Oktober 2009

Zu Tode gesichert ist auch gestorben

  • 13.07.2012, 18:18

Sicherheit ist ein Grundbedürfnis aller Menschen, erst Sicherheit schafft Vertrauen, sie ist das Nervensystem einer Gesellschaft. Gerade weil sie so wichtig ist, muss verhindert werden, dass in ihrem Namen der Rechtsstaat zerstört wird.

Sicherheit ist ein Grundbedürfnis aller Menschen, erst Sicherheit schafft Vertrauen, sie ist das Nervensystem einer Gesellschaft. Gerade weil sie so wichtig ist, muss verhindert werden, dass in ihrem Namen der Rechtsstaat zerstört wird.

Staatlich geschaffene Sicherheit ist im Idealfall eine Balance zwischen Freiheit und Ordnung. Der Staat soll also ein Gleichgewicht zwischen Überwachung und Rechtssicherheit jedes Menschen herstellen. Wenn die Politik Überwachungsmaßnahmen legitimieren will, argumentiert sie oft mit hohen Verbrechensaufklärungsquoten und dem Rückgang von Verbrechen – also mit der Möglichkeit zu effektiverer Polizeiarbeit. Aber ist es überhaupt bewiesen, ob höhere Aufklärungsquoten mehr Sicherheit bringen?
Jutta Menschik, Professorin für Psychologie in Klagenfurt, sagt, es seien nicht die hohen Strafen für Vergehen, die Sicherheit gewähren, sondern vor allem der Lebensstandard der Menschen. Am wenigsten Kriminalität gibt es in Ländern mit einer hohen Lebenszufriedenheit der Bevölkerung, die vor allem von den Faktoren Arbeit, Bildung, Gesundheit(svorsorge), sauberer Umwelt und einem guten sozialen Netz beeinflusst werden. 

Privatsphäre ade. Nimmt es ein Staat mit den Persönlichkeitsrechten der BürgerInnen nicht so genau, kann man von einem Überwachungsstaat reden. Dieser höhlt das Recht auf Intim- und Privatsphäre aus. Die Steigerung davon ist der Polizeistaat, wie er im Faschismus und Realsozialismus praktiziert wurde. Das Recht der Bürger auf ein Privatleben wurde negiert, infolge dessen konnte sich niemand mehr vor Verleumdungen sicher sein. In dieser vergifteten Atmosphäre konnte man oft nicht mehr seinen nächsten Verwandten oder Freunden trauen, da diese möglicherweise als Spitzel für den Staat arbeiteten.
Das Sammeln von Daten durch den Staat ist überhaupt kein Phänomen unserer Zeit, sondern half schon vielen Diktaturen dabei, ihre Feinde aufzuspüren. Insofern ist die Frage, wie viel Sicherheit uns die Erfassung von Daten tatsächlich bietet, derjenigen gegenüberzustellen, inwiefern sie uns dem Staat ausliefert. Wir leben in Österreich zwar in keiner Diktatur, aber nirgendwo steht, dass das für immer so bleiben muss. 

Überwachung 2.0. Eines scheint nämlich klar: die Möglichkeiten für den Staat, seine Bürger zu überwachen, sind ins Ungeheuerliche gestiegen. Nicht auszudenken, welche Überwachungsmöglichkeiten sich für eine High-Tech-Diktatur ergeben würden. Schon jetzt sind die angewandten Mittel gewaltig: Lauschangriff und Rasterfahndung sind in Österreich legal, online kann jeder Schritt überwacht werden, Daten aus dem Gesundheitsbereich werden elektronisch erfasst, fast alle öffentlichen Plätze sind videoüberwacht. Argumentiert wird oft damit, dass die Daten geschützt werden sollen, kann man aber wirklich darauf vertrauen, dass Daten gesammelt werden, um sie zu schützen anstatt sie zu nutzen? 
Andererseits ist es aber auch richtig, dass Überwachung helfen kann, Gerechtigkeit herzustellen: gefilmte TäterInnen brutaler Verbrechen können ausgeforscht werden, was für die Psychohygiene der Opfer sehr wichtig ist. Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen kann gegen Vandalismus helfen. Mit Hilfe von Online-Überwachung können Terroranschläge verhindert und Kinderpornografie-Ringe ausgehoben werden. Aber geben diese Möglichkeiten dem Staat das Recht, jeden von uns wie mit einem Röntgengerät durchleuchten zu wollen?

Sichere Datenverwaltung? Dass die heiklen Daten noch dazu auch in falschen Händen landen können, zeigen die zahlreichen Skandale der letzten Jahre: In Großbritannien sind immer wieder Daten-CDs durch Schlamperei verloren gegangen, mehrmals sogar solche, auf denen Name, Adresse und Kontoverbindungen zehntausender Briten gespeichert waren.
In Deutschland wiederum erschütterten der Deutsche-Bahn-Skandal und der Telekom-Skandal das Land: Beide Male wurden Mitarbeiter ohne ihr Wissen ausgeleuchtet. Und auch im Lebensmittelhandel häufen sich die Überwachungen von Personal – sogar im intimsten Bereich, den Sanitäranlagen.
In all diesen Fällen kann nicht mehr mit dem Wunsch nach Sicherheit argumentiert werden – hier handelt es sich um Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Unter dem Vorwand der Sicherheit werden von Behörden und Firmen Daten gesammelt, die vor allem einem Ziel dienen: Anhäufung von Macht.
Das zeigt auf, was in der aktuellen Sicherheitsdebatte falsch läuft: Sicherheit und Überwachung werden fast immer in einem Atemzug genannt. Dies ist ein Betrug an den BürgerInnen. Wer mit dem Grundbedürfnis nach Sicherheit spielt, zerstört die Grundlage unseres Zusammenlebens: das Vertrauen.  

