Coronavirus in Österreich – wie damit umgehen?

  • 28.04.2020, 17:33
Das Coronavirus hat Österreich erreicht. Wir sitzen alle fest in unseren Wohnräumen. Unwissen und Fake News führen zu Panik und rassistischen Anfeindungen. Müssen wir uns fürchten?

Geschichte und Verlauf der Krankheit. Das „Coronavirus“ oder der medizinische Fachausdruck SARS-CoV-2 (Severe Acute Respiratory Syndrome CoronaVirus-2) ist ein neuartiges Virus, welches der Virusfamilie Corona entstammt. Frühere neuartige Erreger, die z.B. die SARSPandemie 2002/2003 oder MERS-CoV (Middle East Respiratory Syndrome CoronaVirus) 2012 auslösten, entstammten der gleichen Virusfamilie. Erstmalig wurde die neuartige Erkrankung COVID-19 (Coronavirus disease-19), wie sie richtig heißt, im Dezember 2019 in der Millionenstadt Wuhan in China entdeckt. Laut Virolog_innen entstammt das Virus höchstwahrscheinlich dem Tierreich, ist vermutlich von einer Fledermaus, die als Zwischenwirt fungierte, auf den Menschen übergegangen. Der Erreger ist während der Übertragung von Tier auf Mensch mutiert und kann nun auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Das Virus kann für bis zu 72 Stunden auf einer Oberfläche überleben. Seit dem ersten Ausbruch sind insgesamt mehr als 160 Länder davon befallen. Täglich werden neue gesundheitspolitische Maßnahmen vorgestellt und implementiert, vor allem in Europa, das zum neuen Epizentrum der Krankheit geworden ist.

Es sind aber weltweit COVID-19 Fälle zu verzeichnen. Am 30. Januar 2020 rief die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die internationale Gesundheitsnotlage aus, am 2. März stufte die Europäische Union das Krankheitsrisiko als hoch ein und am 12. März erklärte die WHO den COVID-19 Ausbruch zur Pandemie. Die ersten Gegenmaßnahmen in Österreich wurden am 27. Februar implementiert, als die Anzahl der in Österreich infizierten Personen tagtäglich zu steigen begann.

„Wir haben nicht nur eine Virus- Epidemie, sondern auch eine Angst- Epidemie“. Kritisch zu betrachten ist die mediale Berichterstattung über das Coronavirus. Es kursieren viele Gerüchte, Fake News, schlichtweg falsche Informationen, die zur Panikmache beitragen. Anstatt die Bevölkerung durch eine seriöse und kritische Medienberichterstattung aufzuklären und zu beruhigen, schaffen einige Medien es, Hysterie zu generieren. Das passiert zum Beispiel, wenn auf der Titelseite einer Tageszeitung oder im ersten Fernsehnachrichtenbeitrag nur die Anzahl der Verstorbenen und der Erkrankten, aber nicht die der Genesenen erwähnt wird. In einer Diskussionssendung hat die derzeitige SPÖ- Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner, selbst ausgebildete Virologin, richtig gesagt: „Wir haben nicht nur eine Virus-Epidemie, sondern auch eine Angst-Epidemie“. Die Hysterie hat nun ihren Höhepunkt erreicht. Wir sitzen in der Isolation und sind in der Quarantäne. Es scheint, dass viele Menschen in der Bevölkerung vor Angst nicht mehr rational denken können. Es macht absolut keinen Sinn, einzelne Geschäfte leer zu kaufen. Warenbestand gibt es genug und der Wirtschaftszyklus funktioniert trotz allen Grenzschließungen.

Vor allem die Nachfrage an Schutzmasken oder Desinfektionsmitteln ist hoch, sie sind seit Anfang der Krise schnell ausverkauft. Das ist höchst problematisch, denn auch nicht mit dem Coronavirus infizierte Personen benötigen diese medizinischen Produkte. Ein_e Diabetiker_in, die sich selbst mehrmals täglich Insulin spritzen muss, benötigt beispielsweise Desinfektionsmittel, um die Einstichstelle zu reinigen. Wie Ärzt_innen bereits mehrfach betont haben, hilft das Tragen von Schutzmasken nur bereits infizierten Personen dabei, das Virus nicht an ihr Umfeld weiterzugeben. Man sollte daher mit dem privaten Kauf zurückhaltend sein, denn am Dringendsten brauchen diese Produkte medizinisches Personal und Angestellte in den Spitälern.*

