Aus für ASINOE - Keine Chancen für Langzeitarbeitslose?
Nein, große Hoffnungen macht sich Dr. Alexandra Krenn-Leeb nicht mehr. „Wir sind vielleicht das erste, aber bestimmt nicht das letzte Opfer“, sagt sie und man sieht ihr die Resignation dabei an. Sie spricht über die Zukunft des Vereines „Archäologisch- Soziale Initiative Niederösterreich“ (ASINOE), dessen Mitbegründerin und Obfrau sie ist. Ab 30. September 2018 wird dieser nämlich Geschichte sein. Wie das AMS Niederösterreich im vergangenen März verlautbaren ließ, werden die finanziellen Mittel für das Projekt im nächsten Jahr nicht mehr verlängert. Konkret geht es um jährlich 1,3 Millionen Euro – den Löwenanteil des Budgets des sozialen Archäologie-Vereins, der für private wie auch öffentliche Auftraggeber_innen Grabungsarbeiten in ganz Niederösterreich durchführt. Was dieser in den vergangenen 27 Jahren in Niederösterreich konzipierte, ist eine Symbiose von archäologischen Arbeiten, sozialer Integration und Arbeitsmarktvorbereitung von Arbeitslosen. Den Menschen wurde lange Zeit ein auf zwölf Monate befristeter Arbeitsvertrag geboten. Später wurde dieser bereits auf sechs Monate verkürzt. „Die Leute, die bei uns beschäftigt sind, bringen oft unterschiedliche Problemlagen mit. Mal stecken sie in der Schuldenfalle, Alkohol- und Familienprobleme bis hin zu Obdachlosigkeit kommen auch immer wieder vor“, schildert Krenn-Leeb. Oftmals handelt es sich auch um Leute, die mit über 50 ihren Arbeitsplatz verloren haben, weil etwa die Firma bankrottgegangen ist. „Die schreiben 200 Bewerbungen und es kommt nichts dabei raus“, zeigt sich die ASINOE-Obfrau betroffen. Rund 1.500 arbeitslose Personen waren seit 1991 bei ASINOE beschäftigt. Etwa ein Drittel davon konnte tatsächlich wieder im privaten Arbeitsmarkt Fuß fassen. Weiters absolvierten immer wieder auch Studierende der Archäologie und verwandter Fächer Praktika bei der Archäologie-Initiative. Mit diesem Konzept war ASINOE österreichweite Pionierin. In der Steiermark wurde ein ähnliches Projekt (ASIST) im Jahr 2006 in die Wege geleitet.
„Dieses Vorgehen ist total kurzsichtig.“
Begründungen zum Aus für ASINOE kamen unter anderem vom scheidenden Chef des AMS Niederösterreich, Herrn Karl Fakler. Natürlich freue man sich nicht über die Abschaffung langgedienter Initiativen. Dennoch sei laut Fakler seit geraumer Zeit geringer Arbeitsmarkterfolg und eine niedrige Integrationsquote bei ASINOE zu beobachten gewesen. „Außerdem war es häufig schwierig, für die körperlich herausfordernden Arbeitsplätze Kunden zu finden, die ausreichend fit waren, diese Arbeiten sinnvoll zu unterstützen“, wird Fakler im Kurier zitiert. Zudem sei momentan ein Wirtschaftsaufschwung zu verzeichnen und die Zahl der Langzeitarbeitslosen nehme ab. Die Arbeitsmarktstatistik und die Wirtschaftsdaten geben diesem Argument jedenfalls Recht. „Das ist die gleiche Logik, mit der jetzt die Stellen für Deutschlehrer gestrichen wurden. Wo man gesagt hat, dass momentan wenige Zuwanderer kommen und daher brauche man das alles nicht mehr“, kontert Frau Krenn-Leeb, „Das ganze Vorgehen ist total kurzsichtig.“ Alois Huber, Sozialarbeiter an der FH St. Pölten und ebenfalls ASINOE-Urgestein, zeigt sich noch angriffiger: „Die Vermittlungsquote war sogar am Steigen.