 

Ein dickleibiger Teufelskreis

  • 13.07.2012, 18:18

Die mangelnde Gesundheitsversorgung ist in den USA sowohl ein moralisches als auch ein finanzielles Problem. Das moralische Problem sind die 15 Prozent der Bevölkerung, die keine Krankenversicherung haben. Nach Schätzungen sterben jedes Jahr zwischen 20.000 und 40.000 Menschen, weil ihnen der Zugang zu medizinischer Versorgung fehlt.

Die mangelnde Gesundheitsversorgung ist in den USA sowohl ein moralisches als auch ein finanzielles Problem. Das moralische Problem sind die 15 Prozent der Bevölkerung, die keine Krankenversicherung haben. Nach Schätzungen sterben jedes Jahr zwischen 20.000 und 40.000 Menschen, weil ihnen der Zugang zu medizinischer Versorgung fehlt.
Das finanzielle Problem sind die steigenden Kosten. Die Kosten für die Gesundheitsversorgung in den USA machen etwa 17 Prozent unseres Bruttosozialproduktes (BSP) aus. Einigen Prognosen zufolge könnten sie in dreißig Jahren ein Drittel unseres BSP ausmachen. Kein anderer Industriestaat hat so viele nicht versicherte Bürger oder gibt einen so großen Anteil seines Einkommens für sein Gesundheitssystem aus.
Der Mangel an medizinischer Versorgung hat aber noch andere, unerwünschte Konsequenzen. So sind achtzig Prozent der Feuerwehr-Notrufe in Washington DC eigentlich medizinische Notfälle. (Die Dienste der Feuerwehr sind – im Gegensatz zu denen der Rettung – nicht kostenpflichtig). Für viele Unversicherte wird die Notaufnahmestation des Krankenhauses zur Hausarzt-Praxis.
Unzureichende Krankenversicherung bedeutet auch, dass der Patient sich keinen Zahnarzt leisten kann. Wenn die Zähne faulig sind, essen die Leute keine Dinge mehr, die beißen erfordern, wie Vollkornbrot oder Äpfel. Deshalb ernähren sie sich von Pommes und Hamburgern, was wiederum zu Dickleibigkeit, Herzproblemen und Diabetes führt – ein Teufelskreis. Eine Studie schätzt, dass sechzig Prozent aller Privatkonkurse in den USA durch hohe Gesundheitskosten verursacht werden, wobei sogar drei Viertel der Betroffenen zuvor eine private Krankenversicherung abgeschlossen hatten, die sich im Nachhinein allerdings als unzureichend erwies.
Die Gegner der Gesundheitsreform behaupten gerne, die Regierung wolle mit ihr schleichend den Sozialismus einführen. Dabei haben bereits jetzt viele US-Amerikaner eine staatliche Krankenkasse. Alle, die älter als 65 Jahre sind, haben Anspruch auf eine vom Steuerzahler finanzierte Gesundheitsversorgung. Pensionierte Militärangehörige bekommen eine kostenlose Behandlung in eigenen staatlichen Krankenhäusern. Zusätzlich versichern „Medicaid“ und das „Children Health Insurance Program“ Arme und Kinder. 
Als weiteres wird von Gegnern der Reform oft behauptet, sie sei sehr teuer. Das ist aber falsch: Sie wäre kostenneutral. Präsident Barack Obama will Betrug, Ineffizienz und Verschwendung im gegenwärtigen System beenden. So will er erreichen, dass jeder Amerikaner krankenversichert ist – und das bei gleich bleibenden Kosten. 

 

“Don’t tax me, bro!”

  • 13.07.2012, 18:18

Die USA sind die einzige Industrienation, die kein allgemeines, staatliches Gesundheitswesen hat. Barack Obama will das ändern. Er ist nicht der erste Präsident, der sich an einer Gesundheits(versicherungs)reform versucht, aber er ist “entschlossen, der letzte zu sein”. Ob ihm das gelingt, wird zunehmend fraglich.

Die USA sind die einzige Industrienation, die kein allgemeines, staatliches Gesundheitswesen hat. Barack Obama will das ändern. Er ist nicht der erste Präsident, der sich an einer Gesundheits(versicherungs)reform versucht, aber er ist “entschlossen, der letzte zu sein”. Ob ihm das gelingt, wird zunehmend fraglich.

John Dingell ist der längstdienende US-Kongressabgeordnete — aller Zeiten. Er sitzt seit 54 Jahren am Capitol Hill. Seit seiner Wahl bringt er zu Beginn jedes parlamentarischen Jahres ein Gesetz zur Abstimmung, das eine umfassende Gesundheitsversicherung für alle einführen würde. Das Gesetz wurde schon von seinem Vater geschrieben, der einst selbst Parlamentarier war. 
Es gibt kaum einen Präsidenten in den vergangenen hundert Jahren, der sich nicht an einer Gesundheitsreform versucht hat. Den letzten Erfolg konnte Lyndon B. Johnson im Jahr 1965 verbuchen, als er eine staatlich geführte Versicherung (Medicare) für alle AmerikanerInnen über 65 Jahre einführte. Bill Clinton war der letzte, der an einer Gesundheitsreform gescheitert ist: Gemeinsam mit seiner Frau Hillary schlug er eine für alle verpflichtende Versicherung vor. Die Republikaner und die Versicherungsindustrie liefen dagegen Sturm, die Reform scheiterte.
Die “Harry and Louise”-TV-Werbungen der Versicherungsindustrie, in denen ein mittelständisches Ehepaar über Rechnungen stöhnt und klagt, dass es sich seinen Doktor nicht mehr aussuchen kann, sind seit damals legendär.

