Popkultur

„Viel zu lernen du noch hast“

  • 20.06.2017, 22:04
Wer hat behauptet, dass sich Philosophie nur in miefigen Uni-Hörsälen, in zentnerschweren Büchern oder elitären Talk-Runden auf ORF III oder 3sat abspielen muss?

Wer hat behauptet, dass sich Philosophie nur in miefigen Uni-Hörsälen, in zentnerschweren Büchern oder elitären Talk-Runden auf ORF III oder 3sat abspielen muss? Auch in der Pop-Kultur hat sie sich – meist unsichtbar – eingenistet. Das zeigt Philosophin und Kulturjournalistin Catherine Newmark in dem von ihr herausgegebenen und mitgeschriebenen Sammelband: „Viel zu lernen du noch hast. Star Wars und die Philosophie“.

18 AutorInnen analysieren George Lucas’ siebenteilige Science-Fiction-Filmserie nach Denktraditionen von Descartes, Hobbes und Co. – abgepackt in extrem kurze Kapitel, um postmoderne Leser_innen nicht zu überfordern. Dabei werfen sie Fragen auf, die sicher vielen „Star Wars“-Nerds schon Schmerzen in den Gehirnwindungen bereitet haben, wie etwa: Wie ist es eigentlich möglich, dass die menschlichen „Star Wars“-Held_innen so locker flockig mit Chewbacca und R2D2 kommunizieren? Immerhin bestehen deren Sprachen nur aus Brüll- und Pfeiflauten. Und was hätte der Sprachphilosoph Wittgenstein zu diesem Phänomen gesagt? In den frühen Episoden (IV bis VI) treten die Jedi als zurückgezogene und apathische Outcasts auf. Asketisch, nur auf die eigenen Tugenden bedacht, bar jeglichen Anspruchs, die Welt zu ändern. „Sind die Jedi Stoiker?“, fragt sich Catherine Newmark. Das Taschenbuch arbeitet sich aber nicht bloß an den „verstaubten“ Klassiker_innen der Philosophie ab. Auch Gender-Analysen fordern das Weltraum-Märchen heraus. Warum sind fast alle „Star Wars“-Held_innen Männer? Und wieso können Frauen in dieser Chauvi-Veranstaltung nur bestehen, wenn sie ihnen nacheifern und sich beweisen?

Newmarks Buch ist ein Balance-Akt: Von „Star Wars“-affinen Philosophiestudent_innen bis hin zu „Star Wars“-Freaks ohne jeglichen Philosophie- Hintergrund soll für alle etwas dabei sein. Erfolgreich ist sie mit diesem Vorhaben leider nicht immer. Manche Kapitel erfordern sehr viel Vorwissen, an anderer Stelle werden sich philosophisch bewanderte Leser_innen eher langweilen. Aber immerhin: „Viel zu lernen du noch hast“ ist ein intellektueller Appetizer, der streckenweise verdammt unterhaltsam geschrieben ist.

Catherine Newmark
„Viel zu lernen du noch hast. Star Wars und die Philosophie“
12,99 Euro Rowohlt Taschenbuch Verlag

Johannes Mayerhofer studiert Soziologie und Psychologie an der Universität Wien.

Wie viel Pop verträgt Feminismus?

  • 11.05.2017, 20:30
„Feminismus ist in!“, schreien uns Werbekampagnen und Stars entgegen. Was passiert mit der Frauenbewegung, wenn Feminismus zu einem Konsumgut wird?

„Feminismus ist in!“, schreien uns Werbekampagnen und Stars entgegen. Was passiert mit der Frauenbewegung, wenn Feminismus zu einem Konsumgut wird?

Wenn sich Unternehmen feministische Ästhetik für Verkaufszwecke ausborgen, dann ist das durchaus irritierend. Vor allem, weil nicht immer klar ist, ob nun Umsatzsteigerung oder offene Unterstützung frauenpolitischer Agenden im Vordergrund stehen. Ebenso ist es mit Promis, für die Feminismus in ihrer Kommunikationsstrategie eine Rolle spielt. Im Oktober 2016 referierte Bitch- Media-Chefredakteurin Andi Zeisler im Rahmen des Business Riot zum Thema „Marketplace Feminism“. Dieser Feminismus kommt unpolitisch daher und will vor allem eines: Feminismus als Lifestyle mit entsprechend käuflich erwerbbarer Produktpalette feilbieten. Mit ihrem Buch „We Were Feminists Once“, das gerade auf Deutsch erschienen ist, hat sie den Kern der Debatte getroffen. Wenn sie die Umweltbewusstseins- Kampagnen der Hollywood-Stars der 90er und frühen 2000er mit der Vereinnahmung des feministischen Diskurses durch Prominente und Turnschuhhersteller vergleicht, dann wird klar, dass Feminismus derzeit schlichtweg im Trend liegt.

