Vorsitzkommentar

  • 20.04.2020, 14:43
Vorsitzkommentar April 2020

 Liebe Kolleg_innen,

wie so viele zu dieser Zeit müssen wir mit Folgendem einleiten: Wir hoffen, euch und euren Lieben geht es gut und ihr seid (noch) gesund. In den letzten Wochen geht alles Schlag auf Schlag, viele Dinge, die nie vorstellbar gewesen wären und so auch noch nie passiert sind (Stichworte bis dato Schulschließungen oder social distancing) werden innerhalb weniger Stunden verlautbart, verordnet, umgesetzt. Und gleichzeitig erleben wir – durch Maßnahmen wie Homeoffice, home-learning oder eben social distancing – eine ebenfalls kaum vorstellbare Entschleunigung unseres gesamten Lebens. Manche (oder vielleicht eher: sehr viele) Dinge waren in den letzten Wochen einfach gerade nicht möglich. Das zeigt uns einerseits gerade, dass es offenbar eine globale Pandemie braucht, um uns die Schwächen und auch die krassen Fehler unseres Wirtschaftssystems aufzuzeigen. Andererseits sorgt das natürlich auch bei uns allen für grobe Unsicherheiten: Wie schauts jetzt mit meinen Beihilfen aus, wenn ich den Leistungsnachweis vielleicht nicht erbringen kann? Kann ich in diesem Semester mein Studium vielleicht gar nicht abschließen oder den Aufnahmetest für die FH nicht machen? Und wann ist dieser ganze Spuk eigentlich wieder vorbei?

„…warum nicht gleich so?“

Momentan schaut es so aus, als könnte niemand so wirklich abschätzen, wie lang die vielzitierte „aktuelle Situation“ so bleiben wird, wie sie ist. Aber eins steht fest: Nicht nur alle von uns, auch unsere Hochschulen sind hier ohne tatsächliche Vorbereitung von einem Tag auf den anderen vor einer komplett neuen Situation gestanden. Jetzt kann man natürlich sagen „Jaja, jetzt auf einmal funktioniert das mit dem E-Learning, warum nicht gleich so?!“; allerdings ist auch das nur eine von vielen Fragen, die jetzt augenscheinlich werden, die leider nur auf den ersten Blick einfach mit dem Ruf nach mehr Digitalisierung zu beantworten sind. Ja, der Ausbau der Digitalisierungsmaßnahmen auf den österreichischen Hochschulen ist wichtig. Ja, es sollte selbstverständlich sein, dass Lehrende einen Moodle-Kurs benutzen und nein, es darf nicht sein, dass Vorlesungsinhalte heutzutage tatsächlich nur physisch im Hörsaal erfahrbar sind und nicht per Video on demand verfügbar sind. Aber: Digitalisierung alleine wird die Probleme an unseren Hochschulen nicht lösen können. Seit Jahren und mittlerweile sogar Jahrzehnten sind wir mit einer chronischen Unterfinanzierung unserer Hochschulen konfrontiert, die sich nicht nur darin äußert, dass beispielsweise zu wenig Streamingequipment bereit steht, sondern auch darin, dass den Lehrenden nicht genug Lohn gezahlt werden kann, sodass sie Zeit und Muße hätten, sich auch alternative Lehrkonzepte zu überlegen. Die Mitbestimmungsrechte von uns Studierenden werden immer weiter beschnitten, sodass wir immer weniger Raum und Macht bekommen, unsere Anliegen und unsere Wünsche, wie wir lernen und studieren wollen, auch tatsächlich äußern zu können. Und – ebenfalls aus ökonomischen Gründen: Die Forschung wird meist über die Lehre gestellt. Um als Hochschule einen guten Platz in (für uns Studierende komplett irrelevanten) Rankings zu bekommen, zählen exzellente Forschungsergebnisse und nicht die exzellente Lehre. Wenn die Auseinandersetzung hiermit stärker forciert werden würde, wäre nämlich auch klar, dass eine rein digitale Lehre niemals ausreichen kann; sondern es eine Verschränkung aus Präsenzlehre und digitalem Angebot braucht. Wir müssen diese Krise nutzen, um die grundlegenden Fragen und Probleme unseres Hochschulsystems zu diskutieren und nicht bloß reine Symptombekämpfung zu praktizieren.

Wir sind für dich da!

Als deine Interessensvertretung kämpfen wir auf politischer Ebene für dich. Wir setzen uns gegenüber dem Wissenschaftsministerium und den Hochschulen dafür ein, dass wir Studierende nicht als Verlierer_innen aus dieser Krise herausgehen dürfen. Ganz oben auf der Liste stehen der weitere Bezug verschiedener Beihilfen, ein Ausbau des Lehrveranstaltungsangebots und der Erlass von Studiengebühren. Wir werden nicht akzeptieren, dass Unternehmer_innen weiterhin mit Staatshilfen Gewinne scheffeln und für uns Studierende angeblich nicht genügend Geld da sein soll.

Wir sind außerdem sehr bemüht, unsere Unterstützungsangebote ebenfalls in diesen (auch für uns schwierigen) Zeiten anbieten zu können und haben hierfür den Corona-Härtefonds (https://www.oeh.ac.at/corona-haertefonds) ins Leben gerufen: Du hast durch die Coronakrise deinen Job verloren oder deine Eltern sind in Kurzarbeit und können dich nicht mehr finanziell unterstützen? Du wolltest eigentlich noch im Wintersemester dein Studium abschließen, aber durch Corona verzögert sich alles? Dann stell online einen Antrag. Wir bemühen uns, dir so schnell wie möglich eine Rückmeldung zu geben. Wenn du Fragen dazu hast, wie es auf deiner Hochschule weitergeht, wie das jetzt eigentlich mit den Beihilfen ausschaut oder ab wann du wieder auf der Bib lernen darfst, kannst du dich unter coronainfo@oeh.ac.at an uns wenden!

Lasst euch nicht unterkriegen, gemeinsam stehen wir das durch!

Adrijana, Desmond und Dora

AutorInnen: Dora Jandl, Adrijana Novakovic, Desmond Grossmann