Zeit, in der Architektur nicht zwingend von Menschen, sondern auch von Algorithmen gemacht werden kann, gehen subtile Elemente und der Blick für den Bestand verloren, auf Kosten der lokalen Baukultur.

Ein Schritt zurück, um vorwärtszukommen

Müssen wir also baukulturell mehrere zeitliche Schritte zurückgehen, um den Problemen der Zukunft adäquat begegnen zu können? Dass dies nicht zwingend mit einer rückwärtsgewandten Denkweise verknüpft sein muss, zeigt das geografisch am anderen Ende von Österreich liegende Beispiel Bregenzerwald. Dort hat sich in den letzten Jahrzehnten eine Kultur entwickelt, die die lokalen und regionalen Aspekte des Holzbaus in der gebauten Umwelt wieder aufgegriffen haben. Dadurch konnte nicht nur was die Planungs- und Bauleistung betrifft internationale Vorbildwirkung erzielt werden, sondern auch ein starker Wirtschaftsfaktor in der Region geschaffen werden. Jedoch besteht hierzulande generell eine geringe Wertschätzung für baukulturelles Erbe, wie der kürzlich erschienene „Vierte Baukultur Report“ des Bundesministeriums für Kunst und Kultur feststellt. Die Autor_innen sehen in der Steigerung der gesellschaftlichen Bedeutung von Baukultur ein zentrales Instrument zur Erreichung ökologischer Ziele, insbesondere einen verbesserten Bodenschutz und eine Reduktion der CO2- Emissionen. Deshalb wird in dem Report die Einrichtung einer Agentur für Baukultur vorgeschlagen, bei der als Tätigkeitsfelder neben Forschungsförderung und Qualitätsentwicklung auch Beratung und Kooperationen mit Städten und Gemeinden sowie die inhaltliche und finanzielle Förderung von Projekten definiert werden. Dass Sensibilität für Bestehendes bereichernd sein kann, zeigt die Ausstellung in Eisenstadt, die auch Vorhaben im Zusammenhang mit dem Land-Art-Projekt präsentiert, die zwar geplant waren, aber noch ihrer Realisierung harren. Ein Ausflug, der sich lohnt.

Die Ausstellung "out ̅of the blue" – Art and Architecture Out There“ ist noch bis 20. Mai 2022 im ArchitekturRaumBurgenland zu sehen.

Sebastian Hafner studiert Raumforschung an der Universität Wien und arbeitet in einem Architekturbüro.

Rassismus im Bildungssystem

  • 12.03.2022, 15:02

„Heute lernen wir etwas über Afrika!“ Räuspern, husten, unangenehme Stille. „Weiß jemand etwas darüber?“ Alle Augen fallen auf mich. Naja, ich könnte schon von meinem nigerianischen Lieblingsessen erzählen oder davon, wie lustig ich Nollywood-Filme finde. Aber so, wie meine Mitschüler*innen mich ansehen, erwarten sie keine positiven Erzählungen darüber.

Wie Rassismus in Schulbüchern zu schlechteren Bildungschancen für BIPOCs führt. Die Lehrerin fährt fort und wir hören uns eine Stunde an, wie arm und dreckig Afrika ist – natürlich wird hier auch angenommen, dass Afrika ein Land ist, ein Einheitsbrei mit nur einer Sprache, einer Kultur und einer Lebensrealität.

Ich und alle meine Mitschüler*innen werden also schon im jungen Alter mit diesen falschen, vorurteilsbehafteten und rassistischen Narrativen gefüttert. Klar, dass dann niemand an moderne und belebte Städte wenn man sich „Afrika“ vorstellt.

Ich sage immer, wenn wir schon in der Schule oder im Kindergarten ansetzen und dort lernen würden, was es bedeutet, anti-rassistisch zu sein, hätten wir dieses Problem später im Leben nicht mehr. Die meisten Menschen in Österreich gehen zu einem Zeitpunkt ihres Lebens in die Schule, was dort gelehrt und gelernt wird, setzt sich in unseren Köpfen fest. Wir wachsen alle in einem rassistischen System auf, das die Welt aus einem eurozentrischen Blickwinkel betrachtet und andere Teile oder Menschen der Welt nicht nur ausschließt, sondern aktiv als minderwertig und folglich schlechter darstellt. BIPOCs weltweit leiden natürlich an diesem Missbrauch von Macht; in österreichischen Schulen äußert sich das dann leider nicht nur als unangenehme Stille im Klassenraum, wenn wir über Afrika sprechen, sondern auch in beleidigenden Kommentaren, rassistischen Übergriffen und schlechterer Benotung. Aus einer Studie der Universität Mannheim geht hervor, dass Lehrpersonen dasselbe Diktat schlechter benoten, wenn Murat statt Max auf dem Zettel steht. Real bedeutet das, dass Murat folglich schlechtere Chancen hat, den gleichen Bildungsweg einzuschlagen wie Max.

An der Hochschule wird alles besser, oder? Wir sind nun in der Uni angelangt. Schauen wir uns einmal an, wer noch dabei ist. Und wie viele Maxis und Murats haben es geschafft?

Studierende mit Migrationsbiografie haben oft höhere Bildungsziele als ihre Mitstudierenden und absolvieren das deutsche Schulsystem erfolgreich, trotzdem haben sie ein höheres Risiko, ihr Studium abzubrechen, als ihre Kolleg*innen. Wir greifen hier auf eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration zurück. In Österreich sind solche Statistiken viel schwieriger aufzufinden, weil sie teilweise auch nicht erhoben werden, aber das ist ein anderes Thema. Das Problem der vermeintlich unsichtbaren Hürde für Studierende mit Migrationsbiografie können wir schon früh im Studium erkennen. Zum Ende des dritten und fünften Semesters haben Bachelorstudierende mit Migrationsbiografie deutlich weniger Kurse absolviert als ihre Mitstudierenden ohne Migrationsbiografie. Außerdem erzielen sie durchschnittlich schlechtere Prüfungsergebnisse, das zeigt sich in Untersuchungen aus den Disziplinen Jura, Medizin und Wirtschaftswissenschaften.

Schauen wir nach Österreich: Die Universität Wien schmückt sich mit dem Motto Wirkt. Seit 1365. Aber wogegen oder in welcher Hinsicht? Für eine anti-rassistische Hochschule? Gegen Bildungsungleichheiten und für einen sicheren akademischen Raum für alle, die ihn besuchen wollen?

pDu kannst durch dein Studium gehen und nur Texte und Literatur von weißen cis Männern über 55 gelesen haben. Die Fragen, die sich mir daraufhin stellen, sind womit ich mich genau beschäftigt habe, welches Wissen ich mir angeeignet habe, welche Ideen und Theorien ich auswendig gelernt habe und vor allem welche nicht. Wer wurde ausgelassen, welche Perspektive wurde nicht mitgedacht und wie legitimiert ist mein Wissen in meiner Disziplin, wenn es auf Primärtexten von nur einer Gruppe Menschen basiert? Genau genommen von der Gruppe von Menschen, die auch alles andere beherrschen in dieser post-kolonialen, patriarchalen Welt.

„Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen. Die gelben Indianer haben schon ein geringeres Talent. Die [N*Wort] sind weit tiefer, und am tiefsten steht ein Teil der amerikanischen Völkerschaften.“ (Immanuel Kant: Physische Geographie, Bd. II, Königsberg 1802, S. 315.)

Bald feiert der Autor dieses Zitats seinen 300. Geburtstag. Schon jetzt sind diverse Kulturinstitutionen mit der Vorbereitung dieses Events beschäftigt. Immanuel Kant wird so sehr gefeiert, dass nicht mal die TU-Wien-Party Anfang Oktober 2021 mithalten könnte. Trotz rassistischer Denkkonzepte, die dem obigen Zitat zu Grunde liegen, gilt Kant auch in einer #blacklivesmatter-Welt als Held.

Akademie und Hochschulbildung hat den Anspruch, zu hinterfragen und sich zu wandeln, zu verändern. Für mein akademisches Verständnis bedeutet das also: Wenn wir über Marxismus, Feminismus, Postkolonialismus oder Kulturwisssenschaften sprechen, dann geht das auch mit Ngugi Wa’Thiongo, Chimamanda Ngozi Adichie, Simon Gikandi und Joyce Nyairo & James Ogude und nicht nur mit Friedrichs, Julias, Herberts oder Immanuel Kants.

Einen anti-rassistischen Stein ins Rollen bringen Wie können wir also einen Gegenpol zu den verfestigten Strukturen schaffen, in denen unsere Hochschulen stecken? Im Sommersemester 2021 habe ich mich via Instagram das erste Mal öffentlich über das Thema Hochschule und Rassismus geäußert. Nicht nur der Lehrende, der in seinen Lehrveranstaltungen das N-Wort verwendet, hat mich dazu gebracht, sondern auch die fehlende Solidarität meiner Mitstudierenden, als ich ihn bat, dies zu unterlassen. Woran ich jedoch wirklich gemerkt hatte, dass es Zeit war, dieses Thema zu beleuchten, waren die Reaktionen auf meine Kritik:

„Mir ist jetzt erst aufgefallen, dass das in meinem Studiengang auch voll das Problem ist.“ Jemand anderes schrieb mir: „Du hast Recht, aber wenn ein Prof halt diese Sprache verwendet, dann wird das schon okay sein, dachte ich...bis jetzt“, weitere Personen meinten, „Ich werde in Zukunft mehr darauf achten!“.

Natürlich freut es mich, wenn meine Inhalte Menschen erreichen und berühren, aber dass das N-Wort nicht mehr ausgesprochen verwendet werden sollte, ist uns allen eigentlich schon seit Jahren klar, oder?

Am Uni-Institut hat meine Kritik auf jeden Fall einen anti-rassistischen Stein ins Rollen gebracht. Daraufhin hat sich nämlich die Arbeitsgruppe gegen Rassismus gebildet, die versucht, innerhalb der Afrikawissenschaften anti-rassistischer zu wirken. Eine Art der Bestrebung, die sich andere Institute und Hochschulen als Ganzes gerne abschauen können und sollten – Mitwirkende sollen dabei natürlich vor allem BIPOCs sein. Vor allem im akademischen Raum müssen sich BIPOCs sehr viel mehr anstrengen, um die gleichen Wertschätzung zu erleben wie weiße Studierende, obwohl ihnen zusätzliche Steine in den Weg gelegt werden, wie wir bei Murat gesehen haben. Umso wichtiger ist eine Vernetzung unter Studierenden und BIPOCs an Hochschulen im Allgemeinen. Eine zweite Maßnahme, die sinnvoll ist, um Räume zu öffnen und über Themen zu sprechen, die sonst keinen Platz finden. Um sich gegenseitig zu empowern und Ideen auszutauschen. Um zu begreifen, wie viele andere Menschen mit ähnlichen Erfahrungen es noch gibt und wie man sich vernetzen kann.

Damit die genannten Maßnahmen zur Gewohnheit und fehlende Solidarität zur Vergangenheit werden, braucht es uns alle. Es braucht strukturelle Veränderungen an den Hochschulen von der Basis bis zur Spitze. Denn es braucht Mut, um zu sagen, dass wir rassistische Hochschulen haben, und noch mehr Mut, um dagegen anzukämpfen.

Literatur:

Ungleiche Bildungschancen Fakten zur Benachteiligung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem, unter: https://www.stiftung-mercator.de/content/uploads/ 2020/12/Kurz_und_Buendig_Bildung.pdf

Roig, Emilia (2021): Why We Matter. Unter: //bit. ly/3r2oBs8

Arbeitsgruppe gegen Rassismus des Instituts der Afrikawissenschaften an der Universität Wien: https://afrika.univie.ac.at/ueber-uns/ag-gegenrassismus/

Universität Mannheim (2018): Max versus Murat: schlechtere Noten im Diktat für Grundschulkinder mit türkischem Hintergrund, unter: https://www. uni-mannheim.de/newsroom/presse/pressemitteilungen/ 2018/juli/max-versus-murat-schlechterenoten- im-diktat-fuer-grundschulkinder-mit-tuerkischem- hintergrund/

Gefangen im Inseratensumpf

  • 05.01.2022, 11:51
Die Österreicher_innen verbindet seit jeher ein schwieriges Verhältnis mit den Medien. Ein Grund hierfür sind nicht zuletzt die zahlreichen Skandale, in denen nicht nur die Zeitungen selbst, sondern auch ranghohe Politiker_innen verwoben sind. Doch was begünstigt diese Strukturen und was müsste passieren, um sie einzugrenzen?

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis es mal wieder richtig kracht in der von Skandalen gebeutelten politischen Landschaft Österreichs. Dass es aber bis hinauf in die höchsten politischen Ämter reicht und sich sogar der Bundeskanzler dazu gezwungen sehen würde zurückzutreten, damit haben wohl die wenigsten gerechnet. Schuld an der jüngsten Krise der Republik Österreich, die unter dem Schlagwort Inseratenaffäre publik wurde, ist nicht zuletzt das diffuse Selbstverständnis von einigen Politker_innen, wenn es um die Vergabe von Inseraten geht.

Eigentlich handelt es sich bei der Schaltung von Inseraten um nichts Verwerfliches, da es einen legitimen Weg darstellt, eine breite Öffentlichkeit über politische Vorhaben zu informieren. So wurden insbesondere während der Corona-Krise viele Anzeigen geschaltet, um die Gesellschaft über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. Das Problematische hierbei ist aber ein tiefverwurzeltes Selbstverständnis von Politiker_innen, dass die Zahlung für die Inserate nicht nur eine Schaltung, sondern auch eine (positive) Berichterstattung beinhalten müsse. Das traf etwa im jüngsten Fall zu, als manipulierte Umfragen zu Gunsten des damaligen Außenministers Sebastian Kurz veröffentlicht wurden, die vom Finanzministerium gesteuert worden waren.*

Direkte, indirekte und verdeckte Presseförderung

Während sich in einigen Ländern die Medien explizit gegen eine direkte Medienförderung aussprechen, um ihre Unabhängigkeit zu wahren, wie etwa in Deutschland oder den USA, besteht die direkte Presseförderung in Österreich bereits seit 1975, wobei sie 2004 novelliert wurde und seitdem durch die staatliche Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) umgesetzt wird. Die direkte Presseförderung belief sich im Jahr 2019 auf 8,6 Mio. Euro, wobei 2020 im Zuge der Pandemie die Förderungen auf knapp 27,5 Mio. Euro angehoben wurden. Diese Förderungssumme gliedert sich in drei Töpfe auf 1) Vertriebsförderung für Tages- und Wochenzeitungen (3,8 Mio. Euro) 2) besondere Förderungen zur Erhaltung der regionalen Vielfalt der Tageszeitungen (3,2 Mio. Euro) und 3)  Zukunftsförderung und Qualitätssicherung (1,5 Mio. Euro). Unter die indirekte Presseförderung fallen zudem die Senkung der Mehrwertsteuer auf Zeitungen und Zeitschriften sowie reduzierte Posttarife.

Die besonders lukrative Förderung liegt aber in der „verdeckten“ Presseförderungen, wie manche die Inseratenvergabe von staatlichen Stellen nennen. Eine unter der Leitung von Medienwissenschaftler und -berater Andy Kaltenbrunner erstellte Studie des Medienhauses Wien zur Inseratenvergabe an Tageszeitungen im Pandemiejahr 2020, „Scheinbar transparent II“,  untersuchte die jeweiligen Ausga-ben der einzelnen Ministerien. Insgesamt gaben die Bundesministerien 2020 knapp 47,5 Mio. Euro für Inserate aus, wovon 33,5 Mio. auf die österreichi-schen Tageszeitungen allein ausfielen. Allein 14,3 Mio. Euro inserierte das Bundeskanzleramt und 95 Prozent aller Inserate kamen von ÖVP-regierten Ministerien. Größte Nutznießer dieser Inserate waren die Kronen Zeitung (8,4 Mio. Euro) sowie die beiden Gratiszeitungen Heute (5,5 Mio. Euro) und Österreich/Oe24 (5,2 Mio. Euro). 