Andi Zeisler kommt zum Schluss, dass wir aufmerksam und behutsam mit Feminismus umgehen müssen, um hohle Marketingstrategien rund um Girlpower und Girlgang zu enttarnen: Ein Hashtag alleine ist kein politischer Akt. Damit hat sie recht: Wenn ein Label vordergründig politische Anliegen unterstützt und ich deshalb seine Produkte kaufe, unterstütze ich noch immer die Firma und nicht die politische Bewegung.

FEMINISMUS SCHLÄGT ZURÜCK. Wie geht man mit Initiativen um, die zwar breit mobilisieren können, aber bestehende bzw. feministische Diskurse vernachlässigen und Begrifflichkeiten einführen, die nichts mit kollektiven Unrechtserfahrungen zu tun haben? Leonie Karpfer, Redakteurin des feministischen Magazins an.schläge, betont die Ambivalenzen, die eine kritisch-feministische Aneignung popkultureller Strömungen in sich birgt: „Popfeminismus darf nicht inhaltslos bleiben, sondern muss klar gesellschaftliche Missstände anprangern. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, auf die kapitalistische und neoliberale Vereinnahmung von popfeministischen Strömungen aufmerksam zu machen.“

Was wäre nun, wenn der Feminismus quasi dem Kapitalismus eins auswischt, und sich Marktstrategien aneignet, um seine Agenden zu verbreiten? Das ist wissentlich oder unabsichtlich die Strategie vieler junger Initiativen, die vor allem die Funktionsmechanismen der sozialen Medien zu nutzen wissen. Kapitalismus und seine Kritik tanzen immer Tango und besonders ersterer eignet sich findig die Strategien seiner Gegner_innen an, wie Luc Boltanski und Ève Chiapello in ihrem Buch „Der neue Geist des Kapitalismus“ Anfang der 2000er Jahre herausstellten. Was aber, wenn sich nicht nur der Kapitalismus die Modi seiner Kritik aneignen kann, sondern auch umgekehrt die Kritik die kapitalistischen Kommunikationsstrategien?

Diese Vorgehensweise birgt einige Gefahren. Beispielsweise, in feministische Belanglosigkeit abzudriften.

MARKENBOTSCHAFTLER_INNEN. Besonders gefährlich ist Popfeminismus dann, wenn die Gesichter, über die er kommuniziert wird, einem dominanten Schema entsprechen, das sich grob als weiß, heterosexuell und privilegiert beschreiben lässt und in Modelmaßen daherkommt. Wenn (sozialisierte) Ästhetik über Inhalt steht, bzw. der Inhalt gar nicht mehr erkennbar ist vor lauter Glamour, dann wird kein Dienst an feministischen Bestrebungen geleistet. Zwar können solche Bilder durchaus als disruptiv gegenüber diskriminierenden und klischeehaften Bildern von Feminist_innen gewertet werden; da das Aufbrechen solcher Stereotype aber meist nicht das Ziel von Werbekampagnen ist, werden hier schlichtweg Bilder ausgetauscht. Die Feministin von damals ist von Kopf bis Fuß behaart und frisst im Kurzhaarschnitt die Männer um sich herum, die Feministin des 21. Jahrhunderts posiert auf Instagram mit Schmollmund im „The Future is Female“-Shirt.

Beide Stereotype sind gleichsam gefährlich, spaltend und werden der Diversität der Akteur_innen nicht gerecht. Wenn sich die Werbeindustrie am feministischen Diskurs bedienen will, dann wäre es wünschenswert, sie würde das in der Verantwortung machen, die so eine Aneignung mit sich bringt – oder sie lässt es bleiben. Umgekehrt steht es feministischen Initiativen frei, sich diese Öffentlichkeit kritisch anzueignen, lautstark Inhalte einzufordern, wo sie nicht vorhanden sind, und Werbegags zu enttarnen. Wer sich seitens der Werbeindustrie aufdrücken lässt, wie Feminismus auszusehen hat, hat womöglich nicht die nötigen Instrumente, sich gegen so eine Vereinnahmung zu wehren. In diesem Sinne braucht es Aufklärungsarbeit von inhaltsstarken Initiativen. Denn unterm Strich bleibt: Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass sich die feministische Bewegung durch Marketingstrategien spalten lässt, denn gerade in Zeiten des Aufschwungs der konservativen, antifeministischen Rechten braucht es eine breite, gemeinsame Lobby, die kritischen Diskurs zwar nach innen betreibt, aber nach außen mit gemeinsamer Stimme spricht.

Therese Kaiser ist Co-Geschäftsführerin des Business Riot Festivals und ist in verschiedenen feministischen Initiativen aktiv. Sie hat Politikwissenschaft an der Universität Wien studiert.

