Arbeit! Wohnraum! Community! Wie LGBTI-Flüchtlinge menschenwürdiger leben könnten

  • 31.03.2015, 12:29

Der Mord an der Trans*frau Hande Öncü zeigte ein weiteres Mal auf, was verschiedene Vereine schon lange problematisieren: LGBTI-Flüchtlinge finden sich in Österreich oft in einer prekären Situation wieder. Ein kurzer Abriss über die zentralsten Forderungen an Österreichs Asylpolitik.

Der Mord an der Trans*frau Hande Öncü zeigte ein weiteres Mal auf, was  verschiedene Vereine schon lange problematisieren: LGBTI-Flüchtlinge finden sich in Österreich oft in einer prekären Situation wieder. Ein kurzer Abriss über die zentralsten Forderungen an Österreichs Asylpolitik.

„Der Mord an Hande hätte verhindert werden können, würde die österreichische Politik und Justiz das Asylrecht achten“, so heißt es in einem Statement des Vereins „Asyl in Not“. Während sich Österreichs Medienlandschaft immer noch nicht sicher ist, wie sie Hande jetzt benennen soll und daher versucht sich mit Schlagwörtern wie „Sex-Mord“ oder gar „Sado-Maso-Toter [sic!]“ zu retten; schreien nicht nur die heimischen, sondern LGBTI-Vereine weltweit auf und verurteilen den Mord als weiteres Hate Crime, das eine menschenwürdigere Asylpolitik verhindern hätte können.

Hande Öncü, 35-jährige Trans*Frau, geboren in Samsun, aufgewachsen in Izmir, ist vor etwa eineinhalb Jahren aus der Türkei geflüchtet. Der Grund: mehrfache Diskriminierungen und Gewalterfahrungen, die ihr ein Leben als Trans*frau kaum ermöglichten. Die Hoffnung, dass sich dies in Österreich ändert, erwies sich als falsch. Anfang des Jahres wurde sie ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Hintergründe dieses Mordes aber auch etlicher weiterer tragischer Gewalttaten an LGBTI-Flüchtlingen  bleiben meist außen obwohl es einige Vereine gibt, die sich speziell für LGBTI-Flüchtlinge einsetzen, wird das Thema nach wie vor tabuisiert. Es finden sich kaum offizielle Zahlen, die sich damit auseinandersetzen; kaum Betroffene, die sich trauen mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu gehen; und vor allem keine politischen Bekenntnisse seitens der Bundesregierung etwas an der Situation zu ändern. Diesen Eindruck bestätigt auch die Politikwissenschafterin und Gründerin des Vereins MiGaY, Ewa Dziedzic: „Wenn man das politisch kommuniziert, wird dir gesagt, dass du dich mit Orchideenthemen auseinandersetzt, die ein paar Opfer betreffen.“ Das ist auch mit ein Grund, wieso sich sowohl die Medienberichterstattung als auch die Ermittlungen der Polizei kaum auf die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen fokussieren, welche transidente Flüchtlinge ausgrenzen und diskriminieren. Trotz dieser fehlenden Informationen sind sich viele politische Aktivist_innen einig: Die Probleme sind in der Asylpolitik zu finden, in den Flüchtlingsheimen, in der fehlenden Infrastruktur. Vor allem drei zentrale Forderungen werden in diesem Zusammenhang immer wieder laut:

GESICHERTER WOHNRAUM. Handes erste Anlaufstelle war – wie für viele andere Flüchtlinge in Österreich auch – das Flüchtlingslager Traiskirchen. Ein Ort, den viele mit Negativerfahrungen in Verbindung bringen. Eine Kritik, die selten auftaucht, ist jene der sexuellen und diskriminierenden Gewalterfahrungen, welche LGBTI-Personen und Frauen in diesem Umfeld erfahren: Was es hier braucht, sind Alternativen, so Ewa Dziedzic: „Wenn Flüchtlinge nach Österreich kommen und es klar ist, dass der Fluchtgrund ihre sexuelle Identität ist, muss sicher gestellt werden, dass diese Personen nicht in einem Flüchtlingsheim  mit vielen anderen Flüchtlingen, die womöglich homophob oder transphob sind, landen und die Betroffenen so nochmals retraumatisierend dieser Ausgrenzung ausgesetzt sind.“ Die Forderung: Gesicherter Wohnraum, zum Beispiel in Form von Wohngemeinschaften. Dafür braucht es Geld. Doch solange das Problem tabuisiert wird, fehlt auch das dringend notwendige Budget.

UNTERSTÜTZENDE BERATUNG. Ein diskriminierendes Umfeld findet sich natürlich nicht nur in Flüchtlingsheimen, auch von Seiten der Asylbehörden sowie von ungeschulten Berater_innen kann Homophobie und Transphobie ausgehen. Die aktuell diskutierte Einführung eines Schnell-Asylverfahren, welches auch die Beratungstätigkeit in den Asylbehörden selber verankert sehen möchte, anstatt sie – wie bisher – an unabhängige Beratungsstellen auszulagern, würde diese Probleme verschärfen. Zudem kommen Flüchtlinge oft in entlegenen Orten unter, in der eine beratende und unterstützende Infrastruktur für LGBTI-Flüchtlinge vollends fehlt. Auch Ewa Dziedzic betont die Wichtigkeit einer Eingliederung in die LGBTI-Community: „Es ist das Beste, was Menschen passieren kann, dass sie sich irgendwo aufgefangen fühlen und ihre Erfahrungen mit Menschen teilen können, die eine größere Sensibilität haben als Behörden oder die eigene Herkunfts-Community in Österreich.“ Hande hat diesen Sprung in Wien geschafft, doch die Rahmenbedingungen, die sie ausreichend schützen hätten konnten, fehlten.  

LEGALE ARBEIT. „Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit“, so heißt es im Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Auf Grund der diskriminierenden Erfahrungen in den zugeteilten Unterkünften entscheiden sich LGBTI-Flüchtlinge oft dafür den Weg alleine zu gehen. Sie flüchten erneut. Doch durch das Verlassen der Unterkünfte fallen Krankenversicherung und die finanzielle Unterstützung weg. Gleichzeitig gibt es keine Möglichkeit legal einer Arbeit nachzugehen. Hande verdiente ihren Lebensunterhalt daher durch Sexarbeit. Nicht nur für sie war dies eine enorm prekäre und von Gewalt sowie Diskriminierung geprägte Situation, die gleichzeitig im Widerspruch zu Artikel 23 steht. Der Zugang zu legaler Arbeit muss für alle in Österreich lebenden Menschen Gültigkeit besitzen.

Die Politik reagiert kaum auf die Probleme, mit denen LGBTI-Flüchtlinge zu kämpfen haben. Die Forderungen, die schon seit langem und nun erneut wieder von verschiedenen Vereinen an die Bundesregierung herangetragen werden, bleiben auch nach dem Mord von Hande ungehört.

 

Valentine Auer ist freiberufliche Journalistin und studiert Theater-, Film- und Medientheorie.

 

Asyl in Not: www.asyl-in-not.org

MiGaY: www.migay.at Facebook: https://www.facebook.com/migay.at

Nachruf der Solidaritätsgruppe für LGBTI AsylantInnen und MigrantInnen Têkoşîn: http://derstandard.at/2000011043534/Hande-die-ermordete-Frau-aus-Ottakring

AutorInnen: Valentine Auer