Die Einnahmen durch staatlich geschaltete Inserate kommen für die Zeitungen jedoch nicht nur aus den Ministerien. Allein für die Kronen Zeitung sind im Medientransparenzregister für das Jahr 2020 Inserate in Höhe von 25,8 Mio. Euro gelistet. Dagegen wirkt die gesetzlich geregelte Presseförderung, aus der die Kronen Zeitung im gleichen Zeitraum trotz üppigerer Presseförderung durch die Pandemie ca. 3,2 Mio. Euro bezog, eher gering. Mickrige 20.000,00 Euro entfielen dabei auf die Qualitätsförderung und Zukunftssicherung. 
Insgesamt wird die Inseratenvergabe von allen staatlichen Stellen sowie staatsnahen Betrieben in Österreich auf 200 bis 300 Mio. Euro geschätzt. Allein die Stadt Wien hat 2020 Inserate im Wert von 24 Mio. Euro geschaltet. Auch hier sicherten sich die drei großen Boulevard-Medien den größten Anteil mit knapp 10,4 Mio. Euro. Zwar verteidigt sich die Stadt Wien, dass die Inseratenvergabe auf einer Mediendiskursstudie von 2018 basiere. Doch erst vor kurzem berichtete die Rechercheplattform „Dossier“ über ein am Medientransparenzgesetz vorbei gemogeltes Inserat in Höhe von 172.000,00 Euro für einen SPÖ-nahen Verlag. Die vehemente Weigerung der Stadt Wien, die Höhe des Inserats preis zu geben, und die Tatsache, dass erst nach drei Jahren aufgrund von zwei Gerichtsbeschlüssen Auskunft gegeben wurde, lässt vermuten, dass die Stadt Wien auch keine gänzlich reine Weste hat. Kaltenbrunner kommt zu dem Schluss: „Die Inseraten- und Förderpolitik von Österreichs Bundesregierung im Tageszeitungsmarkt ist in den vergangenen Jahren ideell und konzeptuell aus dem Ruder gelaufen.“

Antikorruptionsvolksbegehren

Die im Herbst publik gewordene jüngste Inseratenaffäre ist dabei nur ein Symptom von vielen anderen, die die in Österreich existierende Korruption aufzeigen. In dem 2020 von Transparency International veröffentlichen Korruptionsindex belegt Österreich derzeit mit 76 von 100 Punkten Platz 15 im internationalen Vergleich und hat somit definitiv noch Verbesserungsbedarf, wie auch Martin Kreutner, Mitbegründer des Antikorruptionsbegehrens, findet: „Auch haben wir in Österreich thematisch einen immer noch fast folkloristisch-verniedlichten Zugang zu Korruption.“ Hinter dem Antikorruptionsbegehren, das im Juni 2021 initiiert wurde, stehen dutzende prominente Unterstützer_innen aus allen gesellschaftlichen Bereichen. 
Anhand 72 konkreter Forderungen rufen sie die Politik aktiv dazu auf, gegen die Auswüchse von Korruption in Österreich vorzugehen. „Obwohl Korruption in Österreich jährlich Schäden im zweistelligen Milliardenbereich verursacht – Gelder, die etwa für Klimaschutz, Ausbau der Universitäten, Menschenrechte, Kinder- und Familienbetreuung etc. genützt werden sollten - und zudem durch Korruption offensichtlich Wahlen beeinflusst worden sind während die Inseratenkorruption nie gekannte Ausmaße erreicht hat, tun wir vielerorts immer noch so, als ob dies ‚eh immer schon so gewesen‘ sei oder gar ‚sozialadäquat‘ wäre. Nein, ist es nicht!“, so Martin Kreutner. Bis zum 9. Dezember, dem Welt-Anti-Korruptions-Tag, wurden insgesamt tausende Unterschriften gesammelt, wodurch das Innenministerium dem Begehren nun eine Eintragungswoche zuweisen muss. 

Aber nicht nur externe Akteur_innen äußern Kritik am Umgang mit Inseraten. Viele Zeitungen sehen sich unter Generalverdacht. Der Verein der Chefredakteur_innen, dem die Boulevard-Medien übrigens nicht angehören, veröffentlichte im Oktober eine Stellungnahme, in der sie sich klar gegen die Vorwürfe aussprachen: „Die in den Justizunterlagen beschriebenen Zustände sind unethisch, unmoralisch und verwerflich. Medienkonsumenten wurden dadurch getäuscht, der Ruf der Medienbranche beschädigt.“ 

Was müsste passieren?

Die Probleme, die mit den bisherigen Förderungsgesetzen einhergehen, sind schon seit längerem bekannt. Tatsächlich gab es schon unter der Regierung Christian Kerns mit dem damaligen Kanzleramtsminister Thomas Drozda konkrete Pläne, die bestehenden Medienförderungen grundlegend zu ändern, indem die Presseförderung angehoben und die Inseratenvergabe reduziert werden sollte. Laut Drozda scheiterte das Vorhaben jedoch auf den letzten Metern, weil der damalige Koalitionspartner ÖVP intervenierte, wobei sicherlich auch nicht jede_r rote Minister_in von einem Inseraten-Entzug angetan gewesen wäre.  Im aktuellen Regierungsvertrag ist die Rede von einer „Überprüfung der derzeitigen Vergabe- und Förderkriterien" mit den Unterpunkten „Überprüfung der Kriterien der Inseratenvergabe der öffentlichen Verwaltung staatsnaher Unternehmen“ sowie der „Überprüfung des Medientransparenzgesetzes“. Was darunter zu verstehen ist bleibt zwar vage, dennoch besteht ein Bewusstsein für die Unabdingbarkeit einer Reform des vorherrschenden Systems.

Novellierung der Presseförderung

Eine Novellierung der Presseförderung scheint aufgrund der derzeitigen Dynamiken unabwendbar. Hierbei müsste für eine Presseförderung, die wirklich die Qualität und Vielfalt journalistischer Angebote gewährleistet, deutlich mehr Geld bereitgestellt werden als die bisher jährlich angesetzten knapp neun Mio. Euro. Zwei Beispiele, die in diesem Kontext immer wieder genannt werden, sind Dänemark und Schweden. So gibt Schweden (ca. 10,5 Mio. Einwohner_innen) jährlich knapp 70 Mio. Euro an Presseförderung aus. In Dänemark (ca. 5,5 Mio. Einwohner_innen) sind es sogar 60 Mio. Euro.** Auch hier wird die Presseförderung dazu genutzt, die Qualität, Vielfalt und den Vertrieb zu fördern, wobei in Dänemark seit 2013 noch eine zusätzliche Förderung für die Digitalisierung vorgesehen ist. 

Die derzeitige Ausschüttung horrender Summen für Inserate unterstützt insbesondere die Boulevard-Medien, die ihre Nachrichten ohnehin mit einem vergleichsweise geringen journalistischen Aufwand erstellen. Vielmehr müsste ein effektives Presseförderungsgesetz her, das gezielt mehr Geld für die Vielfalt an Medien sowie für die Zukunftssicherung und Qualitätsförderung bereitstellt. Die Vergabekriterien für  Förderungen sollten klar vorgegeben sein, sodass sowohl die Medien als auch die Presseförderungskommission, die über die Vergabe der Förderung entscheidet, diese effektiv umsetzen können. Eine solche Förderung könnte dann tatsächlich dazu beitragen, den politischen Diskurs durch qualitative Meinungspluralität zu bereichern. Eine konkrete Summe, wie hoch eine derartige Presseförderung sein müsste, nannte Kaltenbrunner im Interview mit Der Standard im Oktober 2021: „Wahrscheinlich wären 100 Millionen Euro ein sinnvoller Budgeteinsatz.“

Deckelung des Inseratenbudgets

Um eine solche Summe zu finanzieren, wäre eine Umverteilung des Inseratenbudgets möglich. Eine damit einhergehende Kürzung der Inseratenvergabe würde für viele Medienunternehmen einem kalten Entzug gleichkommen. In Anbetracht der enormen Summe, die die Boulevard-Medien erhalten, wäre es zumindest für die Gratis-Zeitungen fraglich, ob sie ihr Geschäft weiterhin aufrechterhalten könnten. Dabei darf es sicherlich nicht das Ziel eines entsprechenden Gesetzes sein, gewisse Zeitungen zu benachteiligen. Vielmehr sollte die Umverteilung des Inseratenbudgets zugunsten einer stärkeren Presseförderung dazu dienen, die Diskrepanz zwischen Auflagenmaximierung und journalistischen Qualitätskriterien zu minimieren.

Aber auch ohne eine Kürzung der Inseratenausgaben müssten die Vergabekriterien nachvollziehbaren Vorgaben entsprechen und transparent dokumentiert werden. Zwar müssen staatliche Stellen seit dem 2011 beschlossenen Medientransparenzgesetz ihre Inseratenausgaben offenlegen, jedoch sind die auf der KommAustria bereitgestellten Dokumente bislang noch unübersichtlich aufbereitet und teilweise lückenhaft, da Grauzonen des Gesetzes ausgenutzt werden, wie Kaltenbrunners Analyse aufzeigt. 

Was die Zukunft bringt

Für das Jahr 2022 ist nun eine Digitalisierungsförderung für etablierte Zeitungen und den Rundfunk in Höhe von 34 Mio. Euro allein für das erste Jahr geplant. Markus Mair, Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen, äußerste sich begeistert zu dem Gesetzesvorhaben: „Damit österreichische Medienunternehmen verlegerischer Herkunft auch nachhaltig konkurrenzfähig gegenüber den internationalen Online-Giganten sind, führt kein Weg an der Umsetzung der Digitalförderung vorbei. Diese ist damit eine notwendige Ergänzung zur bestehenden Presseförderung.“ Gleichzeitig gibt es aber auch Kritik an dem Vorhaben, so gab das forum journalismus und medien (fjum) zu bedenken, dass „bereits existierende, aber vor allem noch zu gründende, journalistische Digitalmedien einen klaren Wettbewerbsnachteil bzw. höhere Markteintrittsbarrieren haben.“ Erst die Umsetzung 2022 wird zeigen, welche Auswirkungen die Förderung auf die Dynamiken der österreichischen Medienlandschaft haben wird und wer schlussendlich davon profitieren wird. Zudem bleibt abzuwarten, ob die im Regierungsprogramm angekündigten Vorhaben zur Überarbeitung der Presseförderung umgesetzt werden. Genug (gute) Gründe für eine Änderung gibt es auf jeden Fall.  

* Da die Ermittlungen derzeit noch laufen und es noch zu keiner Verurteilung gekommen ist, gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.

** Die Zahlen beziehen sich auf die direkten Presseförderungen Schwedens und Dänemark vor der Covid-Pandemie. 

Wieso wir Leistung nicht vor Gesundheit stellen sollten

  • 18.01.2022, 15:24
Ein roter Faden durch gefährliche Selbstoptimierung, die neoliberale Idee dahinter und ihren Zusammenhang mit unserer mentalen Gesundheit im Studium.

Wer heute lange genug durch diverse soziale Medien browst, stolpert früher oder später auf Selbstoptimierer_innen. Wenn man Instagram, Facebook und Co. glauben will, wirken Selbstoptimierer_innen zumindest in ihren Beiträgen als Fitnesstrainer_in, Vorzeigestudent_in und Ernährungscoach so, als hätten sie über jedes kleinste Detail in ihrem Leben die vollkommene Kontrolle und als schafften sie es, sich selbst auf einen hingeträumten „Optimalzustand“ des menschlichen Seins zu bringen. Mit dem Mindset „wer lange genug an sich arbeitet, schafft das, was ich geschafft habe“ setzen sie über soziale Medien unrealistische und gefährliche Standards. Ob das Leben der Influencer_innen offline tatsächlich so glamourös abläuft, dringt nicht durch.

Diese gefährlich hoch angesetzten Standards wirken auf außenstehende – und vor allem junge – Leute oft extrem belastend. Der konstante Druck, nicht gut genug zu sein und mehr an sich arbeiten zu müssen, trägt immens dazu bei, dass junge Erwachsene mit ihrer psychischen Gesundheit kämpfen müssen. Auch Jugendliche und Kinder sind diesen nicht einhaltbaren Standards ausgesetzt und erleben schon früh den Stress und Druck, nicht mit anderen mithalten zu können. Das erklärt die seit Jahren steigenden Zahlen der psychischen Krankheiten bei Personen unter 30.

Psychische Belastungen und Krankheiten haben durch die Corona-Pandemie stark zugenommen. Eine Studie der Donauuniversität Krems erhob, dass im Jahr 2019 rund fünf Prozent der jungen Erwachsenen eine depressive Symptomatik aufwiesen, während im Jahr 2021 fast die Hälfte der jungen Erwachsenen betroffen waren. „Besonders deutlich sind die sehr schweren Fälle, die sich in den letzten Jahren verzehnfacht haben“, meint der Leiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donauuniversität Krems Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh. Er ortet einen deutlichen Rückgang der Lebensqualität, der besonders Frauen, Arbeitslose und Alleinstehende trifft.

Von einer „Radikalisierung von arm und reich“ spricht in diesem Zusammenhang Prof. Dr. Benigna Gerisch, Psychoanalytikerin von der IPU Berlin. „Das heißt, dass mit den entsprechenden Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, man besser durch die Pandemie kommt, als wenn man die eben nicht hat. Einigen ist es also ziemlich gut gelungen, die Pandemie für sich ausgesprochen konstruktiv zu nutzen.“ Damit einhergehend steigt die öffentliche Präsenz von Selbstoptimierer_innen und vor allem auch der durch die fehlenden sozialen Kontakte entstehende Drang, die eigenen Erfolge in den sozialen Medien mit anderen zu teilen.

Selbstoptimierung und der dadurch resultierende Druck sind also kein neues Phänomen, wurden aber durch die Pandemie stark verschärft. Doch nicht alle haben die Möglichkeit, täglich ins Fitnessstudio für Sport, in die Bibliothek zum Lernen und in den Bio-Supermarkt für gesunde Ernährung zu gehen. Menschen, die neben dem Studium nicht arbeiten müssen und zuhause keine Betreuungspflichten haben, schaffen das viel wahrscheinlicher. Doch vor allem der erste Lockdown im März 2020 hat tiefe Gräben in der Gesellschaft gezogen. Die einen verlieren ihren Job, sind auf kleinstem Raum zuhause eingesperrt und müssen sich mit Zukunftsängsten herumschlagen, für die anderen fühlt es sich fast an wie Urlaub: Ein paar Monate zuhause sein, Zeit für Sport, gesunde Ernährung und sich selbst haben, im Studium weiterkommen. Es wird also klar: Selbstoptimierung ist Klassenfrage und wird durch die Pandemie verstärkt.

Doch woher kommt dieser Drang, sich ständig verbessern zu wollen und nicht gut genug zu scheinen? Die Wurzel befindet sich wie so oft in unserer kapitalistischen und neoliberalen Gesellschaft. Für jede_n brave_n Kapitalist_in ist das wahre Ziel im Leben das Streben nach individuellem Erfolg und persönlichem Reichtum. Nicht die Gemeinschaft, sondern das Individuum muss sich profilieren und nach den Sternen greifen. Um in einem solchen Weltbild Erfolge feiern zu können, ist es also notwendig, nicht in der Masse zu verschwinden, sondern herauszustechen, besser zu sein als die Leute um dich herum und keine Schwächen oder Nachteile zu zeigen. Nur so schafft man es an die Spitze. Doch für jede Person an der Spitze dieser neoliberalen Pyramide werden eine ganze Reihe an Personen an den Boden der Pyramide gedrückt, wo sie unter immer prekäreren Lebenssituationen leiden. Damit einhergehend: ein starker Abfall der mentalen Gesundheit.