“ Zum Argument, die Arbeitslosen wären mit der Arbeit überfordert gewesen, meint er: „Das AMS hat uns nur mehr die Schwächsten geschickt. Das nennt man dann self-fullfilling prophecy.“ Er betont noch einen weiteren Nutzen des Projektes: „Durch ASINOE konnten viele Menschen mit anderer Kultur die Geschichte und Historie des Landes kennenlernen.“ AMS NÖ-Chef Fakler sei dem Verein ASINOE stets positiv gegenübergestanden und sie sei ihm auch dankbar dafür, meint Dr. Krenn-Leeb. Nun muss er allerdings – möglicherweise gegen seinen Willen – exekutieren, was auf der Bundesebene längst beschlossen wurde: die Ausdünnung sozialintegrativer Projekte. So ist die Abwicklung des Vereins ASINOE auch mit dem Ende der „Aktion 20.000“ gemeinsam zu sehen. Diese wurde im Juni 2017 beschlossen und hatte zum Ziel, bis zu 20.000 vor allem älteren Arbeitslosen befristete Beschäftigungsmöglichkeiten in den Städten und Gemeinden zu bieten. Die neue Regierung unter Schwarz-Blau setzte allerdings als eine ihrer ersten Maßnahmen den Stopp der „Aktion 20.000“ durch. Anzeichen für schwerere Zeiten für Projekte wie ASINOE habe es schon unter der rotschwarzen Regierung gegeben. Die Geschwindigkeit, mit der nun allerdings langjährig aufgebaute Initiativen abgewickelt werden, ließ etlichen der Betroffenen dann aber doch die Augenbrauen hochschießen. „Die Kürzungen halte ich für total falsch. Das schafft Potential für Unzufriedenheit, wenn man Leute so an den Rand drängt. Infrastruktur, Organisation und Wissen, das sich über lange Zeit gebildet hat, geht nun verloren“, ärgert sich Dr. Krenn-Leeb.
„Alles muss raus!“
Im Eingangsbereich der ASINOE-Zentrale in Krems an der Donau sieht es ein wenig aus wie bei einem Wohnungsumzug. Die Gänge sind gerammelt voll mit dutzenden Kartons und Bananenkisten, darin Artefakte, Funde und Ausgrabungsstücke der letzten Jahre. Sie alle müssen bis Ende September in eine andere Aufbewahrungsstätte abtransportiert werden. Die Räumungsarbeiten haben schon begonnen. Im Stock darüber wird noch gearbeitet: In einem relativ kleinen Raum werden gerade frisch ausgegrabene Knochen von Erde und Schmutz bereinigt und abfotografiert. Neun Personen arbeiten hier zusammen. Doch auch abseits der archäologiebezogenen Grabungen werden Menschen beschäftigt. Wie etwa im alten, nicht mehr betrieblich genutzten Gebäude des „Genussheurigen“ in Zöbing bei Krems. Um die fünf, sechs Personen sind hier tätig. Zunächst noch für das Arbeitsvorbereitungsprogramm „Connex“, bald werden sie allerdings von ASINOE übernommen. Es gibt eine Werkstatt und eine Küche. Eine der hier Tätigen ist Ingrid (Name red. geändert). Die 53-jährige Frau aus dem Bezirk Horn arbeitete bisher in der Großküche eines Altersheimes. „Das war harte körperliche Arbeit. Viele Riesentöpfe zu schleppen. Und natürlich Stress ohne Ende“, schildert die Frau. Das Ergebnis: ein siebenfacher Bandscheibenvorfall, ein Jahr Krankenstand, dann schließlich die Kündigung. „Drei Jahre war ich arbeitslos. Bewerbungen habe ich rund 20 geschrieben. Hat aber nix gebracht. Es ist nicht einmal eine Antwort zurückgekommen“, so Ingrid. Passend zu ihrer bisherigen Tätigkeit kümmert sie sich nun um die Küche neben der Werkstätte. Nach dem schlechten Arbeitsklima der Großküche freut sie sich über die freundliche und warme Atmosphäre in der Werkstätte. Wo sie ab Oktober - wenn ASINOE Geschichte