Gewalt

Hinter geschlossenen Türen

  • 16.02.2013, 10:24

Nie entspricht Familie ihrem idealisierten Bild. Gewalt in der Familie ist ein unterschätztes gesellschaftliches Problem, darunter leiden vor allem Frauen. Lisa Zeller hat nachgefragt, warum das so ist und was sich ändern muss.

Nie entspricht Familie ihrem idealisierten Bild. Gewalt in der Familie ist ein unterschätztes gesellschaftliches Problem, darunter leiden vor allem Frauen. Lisa Zeller hat nachgefragt, warum das so ist und was sich ändern muss.

Ein Mann, eine Frau und zwei oder drei Kinder halten sich an den Händen und springen draußen durchs Grüne. Die Sonne strahlt. Sie strahlen. Das ist das Bild, das man nach einer kurzen Internet-Recherche zu Familie erhält. Dass es bei vielen Familien hinter geschlossenen Türen anders aussieht, macht zum Beispiel die Gewaltprävalenzstudie „Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld“ von 2011 deutlich. Die Familie wird dort als jener soziale Nahraum genannt, in dem am häufigsten körperliche Übergriffe erlebt wurden. Von insgesamt 2.334 Personen im Alter zwischen sechzehn und sechzig Jahren gaben etwa drei Viertel an, als Kind mehr als einmal mit körperlicher Gewalt durch Familienmitglieder konfrontiert gewesen zu sein – Gewaltformen wie psychische und ökonomische Gewalt noch nicht mit einberechnet.

Gewalt in der Familie kann von allen Familienmitgliedern ausgehen. Jedoch belegen Studien, dass Frauen in Familie oder Partnerschaft am häufigsten von ihr betroffen sind. Jede fünfte Frau in Österreich ist mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt  in einer Beziehung betroffen. Fünfzig bis siebzig Prozent der Kinder misshandelter Frauen werden ebenfalls misshandelt. „Es geht bei Gewalt immer um Machtungleichgewichte. In Familien sind diese sehr deutlich ausgeprägt, weil sie wenig durch öffentliche  Blicke kontrolliert sind“, erklärt Marion Geisler vom Kinder- und Jugendlichenbereich im ersten Wiener Frauenhaus.

Das Gegenmittel. Auch Frauen werden auffallend oft gegenüber Kindern gewalttätig. Misst man körperliche Gewalt, liegt die  Gewalterfahrung durch Mütter noch vor der Gewalterfahrung durch den Vater. „Ein Grund könnten die klassischen  Geschlechterrollen sein, in denen Frauen noch immer die meiste Erziehungs- und Hausarbeit leisten und zusätzlich einer beruflichen Arbeit nachgehen“, sagt Olaf Kapella vom Österreichischen Institut für Familienforschung, der maßgeblich an der eingangs zitierten Gewaltprävalenzstudie beteiligt war. Dies führe zu enormem Stress und einer Situation der Hilflosigkeit, die dann in Gewalt gegen die Kinder münden kann. „Hilflosigkeit und Überforderung sind allgemein wichtige Gründe, wenn es um Gewalt in Familien geht“, fügt Hannelore Pöschl, Diplomsozialarbeiterin und Leiterin des Amts für Jugend und Familie Wien im 13. und 14. Wiener Gemeindebezirk, hinzu. „Besonders von Menschen, die nicht gelernt haben, mit Konfliktsituationen umzugehen, wird die eigene Hand zum Beenden eines Zustands genutzt, den man nicht mehr erträgt.“

Männer wiederum, die dominante Rollenbilder verkörpern, neigen zur Abwertung von Weiblichkeit und werden so gegenüber Partnerinnen häufiger gewalttätig. Grund dafür können die patriarchale Prägung einer Gesellschaft sowie die damit verbundene geschlechterspezifische Sozialisation sein. „Gleichstellung und Gewalt bedingen sich gegenseitig: Das Gegenmittel gegen Gewalt ist Gleichstellung von Frauen“, sagt Rosa Logar von der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. „Je traditioneller eine Familie  aufgebaut ist, desto höher ist die Gefahr, dass Gewalt vom Vater oder vom Partner ausgeht“, bestätigt Geisler. Außerdem kann das traditionelle Familienideal dazu beitragen, dass Frauen beim gewalttätigen Partner bleiben. Mütter in solchen Frauenrollen fühlen sich oft verantwortlich für eine „heile“ Familie und differenzieren nach dem Muster, „er“ sei zwar ein gewalttätiger Ehemann, aber ein liebevoller Vater. „Doch das funktioniert nicht. Beobachtete Gewalt hat die gleichen Folgen wie selbst erlebte Gewalt. Das weiß man auch von der Folter, aber genau dieser Mechanismus wird bei Kindern bagatellisiert.“ Das Ende der Beziehung wird zudem oft nicht als Ausweg gesehen, weil eine Trennung das Gewaltrisiko steigert.