Wenn man nun dieser neoliberalen Wertehaltung glauben möchte, ist also Selbstoptimierung die einzige Möglichkeit zum Erfolg. Um diese Theorie zu untermauern, wird oft die Erzählung des „American Dreams“ ausgegraben - jede Person kann es an die Spitze schaffen, wenn man sich fest genug anstrengt. Ob nun persönlicher Erfolg wirklich das einzige Ziel im Leben sein sollte, sei mal dahingestellt. Ein solches individualistisches Denken fördert nämlich kapitalistische Strukturen nur weiter.

Ein weiteres, riesiges Problem in dieser Denkweise ist, sind unterschiedliche Lebensrealitäten in unserer Gesellschaft. Denn wie schon angesprochen scheitert Selbstoptimierung für viele nicht an mangelndem Interesse oder Motivation. Notwendige Arbeitstätigkeit, Care Arbeit, Betreuungspflichten oder emotionale Arbeit sind für viele existenziell und nicht ablegbar. Zusätzlich stellt sich die Frage, nach welchem „Optimalzustand“ überhaupt gestrebt wird. Denkt man an eine stereotypisch makellose Person, entspricht diese meist den folgenden Kriterien: jung, weiß, schlank, cis-hetero, able-bodied, sportlich, klug und gut ausgebildet. Dass diesem Bild der Großteil der Gesellschaft nicht entspricht, nicht entsprechen kann oder will, wird außer Acht gelassen. Außerdem wird damit der Eindruck geweckt, dass alle Personen, die diesen Kategorien nicht entsprechen, minderwertig seien und als Mensch so nicht ausreichend. Schnell wird also klar, dass Selbstoptimierung und das Streben nach Perfektion Hand in Hand mit diskriminierenden Vorurteilen gehen und Rassismus, Sexismus, Ableismus oder Queerfeindlichkeit fördern. Solche Selbstoptimierungsprozesse sind immer an Konkurrenz und Wettbewerbsfähigkeit gekoppelt. Wer nicht mithält, fällt weg. Für alle anderen heißt steigende Selbstoptimierung auch steigender Leistungsdruck und nicht einhaltbare Erwartungshaltungen.

An dieser Stelle wichtig zu erwähnen: Nicht alle, die gerne Sport machen, sich gesund ernähren oder gerne an sich arbeiten, sind schuld an sozialer Ungleichbehandlung. Wichtig ist jedoch, Selbstoptimierung im Zusammenhang mit den obigen Kategorien zu sehen und auf die mentale Last, die Selbstoptimierung mit sich bringt, hinzuweisen. Es ist wichtig, mit großer Entschlossenheit gegen individualistische und neoliberale Strömungen in unserer Gesellschaft vorzugehen.

Das Phänomen der Selbstoptimierung lässt sich jedoch nicht nur in der Freizeit und im privaten Raum wiederfinden, sondern auch an unseren Hochschulen. Auch hier führen Selbstoptimierung und der schnelle Erfolg von einigen wenigen Privilegierten zu massivem Leistungsdruck. Als im ersten Lockdown auch die Hochschulen geschlossen wurden, kam es österreichweit an den Universitäten zu einem deutlichen Anstieg der Prüfungsaktivität unter den Studierenden. Das heißt, dass mehr Studierende in derselben Zeit erfolgreich Prüfungen abgelegt haben. Da die Prüfungsaktivität in direkter Verbindung zum verfügbaren Budget der jeweiligen Hochschule steht, mag diese Zahl auf den ersten Blick erfreulich wirken. Mehr prüfungsaktive Studierende heißt demnach mehr Geld für die Hochschulen.

Leider konnte der Anstieg in der Prüfungsaktivität aber nicht durch einen Anstieg der Qualität der Lehre oder bessere Betreuungsverhältnisse erreicht werden und sich damit langfristig auf ein höheres Level begeben, sondern durch ein kurzzeitiges Ausquetschen der Studierenden durch Leistungsdruck und Zukunftsängste. Die Folgen davon wurden unter anderem durch die Studie von Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh festgehalten: Die Anzahl junger Erwachsener mit depressiven Symptomen stieg von fünf Prozent auf 50. Das ist ein Anstieg um das zehnfache in nur zwei Jahren.

Betroffen sind von diesen alarmierenden Zahlen überdurchschnittlich oft Studierende aus Arbeiter_innenfamilien. Also die, die sich oft nur durch zusätzliche Lohnarbeit das Studium finanzieren können. Dadurch lastet nicht nur der allgemeine Leistungsdruck an den Hochschulen auf ihnen, sondern auch die Zusatzbelastung durch das Arbeiten. Es bleibt weniger Zeit zum Lernen oder um auf die eigene Gesundheit zu achten. Sich mehr Zeit zum Studieren zu nehmen, klappt jedoch auch nicht. Denn wer das Studium nicht schnell genug abschließt, den erwarten teure Studiengebühren, die sich arbeitende Studierende meist nicht leisten können.

Die erhöhte mentale Belastung unter Studierenden wird nicht ganz unkommentiert gelassen. An den Unis gibt es nun schon seit 50 Jahren die Möglichkeit, psychologische Studierendenberatung in Anspruch zu nehmen. Deren Angebote sind für Studierende kostenlos und in diversen Universitätsstädten erhältlich. Der Andrang auf diese Stellen ist seit dem Sommersemester 2020 um ein Vielfaches angestiegen. Die Leiterin der Wiener Stelle für psychologische Studierendenberatung Dr. Katrin Wodraschke spricht von einem Bedarfsanstieg von einem Viertel. Da von der Regierung nur wenig Unterstützung gekommen ist, um diesen Bedarf decken zu können, haben viele Therapeut_innen Plätze aus eigener Tasche finanziert. Das ist zwar eine kurzfristige Hilfe, kann jedoch nicht dauerhaft aufrechterhalten werden. Leider fehlt bis heute noch immer die politische Antwort der Bundesregierung für die Deckung des gestiegenen Bedarfs.

Der einzige Weg, diese besorgniserregend hohen Zahlen zu beseitigen, ist es, geschlossen gegen Leistungsdruck, Selbstoptimierung und Klassismus an unseren Hochschulen, aber auch in unserer Gesellschaft, vorzugehen. Es braucht politische Antworten auf diese Zahlen. Kurzfristig bedeutet das zum Beispiel die Erhöhung von Kassenplätzen für psychologische Betreuung oder den Ausbau der psychologischen Studierendenberatung. Langfristig müssen unsere Hochschulen zugänglich für alle gemacht werden. Solange der Studienerfolg abhängig vom Geldbörserl der eigenen Eltern ist, werden Universitäten ein Ort der Eliten bleiben und alle anderen psychischem Druck aussetzen.

Schlussendlich ist es die Aufgabe der Politik, sich mit der Frage „und jetzt?“ auseinanderzusetzen. Die erschreckenden Zahlen zu mentaler Gesundheit sollten spätestens durch die Pandemie als Weckruf an die Verantwortlichen dienen. Es braucht sozialen Rückhalt, großflächig angelegte Verbesserungen in Studienplan, -alltag und in der Hochschulgesetzgebung. Nur so kann die Krise in der mentalen Gesundheit von Studierenden überwunden werden.

„Weißes Gold“ am „Westend“ Europas

  • 25.01.2022, 17:43
Im strukturschwachen Grenzgebiet Nordportugals an der Grenze zum nordspanischen Galicien sowie der Extremadura in Südwestspanien prallen die Interessen der nationalen wie europäischen Politik sowie Energie- und Bergbau-Konzerne auf den Widerstand der lokalen Bevölkerung.

Lithium ist weit mehr als ein Antidepressivum, über das Kurt Cobain seine legendäre Grunge-Hymne schrieb. In Batterien steckt es nicht nur in Laptops und Smartphones; es ist für Autobatterien zurzeit das Fundament der Energiewende hin zur postulierten „totalen Elektromobilität“. 

Vorerst, bis sich Alternativen eröffnen. Der Wettlauf um Lithium-Lagerstätten von Bergbau-Weltkonzernen (aber auch weit kleinerer Bergbau-„Start-Ups“) und Regierungen, die sich gleichermaßen satte Gewinne und Steuereinnahmen erhoffen, ist längst ein globaler. Dabei will sich die EU in puncto Rohstoffe zuletzt immer autarker aufstellen und Abhängigkeiten tunlichst verhindert wissen. Die weltgrößten Lagerstätten werden aktuell in Argentinien, Chile und Bolivien sowie in Australien ausgebeutet. Es wurden 2019 weltweit 77.000 Tonnen und 2020 knapp 82.000 Tonnen des Alkalimetalls gefördert; bei einer Wachstumsrate von knapp 25 Prozent soll sich diese Menge bis 2024 mehr als verdoppeln. 

In den nordportugiesischen Minas do Barroso soll die jährliche Fördermenge gleich stattliche 175.000 Tonnen Lithium werden. Savannah-Ressources CEO David Archer betont im progress-Gespräch, dass Portugal „Europa eine lokale Quelle des Minerals gebe“. Damit wäre das Senken der CO2-Ausstoß-Mengen über die Elektromobilität erst im Individual-, dann im Frachtverkehr rascher umzusetzen. Auf 593 Hektar sollen in den Gemeinden Dornelas und Covas do Barroso in der Provinz Trás-os-Montes („Hinter den Bergen“), im als „strukturschwach“ klassifizierten Hinterland ganz im Norden Portugals, 20 Kilometer von der Grenze zum nordwest-spanischen Galicien vier Krater ausgehoben werden, die schlussendlich bis 200 Meter, stellenweise gar 40 Meter, an Häuser der Ortschaft Covas de Barroso heranreichen werden. Liegt doch hier eine der größten Lagerstätten des stark Lithium-Dioxid-haltigen Minerals Spodumen des „Alten Kontinents“, wie Sondierungen belegen. Die Barroso-Mine ist übrigens erst das zweite Großvorhaben von Savannah, das seit 2013 in einer Joint-Venture mit dem Weltkonzern Rio Tinto schwermineralhaltige Sande in Mosambik abbaut (eng. Heavy Mineral Sands). 

NEIN ZUR MINE, JA ZUM LEBEN. Rund 800 Arbeitsplätze (215 direkt, 500-600 indirekt) soll das Mammutprojekt in den Gemeinden schaffen, bei einer Bevölkerung von nicht einmal 300 in 
der Gemeinde Covas de Barroso und knapp 770 in Dornelas. In den 1980ern war die Region das Armenhaus Portugals, in der vergangenen Dekade prägte Überalterung und Landflucht die Demographie. Doch die Bewohner_innen der Ortschaften und Gemeinden, die einerseits von ökologischer Landwirtschaft in Kleinstbetrieben leben (seitens der Welternährungsorganisation als Weltkulturerbe anerkannt) und andererseits vom Aktiv- sowie Wandertourismus in der hier so gut wie unberührten Natur, gehen seit über zweieinhalb Jahren auf die Barrikaden. „Nein zur Mine, ja zum Leben“ ist einer der Slogans, die Protestbanner zieren. Im Weideland bei Covas de Barroso hatte man in überdimensionalen Lettern „HELP!“ in die Vegetation gemäht. Neben dem herben Einschnitt in die Natur, die Basis für die Landwirtschaft und den sanften Tourismus, fürchten die Bewohner_innen gesundheitsschädlichen Staub und die Verschwendung von Wassermassen sowie die Verschmutzung des Grundwassers. Neben dem permanenten Lärm von Explosionen zur Förderung, versteht sich.

FRAUEN PRÄGEN DEN KAMPF. Catarina Alves Scarrott, die Vorsitzende der selbstorganisierten Widerstandsbewegung Associação Unidos em Defesa de Covas do Barroso, ist sich bewusst, gegen wen man alles kämpft. Im Gespräch mit progress meint sie, „dass sich in der portugiesischen Regierung eine Lithium-Lobby festgesetzt hat“. Sie beklagt eine massive „Kampagne der Desinformation im staatlichen und privaten TV und der Presse“, gekoppelt an „sozial-verantwortungsbewusste“ Werbeeinschaltungen von Savannah. Gegen den „drohenden Ökozid, den die Regierung zu Gunsten kurzfristiger Gewinne plant, ist man im Recht, für das Land zu kämpfen“, sagt sie. Es wären in erster Linie die Frauen der Gemeinden, die den Kampf prägen, erzählt Alves weiter, „weil wir langfristig denken.“ Politisch werde man bisher nur von den Grünen (in Allianz mit Kommunist_innen als Coligação Democrática Unitária) unterstützt. Und man tourte mit den Zapatistas in den Sommermonaten durch Europa, um Menschen wachzurütteln. 

Wie viel Geld exakt Savannah in Werbeeinschaltungen und Image-Kampagnen in Radio, TV, Print- und Digitalmedien für die Mina do Barroso in Portugal investiert, wollte die für den Bergbau-Konzern arbeitende britische Top-PR-Agentur Camarco auf mehrere progress-Anfragen hin nicht offenlegen. Die Summe muss beträchtlich sein. Massiv für das Bergbauprojekt tritt auch die Mediengruppe Global Media um Diario de Noticias, Jornal de Noticias und insbesondere die zuvor zitierte Wirtschaftszeitung Dinheiro Vivo ein. Hier spielt man quasi unentwegt eine Pro-Kampagne, und es finden sich fast täglich Savannah-Inserate. Auf den offenen Meinungsseiten schrieb der Savannah-CEO einen fast ganzseitigen Werbe-Artikel. Und Chefredakteurin Joana Petiz führte nicht nur ein Promo-Interview mit Archer, in einem Editorial diskreditierte sie Umweltschützer_innen und Gegner_innen der Mine, wie auch Alves‘ Verein. Auch der Lokal-TV-Sender Sinal-TV produzierte eine Lithium-Reportage, die schlussendlich nur Savannah und Befürworter_innen der Mine zu Wort kommen ließ, obwohl auch Alves und ein kritischer Bürgermeister interviewt worden waren. Auf Nachfrage von Alves hieß es lapidar, dass die Aufzeichnungen leider verloren gegangen seien.

Hinzu kommt eine ganze Riege an Geologie-Professor_innen, in erster Linie von der Universität Porto, die in Interviews und Meinungsartikeln für die Lithium-Bergbaupläne eintreten. Sogar bei einer Konferenz zu „Green Mining“ in Lissabon kamen einzig Befürworter_innen zu Wort.

Zumindest die Speerspitze des portugiesischen Qualitätsjournalismus, Expresso, recherchiert tief- und hintergründig, um schlichtweg illusorische Zukunftsträume vom „Green Mining“, die Savannah und andere Bergbaukonzerne schüren, zu widerlegen. Sei es die postulierten 100-prozentige Versorgung durch nachhaltige Energien – die Wasserkraftwerke der Region liefern nicht ausreichend Energie, und Portugal importiert Strom – bis hin zu rein elektrisch betriebenen Bergbaufahrzeugen. Für die massigen Bergbau-Laster gibt es wohl auf lange Sicht auch keine Alternative zu Dieselkraftstoff.

