Stecken geblieben

  • 25.02.2013, 17:32

Plötzlich macht es einen Ruck und man steckt fest. Ein Albtraum für viele. Alltag für LiftbefreierInnen.

Plötzlich macht es einen Ruck und man steckt fest. Ein Albtraum für viele. Alltag für LiftbefreierInnen.

Der Aufzug muss genau in Parkposition stehen. Tut er das nicht, genügen oft schon ein paar Zentimeter, damit er stecken bleibt. „Das ist eigentlich die häufigste Ursache“, sagt Leopold Miklos. Er ist seit knapp 21 Jahren Hausbesorger der Stadt Wien, betreut mehrere Stiegen eines Wohnhauses im 22. Wiener Gemeindebezirk und wird von den meisten „Herr Miklos“ genannt. Bei zwei bis fünf Notbefreiungen im Jahr hat er im Zuge seiner 21jährigen Laufbahn rund 200 Menschen aus dem Lift befreit. „Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, ist das schon einiges“, lacht Herr Miklos. „Ich hab 124 Wohnungen. Da hab ich jeden schon mal rausgeholt – theoretisch.“

Notruf. Das Wiener Aufzugsgesetz von 2007 stellt sicher, dass man eine halbe Stunde nach dem Notruf aus dem Lift befreit werden muss. Dazu sind neben den HausbesorgerInnen nun auch die Aufzugunternehmen selbst verpflichtet. Eines dieser Unternehmen ist die Firma Otis. „Wien hat eines der strengsten Aufzugsgesetze Europas“, erklärt Mario Zistler, Abteilungsleiter im Service Support und Chef der OtisLine. Hier geht im Durchschnitt zwei bis drei  Mal am Tag ein Notruf für eine der 23.000 von Otis betreuten Liftanlagen in ganz Österreich ein. Seit 2007 wurde in allen Aufzügen eine Sprechanlage eingebaut. Wer in die unangenehme Situation gerät, im Aufzug gefangen zu sein, kann so problemlos mit der Zentrale kommunizieren. Man ist also nicht ganz allein im Lift. „Manche reagieren in dieser Situation erst mal etwas panisch“, sagt Mario Zistler: „Aber in der Regel können wir sie schnell wieder beruhigen.“

In der OtisLine sieht man außerdem die genaue Position des Lifts, ob die Lifttüren offen oder geschlossen sind und die Adresse des Gebäudes. So kann oft schon reagiert werden, bevor noch irgendjemandem im Haus aufgefallen ist, dass der Lift steht. Das Schlimmste, das passieren kann, ist, dass eine eingesperrte Person im Aufzug klaustrophobisch wird. „Dann kann es passieren, dass sich die Person versucht selbst zu befreien und sich dabei verletzt. Oder dass sie eine Panikattacke bekommt“, sagt Zistler: „Deswegen rufen wir in solchen Fällen auch gleich Rettung und Feuerwehr dazu. So etwas kommt aber ganz selten vor.“

Sprechanlage. Die Verbindung zur Sprechanlage wird alle drei Tage von der OtisLine kontrolliert. Dadurch kann ein Ausfall fast ganz ausgeschlossen werden. „Es kann nur vorkommen, dass der Hausbesitzer die Telefonrechnung nicht bezahlt hat. Auch die Sprechanlage in den Aufzügen läuft über einen Telekom- Anschluss“, sagt Mario Zistler. Stellt die OtisLine fest, dass die Leitung tot ist, verständigt sie sofort den oder die HausbesitzerIn. Funktioniert eine Sprechanlage nicht, wird der Aufzug von der Wiener Baupolizei gesperrt. Kann ein Aufzug denn auch abstürzen, wie man es in den Filmen sieht? „Ein Aufzug kann nicht abstürzen“, versichert Mario Zistler. Schon 1853 entwickelte Elisha  Graves Otis eine Sicherheitsbremse, die mittels einer Fangvorrichtung den Absturz der Kabine verhindert. „Da bräuchte man schon mehrere Sprengladungen“, sagt Mario Zistler: „Es ist einfacher, das Gebäude umzureißen, als den  Lift zum abstürzen zu bringen.“

Eine weitere Neuerung des Aufzuggesetzes 2007 war der Einbau von automatischen Schiebetüren. Dadurch sind vor allem die schweren Unfälle mit Aufzügen stark zurückgegangen.  „Vielen Leuten ist der Schlüssel in den Spalt  wischen Aufzug und Tür runtergefallen“, erinnert sich Herr Miklos. „Die haben nachgegriffen und sind dann mit der Hand in den Aufzug gekommen. Da sind schwere Unfälle passiert, Wien-weit.“ Besonders ärgern Herrn Miklos die „Einkaufswagerlpartien“. „Die Mieter wollen unbedingt ihre Einkaufswagerl mit in den Aufzug nehmen. Das ist sowas von gefährlich!“ Er erzählt von einem Vorfall vor Einbau der Schiebetüren. Eine ältere Frau nahm den Einkaufswagen  mit in den Aufzug und ein Rad verfing sich in dem Spalt zwischen Türe und Fahrkorb. „Das Wagerl hat sich drinnen verdreht und die Frau hat sich schwer verletzt. Sie hat sich die Rippen gebrochen. Bei kleineren Aufzügen hat man ja  keinen Platz, wenn man mit dem Wagerl drinnen steht und fährt.“

Glöckerlpartie. Neben den manchmal unbelehrbaren MieterInnen machen Herrn Miklos auch die Kinder zu schaffen. Der Aufzug übt auf sie nach wie vor eine große Anziehungskraft aus. „Sie brauchen nur einen Kaugummi beim Kontakt reinpicken, und der Aufzug steht. Da sucht man dann erst mal eineinhalb Stunden nach dem Fehler. Aber wenn man das 21 Jahre lang macht, kennt man schon alle Schmähs der Kinder“, lacht Herr Miklos. „Sie fahren auch gern hin und her spazieren, drücken überall – eine Glöckerlpartie. Das gehört auch ab und zu gemacht, das ist eh klar“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Selbst ist Herr Miklos noch nie im Lift stecken geblieben. „Weder in meinen eigenen, noch  irgendwo anders.“

AutorInnen: Verena Ehrnberger