Was ist was: Freie Medien

  • 23.02.2017, 20:17
Wer etwas mit Medien machen möchte, muss nicht unbedingt einen dazugehörigen Job oder reiche Eltern haben.

Wer etwas mit Medien machen möchte, muss nicht unbedingt einen dazugehörigen Job oder reiche Eltern haben.

Wer abseits der durchprofessionalisierten Mainstreammedienwelt in die Welt senden will, tut dies meist mittels freier Medien. Freie Medien definieren sich darüber, dass sie unabhängig und nicht-kommerziell sind. Unabhängigkeit bedeutet in diesem Fall, dass ein freies Medium weder eine klassische Interessenvertretung noch einen Dachverband oder eine Gewerkschaft hat. Außerdem ist ein Grundprinzip von freien Medien, dass sie nichtkommerziell, das heißt ohne Werbung sind – was aber nicht bedeuten muss, dass sie gratis sein müssen. Durch die schwierige Kategorisierung von freien Medien ist es nicht leicht, hier alle zu erwähnen und zu erklären. Im Grunde ist in Zeiten der Social Media aber jede*r ein potentielles Medium.

Wir wollen hier versuchen, euch einen kleinen Überblick darüber zu geben, was sich in der freien Medienszene so alles tut und wo ihr euch einklinken könnt. Meistens sind freie Medien ohne viel Vorahnung und Geld nutzbar. Man kann es eher klassisch angehen und sich an freie Kanäle wenden oder zuhause allein – mit Hilfe des Internets – versuchen, die Massen zu erreichen. Eine sehr wichtige Entscheidung, die man treffen muss, ist der mediale Kanal, den man bedienen möchte. Ob man audiovisuelle Medien bevorzugt oder doch lieber nur schreibend ein Medium bedienen oder konsumieren möchte, ist Typsache.

VIDEO KILLED THE RADIO STAR: Audio- und Videomedien Beginnen wir beim derzeit aufstrebendsten Medium: dem Bewegtbild. In Wien gibt es hier den freien Fernsehsender Okto TV (siehe Interview Seite 30). Dieser wird auf die privaten Fernsehgeräte in Österreich (und teilweise auch über Kooperationen mit anderen freien Fernsehsendern in Berlin, Hamburg, …) übertragen und hat somit eine recht große Reichweite. Es ist gleichzeitig aber auch vergleichsweise aufwendig, dort eigenhändig einen Beitrag zu gestalten, dazu braucht man immerhin eine gute Kamera und Mikrophone. Einfacher geht es, wenn man sich an Youtube oder andere Streamingkanäle wendet. Hier reicht meist eine Webcam aus, um loszulegen. Dass weiteres Equipment nicht schadet, versteht sich von selbst. Alle erfolgreichen Youtuber*innen haben aber klein angefangen, viele werden mit wachsendem Erfolg selbst zum kommerziellen Medium. Man kann sich von Woche zu Woche mehr Wissen aneignen und mehr Geld und Zeit investieren. Das gilt im Übrigen auch für alle anderen Medienformen. Die beliebtesten Themen sind in Österreich derzeit Beauty, Comedy und Essen. Mit dieser Auswahl kann man sich sicher sein, schnell einige Zuschauer*innen anzusprechen. Wer sich aber in Nischenthemen gut auskennt, kann auch durch sein Insiderwissen punkten. Am wichtigsten sind bei allen audiovisuellen Medien ein sympathisches Auftreten und gute Ideen. Zum Üben bietet sich Snapchat an. Hier kann man sehr leicht mit dem Smartphone kleine Beiträge drehen. Schnell wird einem dabei klar, dass theoretisches Wissen über Belichtung, Ton, Beitragslänge, Perspektive und so weiter die Qualität der Clips steigern kann.