sein wird - verbleiben wird, steht im Ungewissen. „Mehr als weitere Bewerbungen zu schreiben kann man ja nicht machen. Aufgeben werde ich jedenfalls nicht. Aufgeben tut man maximal einen Brief“, gibt sie sich kämpferisch. „Das Konzept sieht so aus, dass wir niemandem vorschreiben, wie und was er oder sie zu arbeiten hat“, erklärt Renate Hinterberger-Schäffner aus der begleitenden Sozialarbeit bei ASINOE. Jede_r Beteiligte bringt eigene Qualitäten und Talente mit und könne sie hier kreativ einsetzen. So wie Daniel (Name red. geändert) aus Krems. Der 26-Jährige ist gerade damit beschäftigt, gemeinsam mit einem Kollegen eine Sonnenliege aus Holz anzufertigen. „Ich hab‘ mit meinem Vater immer recht viel aus Holz gebaut. Auch mit Metall haben wir viel gearbeitet. Von daher hab‘ ich Erfahrung darin“, erzählt er. Daniel hatte keinen optimalen Start ins Arbeitsleben. Nach der Schule besuchte er eine Berufsschule für Gärtnerei. Dort wurde er im dritten Lehrjahr allerdings hinausgeworfen, weil er etwas angestellt habe. Daniel beteuert allerdings, dass das „gar nicht stimmt“. Danach: Arbeitslosigkeit, AMS-Kurse, Bewerbungen. Drei Jahre lang. Tischler wäre ein Beruf, der ihn interessieren würde. Allerdings nehmen die Betriebe lediglich vollausgebildete Leute, wenn sie überhaupt jemanden suchen. Die handwerkliche Arbeit im Programm Connex macht ihm offensichtlich Spaß und er freut sich darauf, bald den Arbeitsvertrag für ASINOE unterschreiben zu können. Sollte er zwischenzeitlich keinen Job mehr finden, heißt es ab September auch für ihn wieder: zurück zum AMS.
Kommunaler Widerstand?
Gibt es noch Hoffnung für den Verein ASINOE? Die meisten unmittelbar Beteiligten sind sehr pessimistisch. „Wir haben schon mal vorsorglich eine ASINOE GmbH gegründet“, schildert Vereinsobfrau Krenn-Leeb. Es sei durchaus möglich, dass ein kleiner Teil der Infrastruktur und Grabungsengagements weitergeführt werden könne. Die landesweite Tätigkeit des Vereins sei aber definitiv bald zu Ende. ASINOE-Urgestein Alois Huber sieht kaum Chancen auf eine stabile Finanzierung. Eine potentielle Anlaufstelle sei das Land Niederösterreich. Wie sieht es mit den betroffenen Städten und Gemeinden aus? Was geschieht dort angesichts der Vorgänge um den sozialen archäologie-Verein, der allgemein große Akzeptanz genießt? Dr. Reinhard Resch (SPÖ), Bürger_innenmeister der Stadt Krems an der Donau, plant, mit allen verantwortlichen Stellen im Bund, im Land Niederösterreich und beim AMS zu verhandeln, um das Projekt zu retten. Der Gemeinderat der Stadt Langenlois, einige Kilometer nördlich von Krems, hat schon Mitte April eine Resolution erlassen, in der sich für den Erhalt der Archäologisch- Sozialen Initiative Niederösterreich ausgesprochen wird. „Das hat auch eine starke regionale Komponente“, erläutert ASINOE-Sozialarbeiterin Hintenberger- Schäffner in der Zöbinger Werkstatt. Viele regionale Unternehmen würden das Projekt auch schätzen. „Wissen Sie“, sagt sie zum Abschied, „die Leute, die wir bei ASINOE beschäftigen, sind so dankbar und nett.“ Letztens habe sie einer von ihnen auf das bevorstehende Ende des Vereins angesprochen. Er habe gemeint: „Würde ich im Lotto ein paar Millionen machen, würde ich ASINOE weiter finanzieren.“
Johannes Mayerhofer studiert Soziologie und Psychologie an der Universität Wien.