Star Wars, Con & Cosplay: Fankultur als Raum für alle?

  • 23.06.2015, 16:01

Star Wars – das ist mehr als Filme, Bücher und Serien: Die Weltraumsaga hat mittlerweile 38 Jahre auf dem Buckel und blickt einer aufregenden Zukunft entgegen. Durch neue Filme erlebt die Fankultur eine Blütezeit. Anlass genug für Disney, die Firma hinter der Serie, Conventions zu veranstalten. Magdalena Hangel war für progress auf der Star Wars Celebration in Anaheim (bei Los Angeles).

Star Wars – das ist mehr als Filme, Bücher und Serien: Die Weltraumsaga hat mittlerweile 38 Jahre auf dem Buckel und blickt einer aufregenden Zukunft entgegen. Durch neue Filme erlebt die Fankultur eine Blütezeit. Anlass genug für Disney, die Firma hinter der Serie, Conventions zu veranstalten. Magdalena Hangel war für progress auf der Star Wars Celebration in Anaheim (bei Los Angeles).

Eine Convention, meist kurz als Con bezeichnet, ist eine Zusammenkunft von Fans, die sich an einem oder mehreren Tagen ihrem liebsten Hobby hingeben. Bevor du dich als Con-Besucher_in ins Abenteuer stürzen kannst, musst du allerdings erstmal in Warteschlangen anstehen. Egal, ob du in die Halle hineinkommen willst, um Stargäste zu sehen, an der Präsentation eines neuen Trailers teilnehmen möchtest, dir etwas zum Essen holen oder ein T-Shirt kaufen möchtest. Das einzig Gute am Warten: Du bist von Menschen umgeben, die aus demselben Grund da sind, wie du. Einen großen Teil des Erlebnisses einer Con machen die Menschen aus, die du hier treffen kannst. Jennifer aus Texas ist mehr als zwei Stunden in der Schlange gestanden, um ihrer Lieblingsschauspielerin Carrie Fisher eine Stunde lang zuhören zu können. „So lange anzustehen ist anstrengend, aber die Leute um mich herum machen das Warten erträglich.“

Foto: Magdalena Hangel

Das viele Anstellen ist allerdings nicht die erste Barriere. Theoretisch ist es allen möglich, an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen, die sich die hohen Kosten für den Eintritt leisten können. Vier Tage Star Wars kosten 110 Dollar, wobei es für Menschen mit Behinderung und ihre Begleitpersonen billigere Angebote gab. Dazu kommen noch Unterkunft, Anreise und die Verpflegung vor Ort.

Historisch gesehen waren Cons oft ein Raum für weiße Männer, die dort – bei gleichzeitigem Ausschluss anderer Gruppen – „ihren“ Interessen huldigen konnten. Dies begann mit den ersten Cons zu Science Fiction-Literatur, die in den 60ern und 70ern als „Boys Literature“ gehandhabt wurde, obwohl bereits damals viele Frauen* und Mädchen* Science Fiction lasen. Genauso lange, wie es Conventions gibt, werden diese auch als Fortschreibung weißer und cismännlicher Privilegien im Fandom kritisiert. Die „Anderen“ forderten ihren Raum als Fans bewusst ein. Seit die Geekindustrie stärker wächst, gibt es auch immer mehr Cons, die sich bemühen, ein breiteres Publikum anzusprechen.

Auf der diesjährigen Star Wars Convention waren Frauen* stärker präsent als noch vor einigen Jahren. Es gab kaum ein Panel, das nicht auch mit Frauen* besetzt war. Beginnend mit Kathleen Kennedy, CEO von Lucas Films, sowie Vice President of Development Kiri Hart, die über die Zukunft der Filme sprachen. Kennedy beschrieb es als ihr persönliches Ziel, dass Star Wars für Frauen* und Mädchen* ein Identifikationspunkt bleibt – auch weil sie selbst zwei Töchter hat, für die sie die neuen Star Wars Filme mitproduziert.