Die Erfahrung im Frauenhaus zeigt auch, dass sich Kinder stark nach dem klassischen Familienmodell sehnen. Manchmal erwähnen sie seltene Momente mit dem Vater, zum Beispiel am Spielplatz, als Wunsch, es möge doch in Zukunft immer so sein. „Die Kinder wünschen sich einen liebevollen Vater, der sich um sie kümmert, so wie sie es in der Werbung oder in Filmen sehen können.“ Gewaltvolle Kindheiten sind auch für die eigene Familiengründung prägend. Bei Mädchen und Buben aus Gewaltbeziehungen steigt  im Erwachsenenalter die Wahrscheinlichkeit, wieder als Opfer oder TäterIn eine Gewaltbeziehung einzugehen. Etwa 30 Prozent fallen in diese sogenannte Gewaltspirale. 

„Ursachen für Gewalt gibt es allerdings viele. Meine Erfahrung zeigt, dass Eltern grundsätzlich das Beste für ihr Kind wollen. Ich  kenne ganz wenige, denen es wirklich egal ist oder die sadistisch veranlagt sind“, so Pöschl. Oft hätten sie durch die eigene Erziehung selbst kein gutes Beispiel bekommen und ihnen gingen die Ideen aus. Fest steht allerdings, dass Gewalt in der Familie  keiner sozialen Schicht zugeschrieben werden kann – mit Gewalterfahrungen wird lediglich anders umgegangen. So ist das Schamgefühl in höheren sozialen Schichten größer, und weniger Gewalttaten werden angezeigt.

Angebote gegen Gewalt in der Familie sind in Österreich vielfältig: Von Präventionsarbeit in Form von Workshops von Vereinen wie Poika, White Ribbon und den Frauenhäusern über Hilfeleistungen vom Jugendamt und Helplines als Beratungsstelle, sowie durch die Krisenarbeit der Frauenhäuser und der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie gibt es in Österreich ein sehr breites Angebot. Insgesamt wurden im Jahr 2008 in den Interventionsstellen gegen familiäre Gewalt 14.016 Opfer betreut. Nahezu alle Opferschutzeinrichtungen sind jedoch unterfinanziert.

Stark eingeschränkt wird die Arbeit auch von der Väterrechtsbewegung. Besonders Frauenhäuser bekommen die damit  einhergehende Stress- und Angstsituation der Mütter durch lange Prüfungen der Obsorge zu spüren. „Häufig wird bei den  Untersuchungen die Gewalt ausgeklammert“, berichtet Geisler. „Wenn immer auf dieses Vaterrecht beharrt wird, frag ich mich, wo ist das Kindeswohl?“ Häufig laste auch enormer Druck auf SozialarbeiterInnen, BeraterInnen und MitarbeiterInnen bei Gericht und beim Jugendamt, die von Väterrechtlern immer wieder geklagt werden.

Als gesellschaftliches Problem mit rechtlichen Folgen wird familiäre Gewalt erst seit Kurzem angesehen. Das liegt an dem hohen  Stellenwert, den die Familie gesellschaftspolitisch hat: „Die Wertvorstellung, die Familie sei das Heiligtum, ist genau das, was dazu  geführt hat, dass jahrelang gar nicht eingeschritten wurde“, erklärt Assistenzprofessorin Katharina Beclin vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien. Logar ergänzt: „Doch die feministische Bewegung in den 60er und 70er Jahren hat das Thema  wieder öffentlich gemacht.“ So wurde 1989 Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Das Gewaltschutzgesetz trat 1997 in Kraft. Es ermöglicht der Polizei ein Wegweisungsrecht gegenüber dem Täter und schreibt Maßnahmen zum Gewaltschutz, kostenlose  Beratung und Unterstützung der Opfer durch die genannten Einrichtungen fest. So wird bei Wegweisungen die Interventionsstelle kontaktiert – und falls Kinder involviert sind, auch das Jugendamt.