Der Kampf gegen die Mine ist freilich keiner, der einzig und alleine in Portugal ausgetragen wird. Die EU will dezidiert unabhängiger von ausländischen Rohstofflieferanten werden, seit September vergangenen Jahres steht Lithium auf der EU-Liste der „kritischen Rohstoffe“. Deshalb sollen in EU-Mitgliedsstaaten Lithiumminen entstehen. Um die „grüne Revolution“ zu ermöglichen, ist die EU-Kommission in Brüssel eine Befürworterin dieser Bergbauprojekte. Wenig überraschend, dass neben zahlreichen EU-Parlamentarier_innen auch Peter Handley, der Beauftragte der EU-Kommission für Energie- und Ressourceneffizienz, und natürlich die Zeitung Economist für den erhofften „Lithium-rush“ in Portugal eintreten.

Savannah verspricht derweil „minimale Auswirkungen auf die Umwelt“. Wenn alles abgebaut ist, werde man Baggerseen aus den Kratern machen, was den Tourismus ankurbeln wird, so ein Firmen-Video auf Youtube. „Green Mining” ist auch der Slogan der EU-Kommission, die nach knapp zwei Dekaden der rigorosen Minen-Schließungen nun wieder auf eigenem Terrain Bodenschätze fördern will. Dabei ist es ein Irrglaube, dass der Bergbau in der EU aufgrund der meist strengeren Auflagen weniger umweltschädlich sei als in Staaten am afrikanischen Kontinent oder in Südamerika, wie der Responsible Mining Index 2020 belegt. Umweltschützer_innen der NGO Asociación Nacional para la Conservación de la Naturaleza (Quercus) haben berechnet, dass eine jede Lithium-Mine 1,79 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr freisetzt, womit die „grüne Wende“ ab absurdum geführt wäre.

Gegen Bergbaustaub würden selbstfahrende E-Fahrzeuge eingesetzt, die beispielsweise hinter den Riesen-Minenlastern (die Giganten werden noch lange Zeit mit Diesel fahren, bei einem Verbrauch von ca. 190 l/Betriebsstunde) automatisch Wasser versprühen. Umweltdaten sollen in Echtzeit öffentlich zugänglich gemacht werden und man will, so Savannah, „lokale Gemeinschaften“ mit einbinden, Stichwort Cooperate Social Responsibility (CSR). 

„Lithium ist aber nur eine Übergangslösung und der Boom wird nicht ewig halten, maximal 20 Jahre. Damit lässt sich das Weltklima sicher nicht retten“, sagt Mario Klammer zum progress. Der österreichische Unternehmer, der 10 Jahre Erfahrung im E-Mobility-Bereich hat und Gründer von EVN (Liechtenstein) ist, hat sich spezialisiert auf E-Transport-Lösungen (autonome WAB, Wechselaufbaubrücken), Öffi-Busse und Taxis. Die Zukunft sieht er in Graphen-Batterien und klassisch in Natrium, das sei billig und überall vorhanden. Bergbauvorhaben wie das in den Minas de Barroso sieht er überaus kritisch: „Bei No-Name-Glücksrittern (Anm. Bergbau-Start-Ups wie Savannah), die nur auf das schnelle Geld aus sind, zieht die Natur den Kürzeren und schlussendlich muss der Staat, und das heißt wir alle, die Zeche zahlen.“ 

OPFER BRINGEN. Die Regierung Portugals unter dem sozialdemokratischen Premier António Costa (Partido Socialista, PS) hat indes einen „Masterplan“ ausgearbeitet, eine Nationale Lithium-Strategie. Bodenschätze seien ein Allgemeingut, und um diese zu fördern, müsse man eben Opfer bringen, argumentierte das Umweltministerium. Es gibt Pläne, bis zu zehn Prozent der Landesfläche dem Bergbau zu überantworten. Und Lissabon hat längst eine Hand nach Madrid ausgestreckt, um in den beiden Staaten die komplette Wertschöpfungskette unterzubringen, vom Rohstoff bis zum E-Auto, und den Lithium-Abbau somit zur Win-Win-Situation für alle - mit Ausnahme der Lokalbevölkerung - zu machen. Doch die Linksregierung der Sozialist_innen unter Costa, gestützt von Linksblock (Bloco de Esquerda), Kommunist_innen, Grüne und die Tierschutzpartei scheiterte am Budget 2022, Neuwahlen sind für Anfang 2022 anberaumt. Zugleich laufen, wie Alves gegenüber progress betont, „Weichenstellungen über strategisch-wichtige Ressourcen weiter“. Dies sei lediglich eine Blendgranate, so die Aktivistin, mittels derer die scheidende Regierung die Lithium-Pläne durchboxen wolle. Parallel dazu liefen „taktische Manöver“, um parlamentarische Kontrollinstanzen zu umgehen. Neue Bergbaugesetze, Reformen, Lizenzen und Verträge waren knapp vor der Auflösung des Parlaments durchgewunken wurden. 

Doch der Widerstand in Barroso muss nicht zwecklos sein: Proteste der Bevölkerung verhinderten in Spanien bereits andere groß angelegte Tagebauvorhaben, z.B. eine Lithium-Mine unweit der Stadtgrenze von Cáceres (Extremadura) oder eine Uran-Mine bei Retortillo (Salamanca). Zuletzt konzentrierte sich in der Extremadura der Protest der Lokalbevölkerung auf das kleine Dorf Cañaveral in den weiten, kargen Ebenen zwischen Cáceres und Mérida.

Alle 13 Tage tötet ein Mann

  • 25.11.2021, 00:39
Trigger Warning: Dieser Artikel behandelt das Thema Femizide. Am Ende des Artikels sind Helplines für Betroffene und Zeug_innen angeführt.

Wohnung, Trafik, Parkplatz und Waldstück - all diese Orte verbindet dieses Jahr ein Merkmal: Sie wurden zum Tatort eines Mordes. Die Opfer alle weiblich, die Täter alles Männer. Was verbindet diese Tötungen und wie fühlt es sich an, so einem knapp entrinnen zu sein?

Insgesamt hat es 2021 (Stand 25.11.21) schon 28 Morde an Frauen in Österreich gegeben. Dabei handelt es sich keineswegs um Einzelfälle, die nicht gemeinsam betrachtet werden können: Alle Opfer wurden vom eigenen (Ex-)Partner umgebracht. Die Morde werden daher auch alle als Femizide oder Frauenmorde bezeichnet. Dabei soll die spezifische Ursache der Tötungen hervorgehoben werden - es handelt sich um die vorsätzliche Tötung von Frauen durch Männern, auf Grund des Geschlechts oder weil sie gegen traditionelle und soziale Rollenvorstellungen in unserer Gesellschaft “verstoßen” haben. Dabei töten Männer nicht aus “Liebe” wie medial so oft Berichtet wird. Auch können die Täter keiner einheitlichen Bildungs- oder Einkommensschicht zugeordnet werden - Frauenmorde gibt es also auf allen Gesellschaftsebenen.

Wann beginnt Gewalt?

Die Ermordung der Frauen ist dabei nur die Spitze der Eskaltion, denn Gewalt an Frauen beginnt nicht erst mit einem Mord. Die Gewalt setzt schon viel früher in der Beziehung ein - sowohl physisch wie auch psychisch. Es handelt sich bei Frauenmorden daher nicht um unausweichliche Phänomene menschlichen Zusammenlebens. Vielmehr sind sie das schreckliche Endresultat einer unfähigen Frauenministerin und überforderter Behörden.

Wie ist es, Opfer eines gewalttätigen Partners zu sein?

Am 27.12.19 hätte so ein Mord auch mein Todesurteil sein können. Der Tatort: mein eigenes Bett, die Todesursache: ersticken. Ein Zufall hat das damals verhindert. Denn zwei Zimmer weiter hat just im Moment meines letzten Hilfeschreis die Kaffeemaschine aufgehört zu kochen und ich wurde gehört. Vor mittlerweile über einem Jahr hab ich mich dann dazu entscheiden, Gewalt die vom eigenen Partner ausgeht öffentlich und im Internet ein Gesicht zu geben. Mein Gesicht zu geben. Es war und bleibt der Versuch den Frauen, die nicht nur einen Mordversuch miterlebt haben, sondern getötet wurden eine Stimme zu geben.

Heuer sind es bereits 28. Getötet wurden sie durch erstechen, erschießen oder verbrennen. Alle 13 Tage muss eine Frau in Österreich ihr Schicksal teilen. Trotz dieser akuten Gefahr müssen Hilfsorganisationen um jeden Cent für ihre Projekte wie Frauenhäuser und Beratungsstellen betteln. Und was tun die Zeitungen im Auge dieser Bedrohung? Sie geilen sich an den unmenschlichsten Frauenmorden auf. Berichten über “eskalierte Beziehungsstreits” und “Eifersuchtsdramen” Am Ende bleibt für die ermordeten Frauen deshalb immer nur Schlagzeilen, wie die folgende übrig: “Brandanschlag auf Ex” - Das Protokoll der Eifersucht.” Berichtet hat die Zeitung übrigens über eine Frau, die bei lebendigem Leib, Mitten am Tag, in Wien von einem Mann angezündet wurde.

Wir, unsere Körper, unsere Morde sind nicht irgendwelche Gegenstände, die man pietätlos ausschlachten darf. Wir sind reale Menschen, mit realen Geschichten. Zeit, dass wir sie öffentlich erzählen. Vielleicht helfen sie dabei die Anstandslosigkeit, die in diesem Land zum Thema Gewalt und Mord an Frauen herrscht, in ihre Schranken zu weisen. Es folgen die Teile von häuslicher Gewalt, die nicht in Zeitungen erzählt werden. Die nicht in der öffentlichen Debatte gehört werden. Die nicht von der Frauenministerin wahrgenommen werden. Es folgt ein Einblick in das Leben mit einem gewalttätigen Partner.

Schon während der Beziehung habe ich angefangen Texte zu schreiben, um gewisse Situationen zu verarbeiten. Wirklich Verstanden habe ich die Ereignisse damals nicht. Heute hab ich Passagen unterschiedlicher Texte verbinden können, sie teilweise in ein neues Gerüst setzen können. Im folgenden teile ich ausgewählte Ausschnitte dieser Texte.

Ein ganz normaler Abend

08/19, 3Uhr: Ich sperre die Badezimmertüre zu. Es ist das erste Mal, dass ich das Gefühl habe, zwischen ihm und mir Raum schaffen zu müssen. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Er haut gegen die Türe, fragt mich, ob ich jetzt Angst vor ihm habe. Ich dreh mich um, seh meine Umrisse im Spiegel und mir wird klar was hier gerade passiert. Klar, dass er so mit mir nicht umgehen kann. Ich komme raus und sage ihm, dass er gehen muss. Er schreit mich an, läuft in der Wohnung herum, packt seine Sachen. Ich will ihm Geld fürs Taxi geben, aber er wirft mir den Zwanziger entgegen und bevor er geht sagst er einen Satz, den ich bis heute nicht vergessen kann: „Lösch meine Nummer.“ Ich schaue ihm vom Fenster aus zu, wie er ins Auto steigt und fährt. Kurz überlege ich, ob ich meine Mama anrufen soll, aber ich kann nicht. Niemand soll wissen, was hier gerade passiert ist. Ich leg mich in mein Bett und gehe einfach schlafen. So als wäre alles normal. Am nächsten Tag stehe ich auf und fahre in die Arbeit. So gegen 10 ruft mich M. wie immer an. Ich hebe nicht ab, aber er wird mich solange anrufen bis ich nachgebe. Und er wird wie immer das gleiche sagen: „Bebo, mir geht’s nicht gut. Kannst du kommen?“ Nach ein paar Stunden werde ich wie immer einknicken und kommen. Wenn wir uns dann sehen, wird er mich wie immer mit den gleichen Worten begrüßen: „Wie geht’s?“ So als ob er die Antwort auf diese Frage nicht wüsste. Ich werde wie immer drauf sagen, „nicht gut“ und ihn fragen, was gestern los war. Und er wird wie jedes einzelne Mal antworten: „Keine Ahnung - Kann mich nicht erinnern.“ Und damit ist wie immer unser Gespräch über gestern Abend vorbei. Wie soll man auch mit jemanden reden, der meint sich nicht erinnern zu können? Wie jemanden klar machen, dass sein Verhalten nicht mehr ertragbar ist, wenn er nicht mehr weiß, was er getan hat? Wohin dann mit der ganzen Angst?

Über 2 Monate war ich damals noch mit diesem Partner zusammen. Doch auch nach meiner Trennung hörte die Gewalt nicht auf - egal was ich tat. Ich zog in eine neue Wohnung, versuchte den Kontakt zu vermeiden, doch es nützte alles nichts. Als letzten Ausweg wandte ich mich im Dezember 2019 an seine Familie. Hilfe hatten sie schon Monate zuvor ausgeschlagen, aber dieses Mal nicht. Eine Aktion, die mir Stunden nach dem Gespräch mit seiner Familie fast mein Leben kosten wird: Seine Familie kam extra über die Landesgrenze, um ihn zu holen, doch vor der Gewalt die mir gegenüber nach ihrem Eintreffen folgte, konnten auch sie mich nicht schützen. Im Dezember 2020, ein Jahr nach der Tat, schaffte ich es das erste Mal, einen Text über die Ereignisse zu schreiben:

(K)ein Albtraum

Ich träume in der Nacht immer und immer wieder davon, wie jemand versucht meine Wohnungstür einzutreten. Wache immer und immer wieder auf und muss mir in Erinnerung rufen, dass das nur ein Traum war. Bis ich realisiere, dass die Angst sich in dem Moment so nah, so real anfühlt, weil sie wirklich da war. Weil das zwar jetzt nur mehr in meinem Träumen versucht wird, verstanden zu werden, aber vor einem Jahr so wirklich passiert ist. Frage mich oft, ob ich hätte anzeigen müssen, was nach dem Türeintreten passiert ist. Erwische mich selber dabei, wie ich google, ob Würgen unter den Straftatbestand des versuchten Mordes fällt und wie lange die Verjährungsfrist ist. Geh in meinem Kopf durch, wie ich vor Gericht gefragt werde, warum ich nicht die Polizei gerufen habe, wenn ich doch so Angst hatte? Warum ich nicht schon früher Anzeige erstattet habe, wenn es doch so schlimm war? Stelle mir vor, wie ich immer und immer wieder erzählen muss, was in dieser Nacht passiert ist. Immer und immer wieder durchspielen muss, wie ich die Finger meines Ex-Partners nicht mehr von meinem Hals lösen konnte. Immer und immer wieder durchspielen muss, wie ich dachte, dass ich jetzt sterben werde. Frage mich, was mir so ein Prozess bringt? Ob es mich Nachts besser schlafen lässt? Ob es mir das Grundvertrauen zurückgeben kann, das ich in meinem eigenen Bett verloren habe? Ob es mir dabei helfen kann, damit abzuschließen? Einen Weg zu finden, damit zu leben?

Ich würde gerne sagen können, dass dieser Morgen der letzte Moment war in dem ich mit meinem Ex-Partner Kontakt hatte. Doch so war es nicht. Zu lange hab ich nicht verstanden, was damals auf dem Spiel gestanden ist. Es hat viel Therapie, psychiatrische und juristische Hilfe gebraucht, um das alles hier einzuordnen. Es hat Medikamente gebraucht, um mit der Gewissheit dieser Erlebnisse leben und schlafen zu können. Es hat eine Anzeige wegen versuchten Mordes gegen meinen Ex-Partner gebraucht, um einen Schlussstrich unter diese Lebensperiode setzen zu können. Einen Schlussstrich, den ich allen 28 ermordeten Frauen dieses Jahr so sehr gewünscht hätte. Diese Frauen werden niemals wissen, dass es ein Leben nach der Gewalt geben kann. Sie werden niemals die zurückgewonnen Freiheit erleben können. Nie mehr mehr erfahren, wie sich tatsächliche Liebe anfühlen wird. Niemals sehen, was ihr Leben noch alles zu bieten hatte. Dafür bricht mein Herz bei jeder neuen Meldung. Statistisch gesehen wird es von ihnen mindestens noch 3 geben. 3 Frauenmorde, die noch verhindert werden können. Ob sich die Regierung dieser Verantwortung bewusst ist?