Star Wars als Unterhaltungsgalaxie für die gesamte Familie steht heute mehr denn je in der Pflicht, auf Gender-Repräsentation zu achten. Auf der Con selbst war das Geschlechterverhältnis ausgewogen, auch Menschen mit Kleinkindern waren vor Ort. Letzteres ist in Anbetracht der großen Menschenmengen, die auf Conventions unterwegs sind, nicht immer selbstverständlich. Jennifer, die gemeinsam mit ihrem Bruder angereist ist, findet das begrüßenswert: „Wenn auf einer Convention keine Familien mit kleinen Kindern sind, spricht das dafür, dass sie für viele Menschen kein sicherer Ort ist.“

WE'RE QUEER, WE'RE HERE. Eins muss vorweggenommen werden: Besonders Star Wars ist – noch immer – ein stark heteronormativ geprägter Raum. In den sechs bislang erschienen Filmen gibt es keine offen queeren Charaktere. Allerdings gibt es in den Filmen auch nur zwei Liebesgeschichten, die Sexualität vieler Charaktere wird bestenfalls in begleitenden Comics und Büchern thematisiert. „Die Lücke wird nur langsam geschlossen, wie beispielsweise 2015, als die Erwähnung einer lesbischen, imperialen Machthaberin im Buch ‘Lords of the Sith’ in großen Teilen des Fandoms begrüßt wurde. Von offizieller Seite wurde während der Con ein Speed Dating für LGBT Personen angeboten – solche Geek Speeddatings gehören auf US-Cons zum Programm dazu und sollen dabei helfen, Gleichgesinnte kennen zu lernen.

In einer gut durchdachten Anti-Harassment Policy wurde darüber hinaus nicht nur auf sexuelle Orientierung, sondern auch auf Genderidentität, die Präsentation des sozialen Geschlechts, sowie Gender im Allgemeinen, hingewiesen. Und natürlich darauf, dass Menschen aus diesen Gründen nicht diskriminiert und belästigt werden.

Foto: Magdalena Hangel

Die Fans heißen diese Einrichtungen willkommen. Neben einer Vielzahl queerer Teilnehmer*innen gab es auch einige cross-gender Cosplays. Dabei kann ein Charakter an das eigene Gender angepasst werden oder umgekehrt: eine weibliche* Han Solo beispielsweise, die mit gesellschaftlich als weiblich konnotierten Merkmalen (z.B.  Rock und High Heels) versehen wird. Yuki Shibaura aus Japan verwandelt sich gerne in die junge Version von Obi-Wan Kenobi, dem berühmten Jedi-Meister. Sie ist stolz darauf, Obi-Wan zu verkörpern. „Ich fühle mich gut, wenn ich Obi-Wan bin.“ Dass er eigentlich einem anderen Geschlecht zugehörig ist, ist für sie kein Thema. Obi-Wan ist ihr Held, seinen Bart trägt sie mit Selbstverständlichkeit. Star Wars inspiriert Shibaura in vielfacher Art und Weise, beispielsweise in ihrer künstlerischen Tätigkeit. Die Con verbringt sie damit, Menschen für ihre Kunst zu begeistern.

COSPLAY IS NOT CONSENT. Beim cross-gender Cosplay verkörpern meistens Frauen* Männer*. Umgekehrt kommt dies seltener vor und ist eher Anlass für Gelächter. Viel von der Stärke, mit der Prinzessin Leia, die Anführerin und Heldin der Rebellion gegen das Imperium, porträtiert wird, geht verloren, wenn sie von einem Mann* im ikonischen Metallbikini ironisch sexualisiert dargestellt wird.