Von Clinton lernen. Obama wollte aus den Erfahrungen der Clintons lernen. Er bemühte sich, die Versicherungsindustrie und andere Stakeholder ins Boot zu holen, was anfangs auch gelang. Das führte jedoch auch dazu, dass ein “Single-Payer-Plan” – der Staat als einziger Versicherer – von Anfang an ausgeschlossen wurde. Stattdessen sollte eine “Public Option” eingeführt werden, also eine staatliche Alternative neben den privaten Versicherern.
Wegen der Popularität der Pläne Obamas sahen sich die Republikaner anfangs gezwungen, ausschließlich die Geschwindigkeit der Reform zu kritisieren, womit sie zumindest eine Verzögerung erreichten. Doch kurz darauf veröffentlichte die gescheiterte Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin auf ihrer Facebookseite ein Statement, das behauptete, die Reform würde alte oder behinderte Menschen vor “Death Panels”, also vor Todesausschüsse stellen, die ihnen die notwendige medizinische Unterstützung verweigern würde.
Der wahre Kern in diesem Vorwurf ist eine Klausel, die ÄrztInnen erlaubt, Beratung über lebenserhaltende Maßnahmen mit der staatlichen Versicherung abzurechnen. Die Kampagne der Republikaner wirkte: Demokratische Kongressabgeordnete, die in der Sommerpause in ihre Bezirke zurückgekehrt waren, sahen sich mit Faschismus- und Sozialismusvorwürfen konfrontiert. Die amerikanischen Medien, die sich auch ohne Sommerloch auf alles stürzen was laut ist, verstärkten ihre Berichterstattung und plötzlich schien die öffentliche Meinung zu kippen. Konservative Demokraten, die Angst um ihre Wiederwahl hatten, begannen von wichtigen Teilen der Reform Abstand zu nehmen. 

“Big Government”. Die Republikaner sahen sich in ihrem Kurs bestätigt und sammelten ihre Kräfte hinter der Phrase „Big Government“. Sie ist der Kitt, der die rechten Proteste zusammenhält. Egal ob Konjunkturpaket, Emissionsrichtlinien oder Gesundheitsreform, Obama wird als Gefahr für die amerikanische Freiheit dargestellt.
Auch Fox-News und andere konservative Medien begannen zunehmend damit, in ihren Programmen vor überbordender staatlicher Kontrolle zu warnen. Bilder von einer in Tränen aufgelösten Frau schafften es in die Abendnachrichten: „I want my country back“, plärrte sie. Die Sender zeigten auch Bilder von Südstaatlern, die extra nach Washington gekommen waren, um Schilder mit der Aufschrift „Don´t tax me, bro!“ in die Kameras zu halten. Und auch wenn Obama selbst es abstreiten muss, um keine für ihn gefährliche Debatte zu eröffnen: Auch Rassismus spielt bei den derzeitigen Protesten eine große Rolle. So ist zum Beispiel der Abgeordnete, der den Präsidenten während dessen Rede lautstark der Lüge bezichtigte, einschlägig bekannt: Er stimme im Jahr 2000 dagegen, die Konföderiertenflagge vom Parlament seines Heimatstaates zu entfernen – jene Flagge, unter der die Südstaaten im BürgerInnenkrieg für die Sklaverei kämpften.
Trotz der republikanischen Schmutzkübelkampagne muss Obama aber auch selbstkritisch sein. Rassismus und „Big Government“-Ängste sind zwar ein Erklärungsmuster für das mögliche Scheitern der Gesundheitsreform, aber keine Entschuldigung für die Demokraten.
Mit einem überwältigenden Überhang von siebzig Stimmen im Repräsentantenhaus und einer Sechzig-zu-Vierzig-Mehrheit im Senat haben sie so viele Stimmen wie nie zuvor. Die Republikaner haben mehr als einmal bewiesen, dass sie keinem Gesetz zustimmen werden, das das marode Gesundheitssystem grundlegend verändert, manche Demokraten halten aber noch immer an einem parteiübergreifenden Gesetzesvorschlag fest: Große Koalition auf amerikanisch. 

Sichtbar, greifbar - die neue ÖH

  • 13.07.2012, 18:18

Es ist wieder da – das Progress, das Magazin der ÖH-Bundesvertretung. Zwar in kleinerem Format, dafür aber wieder vollgepackt mit Geschichten, die es sich zu lesen lohnt. Der Relaunch hat einen Grund – die ÖH-Exekutive hat gewechselt und wird über das Progress hinaus viele Änderungen in der ÖH-Arbeit liefern.

Es ist wieder da – das Progress, das Magazin der ÖH-Bundesvertretung. Zwar in kleinerem Format, dafür aber wieder vollgepackt mit Geschichten, die es sich zu lesen lohnt. Der Relaunch hat einen Grund – die ÖH-Exekutive hat gewechselt und wird über das Progress hinaus viele Änderungen in der ÖH-Arbeit liefern.

Politik, die wirkt. Service, das hilft. Service ist eine zentrale Aufgabe der ÖH. Beratung, Unterstützung, Rechtsschutz – all das werden wir euch in Zukunft noch besser bieten. Service allein genügt aber nicht, um die Situation der Studierenden langfristig zu verbessern. Deshalb müssen wir verstärkt versuchen, den Anliegen der Studierenden politisches Gehör zu verschaffen. Wir haben uns für die zwei Jahre Exekutiv-Arbeit in der ÖH-Bundesvertretung das Ziel gesetzt, die ÖH wieder sichtbar und greifbar zu machen. Wir wollen besser über unsere Arbeit informieren, und auch darüber, was auf der ÖH passiert und woran wir gerade arbeiten. Besonders wichtig ist uns, die Möglichkeit auszubauen, dass Ihr euch in Zukunft stärker in unsere Arbeit einbringen könnt – mit Ideen, Wünschen, Problemen und vielem anderen. Deshalb gibt es jetzt auch erstmals einen ÖH-Blog unter http://blog.oeh.ac.at.
Vor der Sommerpause hat die Bundesregierung noch schnell eine Änderung des Universitätsgesetzes durchgedrückt – dessen Folgen eine sehr fragwürdige Studieneingangsphase und Zugangsbeschränkungen beim Masterstudium sind. Beides muss aber noch im Senat der einzelnen Universitäten beschlossen werden – wir werden unser Bestes geben, um das Schlimmste zu verhindern.
Aktuell arbeiten wir gerade daran, dass in das Fachhochschulstudiengesetz endlich vernünftige studienrechtliche Bestimmungen aufgenommen werden – FH Studierende bewegen sich im Moment noch weitestgehend im rechtsfreien Raum, was Prüfungsrecht und Mitbestimmungsmöglichkeiten betrifft. Hier braucht es dringend Verbesserungen.