Hilfe für Betroffene

Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555 | frauenhelpline.at

24h Frauennotruf der Stadt Wien: 01 71 71 9 | frauennotruf.wien.at

24h Notruf der Wiener Frauenhäuser: 05 77 22 | frauenhaeuser-wien.at

Frauenberatungsstelle bei sexueller Gewalt: 01 523 22 22 | frauenberatung.at

Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: 01 585 32 88 | interventionsstelle-wien.at

Männerhotline - Gewaltprävention: 0800 400 777 | maenner.at

Nutze deine Stimme!

  • 28.04.2021, 08:17

Die ÖH ist die offizielle Vertretung der über 370.000 Studierenden in ganz Österreich. Sie vertritt Studierende und deren Rechte gegenüber Politik, Universität und Gesellschaft. Die Österreichische Hochschüler_innenschaft ist nicht ohne Einfluss und konnte in der Vergangenheit schon viel für Studierende erreichen! Die ÖH ist nämlich Anlaufstelle für persönliche und professionelle Beratung und hat fundiertes Wissen, sowie externe Kontakte, um dir bei allen Anliegen helfen zu können. Wenn die ÖH dies auch weiterhin sein soll und eine starke Stimme für alle Studierenden in Österreich darstellen soll, ist es wichtig, dass viele Personen zur Wahl gehen. Eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zeigt auch, dass die Studierenden an unseren Hochschulen und unser Studium nicht egal sind und wir zweifelsohne auch bereit sind, für eine bessere Hochschullehre und bessere Bedingungen für Studierende und die Gesellschaft zu kämpfen. Wählen zu gehen stärkt nicht zuletzt die Position der ÖH gegenüber den Verantwortlichen; egal welche Fraktion du dabei unterstützt.

Falls dich das noch nicht überzeugt hat, haben wir hier 10 Gründe warum es wichtig ist an der ÖH-Wahl 2021 von 18.-20. Mai zu partizipieren:

1.     Jede Stimme zählt

Du hast also das Gefühl, dass deine Stimme nicht viel bewegen kann? Oft genug war es auch in den vergangenen Jahren bei Wahlen knapp, sei es in Bezug auf eine Regierungsbildung, eine Koalition auf der ÖH Bundesvertretung oder bei der Entscheidung, welche Person zukünftig das Amt als Bundespräsident_in innehaben darf. Das zeigt, wie ausschlaggebend jede einzelne Stimme für den Ausgang der Wahl sein kann. Nur, wenn du wählen gehst, können Meinungen in Form einer Abstimmung etwas bewirken und deine Interessen vertreten werden. Jede abgegebene Stimme ist also relevant!

2.     Wahlen sind ein wichtiges Recht

In vielen Ländern sind demokratische Wahlen ein Privileg, für welches hart gekämpft wurde und immer noch wird. Beispielsweise 1918, als Frauen in Österreich nach jahrzehntelangem Kampf endlich das Recht zu wählen erlangten. Aber auch heute sind demokratische, faire Wahlen in vielen Ländern dieser Welt nicht selbstverständlich, blickt man beispielsweise nach Myanmar, wo bei Protesten gegen den Militärputsch unzählige Demonstrant_innen verhaftet und auch getötet wurden.  Wahlen sind ein wichtiges Recht für jede Bürgerin und jeden Bürger und der Grundbaustein jeder Demokratie. Eine Demokratie erfordert somit auch das Mitwirken aller, sonst geht die Macht und Entscheidung nicht mehr vom Volk aus. Genau aus diesen Gründen ist es so wichtig, dass wir alle dieses hart erkämpfte demokratische Recht auch nutzen sowie zu schätzen wissen und du daher deine Stimme bei der ÖH- Wahl abgibst.

3.     Alle dürfen wählen

Alle Studierenden sind aktiv und passiv wahlberechtigt, wenn sie im Semester, in dem die ÖH-Wahl stattfindet, studieren. Das bedeutet, dass du dich entweder zur Wahl selbst aufstellen lassen kannst oder eben deine Stimme einer Fraktion oder einer Person geben kannst. Du musst dafür nur zur Fortsetzung deines Studiums gemeldet sein und den ÖH-Beitrag, sowie eventuelle Studiengebühren fristgerecht bis 30. März 2021 bezahlt haben, um bei der Wahl zwischen 18. und 20. Mai 2021 stimmberechtigt zu sein.

Im Gegensatz zu einer Nationalrats- oder Bundespräsidentschaftswahl darfst du dich also unabhängig von deiner Staatsbürger*innenschaft, deines Wohnorts oder deines Alters bei der ÖH-Wahl beteiligen und aktiv mitbestimmen. Nutze also unbedingt dieses Recht!

4.     Ohne deine Stimme entscheiden die anderen

Du denkst vielleicht, dass Nichtwählen keinen Einfluss auf das Wahlergebnis hat, aber in Wahrheit stellt sich eine Wahlverweigerung gegen deine Interessen. Gehst du nämlich nicht wählen, entscheiden die Stimmen der anderen, wer dich und deine Studierendeninteressen in Zukunft gegenüber Politik und Universität vertreten wird. Deine Stimme wird also nicht an jene verteilt, die deine Interessen am ehesten umsetzen - somit haben andere einen Vorteil. Weiters fließen nicht abgegebene Wahlzettel nicht ins Abstimmungsergebnis ein und somit geht auch ein möglicherweise ausschlaggebendes Gewicht bei der Vertretung aller und insbesondere auch deiner Anliegen verloren.

5.     Mit einer Nichtwahl sagst du nichts aus

Solltest du mit Nichtwählen Protest ausdrücken wollen, führt das nicht zu dem Effekt, den du dir damit höchstwahrscheinlich erhoffst. Wenn du deine Stimme nicht ab gibst, kann das zwar Vieles bedeuten. Einerseits kann es bedeuten, dass du dich am bestehenden System nicht beteiligen möchtest und du mit keiner der bestehenden Fraktionen zufrieden bist. Andererseits aber auch, dass du anderen Studierenden vertraust, das Richtige zu wählen. Der Haken: Was genau die Hintergründe für dein Nichtwählen sind, wird niemand erfahren, sodass du damit auch nichts konkretes erreichen wirst. Daher ist es so wichtig, zur Wahl zu gehen, wenn du etwas damit erreichen möchtest.

6.     Damit du sichergehen kannst, dass deine Interessen vertreten sind

Die wahlwerbenden Gruppen, die für die Wahl der ÖH Bundesvertretung und die Hochschulvertretungen kandidieren, und die Personen, die für die Studienvertretungen kandidieren, vertreten durchaus unterschiedliche Positionen.  Beispielsweise gehen die Meinungen zu Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren, der ÖH-Pflichtmitgliedschaft und gesellschaftspolitischen Engagement sowie dem Allgemeinpolitischen Mandat weitestgehend auseinander und viele unterschiedliche Meinungen werden repräsentiert. Die einzelnen Fraktionen sind auf unterschiedlichste Weise organisiert und nicht alle sind einer Parlamentspartei nahe. Du hast also durchaus die Möglichkeit, mit deinem Stimmverhalten die Standpunkte der ÖH nach außen wesentlich im Sinne deiner Interessen zu beeinflussen.

 

7.     Wählen gehen ist einfach und dauert nicht lange

Der Prozess des Wählens an sich ist überhaupt keine schwierige Sache und wirklich jede und jeder, der ihn vollziehen möchte, kann ihn auch bewältigen. Natürlich solltest du dir bereits vor dem Wahltermin darüber klar sein, wen du wählen möchtest und aus welchen Gründen. Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen sogenannten wahlwerbenden Gruppen oder auch Fraktionen, sowie deren Ziele und Programme musst du selbst betreiben. Jedoch bietet diese Ausgabe genau darüber einen Überblick und soll dir die wichtigsten Informationen zur Unterstützung deiner Entscheidung geben.

Die Kreuze bei der Wahl selbst ist allerdings eine Sache von nur wenigen Minuten. Und du kannst sogar mittels Briefwahl ganz einfach zwei der drei Ebenen, die gewählt werden (also Bundesebene und Hochschulebene) von zuhause aus abstimmen. (Mehr Informationen zur Briefwahl findest du unter: https://wahl2021.oeh.ac.at/briefwahl/wahlkarte-beantragen-und-abgeben/).

8.     Weil du aktiv die Politik der ÖH beeinflussen kannst

Eine demokratische Wahl basiert darauf, dass die Stimmberechtigten ihre Vertreter_innen wählen, die dann in dem Sinne der Wähler_innen handeln können. Nur wenn alle Studierenden die Demokratie aktiv mitgestalten, kann sie wirklich funktionieren. Und nur wenn du deine Stimme abgibst, kannst du etwas dafür tun, dass ein_e Vertreter_in gewählt wird, der dich und insbesondere deine Interessen möglichst adäquat repräsentiert.

Mit deiner Stimme nimmst du Einfluss auf die ÖH, diese in weiterer Folge auf Politik und Universität und somit auf wichtigen Fragen des Alltags für Studierende.

9.     Mit deiner Wahl übernimmst du Verantwortung

Für viele Studierende ist es nicht möglich sich neben dem Studium und der Lohnarbeit noch ehrenamtlich für die eigenen Interessen als Studierende gegenüber der Politik und Universität stark zu machen. Wenn du dich also nicht selbst für bestimmte Themen engagieren kannst oder möchtest, dann kannst du mit deiner Stimme sehr wohl Verantwortung für diese Themen übernehmen und die Leute mit Rückhalt durch eine abgegebene Stimme unterstützen. Tu also etwas dafür, dass diejenigen, die deine Interessen vertreten und in deren Namen für ihre und auch deine Ziele eintreten, gewählt werden.

Die Politik entscheidet heute über viele Themen von morgen, die uns und oftmals noch viele nachfolgende Generationen in Zukunft betreffen werden. Nichtwähler_innen verzichten darauf, Verantwortung für ihre Zukunft zu übernehmen und sie mitzugestalten.

10.  Weil auch ungültige Stimmzettel zählen

Falls du dich mit deiner Meinung und Einstellung in keiner der zur Wahl kandidierenden Fraktionen identifizieren kannst und deine Interessen in keinem Wahlprogramm repräsentiert siehst, so ist es noch immer besser einen ungültigen Stimmzettel abgeben, als gar nicht wählen zu gehen. Ungültige Stimmen fließen nämlich sehr wohl in die Wahlbeteiligung hinein und viele ungültige Stimmen würden ein symbolisches Signal setzen. Das Interesse an der Politik der ÖH ist vorhanden, aber die wahlwerbenden Gruppen stehen nicht für die Anliegen und Meinungen der Wähler_innen.

 

Da wir dich nun hoffentlich davon überzeugt haben, wählen zu gehen, wünschen wir dir viel Spaß beim Einlesen in die unterschiedlichen Positionen der verschiedenen Fraktionen und ein hoffentlich weiterhin erfolgreiches Semester!

Du hast die (ÖH) Wahl!

  • 28.04.2021, 08:24

Du hast die (ÖH) Wahl!

 

In knapp einem Monat ist es wieder soweit, ihr könnt demokratisch mitentscheiden wer euch in den kommenden zwei Jahren im Studium und an den Hochschulen vertritt! Von 18.-20. Mai findet, die ÖH Wahl, statt. Dieser Artikel soll dazu dienen, die Struktur eurer Interessensvertretung und das Wahlprozedere zu durchleuchten und zu erklären. Es zeigt sich, demokratische Mitbestimmung ist nicht nur einfach, sondern auch essentiell für ein solidarisches und zukunftssicheres Hochschulsystem.

 

Grundsätzliches: Die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (kurz ÖH) wurde 1945 gegründet ist. Die ÖH-Mitgliedschaft ist eine sogenannte Solidarmitgliedschaft, also alle Studierenden sind automatisch Mitglied und zahlen damit den Solidarbeitrag in Höhe von momentan 20,20 €. Gewählt werden die Organe der ÖH bzw. der Hochschüler_innenschaften alle zwei Jahre in einer gemeinsamen österreichweiten Wahl. So auch wieder dieses Jahr, von 18. – 20. Mai 2021. Dies geschieht in einem Wahlgang mit mehreren Stimmzetteln, einmal für die Bundesvertretung, einmal für die Hochschulvertretung und pro Studium für die jeweilige Studienvertretung. Besonderheiten gibt es bei Studien, die an mehreren Hochschulen gemeinsam eingerichtet sind (z. B. Lehramt), hier dürfen Studierende an zwei Hochschulen ihrer Wahl die Hochschulvertretung bzw. die Studienvertretung(en) wählen.  Auch möglich ist die Wahl mittels Briefwahl, wobei hier aus logistischen Gründen nicht die Wahl der Studienvertretung möglich ist.

Um die Bedeutung der ÖH Wahl fassen zu können, ist es jedoch wichtig die Struktur und den Aufbau der Studierendenvertretung in Österreich besser zu verstehen, weshalb wir in den folgenden Absätzen näher darauf eingehen.

Aufbau der ÖH:

An der Spitze steht sozusagen die Österreichische Hochschüler_innenschaft, wenngleich sie keine Weisungen oder Ähnliches an lokale Hochschüler_innenschaften richten kann. Sie steht insofern ganz oben, als dass sie ganzheitlich die Interessen aller Studierenden in Österreich vertritt. Zusätzlich gibt es an den einzelnen Hochschulen eingerichtete Hochschüler_innenschaften. Diese lokalen Vertretungen vertreten die Interessen der Studierenden an der jeweiligen Bildungseinrichtung und agieren selbstverwaltend als Körperschaft öffentlichen Rechts. „Darunter“ gibt es je nach Hochschule noch weitere Organe, beispielsweise Fakultäts- oder Zentrumsvertretungen. Jedenfalls ist für jedes Studium eine Studienvertretung einzurichten.

BUNDESVERTRETUNG:

Die ÖH Bundesvertretung ist die Vertretung aller Studierenden an Universitäten, Privatuniversitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen in Österreich. Bei der Wahl zur Bundesvertretung werden insgesamt 55 Mandate vergeben.

Seit 2015 wird die ÖH-Bundesvertretung direkt durch Listenwahl (ähnlich wie bei der Nationalratswahl) gewählt. 2021 kandidieren folgende Fraktionen:

AG – AktionsGemeinschaft (Studentenforum)
FLÖ – Unabhängige Fachschaftslisten Österreichs
GRAS – Grüne & alternative StudentInnen
JUNOS – Junge liberale Studierende
KSV-LILI – Kommunistischer StudentInnenverband – Linke Liste

KSV-KJÖ – Kommunistischer StudentInnenverband – Kommunistische Jugend Österreich
RFS – Ring Freiheitlicher Studenten
VSStÖ – Verband Sozialistischer StudentInnen in Österreich

Diese Fraktionen werden also am Wahlzettel zur Bundesvertretung zu finden sein und stellen sich in dieser Ausgabe mit ihren Vorstellungen und Ideen vor.

Die Bundesvertretung vertritt nicht nur deine Interessen österreichweit, sondern sie berät in verschiedenen Referaten, organisiert österreichweite Kampagnen, gibt zusätzlich Broschüren zu studienrelevanten Themenstellungen heraus und vieles mehr. Zu diesem Zwecke werden in der Bundesvertretung ein_e Vorsitzende_r und entsprechende Stellvertreter_innen gewählt, welche Beschlüsse der Bundesvertretung umsetzen, und als Sprachrohr ebenjener in der Öffentlichkeit und gegenüber Stakeholdern dienen.