Foto: Magdalena Hangel

Leia gilt heute als eine der ersten „starken“ Frauen in der Science Fiction-Medienlandschaft. Sie ist für viele eine anhaltende Quelle der Inspiration. So gab es ein eigenes Panel, das nur ihr gewidmet war. Laura und Katharina aus Deutschland sind extra für die Star Wars Convention angereist, um hier ihre Kostüme präsentieren zu können. Laura stellt Prinzessin Leia als Senatorin dar, während Katharina die Senatorin und Rebellenanführerin Mon Mothma verkörpert. Laura, die erst vor kurzem ihr Bachelorstudium der Bekleidungstechnik abschließen konnte, hat ihr Kostüm selbst entworfen, ebenso wie ihre Perücke. Lauras Gründe, so viel Arbeit zu investieren, sind vielfältig: Zum einen bereite ihr die Vorbereitung sehr viel Spaß. Andererseits könne sie sich auch stark mit Leia identifizieren, ebenso wie Katharina mit Mon Mothma. „Ich will Leia einfach nur darstellen und nicht nachspielen. Es fühlt sich einfach gut an, für ein paar Tage in eine fremde Rolle hineinschlüpfen zu können.“

Laura und Katharina konnten auf der Convention einen respektvollen Umgang miteinander beobachten. „Wir sind immer gefragt worden, ob die Leute ein Foto von uns in unseren Kostümen machen dürfen. Das ist auf anderen Cons nicht selbstverständlich.“ Eine gut durchdachte Anti-Harassment Policy schafft Bewusstsein für die Selbstbestimmung von Cosplayer*innen.

SAFER SPACE? Menschen, die beispielsweise von Geschlechternormen abweichen oder Angst vor großen Menschenmengen haben, können auf einer gutbesuchten Convention trotzdem an ihre Grenzen stoßen. Auf manchen Cons gibt es deshalb Unisex-Toiletten, eigene Ruheräume oder auch Familienräume. Auf der Star Wars Celebration gab es leider nur letzteres, dafür war aber für Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen gesorgt. Es gab extra Anstehschlagen für Menschen mit Medical Bages – für sich selbst und eine Begleitperson, um etwa das lange Warten in Schlangen zu umgehen. Außerdem gab es auf der Hauptbühne durchgehend Gebärdensprachendolmetscher*innen, die in US-amerikanische Gebärdensprache übersetzt haben.

Während ich auf der Convention mit niemanden gesprochen habe, die*der eine schlechte Erfahrung gemacht hat, stieß ich am Tag nach der Con auf einen Bericht der Podcasterin Mindy Marzec. Nach einem Panel, das sie mitorganisiert hatte, wurde sie von zwei Männern sexuell belästigt. Sie versuchten mit einem Selfie Stick unter ihren Rock zu fotografieren. Trotz der Anti-Harassment Policy war Mindy Marzec so überrascht, dass sie zuerst nicht realisierte, was geschehen war und die Situation nicht als Harrassment einordnen konnte. Als sie Unterstützung suchte, waren die Täter nicht mehr auffindbar. Marzecs Verhalten ist wohl typisch für viele, die von Übergriffen betroffen sind: Durch Unsicherheit zögern sie und die Täter haben dadurch die Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen.

Jennifer, deren Begeisterung am vorletzten Tag der Con ungebrochen bleibt, ist noch auf keiner Con mit einer unangenehmen Situation konfrontiert worden. Dennoch ist sie froh, dass sich Anti-Harassment Policies weiter durchsetzen. „Es gibt immer ein paar Leute, die glauben, dass eine Con eine Art Jagdsaison ist. Ihnen muss von der Organisation gezeigt werden, dass das nicht so ist!“ Dennoch bleibt die Frage, wie sicher ein Raum sein kann, der für alle offen sein soll, und ob nicht jeder Vorfall ein Vorfall zu viel ist. Auf jeden Fall können Fans dazu beitragen, indem sie Veranstalter*innen konstant auffordern Anti-Harassment Bestimmungen einzusetzen und übergriffige Besucher*Innen zur Verantwortung zu ziehen.

 

Magdalena Hangel hat Germanistik, Geschichte und Gender Studies studiert und arbeitet aktuell an ihrer Dissertation.

AutorInnen: Magdalena Hangel