Selbstverwaltet mitgestalten

  • 13.07.2012, 18:18

Seit 1945 gibt es in Österreich eine Institution, die die Interessen aller Studierenden vertritt – die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH). Heute setzt sie sich für die Rechte der Studierenden und für gute Studienbedingungen für alle ein.

Seit 1945 gibt es in Österreich eine Institution, die die Interessen aller Studierenden vertritt – die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH). Heute setzt sie sich für die Rechte der Studierenden und für gute Studienbedingungen für alle ein.

Starke Vertretung. Fast alle Studierenden (ausgenommen Studierende an privaten Hochschulen) in Österreich sind Mitglied der ÖH. Der Mitgliedsbeitrag wird zu Semesterbeginn eingehoben – er ermöglicht die Unabhängigkeit der ÖH von Regierung, Wirtschaft und politischen Parteien. Die ÖH ist eine Körperschaft Öffentlichen Rechts, was bedeutet, dass die ÖH selbstverwaltend über ihre Agenden entscheidet, welche per Gesetz die Förderung ihrer Mitglieder und die Vertretung der Interessen selbiger sind.
Demokratie ist ein weiterer Grundsatz, dem die ÖH als selbstverwaltete Institution verpflichtet ist – das heißt, dass alle 2 Jahre sämtliche Studierenden ihre VertreterInnen selbst wählen, und das auf verschiedensten Ebenen.

ÖH ist nirgends gleich. So vielfältig wie die Studierenden an den verschiedenen Hochschulen und Studienrichtungen, so unterschiedlich ist auch die Arbeit der lokalen ÖH-Strukturen. Der erste Kontakt mit der ÖH ist für Studierende meist die Studienvertretung – diese kümmert sich zum Beispiel um Beratung im konkreten Studienplan oder arbeitet bei der Erstellung neuer Lehrpläne mit. Je nach Universität können auch Vertretungsebenen eingerichtet werden, die alle Studienrichtungen eines Fachbereichs zusammenfassen (früher „Fakultätsvertretungen“). Es gibt an jeder Universität eine übergreifende Vertretungsebene. Die Universitätsvertretung verhandelt mit Rektorat und Uni-Rat und organisiert je nach Universität auch Beratung und Veranstaltungen für Studierende.
An Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen werden die lokalen Vertretungen von ihren jeweiligen StudiengangssprecherInnen oder –vertretungen, und im Fall der Fachhochschulen auch von JahrgangssprecherInnen konstituiert. Aus ihrer Mitte werden eine Vorsitzende bzw. ein Vorsitzender und StellvertreterInnen gewählt.
Die ÖH Bundesvertretung wird seit 2005 nur noch indirekt gewählt – das Studierendenparlament wird nach Maßgabe der lokalen Wahlergebnisse beschickt. Dieser Wahlmodus wurde 2004 von Elisabeth Gehrer in einer Nacht- und Nebelaktion eingeführt. Er hätte eine regierungskritische ÖH mundtot machen sollen. Kurzfristig gelang dies nicht, doch mit Zeitverzögerung zeigt sich nun, was dieses mittlerweile nicht mehr so neue Wahlrecht heißt: Die Mehrheitsfindung in der ÖH Bundesvertretung wird nahezu unmöglich, die Schlagkraft dieser Institution leidet unter dem undemokratischen System, das die Stimmen der Studierenden je nach Universität unterschiedlich gewichtet.

Service und Politik. Nichts desto trotz wird in der ÖH Bundesvertretung emsig gearbeitet – 10 Referate, die für unterschiedliche Bereiche zuständig sind, teilen sich die Agenden auf. Zum Beispiel unterstützt das Sozialreferat Studierende im Kampf durch den Beihilfendschungel, das Referat für Fachhochschul-Angelegenheiten setzt sich unter anderem für studienrechtliche Mindeststandards an Fachhochschulen ein.
Gemeinsam ist allen Referaten ein Interesse: die österreichische Bildungslandschaft mitzugestalten. Nach dem Motto „Service, das hilft. Politik, die wirkt“ ist die Beratung von Studierenden nur eine Seite der Medaille. Die ÖH bezieht zu Gesetzesentwürfen Stellung, lobbyiert bei verschiedenen gesellschaftlichen PlayerInnen (Ministerien, Gewerkschaften, Hochschul-Vertretungen, etc) für die Interessen von Studierenden und wird auch nicht müde, die wichtigsten Anliegen der Studierenden gebetsmühlenartig zu wiederholen. Studiengebühren oder Zugangsbeschränkungen wären gesellschaftlicher Konsens, würde die ÖH nicht immer wieder dagegen eintreten.

Keine eierlegende Wollmilchsau. Viele Probleme der Studierenden lassen sich leider durch gute Vertretungsarbeit alleine kaum lösen. Einerseits ächzen die Hochschulen durch die Bank unter dem rigiden Sparkurs, der seit Jahren die Studienbedingungen verschlechtert. Andererseits werden die Studien immer verschulter und der finanzielle Druck auf die Studierenden steigt – ehrenamtliche Tätigkeiten und damit die aktive Mitgestaltung in der ÖH wird zum Luxus, den sich die Mehrheit der Studierenden, die ihre lehrveranstaltungsfreie Zeit im Nebenjob verbringt, nicht mehr leisten kann. 
Die Rationalisierung der bildungspolitischen Auseinandersetzung und damit auch der Hochschulstruktur lässt wenig Raum für eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Es liegt an den Studierenden, sich aktiv einzubringen und das Spielfeld wieder zu erweitern.