Who you gonna call?

  • 03.08.2016, 21:30
Als Regisseur Paul Feig ankündigte, einen Reboot des beliebten 80er Jahre Kultklassikers Ghostbusters mit vier weiblichen Geisterjägerinnen filmen zu wollen, war die Empörung bei allen Männerbabies im Internet groß.

Als Regisseur Paul Feig ankündigte, einen Reboot des beliebten 80er Jahre Kultklassikers Ghostbusters mit vier weiblichen Geisterjägerinnen filmen zu wollen, war die Empörung bei allen Männerbabies im Internet groß: „bitches can’t catch no ghosts“ war einer von vielen aufgebrachten Kommentaren.

Wir wollen aber nicht allzu viel Zeit darauf verwenden, von der 1984er-Version zu reden. Nur so viel: Trotz 32 vergangener Jahre wurde beim CGI nicht zu sehr übertrieben. Geister suchen die Stadt New York heim, doch stattGrusel steht der Spaß im Vordergrund. Dementsprechend ist die Handlung auch zu vernachlässigen: Wie und warum sich die Geister auf einmal formieren, wie der (etwas blasse) Bösewicht zu seiner Macht kommt und was das Ziel der Geisterinvasion ist, bleibt großteils ungeklärt.

Im Zentrum des Geschehens stehen Abby und Erin – beide sind Wissenschaftlerinnen, die das Paranormale untersuchen. Nach anfänglichen beruflichen (!) Differenzen schließen sie sich mit Abbys Kollegin Holtzmann und der U-Bahn-Aufseherin Patty zusammen und bekämpfen, nun ja, Geister eben. Dass der einzigen Woman of Color im Team – Patty – nur der Part der street-smarten Powerfrau zugeteilt wird, ist mehr als ärgerlich, und die Punchline aus dem Trailer (sie setzt zum Stage Diving an und wird nicht vom Publikum aufgefangen) „I don’t know if this is a race thing or a women thing but I’m mad as hell“ macht das Ganze nicht unbedingt besser. Leslie Jones ist am Startwochenende des Films in den USA sofort Opfer von sexistischer und rassistischer Social Media Hetze auf Twitter geworden – einfach weil sie eine schwarze Frau ist, die im Remake des Lieblingsfilms vieler Männer mitspielt. Das ist Gleichberechtigung im Jahre 2016.

[[{"fid":"2330","view_mode":"colorbox","fields":{"format":"colorbox","field_file_image_alt_text[und][0][value]":"","field_file_image_title_text[und][0][value]":""},"type":"media","attributes":{"height":"253","width":"380","class":"media-element file-colorbox"}}]]

Die Selbstironie der Charaktere ist jedoch zentraler Ausgangspunkt des Humors in Ghostbusters: Ihre Arbeit nehmen alle Vier sehr ernst, sich selbst aber nicht unbedingt. Und nicht selten werden Klischees über Frauen dadurch aufs Korn genommen, aber eben nicht so platt oder übertrieben wie sonst in billigen Komödien über die witzige Absurdität der Geschlechterrollen, wo Frauen Bier trinken und Männer Sekt, höhö. Die vier Frauen können über sich selbst lachen, über andere, stehen für sich und ihre Arbeit ein und retten halt am Ende New York. Ein erfrischendes Detail ist, dass die Zuseher*innen nichts über ihr Privatleben erfahren, sondern ihnen lediglich im öffentlichen Raum begegnen: in Erins Büro an der Universität, in Abbys Labor, ihrem gemeinsamen Ghostbustershauptquartier und im Kampf auf offener Straße. Es gibt keine Liebes- oder Familiengeschichte drumherum.

Ein verstörender Aspekt von Nebendarsteller Chris Hemsworth als Rezeptionist Kevin ist der Running Gag, dass er enorm inkompetent ist, aber unheimlich gut aussieht. Als „Eye Candy“ bedient er das Telefon der Ghostbusters und zeigt damit erstens die sexistischen Stereotypen von Sekretärinnenrollen auf, und wird letztlich am Ende sogar zur „Damsel in Distress“ – also zur schwachen Figur, die gerettet werden muss – also die selbe Rolle, die Janine Melnitz (Annie Potts) im Original übernahm. Für einen ordentlich feministischen Film ist das Reproduzieren dieser Rollen nicht ausreichend, aber faszinierenderweise kommt Ghostbusters ohne sämtliche Holzhammermoral bezüglich Gleichberechtigung aus. Es wird überhaupt nur sehr wenig darauf Bezug genommen, dass hier Frauen am Werk sind. Vermutlich auch deswegen wurde jegliche inhaltliche Verbindung mit dem „Original“ von 1984 weggelassen. Alle `84-Ghostbuster (außer dem verstorbenen Harold Ramis) und Sigourney Weaver durften aber durch Cameo-Auftritte auf der Leinwand erscheinen.

