Neonazistische Umtriebe in Salzburg

  • 28.11.2013, 12:32

In den letzten Monaten kam es in Salzburg zu gewalttätigen Übergriffen und Sachbeschädigungen gegen antifaschistische Mahnmale und linke Lokale. Am 9. November, den Jahrestag des Novemberpogroms, beschädigten Neonazis die städtische Synagoge. Lina Čenić berichtet für progress online über Salzburgs rechte Szene.

In den letzten Monaten kam es in Salzburg zu gewalttätigen Übergriffen und Sachbeschädigungen gegen antifaschistische Mahnmale und linke Lokale. In der Nacht auf den 9. November, den Jahrestag des Novemberpogroms, beschädigten Neonazis die städtische Synagoge. Lina Čenić berichtet für progress online über Salzburgs rechte Szene.

In der Stadt Salzburg fallen bereits seit dem späten Sommer Naziparolen an Wänden, Schulen und linken Lokalen auf. Doch bereits zuvor existierte in der Stadt eine aktive rechte Szene, in der von manchen konsequent der Anschluss Südtirols an Österreich propagiert wird. Die Rechten schrecken dabei auch vor Gewalt nicht zurück und haben die beiden autonomen Läden – Sub und Infoladen -  der Stadt mehrmals angegriffen. Zudem kam es zu gewalttätigen Attacken gegen Bettelnde und Roma sowie zu rassistischen Übergriffen. Bei einem wurde eine Frau pakistanischer Herkunft in einem Bus niedergeschlagen. Sie erlitt dabei einen doppelten Kieferbruch. 2012 wurde das Lokal „Odins Bar“ geschlossen, weil eine Hakenkreuzfahne an der Bar hing, die von den Ermittelnden zwar nicht mehr gefunden wurde, stattdessen fanden sie aber rund 200 verbotene Lieder. Da Salzburg auch eine Universitätsstadt ist, sind auch die deutschnationalen Burschenschaften, wie zum Beispiel Germania und Gothia, präsent.

Anfang November diesen Jahres wurden die Türschlösser von zahlreichen zivilgesellschaftlichen und politischen Organisationen sowie von der einzigen in Salzburg noch existierenden Synagoge verklebt. Gerade in der Nacht von 8. auf 9. November, den 75. Jahrestag zur Erinnerung an das Novemberpogrom der Nazis, kam es zum wiederholten Mal zu Beschädigungen an der Synagoge. Auch zahlreiche Stolpersteine, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, wurden geschändet. Während der ersten Schändungswelle, die bis zum 24. Oktober 2013 andauerte, wurden vorerst nur jene Stolpersteine beschmiert, die an jüdische Opfer der NS-Vernichtungspolitik erinnern. Viele der Schmierereien waren explizit antisemitisch und nationalsozialistisch codiert. Erst bei einer zweiten Schändungswelle waren auch Stolpersteine anderer Opfergruppen betroffen. Am vergangenen Wochenende kam es erneut zu mehreren Stolpersteinbeschmierungen.

 

Eine einzige Anzeige bei fünf Verdächtigen

Nach den Schändungen erstattete das Personenkomitee Stolpersteine eine Anzeige wegen Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinne. Auch der Verfassungsschutz wurde eingeschaltet. Für die Schmieraktionen von 31 Stolpersteinen und mehreren NS-verherrlichenden Beschmierungen an anderen Objekten gibt es nun einen geständigen zwanzigjährigen Tatverdächtigen, der bereits - unter anderem auch einschlägig - vorverurteilt ist. Doch nach einem Bericht des ORF Salzburg vom 25. Oktober 2013 waren mindestens noch vier weitere Personen an den Taten beteiligt und haben Schmiere gestanden. Hier hat sich möglicherweise eine rechtsradikale Gruppe zusammengefunden, um gemeinsam strafrechtlich relevante Hassdelikte zu begehen. Momentan ist der Verdächtige noch in Untersuchungshaft, die nächste Haftprüfungsverhandlung wird Anfang Dezember stattfinden.

Foto: Lina Cenic

Stolpersteine erneut beschädigt

Fest steht jedenfalls, dass der Verdächtige seit seiner Inhaftierung Ende Oktober nicht mehr für die neuen Schmierereien und Beschädigungen verantwortlich sein kann und dass es mehrere Täter_innen  geben muss. Dem Verdächtigen wird die öffentliche Betätigung für die Ziele der NSDAP sowie die Verherrlichung ihrer Maßnahmen und Einrichtungen zur Last gelegt. Weitere Personen, wie etwa die zwei Frauen und die beiden Männer, die Schmiere gestanden haben sollen, wurden nicht angezeigt. „Wir haben Ende Oktober den Beschuldigten ausgeforscht, er ist geständig zu einem Großteil der Taten. Seit Inhaftierung des Verdächtigen kam es wiederum zu neuen Beschädigungen an Stolpersteinen – diesmal wurde eine andere Farbe benützt. Der verdächtige Ersttäter kann ausgeschlossen werden. Jetzt wird im engsten Umfeld des Täters ermittelt. Es ist unklar, ob es parallel zu den Schmierereien, die früher begonnen haben, tatsächlich neue gibt, denn nach einigen Tagen bereits kann nicht mehr eindeutig bestimmt werden, wie lange die Farbe drauf war“, erklärt Hermann Rechberger, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in einem Telefoninterview am 14.11.13 und führt aus: „Sämtliche Beschmierungen zeigen eine Handschrift. Dennoch kann man nie ausschließen, dass andere mitbeteiligt waren. Entweder er hat tatsächlich alle Taten begangen, oder nach der Inhaftierung die Verantwortung für alle Taten übernommen, um andere zu schützen. Ob es eine Gruppe war, ist noch zu prüfen.“ 