#coronavirus #novirus #jenesuispasunvirus – there is no place for racism. Dank der Globalisierung sind wir vernetzter denn je und leben auch räumlich gesehen enger zusammen. Es sollte uns daher nicht verwundern, dass das globale Zusammenrücken neben seinen positiven Auswirkungen auf die Menschheit auch die Verbreitung von Krankheiten wie COVID-19 begünstigt. Die Angst einzelner, infiziert zu werden, entwickelt sich schnell zu einer richtigen Angst-Epidemie und zeigt uns so auch die hässliche Seite der Gesellschaft. Verstärkt wird die Angst durch Fake News, die verschiedenste Verschwörungstheorien beleben, etwa dass man durch das bekannte Corona- Bier an COVID-19 erkrankt oder dass die USA das Virus als Biowaffe entwickelt haben. Es bedarf einer kritischen medialen und politischen Aufklärung. Vor den aktuellen Ausgangsbeschränkungen, als das Virus den Österreicher_innen noch weit weg erschien, glaubten viele Menschen, dass alle asiatisch aussehenden Personen den Virus in sich tragen.

People of Colour wurden alle in einen Topf geworfen. Ich selbst habe Erfahrungen dieser Art gemacht. Im Januar ist mir das erste Mal wegen Corona so eine irritierende Situation passiert: Eine ältere Frau zog sich im Aufzug ihren Schal vor den Mund, als ich einstieg. Die Handlung war offensichtlich, die Intention eindeutig, und kann nicht anders als rassistisch bewertet werden, denn neben dem älteren Ehepaar war ich der einzige im Aufzug. Als ich ausstieg, tat die Dame ihren Schal wieder weg. Nach dieser Aktion habe ich mich gefragt, ob das jetzt die ganze nächste Zeit so weitergehen würde. Meine Gefühlswelt war aufgewühlt und ich empfand es sehr verletzend, diesem passiven und doch klar rassistischen Vorgehen ausgesetzt zu sein. Als das Virus sich in Europa ausbreitete, wurden schnell die Italiener_innen als am stärksten Betroffene zu einer weiteren Zielscheibe.

Es war erstaunlich zu sehen, wie Menschen in Österreich mit der Situation umgehen, wenn die Krankheit direkt vor ihrer Haustür steht. Die gleichen Leute, die immer gerne Spaghetti, Pizza oder Gelato gegessen haben, wurden schnell feindselig. Am Tag, als der beschleunigte Krankheitsverlauf in Italien erstmals in den Medien bekannt wurde, saß ich in der U-Bahn. Ein Mann saß mir gegenüber, er telefonierte mit jemandem meinte: „Is ja ka Wunder, dass des von Italien kommt, die gonzn Spaghettifresser.“ Während das Sudern über Italiener_innen nicht unbedingt vergleichbar ist mit dem klar anti-asiatischen Rassismus, der sich genauso explosionsartig ausgebreitet hat wie das Virus selbst, sind solche Anfeindungen und die Suche nach einem Sündenbock nicht zu verharmlosen. Eines sollte hier klar gesagt werden: Dieses voreingenommene Verhalten ist nicht normal und sollte auch nicht normal sein. Rassismus, welcher Art auch immer, hat keinen Platz in unserer Gesellschaft.

Was denken eigentlich Studierende und wie gehen sie mit COVID-19 um? Diese Krise berührt eine_n umso mehr, wenn man selbst rassistische Anfeindungen erlebt oder die Geschichten von anderen erzählt bekommt. Es ist schlimm anzusehen, wenn Asiat_innen oder asiatisch aussehende Personen in der Öffentlichkeit ein Plakat mit sich tragen, auf dem steht: ICH BIN KEIN VIRUS. Die umgangssprachliche Bezeichnung „Wuhan-Virus“ oder „China-Virus“, wie sie unter anderem der amerikanische Präsident Donald Trump verwendet hat, trägt weiter zum Rassismus bei. Wie sehen es eigentlich die Studierenden der Ostasienwissenschaften (Japanologie, Koreanologie und Sinologie), dass asiatisch aussehende Personen nicht nur verbal, sondern zunehmend auch körperlich attackiert werden? Das hat man am Beispiel eines 23-jährigen Studenten aus Singapur, der in London studiert, gesehen. Er wurde von einigen Briten körperlich attackiert, die schrien, dass sie kein COVID-19 in ihrem Land haben wollten. Hier folgen nun ausgewählte Erlebnisberichte von anonymen Studienkolleg_innen.