Jetzt stellt sich eventuell doch noch die Frage, ob so eine Neuauflage notwendig ist oder nicht. Andererseits stellt sich bei Blockbustern auch sonst nicht die Frage nach der Notwendigkeit, sondern eher nach Qualität und Unterhaltungsfaktor. Und so viel möchte ich verraten: so viel gelacht habe ich im Kino das letzte Mal bei „Guardians of the Galaxy“, also vor zwei ganzen Jahren.

Katja Krüger-Schöller ist Studentin der Gender Studies in Wien.

Ein Schwarzer Stormtrooper

  • 05.12.2015, 12:11

Der neue Star Wars Film sorgt schon vor seinem Erscheinen für Furore. Eine Frau und ein Schwarzer Stormtrooper spielen zentrale Rollen.

Seit gut einem Jahr gibt es immer wieder Enthüllungen über den neuen Star-Wars-Film, der – wie seine Vorgänger – wieder Teil einer Trilogie werden soll. Vor dem Filmstart wusste man erstaunlich wenig über Storyline und Charaktere. Die ersten Informationsquellen waren die Trailer, die seit einem Jahr erscheinen. Die paar Minuten Material reichten jedoch völlig, um Fans in Rage zu versetzen und das allein aus einem Grund: Ein Stormtrooper ist Schwarz*!

Stormtrooper sind Klone von Jango Fett, der weiß war. Nun fragt mancher Fan: Wenn alle Stormtrooper identische Klone sind, wie kann dann bitte ein Schwarzer Schauspieler in der Stormtrooper- Uniform stecken? Abgesehen davon, dass er die Uniform auch einfach nur angezogen haben könnte, um sich zu verstecken, wie es Luke und Han in „A New Hope“ getan haben, zeigt die Entrüstung darüber, dass ein Stormtrooper Schwarz ist, den unverhohlenen Rassismus unter solchen Fans auf.

Auch wenn manche „Star-Wars“-Fans da anderer Meinung sind, ist Star Wars kein abgeschlossenes Universum mit festgeschriebener Geschichte. Es verändert sich mit jedem Film, mit jedem Comic, mit jedem neuen Buch. Es wächst, und wie jede andere trägt auch diese Welt Widersprüche in sich. Kein Widerspruch ist, dass ein Stormtrooper Schwarz ist: Im expanded universe (also den Büchern, Comics, Serien etc.) wird erklärt, dass Stormtrooper keine Klone mehr sind, sondern menschliche und nicht-menschliche Freiwillige. In „A New Hope“ sind die Stormtrooper alle unterschiedlich groß und haben verschiedene Stimmen. Den erzürnten Fans geht es also nicht um eine strikte Auslegung des „wahren Inhalts“ von „Star Wars“. Es geht nicht darum, dass ein Stormtrooper Schwarz ist, sondern darum, dass einer der Hauptdarsteller Schwarz ist.

ALS HOLLYWOOD NOCH IN ORDNUNG WAR. Während Frauen, Homosexuelle und die BürgerInnenrechtsbewegung schon in den 1960ern gegen die rassistische, sexistische und homophobe Wirklichkeit kämpften, trugen Regisseure wie George Lucas in den 1970er Jahren viel zur Restauration eines weißen und patriarchalen Hollywood-Mainstreamkinos bei. Die Helden waren wieder kernige weiße Typen, die Frauen hübsches Beiwerk und wenn es schwarze Figuren gab, waren sie Sidekicks. In der originalen „Star Wars“-Trilogie „A New Hope“, „The Empire Strikes Back“ und „Return of the Jedi“) gibt es genau sechs Schwarze Figuren – im ersten Teil kommt keine davon vor. Nur eine Schwarze Person – Lando Calrissian – hat einen Namen und tritt in mehr als einer Szene auf. Auch in der Prequel-Trilogie – „A Phantom Menace“, „Attack of the Clones“ und „Revenge of the Sith“ – gibt es keine Schwarzen HauptdarstellerInnen, wenn auch mehr Schwarze Nebendarsteller – etwa den Jedi Meister Mace Windu. Dafür führte George Lucas die rassistisch gezeichnete Figur Jar Jar Binks neu ein. Dessen Akzent erinnert nicht nur an einen jamaikanischen – er wird zudem als leichtgläubig und dumm dargestellt, macht alles kaputt und muss ständig von jemandem zurechtgewiesen oder gerettet werden. In vielerlei Hinsicht entspricht er dem Stereotyp des unschuldig-naiven Schwarzen Sklaven, wie es etwa in Filmen der 1930er Jahre häufig anzutreffen war. Neben der rassistischen Karikatur Jar Jar Binks gibt es auch die antisemitische: Der Schrotthändler Watto spricht mit jiddischem Akzent, hat eine riesige Hakennase, trägt einen breitkrempigen Hut, lügt und betrügt sich durchs Leben und Jedi Mind Tricks funktionieren bei ihm nicht. Er sagt tatsächlich: „Mind tricks don't work on me … only money.“ Der Grund dafür, dass so viele (männliche) weiße „Star Wars“-Fans angesichts eines Schwarzen Stormtroopers ausrasten, ist, dass „Star Wars“ viele Menschen an ihre Kindheit – den Zeitpunkt als sie zum ersten Mal mit dem Franchise in Berührung kamen – erinnert. Diese Kindheit imaginieren sie als eine bessere Welt, in der die Aufgaben klar verteilt waren. Die männliche Hauptfigur war gut und stark und der präpupertäre Zuschauer identifizierte sich mit ihr. Er wollte mit Han Solo durch die Galaxie fliegen und fand Prinzessin Leia in ihrem SklavInnenkostüm heiß. Und plötzlich gibt es diese neuen Filme, die so partout nicht mehr in die alte Vorstellung vieler Star-Wars-Fans passen wollen. Nicht nur ist ein Stormtrooper schwarz, noch dazu spielt eine Frau eine Hauptrolle und ist sogar auf den Filmpostern am größten abgebildet – mit Waffe! Das passt in die Verschwörungstheorie, dass Hollywood den sinistren Plan verfolge, uns mit in Action verpackter feministischer Propaganda zu infizieren, männliche Ikonen zu demontieren, zu verweiblichen oder gleich durch weibliche Schauspielerinnen zu ersetzen.