Ein weiteres riesiges Mediengebiet ist das Radio. In Österreich gibt es circa ein Dutzend freier Radiosender im ganzen Land verteilt. Diese senden regional begrenzt ihr Programm analog, sind im Stream aber überall zu hören, wo es Internet gibt. Im Gegensatz zu den meisten anderen freien Medien gibt es in diesem Bereich den „Verband freier Radios Österreich“, der als Interessenverband aller nichtkommerzieller Radiosender des Landes dient. Bei freien Radiosendern bekommt man die Chance, an den vorhandenen Gerätschaften zu experimentieren und zum Beispiel in Tageskursen die ersten Schritte auf dem Gebiet des Radiomachens zu gehen. Die Sendezeit ist zwar begrenzt, doch kann man eine Idee – fertig produziert oder nicht – jederzeit einreichen und schauen, was passiert. Es gibt sowohl die Möglichkeit, eine Pilotfolge für eine reguläre Sendung einzureichen und womöglich einen eigenen Sendeplatz zu bekommen, als auch eine einmalige „one shot“- Sendung auf einem Gast-Sendeplatz in den Äther zu entlassen.

Wer ein bisschen kleiner anfangen will, kann einen Audio-Podcast aufnehmen und online stellen. Ein Podcast kann vom fiktiven Hörspiel über journalistische Berichterstattung alles sein. Man kann einfach drauflosreden oder Gäste einladen, seine Beiträge vorher aufschreiben oder mit einem Mikrophon umhergehen und Straßengeräusche aufnehmen – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wenn das nötige Material aufgenommen wurde, macht man sich ans Schneiden. Ob man dann Soundeffekte oder Jingles dazugibt, ist Geschmackssache.

THE WRITING’S ON THE WALL: Printmedien und Blogs Kommen wir zum wohl verbreitetsten Medium aller Zeiten: dem geschriebenen Wort. Die einfachste Form, selbst etwas Gedrucktes zu verbreiten, ist, ein Zine zu veröffentlichen. Der Begriff Zine bezeichnet alle nicht kommerziellen Magazine, die in irgendeiner Form selbstgemacht sind. Es gibt aber auch Unterkategorien wie Sand am Meer: Egozines (von einer Person gemacht), Fanzines (Zines von Fans für Fans), Zines mit sehr enger oder sehr weiter thematischer Einschränkung (zum Beispiel Politik), Comiczines, Artzines et cetera. Mit einer Kleinstauflage kann man Zines handschriftlich produzieren, sonst stehen Kopierer und Druckereien zur Auswahl. Es gibt auch E-Zines, die gar nicht gedruckt werden. Und manche Art- und Comiczines kommen überhaupt ohne Worte aus.

Viele Schulen haben ihre eigene Schüler*innenzeitung. Der Unterschied zum Zine besteht in der festen Verankerung im schulischen System, der (mehr oder weniger spürbaren) Kontrolle des Geschriebenen und der Finanzierung des Drucks. Meistens gibt es dort organisatorische oder personelle Strukturen, die nicht leicht aufzubrechen sind. Außerdem muss man sich mit anderen Leuten in einer Redaktion oder einem anderen Verband absprechen und zusammenarbeiten. All das fällt bei einem Zine meistens weg.

Falls man komplett auf die Druckform verzichten kann, sollte man ein Blog erwägen. Auch hier steht das geschriebene Wort im Mittelpunkt, gleichzeitig kann man, was das Layout angeht, ganz dem eigenen Geschmack folgen: Wer es schlicht und einfach mag, hat das Layout mit einigen wenigen Klicks erledigt, alle, die sich kreativ austoben wollen, können gefinkelte Wordpress- Themes einrichten. Wie viel Zeit und Energie man in das Layout einfließen lässt, ist ebenso wie bei einem Zine offen. Für Zines gibt es auch die Möglichkeit, mit Schere und Kleber herumzubasteln. Ebenso kann man mit Paint oder Photoshop eigene Akzente in das Blog einbauen.

