The (un)happy Prince

  • 01.03.2020, 11:54
Oscar Wildes Leben war geprägt von Glamour und Kunst. Gehasst und verehrt zu seiner Zeit war er ein Vorreiter für den offenen Umgang mit Homosexualität. Ein Portrait.

Als ich vergangenes Jahr auf der Suche nach einer neuen Lektüre den nächstgelegenen Büchertauschschrank unsicher machte, war unter meinen Errungenschaften ein Roman, der mir schon von mehreren Freund_innen als Lieblingsbuch empfohlen wurde: The Picture of Dorian Gray von Oscar Wilde. Und tatsächlich zog mich das Buch direkt in seinen Bann. Die Leichtigkeit der Sprache, der einzigartige, zuweilen zynische Humor und nicht zuletzt diese mystische Erzählung eines Jünglings, der sich in seiner jugendhaften Schönheit verliert, verleihen dem Prosawerk einen in der Literatur des 19ten Jahrhunderts einzigartigen Charme.

Ein exzentrischer Dandy. Man merkt diesem Buch – abgesehen vom Setting – kaum an, dass es vor knapp 120 Jahren in der viktorianischen Ära erschien; also zur wohl prüdesten Epoche der Weltgeschichte. The Picture of Dorian Gray ist das Portrait eines Dandys, der kein Geheimnis aus seiner Lust an sexuellen Ausschweifungen macht und durchaus autobiographische Parallelen zum Autor aufweist. Es ist wenig verwunderlich, dass es einen Skandal in der Londoner Oberschicht auslöste, in deren Kreisen Oscar Wilde verkehrte. Homosexualität selbst wird zwar nur angedeutet, aber die Zeitgenoss_innen sahen in dem Werk den Beweis für Oscar Wildes sexuelle Neigungen, die mit den viktorianischen Moralvorstellungen unvereinbar waren. Oscar Wilde war aber nicht nur wegen seines Prosawerkes Opfer zahlreicher Hetzkampagnen, sondern sein ganzes Auftreten gab den Kritiker_innen Anlass, sich an der auffallenden Persönlichkeit abzuarbeiten. Lange Kniehosen, Seidenstrümpfe, seine Vorliebe für Schönes, nicht zuletzt seine Wortgewandtheit und sein entwaffnender Humor prägten das Bild des Homosexuellen in der britischen Gesellschaft nachhaltig. Männer mit ähnlichen Begehren wurden noch lange Zeit nach Wildes Verurteilung als „Oscar“ verpönt.

Ob Oscar Wilde tatsächlich homosexuell war, ist bis heute umstritten. So gingen aus seiner Ehe mit Constance Lloyd zwei Söhne hervor; zudem sind zahlreiche Sympathien zu Frauen bekannt, die eine bisexuelle Orientierung des Poeten vermuten lassen. Seine Verhältnisse zu Männern beruhten zudem auf einer ephebophilen Neigung, da seine Liebhaber meist wesentlich jünger waren. Insbesondere die Verhältnisse zu den deutlich jüngeren Männern Robert Ross und Lord Arthur Douglas sind gut dokumentiert.

Der tiefe Fall des Genies. Letztere Beziehung führte zum Eklat, als der Vater von Lord Arthur Douglas Oscar Wilde öffentlich der Sodomie beschuldigte. Dieser Auseinandersetzung folgten drei Gerichtsverhandlungen, die zur Diskreditierung des einst so gefeierten Literaten führten. Auch der Roman The Picture of Dorian Gray wurde als Beweisobjekt für Wildes homosexuelle Unzucht (gross indecency) herangezogen. Schlussendlich waren es die Aussagen zahlreicher männlicher Sexarbeiter, die ihn belasteten und ihm zwei Jahre Haft in Kombination mit schwerer Arbeit im Zuchthaus einbrachten. Der einst so schimmernde, lebensfrohe und bei Zeiten arrogante Poet zerbrach an den Haftbedingungen. Nach seiner Freilassung kehrte er England den Rücken und verbrachte drei weitere von Trauer gekennzeichnete Jahre, ehe er im Alter von 46 Jahren starb. Die Rehabilitation der Person Oscar Wilde dauerte lange. Ihm wurde erst 2017 im Zuge des Alan Turing Law in Großbritannien mit knapp 49.000 weiteren homosexuellen Männern durch ein „Pardon“ vergeben. 117 Jahre nach seinem Tod!

Rechte Homosexueller weltweit. In Österreich wurde erst im Jahr 1971 wurde die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen eingestellt. Seit 2010 ist die eingetragene Lebenspartnerschaft bei gleichgeschlechtlichen Paaren in Österreich anerkannt und seit 2019 ist auch die Zivileheschließung hier möglich. Dennoch sind gleichgeschlechtliche Ehen immer noch nicht gänzlich gleichberechtigt. Auch in Bezug auf die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Homosexuellen, Bisexuellen und Queers ist die Gesellschaft noch nicht vollends aufgeschlossen. Dies zeigt sich vor allem im Vergleich von Stadt und Land sowie jung und alt. Weltweit sieht die Lage Homosexueller weiterhin Besorgnis erregend aus. Der von der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) herausgegebene Report on State-Sponsored Homophobia (2019) gibt an, dass 68 Staaten Homosexualität kriminalisieren (35 Prozent aller UN-Staaten), wobei in fünf Ländern (Mauretanien, Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Pakistan und Afghanistan) sogar noch die Todesstrafe verhängt wird. Aber der Report macht auch Hoffnung, da weltweit eine Entkriminalisierung von Homosexualität zu beobachten ist. Vor allem in OstAsien bessert sich die Situation. Letztes Jahr führte etwa Taiwan als erstes asiatisches Land die Ehe für alle ein.

Man möchte sich überhaupt nicht vorstellen, wie viele Genies wie Oscar Wilde daran zerbrochen sind, nicht ausleben zu können, wer sie eigentlich sind. Kaum auszumalen bleibt, wie viel Kunst und Fröhlichkeit der Menschheit verloren geht, weil es Menschen verboten ist, die Menschen zu lieben, die sie wollen.

AutorInnen: Joe Brandes