Das Genre Science Fiction/Action wird in dieser Logik als männlicher Bereich der Filmwelt gelesen. Weiße Männer würden diese Filme hauptsächlich konsumieren, also wäre es nur folgerichtig, dass alle zentralen Rollen mit weißen Männern besetzt werden, so wie es in der Original-Trilogy der Fall war. Eine der größten Maskulinistenseiten im englischsprachigen Raum, „Return of Kings“, fragt sich über die „Star Wars“-Filme: „Did The New Star Wars Casting Have A Racial Agenda?“ und kommt zu dem Schluss: „With easily 95% of the Star Wars fan base being white male, it’s hard to believe it was done to market to it’s core demographic.“ Weibliche und nicht-weiße Fans werden wie so oft unsichtbar gemacht. Dabei waren und sind die verschiedensten Menschen SciFi-Nerds. Aber Bewegungen wie GamerGate wollen dieses Feld als weiß und männlich markieren, was ihnen auch oft gelingt. Unsere Vorstellung eines typischen Nerds ist weiß und männlich, alles andere passt nicht ins Bild.

Dabei gab es schon seit den Anfängen von SciFi- Actionfilmen Heldinnen, die auch zu feministischen Ikonen wurden: Ellen Ripley tötete das Alien im Alleingang, wenige Jahre später war es Sarah Connor, die erst gegen und dann mit dem Terminator um das Schicksal der Menschheit kämpfte. „Star Wars“ hat sich hier allerdings nicht besonders hervorgetan. In der Original Trilogie schafft keiner der drei Filme den Bechdel Test – ein Indikator für die Präsenz und Wichtigkeit von Frauen in Filmen; dessen drei Regeln sind: 1. Es müssen mindestens zwei Frauen mit Namen im Film mitspielen, 2., sie müssen miteinander reden, und zwar 3. über etwas anderes als Männer. Außer Leia kommt keine Frau in mehr als einem Film vor und es gibt im ganzen Star-Wars-Universum außer ihr nur noch eine Frau mit Namen: Lukes Adoptivmutter Tante Beru. Leia ist tough und wartet nicht darauf, von Männern gerettet zu werden. Sie schießt, gibt dem Macho Han Solo Kontra und ist hart im Nehmen. Trotzdem musste sie im letzten Film im Sklavinnenkostüm der Traum aller männlichen SciFi-Nerds werden und schließlich doch in den Armen Han Solos landen.