 

Vierhundert Euro für eine Stimme

  • 13.07.2012, 18:18

Bei den vergangenen ÖH-Wahlen konnte in Österreich erstmals über das Internet gewählt werden. Das „Projekt E-Voting“ war von Anfang an umstritten und heftig diskutiert. Nun sind die Wahlen geschlagen – doch die Gemüter kommen auch nach Abschluss der Wahl und Auszählung der Stimmen nicht zur Ruhe.

Bei den vergangenen ÖH-Wahlen konnte in Österreich erstmals über das Internet gewählt werden. Das „Projekt E-Voting“ war von Anfang an umstritten und heftig diskutiert. Nun sind die Wahlen geschlagen – doch die Gemüter kommen auch nach Abschluss der Wahl und Auszählung der Stimmen nicht zur Ruhe.

Fünfundzwanzig Personen erhoben gegen die Wahl Einspruch. Und „praktisch alle Einsprüche richten sich gegen das E-Voting“ sagt Bernhard Varga, Vorsitzender der Wahlkommission. 

Was wird beanstandet? Laut Hans Zeger von der ARGE Daten ist das gesamte „System E-Voting“ nicht ausgereift, und wird es auch nie sein. Egal, wie technisch gefinkelt das Konzept auch sein möge, die Transparenz, die für das Akzeptieren eines Wahlergebnisses notwendig sei, werde durch das E-Voting komplett aufgehoben. Ähnlich sieht das auch Peter Purgathofer, Professor an der TU Wien und bekennender E-Voting-Kritiker. „Man gibt seine Stimme am Computer ab und muss darauf vertrauen, dass die Prinzipien der geheimen und freien Wahl eingehalten werden. Wir können das nicht selbst überprüfen, wir können es nicht nachvollziehen und wir können es auch nicht verstehen“, sagt er. Er gründete deshalb mit MitstreierInnen die Online-Plattform papierwahl.at, die die Öffentlichkeit über die Gefahren von E-Voting aufklären will.
Doch nicht alle beurteilen den E-Voting-Versuch bei den ÖH-Wahlen so negativ. Für Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) war es ein Erfolg. Trotz hoher Kosten und geringer Beteiligung zeigt er sich nicht unzufrieden, und sagte einer Tageszeitung, dass „einem Demokratie schon etwas wert sein kann“. 900.000 Euro um genau zu sein. 2161 Studierende der rund 230.000 Wahlberechtigten nahmen die Möglichkeit zur elektronischen Stimmabgabe wahr, das bedeutet: jede einzelne dieser Stimmen war dem Minister 403,35 Euro wert. Was sehr viel Geld ist, bedenkt man die übliche Knausrigkeit, wenn es um Geldflüsse in Richtung Universität geht. Der größte Brocken des ausgegebenen Geldes ging noch dazu nicht für technische Maßnahmen drauf, sondern für Werbung. Inserate und kostenlose Kartenleser-Verteilaktionen sollten die Studierenden dazu animieren, ihre Wahl an der elektronischen Urne am Computer durchzuführen. 

Für Hahn zählt das nicht. Ihm ist allein wichtig, dass die Wahl „technisch und juristisch okay über die Bühne ging“. Trotz minimaler Beteiligung und hohen Kosten war sie für ihn ein Erfolg, der den Weg für den Einsatz von E-Voting bei anderen Wahlen ebnen soll. Mehrere ExpertInnen, die von Hahn im Vorfeld der ÖH-Wahl zu Hintergrundgesprächen gebeten wurden, berichten, der Minister plane den Einsatz von E-Voting bei kommenden Nationalratswahlen.    
Ob das E-Voting bei der vergangenen ÖH-Wahl nun ein Erfolg war oder nicht, kommt also darauf an, wo gefragt wird. Eines hat es allerdings auf keinen Fall gebracht – eine höhere Wahlbeteiligung: Die lag so niedrig wie noch nie bei einer ÖH-Wahl. Das mutet merkwürdig an: BefürworterInnen führten das Ziel einer höheren Wahlbeteiligung immer als Hauptgrund für E-Voting an.

Gefordertes Desinteresse

  • 13.07.2012, 18:18

Die Wahlbeteiligung der letzten ÖH-Wahl lässt es vermuten, der mediale Diskurs bekräftigt es: Studierende haben heutzutage keine wirkliches Interesse mehr an politischer Partizipation. Jetzt gibt es auch noch Unterstützung aus der Wissenschaft.

Die Wahlbeteiligung der letzten ÖH-Wahl lässt es vermuten, der mediale Diskurs bekräftigt es: Studierende haben heutzutage keine wirkliches Interesse mehr an politischer Partizipation. Jetzt gibt es auch noch Unterstützung aus der Wissenschaft.