Ein großes Problem allerdings ist, dass Frauen oft keine Anzeige erstatten. „Viele Frauen wissen nicht, dass es ein strukturelles Problem der Gesellschaft ist“, sagt Beclin. Auch Abhängigkeiten finanzieller Art oder durch Verlust des Aufenthaltsstatus sind häufig Gründe, lieber zu schweigen. „Auf individueller Ebene kann man das leider oft gut nachvollziehen.“ Wird aber doch angezeigt, sind Straftaten über längere Zeit hinweg meist nicht mehr nachweisbar. RichterInnen tun sich oft schwer, den Frauen zu glauben.  „Deswegen ist es ratsam, die Verletzungen nicht nur behandeln, sondern auch fotografisch und schriftlich dokumentieren zu  lassen“, meint Beclin.

Oft kommt es allerdings gar nicht zum Strafverfahren, etwa wenn in der Polizeiakte Aussage gegen Aussage steht. In diesem Fall  wird das Verfahren schon vorher eingestellt – von der Staatsanwaltschaft, die nicht einmal Kontakt mit den ZeugInnen hat. „Das  halte ich für problematisch. Denn dann dauern die Gewaltakte meist Jahre an.“ Auch wenn es unter diesen Umständen zur  Verurteilung kommt, sei die herkömmliche Haftstrafe für das Problem eher kontraproduktiv. Nach Absitzen der Haft können Täter  durch Gewalterfahrungen von Mithäftlingen oder Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt frustrierter und abermals gewalttätig werden. „Es  wäre wichtig, dass sie parallel ein Anti-Gewalt-Training machen. Auch eine milde Strafe kann mit dieser Auflage verhängt werden“,  sagt Beclin. So sollte es neben der umfassenden Opferbetreuung auch Täterbetreuung geben. Denn die gesamtgesellschaftlichen Kosten sind enorm: „Krankenstände, Arbeitsunfähigkeiten, Todesfälle, Polizeieinsätze, Gerichtsverfahren, Gefängnisaufenthalte,  psychische Folgen, post-traumatische Belastungsstörungen, die natürlich auch wieder Folgen haben für die Familien“, zählt Geisler  auf. Sie fügt hinzu: „Geld für Prävention statt für Strafen auszugeben, wäre wohl besser, als immer im Nachhinein die Folgen zu bezahlen.“

Entschuldigt wird familiäre Gewalt Pöschl zufolge oft mit der lapidaren Aussage: „Mir hat die Watschen auch nicht geschadet und aus mir ist auch was geworden.“ Doch darauf hat sie eine klare Antwort: „Ja, aber wissen Sie, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie sie nicht bekommen hätten?“

Anonym und kostenlos

  • 09.12.2012, 18:53

Zehn Mitarbeiterinnen sitzen schichtweise am anderen Ende dieser Nummer: 0800 222 555. Seit 1998 gibt es die bundesweite Frauenhelpline. Sie bietet Beratung kostenlos, rund um die Uhr und mehrsprachig. progress traf die Telefonberaterin Angelika Eisterer an ihrem Arbeitsplatz.

Zehn Mitarbeiterinnen sitzen schichtweise am anderen Ende dieser Nummer: 0800 222 555. Seit 1998 gibt es die bundesweite Frauenhelpline. Sie bietet Beratung kostenlos, rund um die Uhr und mehrsprachig. progress traf die Telefonberaterin Angelika Eisterer an ihrem Arbeitsplatz.

In dem Büro stehen ein Schreibtisch mit Telefon und Computer, Ordner und zwei Betten. „Für die Nachtschichten, für den Fall dass es vielleicht länger keine Anrufe gibt“, sagt Angelika.

progress: Wie viele Anrufe kommen denn so im Schnitt?

Eisterer: Laut unserer jährlichen Statistik sind es durchschnittlich etwa 30 Anrufe am Tag mit 24 Stunden. Ein Tag besteht aus drei Diensten und das verteilt sich eben auch. Es gibt Zeiten, in denen es ganz dicht ist und dann gibt es wieder Zeiten, in denen es vielleicht einen Anruf in der Schicht gibt und wenn man das nicht statistisch erfasst, dann merkt man das als Beraterin nicht, wie viele Anrufe es sind. Man kriegt eher mit, heute ist ein heftiger Tag oder heute ist ein ruhigerer Tag.

progress: Und wenn in einer heftigen Zeit die Leitung besetzt ist?