DIE JÜDISCHE VERSCHWÖRUNG. Dass es im neuen Film mit Rey eine weibliche Hauptfigur gibt, dass sie zentral auf dem Filmposter ist, dass sie eine Waffe in der Hand hat und ebendort nicht komplett sexualisiert oder als hübsches Beiwerk dargestellt wird, war gepaart mit einer Schwarzen Hauptfigur für einige Fans Grund genug, von einem „weißen Genozid“ zu sprechen. Gemischt mit einer Prise Antisemitismus kamen dann solche Tweets zustande: „A friend in LA said #StarWarsVII is basically ‚Deray in Space‘. Jewish activist JJ Abrams is an anti-white nut. #BoycottStarWarsVII.“ Wer JJ Abrahms Werk kennt, weiß, dass Feminismus und Diversität nicht gerade zu seinen Hauptanliegen zählen. Die neuen „Star Trek“-Filme, bei denen er als Regisseur und Produzent fungierte, waren von Sexismus durchzogen und fallen in ihrer Regressivität noch hinter die Serie aus den 1960ern zurück. Insofern wäre auch von den neuen „Star Wars“-Filmen nicht allzu viel Progressives zu erwarten gewesen. Was sie jedoch zeigen ist, dass sich 2015 andere Gesellschaftsgruppen als weiße Männer langsam ihren Platz erkämpfen. Hollywood erkennt, dass Diversität ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist. Denn wer mehr KonsumentInnengruppen anspricht, ist tendenziell erfolgreicher an den Kinokassen.

DIE ANGST VOR DEM MACHTVERLUST. Es bleibt die Frage, warum es so einen starken Backlash gibt gegen Filme, die sich einfach nur um mehr Diversität bemühen. Die Filme sind nicht, wie von Maskulinisten behauptet, sonderlich feministisch oder wollen irgendeine heimliche Indoktrination vornehmen. Allein der Gedanke daran zeigt, wie absurd und zugleich verschwörungsideologisch derlei Statements sind. Das Gesagte passt in altbekannte Verschwörungstheorien, wonach Hollywood von Juden regiert werde, die den Weißen systematisch ihren angestammten Platz an der Sonne nehmen wollen, sie verweiblichen und Frauen zum Feminismus bekehren wollen, damit die heile weiße christliche Familie kaputtgeht. Die wahren Männer dürfen demnach nur mehr schwarze Männer sein. Rassismus, Sexismus und Antisemitismus vermischen sich zu einem Weltbild, in dem weiße heterosexuelle Männer und ihre Privilegien ständiger Bedrohung ausgesetzt sind. Dieser „Bedrohung“ zum Trotz ist auch die Mehrheit des aktuellen „Star Wars“-Casts weiß und/oder männlich.

* Bei „Schwarz“ und „weiß“ geht es nicht um Farbe, sondern die Begriffe verweisen auf rassistische Konstruktionen und rassifizierte Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Bezeichnet werden also keine „biologischen“ Eigenschaften, sondern gesellschaftliche Positionen.

Anne Marie Faisst ist Buchhändlerin und studiert nebenbei Internationale Entwicklung an der Universität Wien.

Star Wars, Con & Cosplay: Fankultur als Raum für alle?

  • 23.06.2015, 16:01

Star Wars – das ist mehr als Filme, Bücher und Serien: Die Weltraumsaga hat mittlerweile 38 Jahre auf dem Buckel und blickt einer aufregenden Zukunft entgegen. Durch neue Filme erlebt die Fankultur eine Blütezeit. Anlass genug für Disney, die Firma hinter der Serie, Conventions zu veranstalten. Magdalena Hangel war für progress auf der Star Wars Celebration in Anaheim (bei Los Angeles).

Star Wars – das ist mehr als Filme, Bücher und Serien: Die Weltraumsaga hat mittlerweile 38 Jahre auf dem Buckel und blickt einer aufregenden Zukunft entgegen. Durch neue Filme erlebt die Fankultur eine Blütezeit. Anlass genug für Disney, die Firma hinter der Serie, Conventions zu veranstalten. Magdalena Hangel war für progress auf der Star Wars Celebration in Anaheim (bei Los Angeles).

Eine Convention, meist kurz als Con bezeichnet, ist eine Zusammenkunft von Fans, die sich an einem oder mehreren Tagen ihrem liebsten Hobby hingeben. Bevor du dich als Con-Besucher_in ins Abenteuer stürzen kannst, musst du allerdings erstmal in Warteschlangen anstehen. Egal, ob du in die Halle hineinkommen willst, um Stargäste zu sehen, an der Präsentation eines neuen Trailers teilnehmen möchtest, dir etwas zum Essen holen oder ein T-Shirt kaufen möchtest. Das einzig Gute am Warten: Du bist von Menschen umgeben, die aus demselben Grund da sind, wie du. Einen großen Teil des Erlebnisses einer Con machen die Menschen aus, die du hier treffen kannst. Jennifer aus Texas ist mehr als zwei Stunden in der Schlange gestanden, um ihrer Lieblingsschauspielerin Carrie Fisher eine Stunde lang zuhören zu können. „So lange anzustehen ist anstrengend, aber die Leute um mich herum machen das Warten erträglich.“

Foto: Magdalena Hangel

Das viele Anstellen ist allerdings nicht die erste Barriere. Theoretisch ist es allen möglich, an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen, die sich die hohen Kosten für den Eintritt leisten können. Vier Tage Star Wars kosten 110 Dollar, wobei es für Menschen mit Behinderung und ihre Begleitpersonen billigere Angebote gab. Dazu kommen noch Unterkunft, Anreise und die Verpflegung vor Ort.