Beate Großegger vermutete es schon lange: Die Studierenden von heute seien weniger politisch als früher. Um ihre Vermutung zu untermauern, startete sie eine Studie, die den Politisierungsgrad junger Menschen herausfinden wollte. In persönlichen Gesprächen mit 16 bis 26 Jährigen kamen ihr Aussagen zu Ohr, die ihre Vermutung stützten.
Laut Studie geht es vorwiegend um das eigene Befinden, dass den Ausschlag für Denken, Fühlen und Handeln jeder einzelnen Person gibt. Politik wird als eine Art Dienstleistung verstanden, PolitikerInnen sind sozusagen Menschen, die ihren „Dienst“ an den Bürgerinnen und Bürgern leisten. Es geht darum, dass politisches Handeln individuellem Nutzen bringt. Solidarisches Handeln sei schön und gut, aber nur, wenn es dafür entsprechende Gegenleistungen gebe. Bezogen auf politische Forderungen gehe es jungen Menschen angeblich viel weniger um den jeweiligen politischen Inhalt als viel mehr um das Auftreten der einzelnen PolitikerInnen.
Heruntergebrochen auf die Studierendenebene zeigt sich ein ähnliches Bild. Alle zwei Jahre haben die aktuell rund 270.000 Studentinnen und Studenten (Stand: WS 2008/09; www.bmwf.gv.at) Österreichweit die Möglichkeit, ihre gesetzliche Studienvertretung, die ÖH, zu wählen.
Bei den letzten Wahlen im Sommersemester 2009 konnten auch die Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen erstmals ihre Stimme für eine gemeinsame Studierendenvertretung abgeben. Dabei haben von den circa 230.000 Wahlberechtigten gerade einmal 25,70% ihr Wahlrecht wahrgenommen. Seit einigen Jahren sinkt die Wahlbeteiligung bei den Studierendenvertretungswahlen konstant und auch die Beteiligung an außerhochschulischem Engagement geht zurück.

Kritische Avantgarde. Vor allem von Studierenden wird seit 1968 oft erwartet, dass sie die Menschen zu kritischem und reflexivem Denken anregen müssten. Sie sollten Gesellschaftliche Zusammenhänge hinterfragen und politische Gegebenheiten verändern – ja, verbessern wollen.
All zu tief sitzt die Erinnerung an die 68er-Bewegung, die westliche Studierendenbewegung schlechthin. Im Vergleich dazu enttäuschen die heutigen StudentInnen, politische Missstände an Hochschulen werden hingenommen, oder zumindest nicht so heftig wie früher bekämpft. Es wird immer schwerer, junge Menschen zur Beteiligung an Protestmärschen und Demonstrationszügen zu begeistern. Das eigene politische Gewicht wird nicht ernst genommen. „Das bringt doch eh nix“, ist oft zu hören, oder: „Das betrifft mich doch eh nicht, sollen sich die anderen dafür einsetzen“.
Altruistisches Handeln wird in den meisten Fällen als irrational und unnachvollziehbar abgetan. Dieses Überlegungen schockieren, vor allem die „alten 68erInnen“, die in Erinnerung an ihre Jugend den Duft der Revolution immer noch riechen können, oder zumindest wollen. Überlegungen, die kein gutes Licht auf die StudentInnen der Generation 2000 werfen.

Entmündigt. Doch bei all der Kritik an den unpolitischen Studierenden darf auch nicht vergessen werden, dass in den vergangenen Jahren sukzessive Möglichkeiten der studentischen Mitbestimmung abgeschafft wurden. Mit der Novelle des Universitätsgesetzes 2002 zum Beispiel wird der Senat, das wichtigste Entscheidungsgremium an der Universität, in dem sich auch StudierendenvertreterInnen (wenn auch nur in sehr geringer Zahl) einbringen können, weiter abgewertet. Auf den Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen zeigt sich ein ähnliches Bild. Solange die Partizipations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Studierenden an ihren Hochschulen und in der Gesellschaft im Allgemeinen weiterhin bewusst klein gehalten werden, ist politisches Interesse und politische Anteilnahme in vielen Bereichen für diese gar nicht möglich.
Wer also wieder politischere Studierende haben will, der müsste wieder entsprechende Möglichkeiten schaffen, in der Rahmen Politik gelebt werden kann.

Sinnlose Konkurrenz

  • 13.07.2012, 18:18

Im Vergleich UniversitätsstudentInnen ist es für die meisten FH-StudentInnen normal, dass Studiengebühren generell eingehoben worden, lediglich vier FHs bilden verlangen keine Studiengebühren.

Im Vergleich UniversitätsstudentInnen ist es für die meisten FH-StudentInnen normal, dass Studiengebühren generell eingehoben worden, lediglich vier FHs bilden verlangen keine Studiengebühren.

Dass Studiengebühren als Druckmittel für angehende Studierende genutzt werden, ist für FH-StudentInnen nicht ganz ungewöhnlich. Wie das geht? Der FH-Sektor hat nicht nur im Fachhochschulstudiengesetz (FHStG) festgelegt, dass ein Studienbeitrag (363,36 Euro) eingehoben werden darf, sondern ist auch durch die vom Fachhochschulrat herausgegeben Richtlinien berechtigt vor der Inskription Ausbildungsverträge abzuschließen. Diese Tatsache bringt die wenigsten zum Grübeln, da dort Rechte und Pflichten beider Vertragspartner geregelt sind.

Kinderschuhe. Der neueste Clou ist jedoch, dass einige FHs darin auch regeln, dass nach einer gewissen Frist die Gebühren bei nicht Antreten des Studiums einbehalten werden dürfen. Dass viele die Fristen so festlegen, dass andere Fachhochschulen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben haben, ob die betreffende Person einen Platz erhält, zeigt nur, dass der Fachhochschulsektor noch weit davon entfernt ist aus seinen Kinderschuhen herauszuwachsen. Jede FH möchte die besten StudentInnen aufnehmen. Sind sie das aber noch, wenn sie vor die Wahl gestellt werden zwei Mal 363,36 Euro zu zahlen, um sich dann wirklich zwischen den Hochschulen entscheiden zu können?
Am Ende des Tages kann keine Seite glücklich sein: Die Hochschule nicht, die nicht die gewünschten Studierenden hat, um die für sie so wichtigen erfolgreichen Absolventen zu bekommen, und die BewerberInnen nicht, die schon zu Beginn des Studiums unter Druck gesetzt werden.

