Vertreten auf bayrisch

  • 27.10.2014, 13:08

In 15 von 16 deutschen Bundesländern gibt es sogenannte „Verfasste Studierendenschaften“, nur in Bayern nicht. StudierendenvertreterInnen kämpfen dort schon seit Jahrzehnten für mehr Mitspracherecht an den Hochschulen.

In 15 von 16 deutschen Bundesländern gibt es sogenannte „Verfasste Studierendenschaften“, nur in Bayern nicht. StudierendenvertreterInnen kämpfen dort schon seit Jahrzehnten für mehr Mitspracherecht an den Hochschulen.

Nach der luxemburgischen Studienvertretung werfen wir in unserer Serie diesmal einen Blick auf Deutschland und besonders Bayern.

Im Unterschied zu Österreich, wo die Studierendenvertetung an den öffentlichen Hochschulen bundesweit einheitlich organisiert ist, sieht die Situation in Deutschland etwas anders aus. In den letzten Jahrzehnten haben sich dort verschiedene Formen der Studierendenvertretung herausgebildet. Diese Entwicklung gilt als Resultat des sogenannten „Bildungsföderalismus“ – also des auf Bundesebene noch immer eingeschränkten deutschen Hochschulrechts. Die bundesweite Vertretung, die mit der Bundesvertretung der ÖH vergleichbar ist, bildet in Deutschland der Verein freier zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs). Mit rund 90 Mitgliedsorganisationen vertritt der fzs etwa eine Million Studierende.

Darüber hinaus hat in der Regel jede deutsche Hochschule eine sogenannte „Verfasste Studierendenschaft“. In den meisten deutschen Bundesländern bildet der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) an den Hochschulen deren geschäftsführendes Organ. Der AStA wird in der Regel vom Studierendenparlament gewählt. In machen Teilen Deutschlands, etwa in Ostdeutschland, gibt es anstatt der AStAs sogenannte Studierendenräte. Die AStAs vertreten die politischen Interessen sowie die sozialen und wirtschaftlichen Belange der Studierenden. In der Regel ist die Mitgliedschaft in den Verfassten Studierendenschaften gesetzlich geregelt und beginnt mit der Immatrikulation. Die Verfassten Studierendenschaften finanzieren sich, wie die ÖH, weitgehend über die Beiträge ihrer Mitglieder.

Kein Mitspracherecht. Verfasste Studierendenvertretungen gibt es in allen deutschen Bundesländern bis auf Bayern. Auch dort ist die Vertretung der Studierenden zwar im Landeshochschulgesetz verankert – jedoch sind dafür weit weniger Kompetenzen vorgesehen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist ihre Funktion stark eingeschränkt: Die Studierendenvertretungen organisieren sich in Bayern im Studentischen Konvent und haben kein allgemeinpolitisches Mandat. Daneben existieren zahlreiche Vereine, die von Studierenden gegründet
wurden, um die Studierendenvertretungen zu unterstützen.

Daniel Gaittet, 22, Student der Medienwissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie, war jahrelang in der Studienvertretung an der Uni Regensburg aktiv, heute ist er im Vorstand des fzs tätig. Während seiner Arbeit als Studierendenvertreter wurden die Probleme der Situation in Bayern für ihn immer wieder spürbar: „Eine der Herausforderungen für die Arbeit von Studierenden in nicht verfassten Studierendenvertretungen ist ihre miese finanzielle Situation, die die Vertretungsarbeit erschwert“, meint Daniel.

Hilfe für Bayern. Denn während Verfasste Studierendenschaften von ihren Mitgliedern Beiträge erheben dürfen, um ihrer Vertretungsaufgabe nachzukommen, müssen sich die Studienvertretungen in Bayern bei der Finanzierung von Projekten ganz auf das Budget und den Willen ihrer Hochschulen verlassen. Vor allem im Streit um Studiengebühren wurde sichtbar, was das in der Realität bedeutet: „Im Kampf gegen die allgemeinen Studiengebühren waren wir oft auf finanzielle Unterstützung aus anderen Bundesländern angewiesen. Denn Geld gibt es in Bayern nur für Projekte, die die Hochschule auch unterstützt.“ Weil sie diesen Einfluss auf die Studierendenvertretungen nicht verlieren wollen, wehren sich manche RektorInnen bayrischer Hochschulen gegen die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaften.

Finanzielle Unterstützung aus anderen Bundesländern bekommen die bayrischen Studierenden glücklicherweise aber immer wieder, etwa aus den Solitöpfen des fzs oder gar von einzelnen Studierendenschaften. Sie greifen den bayrischen Vertretungen immer wieder unter die Arme, damit auch sie politische Arbeit leisten können. Für Daniel bedeutet das, Projekte wie etwa die bundesweiten Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie oder antirassistische Aktionswochen wie das festival contre le racisme realisieren zu können.

Die Politik blockiert. Dass die Ablehnung eines politischen Mandats der Studienvertretung
in Bayern aber nicht nur an vielen regionalen Hochschulen, sondern auch und vor allem in der Landespolitik groß ist, zeigte sich immer wieder in der Vergangenheit. Es ist bezeichnend, dass es nur in den Bundesländern Bayern und BadenWürttemberg überhaupt zu einer Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft gekommen ist. Auch der Fall Baden-Württemberg zeigt, wie die Landespolitik die Hochschulpolitik blockieren kann. 58 Jahre lang gab es dort keine Verfasste Studierendenschaft. 58 Jahre lang war die CSU an der Macht. Erst ein Regierungswechsel 2011 brachte Veränderung und eine Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaften.

In Bayern kommt immer dann der lautstarke Protest der konservativen CSU auf, wenn die Forderung nach einer Wiedereinführung vorgebracht wird. „Der Begriff der Verfassten Studierendenschaft ist zu einem Kampf begriff geworden, den vor allem ihre GegnerInnen ideologisch aufladen“, meint Daniel. „Der Begriff allein sorgt bei der CSU inzwischen für Gesprächsblockaden. Im Moment ist die Diskussion über die Wiedereinführung einer Verfassten Studierendenschaft in Bayern erstarrt.“

In den letzten Jahren wurde in den meisten deutschen Bundesländern die Rechtslage in Hinblick auf das politische Mandat der Studienvertretungen erweitert – nur eben in Bayern nicht. Dass die Verfasste Studierendenschaft dort 1973 – also nach den berüchtigten 68ern – gekappt wurde, war kein Zufall. Vielmehr ist ihre Abschaffung als ein klarer Bruch mit einer Zeit zu verstehen, in der es normal war, dass Studierende sich zu gesellschaftspolitischen Verhältnissen äußerten und dagegen protestierten. Daniel ist überzeugt, dass sich an der aktuellen bayrischen Situation aber so schnell nichts ändern wird: „Ich glaube nicht, dass es mit der CSU eine Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft in Bayern geben wird. Aber der Kampf dafür geht weiter.“   

Simone Grössing studiert Politikwissenschaft an der Uni Wien.

 

AutorInnen: Simonne Grössing