Historisch gesehen waren Cons oft ein Raum für weiße Männer, die dort – bei gleichzeitigem Ausschluss anderer Gruppen – „ihren“ Interessen huldigen konnten. Dies begann mit den ersten Cons zu Science Fiction-Literatur, die in den 60ern und 70ern als „Boys Literature“ gehandhabt wurde, obwohl bereits damals viele Frauen* und Mädchen* Science Fiction lasen. Genauso lange, wie es Conventions gibt, werden diese auch als Fortschreibung weißer und cismännlicher Privilegien im Fandom kritisiert. Die „Anderen“ forderten ihren Raum als Fans bewusst ein. Seit die Geekindustrie stärker wächst, gibt es auch immer mehr Cons, die sich bemühen, ein breiteres Publikum anzusprechen.

Auf der diesjährigen Star Wars Convention waren Frauen* stärker präsent als noch vor einigen Jahren. Es gab kaum ein Panel, das nicht auch mit Frauen* besetzt war. Beginnend mit Kathleen Kennedy, CEO von Lucas Films, sowie Vice President of Development Kiri Hart, die über die Zukunft der Filme sprachen. Kennedy beschrieb es als ihr persönliches Ziel, dass Star Wars für Frauen* und Mädchen* ein Identifikationspunkt bleibt – auch weil sie selbst zwei Töchter hat, für die sie die neuen Star Wars Filme mitproduziert.

Star Wars als Unterhaltungsgalaxie für die gesamte Familie steht heute mehr denn je in der Pflicht, auf Gender-Repräsentation zu achten. Auf der Con selbst war das Geschlechterverhältnis ausgewogen, auch Menschen mit Kleinkindern waren vor Ort. Letzteres ist in Anbetracht der großen Menschenmengen, die auf Conventions unterwegs sind, nicht immer selbstverständlich. Jennifer, die gemeinsam mit ihrem Bruder angereist ist, findet das begrüßenswert: „Wenn auf einer Convention keine Familien mit kleinen Kindern sind, spricht das dafür, dass sie für viele Menschen kein sicherer Ort ist.“

WE'RE QUEER, WE'RE HERE. Eins muss vorweggenommen werden: Besonders Star Wars ist – noch immer – ein stark heteronormativ geprägter Raum. In den sechs bislang erschienen Filmen gibt es keine offen queeren Charaktere. Allerdings gibt es in den Filmen auch nur zwei Liebesgeschichten, die Sexualität vieler Charaktere wird bestenfalls in begleitenden Comics und Büchern thematisiert. „Die Lücke wird nur langsam geschlossen, wie beispielsweise 2015, als die Erwähnung einer lesbischen, imperialen Machthaberin im Buch ‘Lords of the Sith’ in großen Teilen des Fandoms begrüßt wurde. Von offizieller Seite wurde während der Con ein Speed Dating für LGBT Personen angeboten – solche Geek Speeddatings gehören auf US-Cons zum Programm dazu und sollen dabei helfen, Gleichgesinnte kennen zu lernen.

In einer gut durchdachten Anti-Harassment Policy wurde darüber hinaus nicht nur auf sexuelle Orientierung, sondern auch auf Genderidentität, die Präsentation des sozialen Geschlechts, sowie Gender im Allgemeinen, hingewiesen. Und natürlich darauf, dass Menschen aus diesen Gründen nicht diskriminiert und belästigt werden.

Foto: Magdalena Hangel

Die Fans heißen diese Einrichtungen willkommen. Neben einer Vielzahl queerer Teilnehmer*innen gab es auch einige cross-gender Cosplays. Dabei kann ein Charakter an das eigene Gender angepasst werden oder umgekehrt: eine weibliche* Han Solo beispielsweise, die mit gesellschaftlich als weiblich konnotierten Merkmalen (z.B.  Rock und High Heels) versehen wird. Yuki Shibaura aus Japan verwandelt sich gerne in die junge Version von Obi-Wan Kenobi, dem berühmten Jedi-Meister. Sie ist stolz darauf, Obi-Wan zu verkörpern. „Ich fühle mich gut, wenn ich Obi-Wan bin.“ Dass er eigentlich einem anderen Geschlecht zugehörig ist, ist für sie kein Thema. Obi-Wan ist ihr Held, seinen Bart trägt sie mit Selbstverständlichkeit. Star Wars inspiriert Shibaura in vielfacher Art und Weise, beispielsweise in ihrer künstlerischen Tätigkeit. Die Con verbringt sie damit, Menschen für ihre Kunst zu begeistern.