Zusätzlich hat die ÖH-Bundesvertretung Referate, mit Referent_innen, ebenfalls von der Bundesvertretung gewählt, an der Spitze. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Referaten (Referat für wirtschaftliche Angelegenheiten, Referat für Bildungspolitik und Referat für Sozialpolitik) existieren noch viele weitere Fachreferate.

Ein gutes Beispiel, um zu verstehen, was ein Referat macht, ist jenes für Sozialpolitik. Das Sozialreferat informiert, berät und interveniert kostenlos, um die soziale Situation von Studierenden zu verbessern. Tätig ist es vor allem in den Bereichen Beihilfen, Versicherungen, Arbeitsrecht und Aufenthaltsrecht. Auch der Sozialfonds, bei dem Studierende in finanziellen Härtesituationen um einmalige finanzielle Unterstützung ansuchen können, liegt in ihrem Zuständigkeitsbereich. Besonders aktuell sind die Unterstützungsleistungen (Corona-Härtefonds) der ÖH für Studierende, die finanzielle Probleme aufgrund der COVID-19 Pandemie erfahren. Bisher wurden weit über 1.000 Studierende österreichweit unterstützt.

HOCHSCHULVERTRETUNG.

Die Hochschulvertretung ist die Vertretung auf lokaler Ebene. In diesem Organ der ÖH sitzen auch verschiedene Fraktionen, die unterschiedliche Interessen vertreten. An den einzelnen Hochschulen kandidieren zum Teil andere Fraktionen als für die Bundesvertretung.

Alle Hochschulvertretungen müssen verpflichtend je ein Referat für Bildungspolitik, Sozialpolitik und wirtschaftliche Angelegenheiten einrichten, können aber bei Bedarf auch andere in ihrer Satzung festlegen.

Außerdem entsendet die Hochschulvertretung in den Senat bzw. Hochschulkollegium der eigenen Hochschule.

Der Senat ist nach dem Prinzip der Mitbestimmung der Universitätsangehörigen konstruiert und ist in viele wichtige Entscheidungen der Universität involviert.

Der Senat hat mehrere relevante Aufgaben, so entsendet er z. B. einen Teil der Mitglieder des Universitätsrat, ist federführend bei der Wahl einer_s neuen Rektors_in involviert oder ist leitend verantwortlich für die Erlassung und Änderung von Curricula.

STUDIENVERTRETUNG. 

Direkt bei den Studierenden befinden sich die Studienvertretungen.

Jede Studienrichtung hat ihre eigene Studienvertretung mit je nach Studiengröße drei bis fünf Personen. Sie organisiert z. B. Veranstaltung für Erstsemestrige, Informationsabende und berät direkt die Studierenden bei Fragen zu ihrem Studium. Außerhalb von Pandemien organisiert sie auch Feiern für die Studierenden. Gewählt werden die Vertreter_innen durch Personenwahl. Das bedeutet, dass die StudienvertreterInnen nicht für Fraktionen kandidieren. Auch nicht gewählte Studierende wirken in vielen Studienvertretungen mit. Die Studienvertretungen nominieren Vertreter_innen für Gremien wie z. B. Curriculakommissionen, Habilitationskommissionen oder Berufungskommissionen.

Die Wahl

Wie eingangs erwähnt, erfolgt die Wahl in einem Wahlgang pro Wähler_in. Wahlberechtigt ist jede_r Studierende die_der ihren ÖH Beitrag rechtzeitig bis zum 30. März 2021 eingezahlt hat. Bist du wahlberechtigt, so kannst du dich entscheiden, ob du dein Wahlrecht vor Ort oder per Briefwahl ausüben möchtest. Entscheidest du dich für die erste Variante, so kannst du alle Ebenen der Vertretung (Bundesvertretung, Hochschulvertretung und Studienvertretung) wählen. Einfach deinen Studierendenausweis schnappen und auf zum nächsten Wahllokal an deiner Hochschule (mehr Infos hier).

Aufgrund der derzeitigen Situation, sind jedoch viele Studierende nicht mehr an ihren Studienorten, manche gar nicht in Österreich. Doch auch dies steht der demokratischen Mitbestimmung nicht im Wege, denn es gibt die Briefwahl (Wahl per Wahlkarte). In Folge soll ein kurzes FAQ die wichtigsten Fragen rund um die Briefwahl beantworten.

Wer kann eine Wahlkarte für die Briefwahl beantragen?
Alle, die wahlberechtigt sind.

Wo kann eine Wahlkarte beantragt werden?

Online (Link/shortlink einfügen zu dieser Seite: https://wahl2021.oeh.ac.at/briefwahl/wahlkarte-beantragen-und-abgeben/ ).

Was kann ich per Brief wählen?
Per Briefwahl können nur die Hochschul- und Bundesvertretung gewählt werden. Die Studienvertretung muss direkt an der Hochschule vor Ort gewählt werden.

Wann ist der späteste Zeitpunkt, um die Briefwahl zu beantragen?
Beantragt werden kann die Briefwahlkarte bis eine Woche vor dem ersten Wahltag, also 11.Mai 2021.

Wie erfolgt die Zustellung der Wahlkarte?
Die Wahlkarte wird per Post an die Wohnadresse geschickt. Wenn die Wahlkarte an eine andere Adresse geschickt werden soll, muss die gewünschte Adresse im Antrag angegeben werden. Die Wahlkarten werden ab Ende April versandt.

Bis wann muss meine Wahlkarte bei der Wahlkommission eintreffen, damit sie gezählt wird?
Die Wahlkarte muss bis spätestens 18.00 Uhr am 19.05.2021 bei der Wahlkommission einlangen und korrekt ausgefüllt sein, damit die Stimme auch gültig ist.

Wohin bringe ich meine ausgefüllten Wahlkarten?
Die Wahlkarte kann entweder in den nächstgelegenen Postkasten eingeworfen (keine Frankierung notwendig) oder persönlich bei der Wahlkommission der ÖH in der Rosengasse abgegeben werden. Die ausgefüllte Wahlkarte kann nicht an den Wahltagen bei deiner Wahlkommission vor Ort abgegeben werden.

Kann ich trotz beantragter Wahlkarte, vor Ort wählen?

Ja. Wichtig dabei ist, dass du ALLE zugesandten Unterlagen in das Wahllokal mitbringst und die eidesstattliche Erklärung auf der Wahlkarte NICHT unterschrieben hast. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kannst du vor Ort alle drei Ebenen, Bundesvertretung, Hochschulvertretung und Studienvertretung wählen.

Mental Health - #Talkaboutit

  • 28.04.2021, 08:31

Mental Health - #TalkAboutIt

Im Jahr 2019 leben ungefähr 1,2 Millionen Menschen in Österreich mit einer psychischen Erkrankung. Bei der Versorgung besteht dennoch großer Aufholbedarf. Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) fordert mittels Petition (Pflaster für die Seele) nicht nur ausreichend Behandlungsplätze, sondern vielmehr auch eine klinisch-psychologische Behandlung als Leistung der Krankenkasse. Nicht nur die psychische Belastung auf Betroffene und Angehörige, sondern auch volkswirtschaftliche Kosten sind enorm. Schätzungen zufolge liegen sie bei jährlich zwölf Milliarden Euro, da beispielsweise psychische Erkrankungen für zwei Drittel aller Frühpensionen verantwortlich sind. Besonders häufig sind dabei Depressionen und Angststörungen (DerStandard, 10.10.19)

Auch die Lage in österreichischen Universitäten ist dementsprechend besorgniserregend: In etwa ein Viertel aller Studierenden haben psychische Probleme (wie beispielsweise Ängste, Depressionen, Krisen und Ähnliches), durch welche die Lebensqualität und der Studienerfolg erheblich leiden können. Die Studierenden-Sozialerhebungen der letzten Jahre zeigen ebenfalls, dass der Anteil Studierender, die von studienbezogenen Schwierigkeiten berichten, bedingt durch Stressfaktoren und/oder psychische Beschwerden, ansteigen. Von 2015 bis 2019 hat sich der Anteil Studierender, die mindestens eine studienerschwerende psychische Beschwerde genannt haben von 42% auf 48% erhöht. Auch heute ist die Hürde Hilfe aufzusuchen, hauptsächlich aufgrund gesellschaftlicher Stigmatisierung, noch sehr groß.

Psychisches Wohlbefinden bildet unter Anderem den Grundstein für die Lebensqualität und Produktivität jedes einzelnen Menschen. Gerade durch die schwierigen Umstände der Covid-19-Pandemie wurde dies vielschichtig deutlich. Psychische Gesundheit ist eine wichtige Ressource, die zum sozialen, menschlichen und wirtschaftlichen Kapital einer Gesellschaft beiträgt. Auf individueller Ebene setzt sie die Möglichkeit voraus, das eigene emotionale und intellektuelle Potenzial zu verwirklichen. Auf gesellschaftlicher Ebene stellt psychische Gesundheit eine Ressource für den sozialen Zusammenhalt sowie für ein besseres Sozialwohl dar. Trotzdem wird auch heute noch die Bedeutung von psychischer Gesundheit unterschätzt, während die Häufigkeit psychischer Erkrankungen zunimmt (Diel & Sonntag, 2009).

Wir, das Team hinter der Mental Health Kampagne der ÖH Bundesvertretung, nehmen dies zum Anlass, für die mentale Gesundheit von Studierenden aufzutreten. Mit dem Titel “Mental Health - #TalkAboutIt” wurde der Fokus des Sommersemesters 2021 darauf gelegt, Stigmatisierung und Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen abzubauen, sowie ein Bewusstsein über psychische Gesundheit zu schaffen. Durch diese Aufklärungsarbeit soll Prävention möglich und potenzielle Risikofaktoren gesenkt werden. Wir fordern, dass Hochschulen und Hochschullehre Studierenden nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch Räume bieten, in denen sich Menschen mit psychischen Erkrankungen frei von Diskriminierung bewegen können und jede Person die Hilfe bekommt, die sie benötigt. 

Aus diesen Gründen ist es uns besonders wichtig, ein größeres Bewusstsein für psychische Gesundheit bzw. auch psychische Krankheit zu entwickeln und auf die Einschränkungen und Barrieren für Studierende mit psychischen Problemen aufmerksam zu machen. Mentale Gesundheit bedeutet für uns, dass alle Personen, die Unterstützung benötigen, diese auch ohne Hürden in Anspruch nehmen können! Die massiven Missstände in der österreichischen Politik im Umgang mit psychischer Gesundheit müssen klar aufgezeigt und verbessert werden. Wir fordern daher den raschen Ausbau psychosozialer Dienste, mehr Aufmerksamkeit auf psychische Gesundheit insbesondere der von Studierenden und einen niederschwelligen und freien Zugang zu psychologischer und psychotherapeutischer Hilfe.

Umgesetzt wird die Kampagne unter anderem durch einen Fokus auf Aufklärung, dem Bereitstellen von Anlaufstellen, Beiträgen von Expert_innen und einer Broschüre zum Thema “Mental Health". Letztere soll ​alle Interessierten in das Thema einführen​, ​Erfahrungsberichte zu verschiedenen psychischen Krankheiten bzw. Problemen im Studierendenalltag zur Verfügung stellen und wichtige Anlaufstellen präsentieren. Dabei werden Themen bearbeitet wie: Stressbewältigung im Studium, sozial- und kulturwissenschaftliche Hintergründe sowie psychische Gesundheit im Zusammenhang mit anderen Diskriminierungsformen, beispielsweise LGBTIQ+/Queer Community, Körperliche Behinderungen oder Rassismus. Weiters wurden Gespräche mit den Autor_innen der Broschüre aufgezeichnet und stehen allen Interessierten online zum Nachhören zur Verfügung.

Zum Abschluss möchten wir euch noch mitgeben, dass es wichtig ist auf seine Mitmenschen, aber vor allem auch auf sich selbst zu achten. Beinahe die Hälfte aller Studierenden geben an psychische Beschwerden zu haben. Persönliche, finanzielle und gesundheitliche Probleme können die Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit entscheidend beeinträchtigen.

Die Inanspruchnahme professioneller Hilfe ist also vollkommen normal, wichtig und auch sinnvoll!

Hier findest du Stellen, an die du dich wenden kannst:

  • Telefonisch unter 147 - Rat auf Draht
  • Telefonisch, Mail, Chat der Psychologischen Studierenden Beratung Infos unter: www.studentenberatung.at
  • Helpline der ÖH Infos unter: www.oeh.ac.at/helpline

Alle weiteren Informationen zu unserer Kampagne findest du unter: https://mentalhealth.oeh.ac.at/

 

Geschichte der ÖH- ein kurzer Überblick

  • 28.04.2021, 08:36

Geschichte der ÖH- ein kurzer Überblick

Die Anfänge

Die Idee zur Gründung einer allgemeinen Studierendenvertretung kam schon Ende des 19. Jahrhunderts auf. So forderte die 1893 gegründete „Freie Vereinigung Sozialistischer Studenten“ bereits 1896 die Errichtung einer solcher Interessenvertretung an der Universität Wien.
Diese Forderungen scheiterten jedoch an den Widerstand von deutschnationalen Studierendengruppierungen und der Universitätsleitung. Es sollte von der Gründung und dem Zerfall der ersten Republik, zwei verheerende und grausame Weltkriege, sowie das Überstehen des Austrofaschismus und der NS-Schreckensherrschaft andauern, bis im September 1945 per Gesetzesakt der provisorischen Staatsregierung Renner die Österreichische Hochschüler_innenschaft formal gegründet wurde. Schon zuvor im April 1945 konstituierte sich ein sogenannter „Sechserausschuss“, welcher die Leitung einer provisorischen studentischen Selbstverwaltung übernahm. Dieser „Sechserausschuss“ wurde später zu einem „Zehnerausschuss“ und danach zum „Hauptausschuss der Demokratischen Studentenschaft“ erweitert. Dieser Hauptausschuss verstand sich als provisorisch eingerichtete Studierendenvertretung, bestehend aus fünf Fachgruppenleiter_innen und je einer/m Vertreter_in der drei politischen Fraktionen. Bereits in dieser Zeit wurden die ersten Arbeitsreferate gegründet, welche die späteren Strukturen der Österreichischen Hochschüler_innenschaft wesentlich mitprägen sollten.

Mit dem Erlass des Hochschulgesetzes 1945 wurden sämtliche bisherigen Organe aufgelöst und in die neue Körperschaft öffentlichen Rechts „Österreichische Hochschülerschaft“ übergeführt. Die studentische Selbstverwaltung war in diesem Hochschulgesetz zwar formal geregelt, jedoch hatten die Rektoren ein Einspruchsrecht gegen ÖH-Beschlüsse und durften auch studentische Funktionäre des Amtes entheben. Die studentische Selbstverwaltung wurde erst mit dem Hochschülerschaftsgesetz 1950 tatsächlich verankert und realisiert. Bis zur ersten ÖH-Wahl schlugen die drei anerkannten Fraktionen FÖST (Freie Österreichische Studentenschaft), VSStÖ (Verband Sozialistischer Studenten) und die Kommunisten als Zwischenlösung den parteilosen Rudolf Wengraf zum provisorischen Vorsitzenden. Am 19. September 1946 war es dann soweit, mit einer 82% Wahlbeteiligung fand die erste ÖH-Wahl statt.