1: „Zu Beginn, als nur von Fällen in Asien berichtet wurde, wurde mein Mann in Restaurants komisch angesehen und einige andere Gäste sind von uns weggerückt. Eine Oma hat ihn mal schockiert angeschaut, hat sich den Schal vors Gesicht gehalten und ist geflüchtet. Ich hab auch von einem in Wien lebenden Thai gehört, der von den anderen Fahrgästen aus der U-Bahn geworfen wurde.“

2: „Ich wurde schon Ende Jänner in der S-Bahn schief angeschaut, von einer Frau. Ich hatte keinen Husten oder Schnupfen. Der Typ vor mir jedoch schon, er hat sich nicht mal die Hand vor dem Mund gehalten, als er gehustet hat. Aber die Frau hat diesen Typen einfach ignoriert und mich die ganze Zeit angestarrt. Ähnliche Begegnungen sind seitdem immer wieder vorgekommen, aber Gott sei Dank keine Gewalt. Meine Schwägerin und mein Vater wurden schon mehrmals von Teenagern beschimpft mit ‚China Virus‘ und ‚Geh zurück nach China!‘.“

3: „Meine Mutter und meine Schwester meinten vor ein paar Wochen, dass Leute sie in der U-Bahn, im Supermarkt, oder auf der Straße länger anschauen oder Abstand halten. Meine Mutter hat erzählt, dass sie einmal einkaufen war und eine Frau, nachdem sie einen kurzen Blick auf meine Mutter geworfen hatte, sofort das Weite gesucht hat. Ach ja, und meine Eltern verlassen sogar selbst nicht häufig das Haus und treffen sich nicht mit ihren chinesischen Freund_innen.“

4: „Ich war beim Skifahren und einer vom Skiverleih ist zu seinem Kollegen gegangen und hat mit Blick auf mich ganz gekünstelt gehustet. Persönlich wurde ich noch nicht verarscht, bespuckt, angegriffen etc., aber eine Bekannte von mir wurde schon öfters beleidigt. Sie meinte, dabei das Wort „Corona“ gehört zu haben. Freund_innen von mir, Thailänder_innen, hat man im Rituals-Shop ignoriert und von ihnen Abstand gesucht. Die Verkäuferin soll gesagt haben, dass Chinesen unerwünscht sind, obwohl sie ja nicht Mal wusste, ob meine Freund_innen Chines_innen sind oder nicht. Für viele weiße Leute sind alle asiatisch aussehenden Personen Chines_innen und mit dem COVID-19 infiziert.“

5: „Ich arbeite in meinem Nebenjob am Flughafen und bin deshalb stark mit den gesundheitspolitischen Maßnahmen und den damit einhergehenden Einreisebestimmungen konfrontiert. Selbstverständlich verhalte ich mich Passagieren gegenüber deswegen nicht anders. Ich habe allerdings von Kolleg_ innen mitbekommen, dass diese um Asiat_innen herum die Luft angehalten haben oder chinesische Reisepässe nicht anfassen wollten.“

6: „Ein Mann hat vor Kurzem der Chinesischlehrerin meiner Tochter eine Weinflasche nachgeworfen – er hat sie zum Glück nicht getroffen – und gemeint, sie solle dahin gehen wo sie hergekommen sei.“ Wollen wir tatsächlich in so einer Gesellschaft leben? Ich hoffe, mit diesem Artikel einige Leser_innen zum Überlegen gebracht zu haben und ihnen vielleicht die Augen dafür geöffnet zu haben, wie sich People of Colour – asiatisch aussehende Personen oder Asiat_innen – in dieser Krise fühlen. Eines sollte klar sein, wir sitzen alle gemeinsam im selben Boot. Wir sind alle #TeamÖsterreich.

* Dieser Artikel wurde Anfang März 2020 verfasst. Wir empfehlen natürlich die Einhaltung der derzeitigen Vorgaben der Regierung (4. April 2020).

AutorInnen: Ralph Chan