Konkurrenz im eigenen Sektor. Zielführend kann nur die Möglichkeit sein, die BewerberInnen schon in der Bewerbungsphase gut zu informieren und ihnen die Entscheidung für eine bestimmte FH zu überlassen, ohne sie unter Druck zu setzen.
Auf der einen Seite machen sich die Fachhochschulen also innerhalb ihres eignen Sektors Konkurrenz, auf der anderen Seite treten sie, wenn sie doch einer Meinung sind, über ihre Interessensvertretung, der Fachhochschulkonferenz, gemeinsam auf.
Fakt ist, dass sich im Leben jedeR an einem gewissen Punkt entscheiden muss. Auch die Fachhochschulen müssen sich klar sein, ob sie prinzipiell einen partnerschaftlichen Weg gehen oder als KonkurrentInnen agieren wollen.
 

Ausgegrenzt und verspottet

  • 13.07.2012, 18:18

Es gibt SchülerInnen, für die die Schulzeit die Hölle bedeutet. Ihr größter Wunsch wäre es, unsichtbar zu sein, um den täglichen Schikanen ihrer MitschülerInnen zu entkommen. Was sie erleben, beschreibt ein Wort: Mobbing.

Es gibt SchülerInnen, für die die Schulzeit die Hölle bedeutet. Ihr größter Wunsch wäre es, unsichtbar zu sein, um den täglichen Schikanen ihrer MitschülerInnen zu entkommen. Was sie erleben, beschreibt ein Wort: Mobbing.

Sie werden belächelt, ausgegrenzt und verspottet. Für sie ist die Schulzeit die wohl schlimmste Zeit in ihrem Leben.
Den/Die klassischeN AußenseiterIn gibt es nicht. Oft handelt es sich um Kinder, die schwächer oder schüchterner sind als ihre MitschülerInnen oder aus einem Elternhaus kommen, das teure Statussymbole nicht erlaubt. Aber auch begüterte Eltern schützen nicht davor, von den KlassenkollegInnen ausgegrenzt zu werden. Diese Ausgegrenzte durchleben jeden Schultag die Hölle. 

Drangsalierung. Sie werden meist von mehreren MitschülerInnen verbal oder körperlich angegriffen. Gehen diese Tyranneien über einen längeren Zeitraum, wird von Mobbing (von to mob: angreifen, anpöbeln) oder Bullying (engl. für tyrannisieren) gesprochen. Die gemobbten Personen geraten in eine untergeordnete Rolle, aus der sie sich in den seltensten Fällen alleine herauskämpfen können.
Gemobbte Kinder leiden oft unter Kopfweh oder Magenschmerzen, Schlaf- oder Essstörungen, Depressionen und Selbstmordgedanken. Ausgelöst von dem Gefühl, nicht zur Gruppe zu gehören. Infolge dessen ziehen sich die Betroffenen immer mehr in ihre eigene Welt zurück, leben isoliert oder suchen sich virtuelle FreundInnen im Internet. Oft vermindern sich auch die schulischen Leistungen. Entweder aus der Angst heraus, als StreberIn beschimpft zu werden – oder noch schlimmer, weil die Lehrperson als Komplizin der TäterInnen gesehen wird.
Gerade das Internet hat die Situation von Gemobbten noch verschlimmert, da die Beleidigungen dort dokumentiert und archiviert werden können. Mit dem Aufkommen der Social-Network-Seiten wie Facebook oder Studi/SchülerVZ ist auch sogennantes Cyber-Mobbing entstanden, Personen werden auf ihren persönlichen Seiten beleidigt.
Großbritannien erschütterte im September der Fall der 15-jährigen Holly Grogan, die sich von einer Brücke in den Tod stürzte, weil sie die Beleidigungen im Internet und in der Schule nicht mehr aushielt. Viele der Opfer begegnen den Drangsalierungen mit autoaggressivem Verhalten. Grogan ist das dritte junge Mädchen, das sich in den letzten zwei Jahren in Großbritannien aufgrund von Mobbing umbrachte. 

Hilfeschrei. Neben diesem Cyber-Mobbing ist auch „Happy Slapping“ sehr verbreitet. Dabei wird eine Person von mehreren TäterInnen ohne Vorwarnung körperlich angegriffen und dabei gefilmt. Solche Videos kursieren im Internet zuhauf.
Es lässt sich auch ein Zusammenhang zwischen Mobbing und Amokläufen feststellen. Bei vielen Schulamokläufen ähnelt sich die Biografie der -zumeist- Täter: Es handelte sich um Außenseiter, die gehänselt wurden, kaum FreundInnen hatten, denen die Schuld für ihr Einzelgängertum selbst zugeschrieben wurde und die frühzeitig von der Schule abgegangen sind. Irgendwann ändert sich das Gefühl des Nicht-dazu-Gehörens in eines des Nicht-mehr-dazu-gehören-Wollens. Ein Amoklauf ist oft der erste (und meist auch letzte) Akt des Aufbegehrens gegen TäterInnen.
Was kann ein „Opfer“ tun, um sich aus seiner Rolle zu befreien? In der Regel nur sehr wenig. Wehren sich die Opfer nicht, werden sie als „Weichei“ abgestempelt, wehren sie sich, gelten sie als die Verschrobenen, die keinen Spaß verstehen. Oft hilft am Ende nur ein Schulwechsel, durch den das Opfer schon wieder verliert und die TäterInnen indirekt belohnt werden.
Ein besonders guter Nährboden für Mobbing sind hierarchisch klar reglementierte Strukturen wie die Schule und die Armee. In diesen Strukturen fällt es besonders schwer zu fliehen.