Soziale Studentenpolitik in der Nachkriegszeit

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs stand der Wiederaufbau der Hochschulen im Vordergrund. Sowohl Student_innen als auch Lehrende folgten im Mai 1945 den Aufruf der Universität Wien die zerstörten Universitätsräumlichkeiten wieder instand zu setzen. Neben der Wiederherstellung der Universitätsgebäuden stand auch die Beschaffung von Lebensmittel im Vordergrund. So berichtete die Tageszeitung „Neues Österreich“ in der Ausgabe vom 27. Mai 1947 davon, dass die Österreichische Hochschülerschaft zur Erntehilfe ausrief.  Rund 70.000 Erntehelfer_innen fehlten für den Kampf ums tägliche Brot. Generell mangelte es den Student_innen in der unmittelbaren Nachkriegszeit an vielen Dingen des Alltags (Lebensmittelknappheit, Bekleidung, Medikamente etc.) und die finanzielle Unterstützungen waren sehr beschränkt. Der Fokus der Österreichischen Hochschülerschaft lag dementsprechend in der monetären Entlastung von Studierenden durch Vergabe von Stipendien und Darlehen, um die Studiengebühren zu senken. Das Sozialreferat spendete Bekleidung und versuchte Studierenden Neben- und Ferialjobs zu vermitteln.

Neben der Grundversorgung bemühte man sich auch die Freizeit- und Kulturaktivitäten zu fördern. Das Sportreferat organisierte regelmäßig Wettbewerbe gegen Sportler_innen aus anderen (Bundes-)Länder und das Kulturreferat richtete unter der Leitung von Initiator Friedrich Langer ein eigenes Theaterstudio für Student_Innen in der Wiener Kolingasse ein. Die Schauspieler_Innen erhielten durch ihre Auftritte mitunter Verpflegung, Medikamente und Bekleidung.

ÖH Politik ab 1950

Anfang der 1950er Jahre war die soziale Lage von Student_Innen noch immer sehr angespannt. Die wirtschaftlichen Folgen des 2. Weltkriegs waren noch lange nicht überwunden. Ein beträchtlicher Teil (ca. 60%) der ÖH-Beiträge wurden für die Deckung von Stipendien, Arztkosten, Medikamente, Versicherungskosten, Mensen und mitunter Kurbesuche zur Rehabilitation aufgewendet. Als die Rektorenkonferenz (heute Universitätskonferenz) 1951 eine Verdopplung und später sogar eine Verfünffachung der Studiengebühren verlangte, gingen die Wogen in der ÖH hoch. Am 13.Oktober 1952 kam es dann zu einem Sitzstreik auf der Wiener Ringstraße. Die Student_innendemonstration zeigte Wirkung und die Studiengebühren wurden nur geringfügig erhöht. Anfang der 1960er Jahre begann die sogenannte „Bildungsexpansion“ und die Anzahl der Student_innen stieg rasant an. Die Universitäten benötigten aufgrund der steigender Studierendenzahlen immer mehr Geld. So wurden Kinosäle angemietet, um die überfüllten Hörsäle auszugleichen. Zwischen 29. Mai bis 7. Juni 1961 hielten in etwa 2000 Student_innen, aufgrund von ausgebliebenen Zusagen, einen einwöchigen Sitzstreik ab. Als Folge wurden eine Budgeterhöhung beschlossen.

Nach langen und zähen Verhandlungen konnte die Österreichische Hochschüler_innenschaft 1963 den Beschluss eines Studienbeihilfegesetzes durch den Nationalrat erreichen. Im Sinne eines sozialgerechten Bildungssystem hatten sozialbedürftige Student_innen - bei entsprechenden Studienerfolg – einen Rechtsanspruch auf Studienbeihilfe. Mit Beschluss des Allgemeine Hochschul-Studiengesetz 1966 (heute Universitäts-Studiengesetz) begann die erste große Studienreform. Auf Grundlage dieses Gesetzes wurden zahlreiche Studienordnungen, besondere Studiengesetze und Studienpläne erlassen. Das Ziel war eine Modernisierung und Vereinheitlichung des Studienrechts. Für die Österreichische Hochschüler_innenschaft begann eine Phase sich vermehrt in den einzelnen Studienrichtungen einzubringen, um gezielter die Interessen der verschiedenen Student_innen vertreten zu können.

1970er Jahre: Eine goldene Ära

Anfang der 1970er Jahre wurde unter der Regierung Kreisky ein eigenes Wissenschaftsministerium geschaffen. An die Spitze dieses Ministeriums wurde Hertha Firnberg berufen – die erste Wissenschaftsministerin Österreichs. 1973 werden die Studiengebühren abgeschafft und mit Einführung des Universitätsorganisationsgesetz (UOG) 1975 schuf man ein neues Verwaltungssystem der österreichischen Hochschulen mit wesentlichen Mitbestimmungsrechten der Studierenden. Weitere Meilensteine sollten folgen: Zugang zu den Universitäten ohne Matura durch Studienberechtigungsprüfung, Abschaffung des Numerus Clausus und der Aufnahmeprüfungen, Möglichkeit eines Doppelstudiums und Mischung von Studienrichtungen, Erweiterung der Wiederholungsmöglichkeiten bei Prüfungen, mehr Mitspracherecht auf allen Ebenen der Universität, Studentenermäßigung und Freifahrten in den öffentlichen Verkehrsmitteln usw. Insgesamt wurden die Universitätsstrukturen „demokratisiert“ und die Übermacht der ordentlichen Professoren abgeschwächt.

1980er Jahre: Die Umweltbewegung

 Die Donaukraftwerke planten 1983 den Bau eines Wasserkraftwerks in der Hainburger Au. Trotz umwelttechnischer Bedenken seitens der Bevölkerung wurde der Bau des Kraftwerks östlich von Wien im November 1984 bewilligt. Die Österreichische Hochschüler_innenschaft protestierte an vorderster Front mit und zahlreiche Studierende nahmen an der Besetzung der Hainburger Au im Dezember 1984 teil. Die Protestbewegungen zeigten Wirkung und die Bundesregierung verhängte noch kurz vor Weihnachten einen Rodungsstopp. Nach den zahlreichen Bildungsreformen der 1970er Jahre hatte nun auch das Thema Umweltpolitik die ÖH endgültig erreicht. Man klärte vermehrt über Nachhaltigkeit, sowie fachgerechte Mülltrennung- und Entsorgung auf und setzte sich für den Ausbau von Radwegen ein.

1990er und 2000er Jahre

Im Winter 1992 beteiligte sich die ÖH an der Aktion „Der Mensch zuerst“, um der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit gegenüber Flüchtlingen aus Ex-Jugoslawien unter der Haider-FPÖ Regierung entgegenzutreten. An allen Universitäten fanden Veranstaltung gegen Hetze und für mehr Solidarität gegenüber Schutzsuchenden statt. Der Höhepunkt dieser Aktion wurde mit einem Schweigemarsch von über 10.000 Teilnehmer_innen und dem Lichtermeer am Heldenplatz erreicht. Bis heute setzt sich die ÖH mit der non-profit Organisation „Helping Hands“ für die Integration von Flüchtlingen ein.

Weitere Protestaktionen löste 1996 ein von der Bundesregierung angekündigtes Sparpaket aus. Diesmal demonstrierten unter den rund 40.000 Teilnehmer_innen nicht nur Studierende, sondern auch Universitätsassistent_innen und sonstige Hochschullehrende. Die Aktion sorgte zwar medial für viel Aufsehen, jedoch konnte man an dem Sparpaket nur wenig ändern. Viele Student_innen verloren daraufhin die Familienbeihilfe. Auch die Proteste gegen die Einführung der Studiengebühren Anfang der 2000er Jahre und das Universitätsgesetz 2002 blieben fruchtlos. Im Wintersemester 2001/2002 wurden Studiengebühren für Österreicher_innen in Höhe von € 363,36 und € 726,72 für Drittstaatsangehörige erhoben. Abertausende Studierende brachen daraufhin das Studium ab oder mussten aufgrund der zusätzlichen finanziellen Belastung länger studieren. Es sollte bis zum September 2008 dauern, bis der Nationalrat eine Änderung der Studiengebühren beschloss. Gebührenbefreit sind zukünftig Österreicher_innen und EWR-Bürger_innen wenn sie innerhalb der Mindeststudiendauer plus zwei Toleranzsemester studierten.

ÖH im Jahr 2021

Mit Ausbruch der Covid-19 Pandemie Ende 2019/Anfang 2020 steht die ÖH vor gänzlich neuen Herausforderungen. Seit der Verhängung des ersten Lockdowns im März 2020 wurde der Präsenzunterricht für Studierende österreichweit – mit Unterbrechungen – quasi stillgelegt. Eine Entscheidung die zum Schutz der gesamten österreichischen Bevölkerung notwendig war und ist. Jedoch darf man nicht vergessen welche fatalen Folgen dies für Student_innen mit sich bringt. Insbesondere die schweren psychischen Belastungen, ausgelöst durch fehlenden sozialen Kontakt und finanzielle Sorgen, stellen eine ernstzunehmende Gefahr für die Studierenden dar.  Die Österreichische Hochschüler_innenschaft reagierte schnell und richtete einen Corona-Härtefallfonds für einkommensschwache Student_innen ein. Zusätzlich erweiterte die ÖH das kostenlose Angebot für psychologische Beratungen und setzt sich für mehr Digitalisierung an den Hochschulen ein.

Hass im Netz

  • 18.03.2021, 16:08

Dickpicks nach der Yogastunde und Instagramkunde in der Volksschule

Unangemessene grafische Inhalte und beleidigende Privatnachrichten gehen Hand in Hand mit dem rasanten Wachstum der neuen Technologien und des Internets sowie der verstärkten Nutzung von Netzwerken wie Facebook, Telegram oder Tinder. Als Folge der anhaltenden Pandemie, die die Menschen in ihre Wohnungen - und vor allem hinter ihre Bildschirme - zwingt, schießen Cybergewalt und Hassattacken im Netz in die Höhe. Und damit auch die fatalen Folgen jener Übergriffe auf die Gesundheit junger Menschen. 

Vor ein paar Wochen spazierte ich um 7:30 Uhr nach meiner morgendlichen Yogastunde zu meinem Studijob in einer Kanzlei, als ich plötzlich einen Anruf von einer meiner engsten Freundinnen erhielt: „Babsi, ich war gerade bei der Polizei und bin noch sehr nervös, können wir kurz reden?“. Sie erklärte mir, dass sie trotz mehrmaligem „Nein“ von einem Mann unangebrachte Fotos erhalten hatte und dass es in Österreich (noch) keine Möglichkeit gäbe, ein solches Verhalten mit strafrechtlichen Konsequenzen zu ahnden. Komplett erschrocken verwandelte sich mein Spaziergang in eine unglückliche Recherche: 

Der aktuelle United Nations Women-Bericht besagt, dass im Jahr 2018 fast 73% der Frauen Online-Missbrauch erlebt haben. Erst kürzlich hat Hass im Netz einen neuen Höhepunkt erreicht: Zwischen Juli 2019 und 2020 wurden insgesamt 104.852 gefälschte Nacktbilder von Frauen veröffentlicht. Der Bösewicht in dieser Causa war ein mit künstlicher Intelligenz ausgestatteter, großteils kostenloser Bot des Nachrichtenkanals Telegram. Benutzer*innen können dem Bot Fotos von Frauen –aktuellen Meldungen zufolge auch von Kindern - schicken, der diese daraufhin innerhalb kürzester Zeit digital auszieht.

Schmerzbereitend sind auch die Zahlen im Bereich Cyber-Stalking: 70 % der Frauen, die Cyber-Stalking erlebt haben, haben auch mindestens eine Form körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt durch einen Intimpartner erlebt, und 5 % der Frauen in Europa haben seit dem Alter von bereits 15 Jahren eine oder mehrere Formen von Cyber-Stalking erlebt.

Es ist kein Geheimnis, dass Frauen den (bisher gemeldeten) Zahlen zufolge weitaus am meisten von solchen Angriffen betroffen sind. Viel weniger wird über sexualisierten Kindesmissbrauch im Netz gesprochen. Dieser setzt sich zu 90% aus Darstellungen von Mädchen und zu 10% aus Darstellungen von Jungen zusammen. Entsetzlicherweise zeigen 79% davon Kinder im Alter zwischen 3 und 13 Jahren. 

Die Folgen solcher Angriffe sind fatal. Nach Angaben von Amnesty International erlebt jede zweite Frau, die Opfer von Online-Missbrauch wurde, ein geringeres Selbstwertgefühl oder einen Verlust des Selbstvertrauens sowie Stress, Angst oder Panikattacken. Im Jahr 2014 bestätigte UNICEF, dass das Risiko eines Selbstmordversuchs für Opfer von Cybercrimes 2,3-mal höher ist als für Nicht-Opfer.

In ganz Europa gibt es unzählige Initiativen, die Schutz vor Hass im Netz bieten. Um einige der zahlreichen Beispiele zu nennen: SafetyNed194, eine niederländische Plattform, die von vier Frauenhäusern geleitet wird, mit dem Ziel, sowohl Opfer häuslicher Gewalt als auch diejenigen, die sich um sie kümmern, mit Schutzinstrumenten auf digitalen Plattformen und neuen Technologien auszustatten; Fix the Glitch, eine im Vereinigten Königreich ansässige Organisation, die von Seyi Akiwowo, einer jungen britisch-nigerianischen Politikerin, gegründet wurde, bietet Workshops und Empfehlungen zur Bekämpfung des Online-Missbrauchs von politisch aktiven Frauen an; Antiflirting (mittlerweile @antiflirting2), ein Instagram-Account mit über 80.000 Followern, der Sexismus im Netz sichtbar macht; Dickstinction in Deutschland, eine Website mit der in unter einer Minute eine Strafanzeige erstellt wird; das No Hate Speech Movement des Europarates, Stop Cybersexisme in Frankreich, PantallasAmigas in Spanien oder ZARA, die österreichische Organisation für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit. 

ZARA ruft vor allem zur Zivilcourage auf. Es brauche entsprechende Präventionsmaßnahmen, weshalb der Verein ein Gegenrede-Tool entwickelt hat, damit man schnell und wirksam auf Hasspostings reagieren kann. Die Meldungen nehmen erschreckenderweise jährlich um ein Drittel zu. Allein im Zeitraum vom August 2019 bis September 2020 gingen bei der ZARA-Beratungsstelle #GegenHassimNetz 2.521 Hass-Meldungen ein. Durch die intensive Thematisierung und mediale Aufmerksamkeit wurde vielen Opfern erst bewusst, dass man sich gegen derartige Angriffe wehren kann: Es ist nicht verwunderlich, warum Joko und Klaas vor ein paar Wochen mit ihrer Ausstellung „Männerwelten“ über Gewalt gegen Frauen im Netz nicht mehr zu übersehen waren. Solche Aufschreie aus der Gesellschaft und Bewegungen, die Hass direkt thematisieren, wie beispielsweise #BlackLivesMatter, vervielfachen Meldungen. Einer auf ZARA veröffentlichten Statistik zufolge sind 35% der gemeldeten Fälle (straf)rechtlich verfolgbar – vorwiegend handelt es sich hier um Verhetzung, Beleidigung und Verstöße gegen das Verbotsgesetz – bei 65% der Meldungen konnten keine rechtlichen Schritte gesetzt werden.

Aktuell gibt es neben den bereits bestehenden Straftatbeständen eine eigene Strafbestimmung für "Cyber-Mobbing". Verstöße gegen diese sind mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu ahnden. Etwas mulmig wird mir bei der Strafbemessung, wenn die Tat den Selbstmord oder einen Selbstmordversuch der verletzten Person zur Folge hat. In diesen unvorstellbar schrecklichen Fällen sind Täter*innen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu bestrafen. Auf Gesetzgeberseite ist das Gesetzespaket „Hass im Netz“, das am 01.01.2021 in Kraft getreten ist, ein wichtiger Schritt für die Implementierung eines effektiveren Schutzes vor Hasspostings im Internet. Allerdings spießt sich das Gesetz mit mehreren EU-Richtlinien und könnte weniger wirksam ausfallen als erhofft. Es fällt mir schwer, bei dieser formalen Symptombekämpfung einen Erfolg zu verzeichnen, wenn man sich die Zahlen ansieht. Ist die Aufnahme neuer gesetzlicher Tatbestände wirklich der aktuell effektivste Schutz für Generation Google?