 

Verdächtiger steht zu rechter Gesinnung

Momentan wird kein/e Graphologe/Graphologin zur Einholung eines Schriftgutachtens wegen der Schmierereien beschäftigt. Allerdings plant die Polizei eingehende Tatortbefragungen durchzuführen. Der sich in Untersuchungshaft befindende Verdächtige steht jedenfalls zu seinen Taten und seiner rechtsradikalen Einstellung. Hermann Rechberger gibt an, dass der Verdächtige bei den Beschuldigteneinvernahmen nicht verhehlt, dass das seine Überzeugung ist und er nur das schreibt, was er tatsächlich glaubt. Andere Einzuvernehmende kommen in einschlägig erkennbarer Bekleidung zu den Einvernahmen. Viele davon haben teilweise keinen Schulabschluss und keine Ausbildung. Ihrer Ansicht nach sind die Ausländer die Sündenböcke und schuld daran, dass sie keine Arbeit bekommen. Und Rechberger ergänzt, „Es gibt in Salzburg keinen Küssel [Anm.: Neonazi-Führer Gottfried Küssel], die Ideologen sind in Haft oder im Ausland. Die hier denken, die Beschäftigungspolitik und der Bau der Autobahnen - das war schon gut von Hitler.“

Von einer kriminellen Organisation geht Rechberger nicht aus: „Der §278a ist meiner persönlichen Meinung nach nicht für diese Gruppe gedacht, da will man an andere Gruppen rankommen.“ Über die Szene in Salzburg meint Rechberger: „Das gesamte Umfeld wird genau angeschaut. Der Verdächtige gehörte in den Dunstkreis der wegen Wiederbetätigung geschlossenen Bar, war jedenfalls öfter dort Bargast. In diesem Milieu begegnen einem immer die gleichen Personen.“

Foto: Lina Cenic

 

Doch die Beschädigungen der letzten Wochen sind leider nichts Neues. Denn die Rechtsradikalen in Salzburg haben in den letzten Jahren Einrichtungen, die einen anderen Diskurs prägen wollen und antifaschistische Arbeit leisten, beschädigt. Bereits 2011 wurden drei Stolpersteine herausgerissen. Damals wurde/n der/die Täter_innen nicht gefasst. Die Steine wurden  nachverlegt. Die Polizei hat damals das Problem  nicht in vollem Ausmaß erfasst und sprach von Metalldiebstahl, nicht von Wiederbetätigung“, erklärt Thomas Randisek vom Personenkomitee Stolpersteine in einem Telefoninterview vom 14. November 2013.

 

Salzburgs rechte Szene

Rechte in Salzburg schrecken auch vor körperlicher Gewalt gegenüber Bettelnden, Roma und people of colour nicht zurück. Denn Antisemitismus, Xenophobie und Verharmlosung des Nationalsozialismus sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. So lobte beispielsweise Bernd Huber, der Büroleiter des stellvertretenden ÖVP Bürger_innenmeisters Harald Preuner, den NS-Kampfflieger und Rechtsradikalen Hajo Herrmann in der Zeitung des Salzburger Kameradschaftsbundes als tadellosen Soldaten. Huber ist auch nach wie vor in der Stadtregierung beschäftigt und bezieht seinen Lohn aus öffentlichen Geldern. Sein Chef Preuner ist einer der Vorreiter im Kampf um ein bettler_innenfreies Salzburg und für die Einführung von Verbotszonen, in denen er  auch die  Sexarbeiter_innen aus dem Stadtbild entfernen möchte.

Der neueste Streich der Stadtregierung war die Erhöhung des Strafrahmens für wildes Campieren von € 350,-- auf € 10 000--. Auch diese von der SPÖ Salzburg mitgetragene Maßnahme zielt auf die Vertreibung und Kriminalisierung von Armut ab. Wenn der Landtagsmandatar Karl Schnell in seiner Funktion als FPÖ-Spitzenkandidat für die Salzburger Landtagswahlen ungestraft Naziterminologie benützt, dann ist das weder ein Patzer noch ein Versehen. In einem Presseinterview vom 14. April 2013 erklärte Schnell, dass es in gewissen Bereichen eine „Umvolkung“ geben würde. Diese Ausgrenzungspolitik und die Verwendung von Nazi-Begriffen sind ein Nährboden für Fremdenhass und die Stigmatisierung von Sündenböcken. In ganz Europa hat die Gewaltbereitschaft der Rechtsextremen wieder zugenommen.

 

Handlungsbedarf

Vor dem Hintergrund dieser wachsenden rechten Bewegung ist das Beziehen einer klaren Gegenposition unerlässlich. Ein Teil der aktiven Erinnerungspolitik muss es sein, Bezüge zur Gegenwart herzustellen und gemeinsam auf die Menschenrechte zu achten.

Gegen die neonazististischen Umtriebe hat sich in Salzburg auf Initiative der ÖH die Plattform gegen Rechts gegründet, die ein überparteilicher Zusammenschluss gegen Antisemitismus und Rassismus ist.

Eine Demonstration ist für den 29.11.13 angesetzt. Treffpunkt ist um 17:30 beim antifaschistischen Mahnmal am Hauptbahhof.

 

AutorInnen: Lina Čenić