Eisterer: Das sollte natürlich nicht passieren, aber wenn, dann gibt es einen Spruch am Tonband, das sagt: „Die Beraterin ist gerade in einem Gespräch. Bitte rufen Sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder an“. Wir rufen nicht zurück, obwohl wir eigentlich die meisten Nummern sehen, weil die übertragen werden. Aber wir sind anonym und eine Helpline, darum rufen wir aus Prinzip nicht zurück.
Oft kann es ja so sein, dass das Handy oder Telefon von der Familie benutzt wird und dann geht vielleicht der Mann dran oder wer anderer, was natürlich auch problematisch oder sogar gefährlich für die Anruferin sein kann.

progress: Wer ruft denn alles an?

Eisterer: Es ist ein Teil direkt betroffener Frauen, ein anderer Teil sind Frauen oder auch Männer aus dem sozialen Umfeld. Manchmal sind das Leute, die sagen, sie kennen wen. Das sind dann sowohl Frauen als auch Männer, die einfach für eine bestimmte Frau eine Unterstützung wollen. Es gibt auch einen sehr geringen Teil an Männern oder Tätern, die tatsächlich Hilfe für sich wollen und auch Männer, die Opfer sind.

progress: Gibt es auch feindlich gesinnte Anrufe?

Eisterer: Ja, auch. Es gibt einen gewissen Teil derjenigen, die meiner Meinung nach in ein Täterprofil hineinpassen. Das sind eben sozusagen klassische Täter, die uns beschimpfen wollen, oder sich irgendwie rechtfertigen wollen. Das geht hin bis zu laufenden Belästigungen.

progress: Sind auch Vaterrechtler dabei?

Eisterer: Die gibt es auch, die anrufen, ja. Ich weiß natürlich immer nur das, was am Telefon thematisiert wird, aber natürlich. Wenn sie davon anfangen, merkt man da natürlich schon die Richtung. Ich merke persönlich, dass ich meinen Beratungsstil etwas geändert habe, seitdem sie gesellschaftspolitisch einen starken Aufwind bekommen haben.

progress: Inwiefern?

Eisterer: Bei vielen unserer Gesprächen mit Frauen geht es auch um das Thema Obsorgeregelungen, also auch um juristische Beratung. Oft, bevor eine Frau in der Lage ist, eine Entscheidung zu treffen, muss Rechtliches geklärt werden. Bei Scheidung und Trennung spielt oft  die Sorge um das Kind bzw. um die Kinder eine große Rolle. Frauen haben oft Angst ihre Kinder zu verlieren,  was durch Väter, die stark um ihre Rechte kämpfen, auch passieren kann. Vor der Obsorgedebatte hab ich diesen Frauen noch sagen können, sie hätten da wenig zu befürchten, aber nun und auch zukünftig kann ich ihnen das nicht mehr so bestimmt vermitteln, weil nicht mehr sie, sondern RichterInnen entscheiden können und entscheiden werden. Das bringt Frauen in eine sehr große Unsicherheit  – oder in die Ausweglosigkeit beim Gewalttäter bleiben zu müssen, weil sie denken, dann können sie wenigstens noch mit dem Kind zusammen sein. Ich merke da schon, dass sich da der politische Wind gegen Frauen ordentlich gedreht hat.  Diese Situation ist für Frauen sehr belastend, aber auch für uns.

progress: Wie geht es denn nach einem Anruf weiter?

Eisterer: Wir sind ja für ganz Österreich zuständig und haben hier eine dicke Mappe am Tisch liegen, wo sämtliche Beratungsstellen österreichweit drinnen stehen, nach Thema geordnet, damit wir sie natürlich schnell finden.
Grundsätzlich gilt es erst einmal, das Anliegen zu klären. Am Telefon find ich das noch schwieriger als in der persönlichen face-to-face Beratung, weil Menschen in der Krise natürlich nicht geordnet erzählen. Da muss man natürlich zuerst herausfinden, was ist jetzt der Problemfall. Was ist jetzt und was ist in der Vergangenheit passiert. Dann geht es in erster Linie natürlich immer um die Sicherheit. Das heißt, es geht darum zu klären, liegt eine akute Gefährdung vor und was kann dagegen getan werden. Da kommen de facto eigentlich immer nur zwei Sachen ins Spiel. Das eine ist die Polizei zu rufen und die andere Möglichkeit ist, selber wegzugehen wie etwa in ein Frauenhaus. Wenn es sich um keine akute Situation handelt, dann kann die Beraterin mit der Anruferin einen Sicherheitsplan besprechen für den Fall, dass es wieder gefährlich werden wird, wie kann sie sich und ihre Kinder schon im Vorfeld davor schützen, wen kann sie miteinbeziehen, einweihen.
Manchmal rufen auch Frauen aus ländlichen Gegenden an, wo es rundherum oder in der Nähe keine Hilfseinrichtung gibt, die sie aufsuchen könnte. Für diese Frauen ist die Frauenhelpline besonders wichtig, damit sie sich Hilfe holen können.

progress: Warum bist du Telefonberaterin geworden?