Nach wie vor wird genau diese Generation mit verstaubten Lehrplänen, wie sie unsere Eltern noch kennen, für das Leben ausgerüstet. Während unsere Jüngsten nach wie vor lernen, wie die alten Römer im Liegen aßen, wird kaum auch nur erwähnt, wer dafür verantwortlich ist, dass all die Antworten auf diese Fragen binnen Sekunden im Netz abrufbar sind oder wie man kritisch an die etlichen Antworten herangeht. Es wird in der Schule wochenlang darüber gesprochen, wie Nikotin die Lunge schwärzt, aber nicht darüber, wie das Internet unsere Denkweise und Laune, ja sogar unsere Hirnmasse in ihrer Form verändert. Das Zetterlschreiben ist binnen weniger Jahre zum WhatsApp-Chat geworden, der Unterricht hat sich bis auf das gelegentliche Aufpeppen durch Power Point kaum verändert. Wäre Corona nie gewesen, wäre wohl auch nie ein Onlineraum fürs Lernen denkbar gewesen. 

Jetzt ist es wichtiger als je zuvor genau diese Chance zu nutzen, um diesen virtuellen Raum in einen sozialen Lernraum zu verwandeln. Nur weil der Hass im Internet steht, bedeutet das nicht, dass er dort entsteht. Berichten des Europarates zufolge haben 54% der Opfer, die online schikaniert oder sexuell belästigt wurden, ihren Missbraucher im wirklichen Leben schon einmal getroffen. Es ist also zu Recht anzunehmen, dass potentielle Täter*innen im selben Klassenzimmer sitzen wie ihre Opfer. Jungen Erwachsenen muss nicht nur beigebracht werden, Gedichte zu analysieren, sondern auch kritisch mit sozialen Medien und den Inhalten, die man teilt und sieht, umzugehen. Der gravierende Einfluss dieser Medien und die damit einhergehenden Konsequenzen und Gefahren müssen jungen Menschen nähergebracht werden. Es wird Zeit, die Bühne für Lehrer*innen frei zu machen, die statt dem Handyverbot die Handys gemeinsam mit den Schüler*innen in die Hand nehmen. Und jetzt, wo man endlich in einem Raum angekommen ist, der uns dazu zwingt, uns mit Hass im Netz auseinanderzusetzen, muss ein Umdenken stattfinden. Kommunikation hat sich verändert und mit ihr auch die Köpfe der Schüler*innen. Im Schulalltag macht sich diese Veränderung aber kaum bemerkbar, sie wird oft ignoriert, anstatt sie mit in das Klassenzimmer zu nehmen. Natürlich kann man immer wieder mit dem Finger auf das Internet zeigen. Sinn macht es aber mehr, das Fingerzeigen in ein gemeinsames Tappen am Bildschirm umzuwandeln. 

Wie sieht es an Österreichs Hochschulen mit der Problematik aus? Langsam aber sicher – und um einiges schneller als im Pflichtschulbereich - kommt Hass im Netz auch in der Lehre an. Unter dem Begriff „Cyberpsychologie“ wird mittlerweile sogar ein Masterstudium an der FH WKW angeboten, das sich ausschließlich den Auswirkungen des Internets und der Sozialen Medien auf die Psyche des Menschen widmet. Verschiedenste Curricula erlauben immer wieder die Einbeziehung der Thematik im Pflichtbereich, immer öfter konfrontieren Dozent*innen und Professor*innen in ihren LVs Studierende direkt, wie beispielsweise in der letztes Semester auf der Uni Wien angebotenen Lehrveranstaltung „Hass im Netz: Geschlechterperspektiven auf Gewalt in digitalen Medien“. Von einzelnen Organisationen wurden während der Pandemie und während der Lockdowns vermehrt Helplines als Erstanlaufstelle eingerichtet und beworben. Die ÖH startete vor wenigen Wochen die „Mental-Health“-Kampagne „#reddrüber“, um die massive psychische Belastung von Studierenden nach außen zu tragen und aufzuzeigen, wo Hilfe bereitsteht. 

Je sichtbarer es wird, dass gemeinsam gegen solche Angriffe und daraus folgende Schwierigkeiten vorgegangen werden kann, und je transparenter und lauter Initiativen dagegen vorgehen, umso höher ist auch die Schwelle für potentielle Täter*innen. Zahlreiche Initiativen bewegen Gesetzgeber zu Reformen - ob diese solche Angriffe tatsächlich zurückdrängen werden, bleibt allerdings fraglich. Instagramkunde scheint vielleicht für so manch eine*n Leser*in etwas überspitzt. Solange die Problematik aber nicht intensiv(er) junge Menschen erreicht, wächst die potentielle Angriffsgefahr und mit dem Unwissen über (gesetzliche) Verfolgungsmöglichkeiten auch die Zahl der potentiellen Angreifer*innen. 

Barbara Abdalla

Die Sache mit der Psyche

  • 18.03.2021, 16:16

Die Sache mit der Psyche

Die Corona-Krise drückt auf die Seele. Junge Menschen sind besonders gefährdet. Es ist höchste Zeit zu handeln.

Florenz im 14. Jahrhundert: In Italien wütet die Pest und rafft die Bevölkerung dahin, Leichengestank hängt in den Straßen, Institutionen funktionieren nicht mehr, die Gesellschaft bricht auseinander. Sieben junge Frauen und drei Männer entfliehen dem Tumult und ziehen sich auf einen Landsitz zurück. Dort erzählen sie einander ihre Geschichten, genießen köstliche Speisen und Wein, tanzen, um ihre Sorgen zu vergessen. Was der italienische Schriftsteller Giovanni Boccaccio in seinem Meisterwerk, dem Decamerone, beschreibt, erfahren wir rund 700 Jahre später am eigenen Leib: Anstatt der Pest ist es nun das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2, das Menschenleben auf der ganzen Welt fordert und alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens beherrscht. Von Tanz und Genuss ist wenig übrig. Wir befinden uns inmitten einer Krise, deren Auswirkungen weder vor dem Gesundheits- und Bildungswesen, noch vor dem Arbeitsmarkt und dem wirtschaftlichen System Halt machen. Noch etwas ist längst nicht mehr zu übersehen: Corona macht Angst. Und einsam. Expert*innen warnen, dass jetzt eine dritte Welle anrollt – und zwar die der psychischen Erkrankungen.

Quälende Unsicherheit. 

Der international bekannte Psychiater der Harvard Medical School, Viktor Patel, ist alarmiert. Auf der Online-Konferenz der Europäischen Gesellschaft für klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten warnt er vor einem „weltweiten Tsunami schwerer psychischer Leiden“ infolge der Isolation und Angst. Eine Studie der Donau-Universität Krems bestätigt, dass auch die österreichische Bevölkerung psychisch stärker belastet ist als vor der Pandemie. Besonders besorgniserregend: Die depressiven Symptome haben auch nach Ende des ersten Lockdowns weiterbestanden. Insbesondere jene Menschen, die im Lockdown verstärkt Stress und Einsamkeit durchlebt hatten, waren danach prädestiniert für Depressionen und Co. Doch während zu Beginn der Krise befürchtet wurde, dass hauptsächlich ältere Menschen aufgrund ihres hohen Infektionsrisikos und des damit einhergehenden höheren Isolationsfaktors unter der seelischen Belastung leiden würden, zeigte sich rasch ein anderes Bild: Es sind auch junge Erwachsene zwischen 20 und 30, denen die Ausnahmesituation auf die Psyche schlägt. Die Fakultät für Psychologie der Universität Wien startete während des ersten Herunterfahrens des Alltages im April eine siebentägige Tagebuchstudie. 800 Teilnehmer*innen in Österreich und Italien machten dabei fünfmal am Tag via Smartphone-App Angaben zu ihrem Wohlbefinden und Stressniveau. Mit dem Ergebnis, dass Ängste und Unsicherheiten den Jungen besonders zu schaffen machen. Aber warum?

Abnabelung auf dem Prüfstand.

Unser soziales Leben liegt seit Monaten auf Eis. Bitter ist das für jede und jeden, aber gerade unsere Generation wird in einer heiklen Phase erwischt – nämlich jener der Identitätsbildung. Das Entwickeln eigener Interessen und Routinen, das Gestalten von Eigenzeit, spannende Übergangsphasen in neue Lebensabschnitte – vieles ist gerade nicht möglich und nicht alles kann in „besseren Zeiten“ nachgeholt werden. „Es gehört im jungen Erwachsenenalter dazu, sich gegen das Establishment aufzulehnen, andere Meinungen infrage zu stellen, um sich die eigene zu bilden. Da wiegen alternativlose Regeln und Maßnahmen umso schwerer“, betont Dr. Mag. Birgit Hladschik-Kermer, MME, Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie an der MedUni Wien. Auch die notwendige Distanz zu Mitmenschen ist ein hartes Pflaster für die Psyche: „Gerade für junge Menschen ist der Kontakt mit Gleichaltrigen ein wichtiger Baustein der emotionalen und kognitiven Entwicklung“, sagt Hladschik-Kermer. Das Wegfallen dieses Bausteins sei vor allem dann problematisch, wenn man wenig Kontakt zur Familie hat oder wenn ein stabiles soziales Netz fehlt – zum Beispiel, weil man erst kürzlich von zuhause ausgezogen, Jobeinsteiger_in oder single ist. Funktionierende soziale Ressourcen aufzubauen wäre jetzt wichtiger denn je, meint die Expertin. Einfach sei das aber nicht, denn: „Zurzeit haben viele junge Menschen mit massiven Schuldgefühlen zu kämpfen. Medial wird ihnen oft der schwarze Peter zugeschoben, sie werden für die starke Ausbreitung des Virus verantwortlich gemacht. Diese Stigmatisierung ist falsch – was natürlich nicht bedeutet, dass man in Zeiten wie diesen Partys veranstalten soll. Es bräuchte aber spezifische Unterstützungsangebote für alle Altersgruppen und das Aufzeigen von Perspektiven.“ 

Die Bedeutung von Zukunftsperspektiven ist nicht zu unterschätzen: Sie geben dem Leben eine Richtung und helfen dabei, auch Durststrecken durchzustehen. Wichtig dabei ist jedoch, dass der zeitliche Rahmen abgesteckt ist und man weiß, wie lange ein Zustand noch andauert.  Wir denken zum Beispiel an die Abreißkalender, die wir früher vor den Ferien oder vor der Matura gebastelt haben – eine optische Hilfe für die Seele. Dass aktuell aber das zeitliche Ziel fehlt, ab dem wir unsere sozialen Bedürfnisse wieder befriedigen und unseren Hobbys nachgehen können, ist einer von vielen Stressfaktoren. „Über uns schwebt eine Wolke aus Unsicherheit“, sagt Hladschik-Kermer. „Dieser Zustand ist nicht nur unangenehm, er führt auch zu einer Aktivierung des vegetativen Nervensystems. Dadurch kommen möglicherweise auch Ängste an die Oberfläche, die bereits vor der Pandemie bestanden haben, die man aber im normalen Alltag und mit einem strukturierten Tagesablauf gut bewältigen konnte.“ Hinzu komme in vielen Fällen die fehlende Erfahrung im Umgang mit Krisen. „Ältere Menschen haben in ihrem Leben meist schon einige Krisen durchgemacht und sich dadurch Bewältigungsstrategien angeeignet, die sie jetzt anwenden können. Junge Erwachsene verfügen meist noch nicht über diese Krisenresistenz“, so die Psychologin. 

Zukunftsängste?

Social Distancing zieht sich nicht nur durch das Privatleben sondern bleibt uns vorerst auch im Studium nicht erspart. Wenngleich sich durch den Fernunterricht auch bestimmte Vorteile ergeben, haben Studierende dennoch viele Herausforderungen zu bewältigen. „Distance Learning erfordert sehr viel Selbstdisziplin und Organisation. Gleichzeitig bekommen Studierende ein unterschiedlich hohes Maß an Qualität geboten. Lehrkräfte wiederum sind gefordert, digitale Mittel kreativ zu nutzen, Feedback zu geben und den Studierenden Unterstützung anzubieten. Die Situation ist für beide Seiten nicht einfach und oftmals überfordernd“, gibt Hladschik-Kermer zu denken. Die Novelle des Studienrechts, mit der künftig Mindestleistungen für Studienanfänger_innen festgeschrieben werden (wer nicht in den ersten zwei Jahren seines Bachelorstudiums 24 ECTS-Punkte sammelt, verliert die Studienzulassung) ist da nur die Spitze des Eisbergs.

Auch der Ausblick auf eine baldige Impfung offenbart nicht unbedingt rosige Aussichten. Es wird eine ganze Weile dauern, das Wirtschaftssystem wieder anzukurbeln. Vielfach wird die Befürchtung geäußert, dass es die Jungen sein werden, die in den kommenden Jahren finanzielle Wogen glätten müssen. Das sorgt für Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt und wirft Fragen auf: „Werde ich nach dem Studium einen Job finden? Bekomme ich einen Praktikumsplatz? Kann ich es mir überhaupt leisten, eine Familie zu gründen?“ 

Belastung ist keine Schwäche.

Wie geht man mit all diesen Unsicherheiten am besten um? „Indem man auf jeden Fall das Gespräch mit jemandem sucht, dem man vertraut“, sagt Hladschik-Kermer. Sind persönliche Gespräche aufgrund der Maßnahmen nicht möglich, empfiehlt die Expertin Videocalls, da man sich dem*der Gesprächspartner*in dabei verbundener fühlt als beim Telefongespräch. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene kostenlose anonyme Angebote, an die man sich jederzeit wenden kann. „Was uns im Augenblick besonders fehlt sind die schönen Dinge, die man gerne macht und mit denen man sich belohnen kann – zum Beispiel sich zum Essengehen verabreden oder einmal über das Wochenende wegzufahren. Nichtsdestotrotz sollte man auch jetzt versuchen, sich ab und an etwas Gutes zu tun, auf das man sich freuen kann“, rät die Psychologin. Das können ganz banale Dinge wie ein Spaziergang, ein virtuelles Mittagessen mit Freund*innen oder Sport sein. „Routinen vermitteln Sicherheit in einer unsicheren Zeit. Wer sich einen Tagesplan erstellt, bringt Struktur in den Alltag. Auch körperliche Aktivität tut jetzt gut – sie hält gesund und hebt die Laune“, sagt Hladschik-Kermer. Zusätzlich rät sie zum regelmäßigen Nachrichten-Fasten, denn uns wurde zwar die Kontrolle über einige grundlegende Bereiche genommen, aber wir können uns die Kontrolle darüber zurückholen, wann wir uns über die Geschehnisse informieren. Denn auch wenn wir tausendmal am Tag einen Liveticker verfolgen, können wir die aktuelle Situation nicht ändern und werden in den meisten Fällen nur zusätzlich in Panik versetzt. Eine Sache, betont Hladschik-Kermer, sei jetzt besonders entscheidend: „In Zeiten wie diesen psychisch belastet zu sein, ist keine Schwäche – im Gegenteil! Es ist ganz normal, während einer Pandemie nicht immer gut gelaunt, positiv und produktiv zu sein.“ Deshalb: Seid nicht zu streng mit euch selbst. Bessere Zeiten werden kommen!

Michaela Neubauer hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaft studiert und arbeitet hauptberuflich als Redakteurin.