Kondome, Kohle, Kujau und Karrikaturen

  • 08.03.2016, 18:34
Antiquierte Verhütungsmittel, Abtreibungswerkzeuge, Toiletten aus der K.u.K.- Monarchie und mehr: Wer Wissbegierigkeit und Sinn für Unkonventionelles in sich trägt, ist mit einem Besuch in folgenden, weitgehend unbekannten Museen und Ausstellungsstätten gut beraten. Ein Überblick.

Antiquierte Verhütungsmittel, Abtreibungswerkzeuge, Toiletten aus der K.u.K.- Monarchie und mehr: Wer Wissbegierigkeit und Sinn für Unkonventionelles in sich trägt, ist mit einem Besuch in folgenden, weitgehend unbekannten Museen und Ausstellungsstätten gut beraten. Ein Überblick.

Museum für Heizkultur. Eigentlich trägt das unterirdisch gelegene Museum den Namen „Brennpunkt“, das Programm ist allerdings das gleiche geblieben: Es geht um das Heizen, nicht nur als technische, sondern auch als (anti)ökologische und gesellschaftliche Praxis. Was heute als hochtechnisierter, (für fast alle) selbstverständlicher Vorgang angesehen wird, ist hier abseits der Alltäglichkeit thematisiert. So wird auch der Zusammenhang von ökonomischen Umbrüchen – etwa der Übergang zum industrialisierten Kapitalismus und dessen energiepolitische Umstellungen auf Kohle – beleuchtet. Auch die sozialräumliche Dimension wird ins Licht gerückt. Wusstet ihr, dass der Westrand Wiens zu den kältesten Regionen der Stadt zählt und die Heizkosten dort im Schnitt um 15 Prozent höher sind als etwa im Stadtkern? Das liegt unter anderem an der weniger dichten Bebauung in diesem Gebiet. Im eng bebauten Stadtkern spricht man vom „Wärmeinseleffekt“. Im Zusammenhang mit der schlechteren Wärmeisolierung in den billigeren Wohngebieten ist dies sozial- und umweltpolitisch sicherlich ein brisantes Thema. Bis Mai dieses Jahres beherbergt der „Brennpunkt“ auch eine kleine Ausstellung mit dem Titel „Von Wegen stilles Örtchen“. Was zunächst banal klingt, ist eine historische, soziale und ökologische Betrachtung der Toilette. So sind etwa Beobachtungen einer Wartefrau in den öffentlichen Toiletten im Buch „Die Memoiren der Wetti Himmlisch“ nachzulesen. Die Ausstellung ist multimedial: So kann man etwa eine Sendung eines Schülerradios anhören, in der unter anderem das Phänomen der „Schüchternen Blase“ – vor allem Männer, die auf öffentlichen Toiletten nicht können/wollen – psychologisch beleuchtet wird. Eine akademische Betrachtung des Klos kann man sich zu Gemüte führen, wenn man dem Ausschnitt eines Vortrages von Slavoj Žižek über „Toilets and ideology“ zuhört. Der „Brennpunkt“ ist voll mit Alltäglichkeiten, in denen aber mehr steckt, als man anfänglich glaubt.

MUVS. Das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch besteht lediglich aus zwei Räumen, bietet allerdings genügend Ausstellungsinhalte, um einen Nachmittag zu füllen. Chronologisch angeordnet kann man die Entstehung und Wandlung moderner Verhütungsmittel vom 18. Jahrhundert an nachvollziehen. So wurde etwa das Kondom in Europa schon vor rund 250 Jahren verwendet. Damals wurde es aber nicht wie heute meist aus Latex, sondern unter anderem aus Fischblasen hergestellt. Allerdings schimpfte der – nicht zuletzt wegen seiner Liebschaften bekannte – Schriftsteller Giacomo Casanova: „Ein Kondom ist ein Panzer gegen die Lust, aber ein Spinnweb gegen die Gefahr.“ Weiters sind auch die medizinischen und wissenschaftlichen Irrtümer, etwa bezüglich des weiblichen Zykluses, dokumentiert. Eines amüsierten Lächelns braucht man sich an mancher Stelle nicht zu schämen. Die zweite Kammer beschäftigt sich mit der Geschichte der Abtreibung, wobei das Thema in einer eurozentrischen Perspektive behandelt wird. Detailliert werden nicht nur die Folgen illegaler Abtreibungen gezeigt, sondern auch auf den weiblichen Körper als Kulminationspunkt verschiedener gesellschaftlicher Interessen verwiesen.

Fälschermuseum. Kunst und Fälschung sind einander verschwistert. Wer sich über die Geschichte der Kunstfälschung einen kleinen Überblick verschaffen will, ist im Fälschermuseum Wien gut aufgehoben. Hier kann man dutzende „Originalfälschungen“ betrachten und die Geschichte ihrer „Schöpfer_innen“ kennenlernen. Wer mit der Materie noch nicht allzu vertraut ist, kann sein kunstbezogenes Vokabular erweitern. Vorzufinden sind Stilfälschungen, Verfälschungen, Plagiate, Litographien (= Identfälschungen, bei denen detailgetreu gefälscht wurde) und Kopien. Noch interessanter als die Werke an sich sind die Fälscher_innen. Was treibt einen Menschen, der über genug Talent verfügt, eigene fabelhafte Malerei zu schaffen dazu, sich als Copycat zu gerieren? Ist es lediglich die Aussicht auf lukrative Geschäfte? Wenn dem so sein sollte, wie erklärt man sich dann, dass Fälscher_ innen wie der Brite Tom Keating „ihre“ Werke absichtlich präparierten, fremde Elemente gut versteckt einfügten, so dass sie sich früher oder später von selbst enttarnen? Es liegt der Verdacht nahe, dass diese Menschengattung auch der lustvolle Drang, Menschen zu täuschen und zu veralbern, antrieb. Selbst das Fälschermuseum wurde schon zum Opfer und stellte eins der geschätzt zehn Prozent musealer Ausstellungsstücke aus, die keine Originale sind. 2006 stellten sich die kurz davor erworbenen Kujau- Werke – Kujau wurde Anfang der 80er bekannt, als seine millionenschwere Fälschung der Hitler-Tagebücher aufflog – als „falsche Fälschungen“ heraus.

Karikaturmuseum. „Kult auf 4 Rädern“ ist der Titel der anlässlich des 130. Geburtstages des Automobils eröffneten Ausstellung im Kremser Karikaturmuseum. Konkret geht es um die Rolle des Autos in Karikaturen und Comics. Auffallend oft sind darunter politische Kommentare, in denen das Auto als Metapher wirkt. So fährt etwa David Cameron, der britische Premier, im Kreisverkehr „gegen den Strom“. Weiter gibt es Interessantes für Chauvinisten, die der Meinung sind, Frauen gehören nicht hinter das Steuer: Die erste Langstreckentestfahrt, die zum Erfolg des ersten Patent-Motorwagens von Carl Benz und damit des Autos insgesamt führte, wurde von dessen Frau Bertha absolviert. Wer hätte das gedacht? Weiters gibt es im „Kari“ Krems eine variierende, aber dauerhafte Ausstellung der Karikaturen von Manfred Deix. Per Kombiticket kann man auch die Kunsthalle vis-à-vis besuchen.

 

Johannes Mayerhofer studiert Soziologie und Psychologie an der Uni Wien.

AutorInnen: Johannes Mayerhofer