Apropos Blogs: Spätestens durch das Internet verschwimmt die Grenze zwischen privat und öffentlich, und somit auch von Person und Medium immer mehr. Ohne groß herumzureden lässt sich feststellen: Jede*r ist ein Medium. Wenn man einen Status auf Facebook angibt und die Privatsphäreneinstellung auf „öffentlich“ stellt, kann dies jeder andere Mensch mit dem dazugehörigen Link potentiell lesen. Das gleiche gilt für Instagram, Twitter, Snapchat und so weiter. Autorin Stefanie Sargnagel zum Beispiel begann Statusmeldungen zu schreiben, die so gut ankamen, dass sie später mehrere (gedruckte) Bücher veröffentlichte und heute Publikumspreisträgerin der „Tage der deutschen Literatur“ ist. Die Reichweite von Facebook sollte nicht unterschätzt werden. Entweder man sammelt nur Erfahrung im Verfassen von pointierten Kurzbeiträgen oder recherchiert interessante Geschichten aus der unmittelbaren Umgebung. Man kann überall und jederzeit damit beginnen, etwas medial aufzubereiten.

Am Beispiel von Stefanie Sargnagel lässt sich erahnen, dass die Interaktion mit anderen Personen die Qualität einer privat gedachten Mitteilung erst zum Vorschein bringt: Das Feedback vom Publikum ist wertvoll, daher lohnt es sich, auch Nicht-Perfektes zu veröffentlichen und auf die Reaktionen zu warten. Waren Medien bis vor wenigen Jahrzehnten noch zum größten Teil streng regulierte Institutionen mit zahlreichen Schwellen und Einstiegshürden, fällt der Zugang heute leichter. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sich auf dem kommerziellen Sektor ebenfalls sehr viel getan hat. Wenn man das Karriereziel hat, bei einer Tageszeitung oder einem Fernsehsender zu arbeiten, sollte man sehr viel Erfahrung mitbringen, die durch Praktika oder Aushilfsjobs bewiesen werden kann. Meistens werden die etablierten, kommerziellen Medien nicht sehr beeindruckt reagieren, wenn man seine eigenen Zines vorzeigt, schließlich kann mittlerweile jede*r so etwas produzieren, so die Logik der Unternehmen.

Hier sei ein kurzer ökonomischer Hinweis darauf gegeben, dass „nicht kommerziell“ nicht zwangsweise heißen muss, dass die Herstellung freier Medien automatisch gratis ist. Es gibt viele Medien, die sich allein von Spenden finanzieren. Andere werden zum Selbstkostenpreis angeboten. Das bedeutet, dass der Preis sich danach richtet, wie kostenintensiv die Herstellung des Mediums war, und dann zum Beispiel im Falle eines Zines auf ein Stück heruntergerechnet wird. Auch freie Radios oder TV-Kanäle heben oft einen Mitgliedsbeitrag ein, mit dem die teure Sendetechnik und der organisatorische Aufwand zum Teil finanziert werden können.

VOM FLUGBLATT BIS ZUR KLOWAND: Kleinstmedien und Street Art Eine Auflistung freier Medien wäre nicht komplett ohne eine lose Aufzählung von Medienarten, die meistens gar nicht als solche erkannt werden. Sticker zum Beispiel finden sich in allen urbanen und auch den meisten dörflichen Gegenden als Street Art an Verkehrsschildern, Hauswänden, Briefkästen und so weiter. Nicht selten handelt es sich um politische Botschaften oder gar Parteiwerbung. Ein geschichtlich verwandtes Medium ist das Flugblatt: ein kurzes Pamphlet mit klarer Aussage und politischer Sprengkraft, nicht länger als eine oder höchstens zwei Seiten. Und da wir gerade bei Street Art sind: Auch Graffiti sind Medien, außerdem natürlich auch Flyer, Plakate und alle beschmierten Klowände der Welt. Selbst ein Spruch- T-Shirt ist ein eigenes Medium. Dass die Kronen Zeitung eine höhere Reichweite hat als ein einzelnes Leiberl ist klar. Trotzdem kann man sich den ausgelutschten Spruch mal wieder zu Gemüte führen, der gefühlt die ganzen 90er Jahre dominierte: The Medium is the Message.

Katja Krüger-Schöller studiert Gender Studies an der Universität Wien.

AutorInnen: Katja Krüger