COSPLAY IS NOT CONSENT. Beim cross-gender Cosplay verkörpern meistens Frauen* Männer*. Umgekehrt kommt dies seltener vor und ist eher Anlass für Gelächter. Viel von der Stärke, mit der Prinzessin Leia, die Anführerin und Heldin der Rebellion gegen das Imperium, porträtiert wird, geht verloren, wenn sie von einem Mann* im ikonischen Metallbikini ironisch sexualisiert dargestellt wird.

Foto: Magdalena Hangel

Leia gilt heute als eine der ersten „starken“ Frauen in der Science Fiction-Medienlandschaft. Sie ist für viele eine anhaltende Quelle der Inspiration. So gab es ein eigenes Panel, das nur ihr gewidmet war. Laura und Katharina aus Deutschland sind extra für die Star Wars Convention angereist, um hier ihre Kostüme präsentieren zu können. Laura stellt Prinzessin Leia als Senatorin dar, während Katharina die Senatorin und Rebellenanführerin Mon Mothma verkörpert. Laura, die erst vor kurzem ihr Bachelorstudium der Bekleidungstechnik abschließen konnte, hat ihr Kostüm selbst entworfen, ebenso wie ihre Perücke. Lauras Gründe, so viel Arbeit zu investieren, sind vielfältig: Zum einen bereite ihr die Vorbereitung sehr viel Spaß. Andererseits könne sie sich auch stark mit Leia identifizieren, ebenso wie Katharina mit Mon Mothma. „Ich will Leia einfach nur darstellen und nicht nachspielen. Es fühlt sich einfach gut an, für ein paar Tage in eine fremde Rolle hineinschlüpfen zu können.“

Laura und Katharina konnten auf der Convention einen respektvollen Umgang miteinander beobachten. „Wir sind immer gefragt worden, ob die Leute ein Foto von uns in unseren Kostümen machen dürfen. Das ist auf anderen Cons nicht selbstverständlich.“ Eine gut durchdachte Anti-Harassment Policy schafft Bewusstsein für die Selbstbestimmung von Cosplayer*innen.

SAFER SPACE? Menschen, die beispielsweise von Geschlechternormen abweichen oder Angst vor großen Menschenmengen haben, können auf einer gutbesuchten Convention trotzdem an ihre Grenzen stoßen. Auf manchen Cons gibt es deshalb Unisex-Toiletten, eigene Ruheräume oder auch Familienräume. Auf der Star Wars Celebration gab es leider nur letzteres, dafür war aber für Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen gesorgt. Es gab extra Anstehschlagen für Menschen mit Medical Bages – für sich selbst und eine Begleitperson, um etwa das lange Warten in Schlangen zu umgehen. Außerdem gab es auf der Hauptbühne durchgehend Gebärdensprachendolmetscher*innen, die in US-amerikanische Gebärdensprache übersetzt haben.

Während ich auf der Convention mit niemanden gesprochen habe, die*der eine schlechte Erfahrung gemacht hat, stieß ich am Tag nach der Con auf einen Bericht der Podcasterin Mindy Marzec. Nach einem Panel, das sie mitorganisiert hatte, wurde sie von zwei Männern sexuell belästigt. Sie versuchten mit einem Selfie Stick unter ihren Rock zu fotografieren. Trotz der Anti-Harassment Policy war Mindy Marzec so überrascht, dass sie zuerst nicht realisierte, was geschehen war und die Situation nicht als Harrassment einordnen konnte. Als sie Unterstützung suchte, waren die Täter nicht mehr auffindbar. Marzecs Verhalten ist wohl typisch für viele, die von Übergriffen betroffen sind: Durch Unsicherheit zögern sie und die Täter haben dadurch die Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen.

Jennifer, deren Begeisterung am vorletzten Tag der Con ungebrochen bleibt, ist noch auf keiner Con mit einer unangenehmen Situation konfrontiert worden. Dennoch ist sie froh, dass sich Anti-Harassment Policies weiter durchsetzen. „Es gibt immer ein paar Leute, die glauben, dass eine Con eine Art Jagdsaison ist. Ihnen muss von der Organisation gezeigt werden, dass das nicht so ist!“ Dennoch bleibt die Frage, wie sicher ein Raum sein kann, der für alle offen sein soll, und ob nicht jeder Vorfall ein Vorfall zu viel ist. Auf jeden Fall können Fans dazu beitragen, indem sie Veranstalter*innen konstant auffordern Anti-Harassment Bestimmungen einzusetzen und übergriffige Besucher*Innen zur Verantwortung zu ziehen.

 

Magdalena Hangel hat Germanistik, Geschichte und Gender Studies studiert und arbeitet aktuell an ihrer Dissertation.