Eisterer: Ja, also ich bin Psychologin und Sozialarbeiterin, wobei wir hier im Team ganz unterschiedliche Fachkompetenzen haben. Wir haben Psychologinnen,  Sozialarbeiterinnen und Frauen, die aus ganz unterschiedlichen beruflichen Kontexten kommen und langjährige Gewaltexpterinnen sind, weil sie bereits in adäquaten Hilfseinrichtungen gearbeitet haben. Wir haben auch Beraterinnen, die auf Arabisch, Englisch, Bosnisch-Kroatisch-Serbisch, Rumänisch und Türkisch beraten können.

Ich persönlich habe die letzten Jahre im Gewaltschutzzentum in Niederösterreich gearbeitet, wo ich viele gewaltbetroffene Frauen und Kinder beraten habe. Ich bin seit zwölf Jahren Sozialarbeiterin und ich kennen viele Formen von Gewalt, ich war beim Jugendamt und in der Flüchtlingsarbeit tätig. Ich kenn das Thema Gewalt von verschiedenen Seiten. Ich verfüge durch meine langjährige Tätigkeit über ein umfassendes Wissen, auch über das Netz an Einrichtungen, die Hilfe anbieten. Dieses Wissen aus der Praxis ist für die telefonische Beratung bei der Frauenhelpline sehr hilfreich und nützlich. Im Vergleich zur Arbeit im Gewaltschutzzentrum, wo ich Frauen zur Polizei, zum Gericht und zu sonstigen Stellen begleitet habe, was oft sehr zeitaufwendig und stressig war, ist die Arbeit bei der Frauenhelpline etwas weniger belastend, aber ebenfalls sehr sinnvoll und erfüllend für mich, weil ich den Frauen mein praktisches Wissen und die Erfahrungen gut und kompetent vermitteln kann.

progress: Wie sieht der der normale Tagesablauf aus?

Eisterer: Es gibt zwei Tagdienste von 8.00 bis 14.00 Uhr  und von 13.30 bis 19.30 Uhr. Die Nachtschicht geht von 19.00 bis 8.30 Uhr. Wie man sieht, gibt es da immer eine halbstündige Übergabezeit, wo man mit den Kolleginnen alle Anrufe bespricht und weitergibt. Ausführliche Besprechungen gibt es bei den wöchentlichen Teamsitzungen, bei denen es zu ausführlichen „Fallbesprechungen" kommt. Vor allem die sogenannten Mehrfachanruferinnen, also Frauen, die öfter anrufen müssen, weil sie sich in einer Krise befinden und laufend Hilfe brauchen. Einige Frauen begleiten wir schon seit mehreren Jahren. Das sind Frauen, die aufgrund von ihren Gewalterfahrungen psychisch oder psychiatrisch erkrankt sind und die die Frauenhelpline als wichtige Stütze sehen, um ihren Alltag  bewältigen zu können.

progress: Wie wird da die Anonymität gewahrt?

Eisterer: Wir dokumentieren jeden Anruf, wo wir bestimmte Daten festhalten, die für uns intern relevant sind bzw. die uns die AnruferIn mitteilt. Wie etwa das Geschlecht, das Alter und die Herkunft der AnruferIn und welche Anliegen am Telefon besprochen werden, welche Hilfe wir angeboten haben und wie oft sie schon angerufen hat. In den meisten Fällen haben wir keine Namen, was auch nicht notwendig ist. Frauen die öfters bei uns anrufen bekommen von uns Bezeichnungen wie „Frau aus Wels“, dann können wir uns untereinander darüber verständigen und orientieren, ob es sich um eine langjährige Anruferin handelt. Wir bieten auch eine E-Mail-Beratung an.

progress: Treffen Sie die Langzeitanruferinnen auch persönlich?

Eisterer: Nein, nie.

progress: Prinzipiell?

Eisterer: Ja, wir sind eine reine telefonische Beratungsstelle für ganz Österreich und unsere Adresse wird nicht öffentlich genannt, aus Sicherheitsgründen.  Wir bekommen genug belästigende Anrufe und wir wollen nicht, dass plötzlich jemand vor der Tür steht.

 

„Die Nummer 0800/222 555  soll in jedem Haushalt bekannt sein“, sagt Maria Rösslhumer, Leiterin der Frauenhelpline.

Die Webseite der Frauenhelpline.

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