In welchem Universum lebt eigentlich Frau Knackal?

  • 13.07.2012, 18:18

„So falsch, dass nicht einmal das Gegenteil wahr ist.“

„So falsch, dass nicht einmal das Gegenteil wahr ist.“ So kanzelte eine Figur in Friedrich Torbergs Tante Jolesch einst einen Gegenspieler ab. In diese Richtung driftet auch das österreichische Fernsehen in seinem verzweifelten Versuch, die Alltagsrealität des Landes abzubilden. Am Schauplatz scheitert an dieser Aufgabe eigentlich am absurdesten, wie unlängst der Skandal um zwei Skinheads, den FPÖ-Chef und eine um sechzig Jahre veraltete Grußform zeigte. AusländerInnen, Spielsüchtige und  lkoholikerInnen sind in der Mediengalaxie des ORF am äußeren Rand der Milchstraße angeordnet, in einer Art Hundstage-Dystopia. Währenddessen verharrt das innere „Wir“ immer noch in einem flurbereinigten „Mittel- Österreich“, in dem soziale Probleme vor der eigenen Haustür enden.
Während die USA, angeblich das Land der „dummen, weißen Männer“ (wie es in Michael Moores Bestseller heißt), sich mit Serien wie The Wire selbst einer Psychotherapie unterzieht (sihe S. 26), fehlt der  inwohnerInnenschaft der Alpenrepublik immer noch ein modernes mediales Selbstbild. Im Kontinuum vom echten Wiener „Mundl“ bis zum Kaisermühlenblues wird endlos der Mythos einer Wohlstandsgemeinschaft wiederholt, in der – im Sinne der sinnesfrohen MA 2412 – nicht einmal richtig gehackelt werden muss. Ganz einfach eine Insel der Seeligen. Was wie Ein echter Wiener geht nicht unter einst stilistische Anleihen am sozialistischen Realismus nahm, ist längst zu einer Art grau-beigen Folklore verramscht worden.
Anleihen kann der ORF beim privaten Konkurrenten ATV suchen. Tausche Familie oder Teenager werden Mütter mögen degoutant sein, dumm oder überhaupt abgekupfert. Aber es stellt seine Narren nicht in ein separates Narrenkastl namens „Neonazi-Szene“, oder irgendeine andere scheinbare Halbwelt, sondern setzt sie intensiv mit dem herkömmlichen „Mittel- Österreich“ in Beziehung. Damit erreicht es eine beinahe phantastische Gesellschaftsutopie: Die Integration der verschiedenen Sorten von Öster- Menschen.

AutorInnen: Alexander Fanta