Sia – „This is acting“

  • 21.06.2016, 19:10

Marie Luise: Die Hit-Produzentin und Sängerin Sia komponiert nicht nur für sich selbst, sondern auch für viele andere große Stars. Aus ihrer Feder stammen unter anderem „Pretty Hurts“, das Beyoncé, und „Diamonds“, das Rihanna singt. Sia wurde in letzter Zeit aber auch an vielen Türen abgewiesen. Songs, die eigentlich für andere geschrieben worden sind, holt Sia jetzt aus dem Papierkorb und macht daraus ein Album. Sie selbst sagt, dass die Platte „This is acting“ heißt, weil sie für die Songs in andere Rollen schlüpft. Für sich hätte sie solche Songs nie geschrieben, sagt sie. Zur schon erschienenen Single „Alive“, die auf diesem Album vertreten sein wird, gibt es ein Video, in dem das kleine Mädchen mit Pagenkopfperücke, wie wir es schon aus anderen Videos kennen, zu sehen ist und in einer leeren Lagerhalle Karate macht. Für diesen Song hat Sia mit FKA Twigs zusammengearbeitet. So heterogen wie die Sänger*innen, für die Sia geschrieben hat, ist auch das neue Album. Entstanden ist eine wilde Mischung, in der ab und zu „das ist für Rihanna“ oder „das ist für Beyoncé“ herauszuhören ist. Sia selbst sagt gegenüber dem Rolling Stone, frühere Erfolge wie „Titanum“ und „Wild ones“ fände sie „incredibly, incredibly cheesy“. Persönlich kann ich auch mit dem glattpolierten Hochglanzpop von Sia nicht so viel anfangen. Umso länger ich Sia allerdings zuhöre, um so mehr freunde ich mich mit dem Schauspielen an. Ist da nicht irgendwo ein Augenzwinkern zwischen uns, jetzt wo wir beide wissen, dass wir nur so tun als ob?

Katja: Sia ist die derzeit interessanteste Künstlerin auf dem Markt des Mainstreampops. Ihre Performances und Videos mit Maddie Ziegler – der 14-jähigen Tänzerin – sind jetzt schon legendär. Sia ist keine 08/15-Singer- Songwriterin, die an der Gitarre oder am Klavier sitzt und uns von ihrem Leben erzählt. Alles an ihr schreit POP – oder schreit der Pop aus ihr? Das Markenzeichen ihrer Songs ist eine bombastische Fragilität. Thematisch wendet sie sich gerne mental healthissues zu und hat mit „Elastic Heart“ eine beeindruckende Depressionshymne geschaffen.

Ein Popstar möchte sie aber nicht sein, deshalb schreibt sie auch lieber Songs für andere stimmgewaltige Sänger*innen. Dass manches Material abgelehnt wird, kann passieren, dafür gibt es B-Seiten-Alben wie dieses hier. Wer jetzt aber glaubt, dass hier mindere Qualität geboten wird, irrt. Ein Jahrtausendsong wie „Chandelier“ ist auf dem Album nicht zu finden, zugegeben. Jeder halbfertige Song von Sia ist jedoch besser als 90 Prozent aller Sounds, die sonst auf CD gepresst werden.

Marie Luise Lehner studiert Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien.
Katja Krüger-Schöller studiert Gender Studies an der Uni Wien.

AutorInnen: Marie-Luise Lehner, Katja Krüger