Es gibt keinen klassischen TäterInnentyp. Vielmehr ist es so, dass immer eine ganze Gruppe den Psychoterror zulassen muss. Es gibt die These des schwedischen Psychologen Dan Olweus, dass vor allem besonders selbstbewusst auftretende SchülerInnen gerne das Mobbing anstiften, während die etwas unsicheren, schüchternen zu MitläuferInnen werden.
Es geht den TäterInnen dabei um die Ausübung von Macht. Einer Macht, die sie nicht mehr abgeben wollen. MobberInnen haben laut Olweus generell eine positivere Einstellung zu Gewalt als der/die DurchschnittsschülerIn. Ein klärendes Gespräch zwischen Opfer, TäterInnen, den Eltern und LehrerInnen führt meistens sogar zu einer Verschlimmerung der Lage des Opfers. Der/Die TäterIn fühlt sich in seiner Machtposition angegriffen und will nach solchen Gesprächen die Hierarchie wieder herstellen.
Die LehrerInnen wissen oft nicht, wie sie mit mobbenden SchülerInnen umgehen sollen. Nicht selten werden solche Übergriffe gar nicht wahrgenommen, und was nach der Schule oder im Internet passiert, geht an den LehrerInnenn meist völlig vorbei. Das Problem des Mobbings ist ihnen zwar bekannt, wird aber selten erkannt, und wenn doch, zu einem Zeitpunkt, zu dem es vielleicht schon zu spät ist, um noch etwas an der Situation zu ändern. 

Rollenspiele. Als positiv haben sich Rollenspiele herausgestellt, bei denen Freiwillige aus einer Klasse die Rolle der AußenseiterInnen übernehmen und aus dem Raum geschickt werden. In ihrer Abwesenheit werden die anderen Kinder gebrieft, nun besonders unfreundlich und ausgrenzend zu ihnen zu sein. Diese Rollenspiele brauchen nur wenige Minuten, um die Kinder zum Weinen zu bringen. Ziel dieser Übung ist die Entwicklung von Empathie; das Mitgefühl und Einfühlungsvermögen gegenüber anderen soll erlernt werden – also etwas, dessen Grundstein ganz früh in der Kindesentwicklung gelegt wird. Fehlt dieses Mitgefühl, ist es beinahe unmöglich, dass Kinder dies noch von ihren LehrerInnen innerhalb der Strukturen des regulären Unterrichts erlernen. 
 

David Schalko: Weiße Nacht

  • 13.07.2012, 18:18

Es war nach der Folge von „Willkommen Österreich“, in der Stermann und Grissemann sich über den verstorbenen Jörg Haider und seinen schluchzenden Pressesprecher Stefan Petzner lustig gemacht haben.

Es war nach der Folge von „Willkommen Österreich“, in der Stermann und Grissemann sich über den verstorbenen Jörg Haider und seinen schluchzenden Pressesprecher Stefan Petzner lustig gemacht haben. Da kam David Schalko die Idee zu dem blumig-schwülstigen Roman über zwei ungleiche Lebensmenschen. Stefan Petzner alias Thomas und der Messias-gleiche Jörg Haider einfach als „er“. Wenn David Schalko für Stefan Petzner denkt, dann hört sich das so an:
„Wir lachten wie kleine Kinder, die der Welt einen gemeinsamen Streich gespielt hatten. Plötzlich hielt er inne, schüttelte den Kopf und kam langsam näher. Wie ein Fuchs, der hinter seinem Bau hervorlugte. Er näherte sich meinem Ohr, hielt die Nase nur einen Hauch entfernt. Ich konnte seinen warmen Atem spüren. Wie ein sanfter Wellengang am See. Lebkuchen.“
Absatz.
„Und er flüsterte: ‚Eternity, Thomas.’“

Eternity. Wie eine Ewigkeit fühlt es sich auch an, die 134 Seiten von „Weiße Nacht“ durchzuackern. 134 Seiten geballter Trash, schleppende Schilderungen einer mystisch-faschistoiden Märchenwelt. Pseudo-dramatische Handlungsstränge führen durch ein pseudo-absurdes Kärnten, gequälte No-na-Wortwitze führen einen Absatz zum nächsten. Mit jeder Seite, die umgeblättert wird, wird das Seufzen der LeserInnen tiefer und gequälter. Kurzum: „Weiße Nacht“ ist grottenschlecht.
Doch der Autor wäre nicht David Schalko, wenn das nicht seine Intention gewesen wäre. Dass er dabei leider nicht wahnsinnig witzig ist, mag eine andere Geschichte sein. Jedenfalls lehnt er sich mit dem „Experiment“, wie es der Falter nennt, ziemlich weit hinaus. Nicht unbedingt deswegen, weil er die Liaison Petzner-Haider ins Lächerliche zieht (wie originell ist das heute noch?), sondern weil er den LeserInnen damit sehr viel zumutet. „Mein Buch lehnt sich an die Heimatromantik der 1930er-Jahre an. Ich habe die faschistoiden, verkitschten, esoterischen Bilder übernommen.“ Blaue Bergseen, grüne Wiesen, zwitschernde Vöglein, dazwischen die „Landesmutter“, mit der sie auf die Jagd gehen, das Projekt eines „Endless Summers“ für ganz Kärnten. Doch nur wenige Menschen haben den Heimatroman der 1930er Jahre vermisst. Er zieht sich wie ein Strudelteig. Daran ändert auch die brisante homoerotische Beziehung von Jörg Haider und Stefan Petzner nichts.
Beeindruckend ist alleine das Durchhaltevermögen, mit dem Schalko alle Klassen der Schundliteratur in dem Roman vereint: Heimatroman, Groschenroman, esoterische Ratgeber, bis hin zu Karl Mays Winnetou-Büchern. Der Mix aus Spaßkultur, Esoterik, Katholizismus und Deutschtümelei zeichnet ein originelles Bild der modernen „Rechten“ und trifft mitten ins sonnige Herz von Haiders Kärnten. Nicht so, wie es realpolitisch war, aber so, wie es phantastischer Weise sein könnte.
Leider geht die spannende Idee in den nicht enden wollenden Schilderungen jenes phantastischen Kärntens unter. Das Buch macht einfach keinen Spaß. Ursprünglich hat Schalko „Weiße Nacht“ als Kurzgeschichte geschrieben. Dabei hätte er es belassen sollen.

David Schalko, Weiße Nacht Czernin 2009, 134 S., 16,90€

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