Ist das alles?

  • 03.05.2013, 14:09

Wer sich nach dem Bachelor entschließt, weiter zu studieren, begegnet heute einem Massenangebot an weiterführenden Studiengängen. Doch nicht immer halten die spezifischen Master, was sie versprechen.

Wer sich nach dem Bachelor entschließt, weiter zu studieren, begegnet heute einem Massenangebot an weiterführenden Studiengängen. Doch nicht immer halten die spezifischen Master, was sie versprechen.

Arbeiten oder weiterstudieren? Die Entscheidung darüber, wie es nach dem Bachelor weiter gehen soll, ist nicht immer leicht. Nicht zuletzt in Folge der holprigen Umsetzung des Bologna-Prozesses sind BachelorabsolventInnen am Arbeitsmarkt nach wie vor schlecht gestellt und werden selten als vollwertige AkademikerInnen wahrgenommen. Laut Statistik Austria hängen rund 80 Prozent der AbsolventInnen nach dem Bachelorstudium einen Master an. Die meisten Studierenden bleiben dabei jener Universität treu, an der sie ihren Bachelor absolviert haben. Einige entscheiden sich trotzdem für einen Wechsel an ein anderes Institut, eine andere Hochschule oder überhaupt für ein weiterführendes Studium im Ausland. In den letzten Jahren wurde der Markt an Studiengängen stark ausgeweitet. Es entstanden neue Subdisziplinen, interdisziplinäre Studienprogramme und oft auch komplett neue Studienfächer. Das Geschäft mit den Mastern boomt. Die Konkurrenz steigt dabei nicht nur zwischen privaten und öffentlichen Bildungseinrichtungen, sondern auch unter den Studierenden. Um die wenigen Master-Plätze wird gekämpft. Gleichzeitig scheint bei Vielen aber angesichts des Massenangebots auch Verunsicherung zu herrschen. Es stellt sich nicht selten die Frage nach der Sinnhaftigkeit der so vage wie auch vielversprechend klingenden Studiengänge. Geht man etwa ein Risiko ein, wenn man sich auf ein Master-Programm einlässt, das nur an einer einzigen Hochschule existiert? Kann man sich mit dem spezifischen Masterabschluss am Arbeitsmarkt etablieren? Wird das Fach wieder aussterben? Ist man als StudienabsolventIn eines exotischen Fachs ein gefragter Underdog, oder wird man eher als Versuchskaninchen mit namenlosem Studienabschluss wahrgenommen? All das sind Fragen, die mit der Studienwahl verknüpft sind. „Mit einer Bewertung muss man da vorsichtig sein, die kulturelle Evolution zeigt erst nach einiger Zeit die Sinnhaftigkeit solcher Spezialisierungsprozesse“, meint dazu Wissenschaftsphilosoph und -historiker Friedrich Stadler im Interview (Anm. d. Red.: Weiterlesen auf S. 6). Simone Grössing hat sich mit drei Studierenden über ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit spezialisierten Master-Programmen unterhalten und ist dabei auf so manche Kritik gestoßen.

Enttäuschender Hürdenlauf. Theresa wirkt enttäuscht, als sie von ihrem kurzzeitigen Studienaufenthalt an der Kunstuni Linz erzählt. Die 24-Jährige hat nach ihrem Bachelor in Kunstwissenschaft und Philosophie, an der Katholisch- Theologischen Privatuniversität Linz, einen Master in Medienkultur- und Kunsttheorien an der Kunstuni angehängt. Ihre Absicht war es, dem bisher sehr breiten Philosophiestudium ein wenig Form zu verpassen. „Ich dachte, es wäre interessant, einmal spezifischer und etwas werkorientierter zu arbeiten.” Doch schon beim Inskribieren auf der Kunstuniversität stieß Theresa auf die ersten Hürden: Das Bachelor-Zeugnis wurde nicht sofort anerkannt. Nach Diskussionen und mehreren Versuchen gelang es Theresa schließlich, sich für den Master zu inskribieren. Die anfängliche Motivation und Vorfreude war dann aber schnell verschwunden. Der Aufenthalt an der Kunstuni fiel für sie eher ernüchternd aus. Anstatt intensiver Auseinandersetzung mit dem Fach, erfuhr sie oberflächliche Wissensvermittlung seitens der Lehrenden und war mit fachlichen Bildungslücken unter den Studierenden konfrontiert. „Ich glaube, ein großes Problem ist, dass da Menschen aus ganz unterschiedlichen künstlerischen und kulturtheoretischen Studienrichtungen zusammenkommen. Da sitzt man dann in einem Seminar und die Voraussetzungen und Kenntnisse sind völlig verschieden“, meint sie zur Situation in den Lehrveranstaltungen. Theresa brach den Master in Linz schon während des ersten Semesters ab und zog nach Wien, um dort das Master-Studium in Philosophie und ein Kunststudium an der Akademie zu beginnen. Den Sinn von Teildisziplinen versteht sie bis heute nicht ganz und stellt ihn in Frage: „Für mich persönlich ist die Verteilung in neue Geisteswissenschaften irgendwie überflüssig. Es besteht hier einfach die Gefahr, sich in irgendwelchen Details zu verlieren, anstatt den Blick für Zusammenhänge zu bewahren.“

Selektiv und exklusiv. Ähnlich erging es auch dem 24-jährigen Moritz. Nach seinem Bachelorabschluss in Politikwissenschaften an der Universität Wien entschied er sich für den aufbauenden Master „Peace and Conflict Studies“ an der Universität Marburg. Nicht nur wegen der „guten Studienbedingungen“ und der „intensiven persönlichen Betreuung“ bewarb er sich für den Studiengang, sondern auch wegen des Stellenwerts, den er der Spezialisierung im Studium selbst zumisst: „Ich finde es schön, wenn ich mich richtig in ein Thema hineinarbeiten kann. Wenn mich ein Themenbereich an der Uni richtig interessiert und mir Spaß macht, wird das wohl auch ein Bereich sein, in dem ich nachher arbeiten möchte.“ Oft sind die weiterführenden Studiengänge aber stark limitiert. In Deutschland ist ein Studienplatz im Master inzwischen keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Masterstudiengänge werden immer selektiver und exklusiver, gerade bei den kleinen, spezialisierten Studiengängen. Im Fall des Masters in Marburg bewerben sich durchschnittlich 450 Studierende für 30 Studienplätze. Deswegen rechnete Moritz zuerst auch gar nicht mit einer Aufnahme. Umso größer war die Freude, als er dann eine Zusage von der Uni bekam. Die geringe Anzahl an Studierenden stellte sich dann schnell als Vorteil heraus: „Die Betreuung war schon einmalig, alle ProfessorInnen kennen dich vom ersten Tag an – sie wissen, wie du heißt und was dich interessiert.“ Das war aber nur einer der wenigen positiven Aspekte. Wie auch Theresa fiel Moritz schnell auf, dass der Master ihm zu wenig in die Tiefe ging: „Die Lehrveranstaltungen waren leider alle ziemlich einführend und nichts Neues für mich. Der Master galt als interdisziplinär, eine Beschreibung, mit der sich viele spezialisierte Master schmücken. Ich finde, das ist heute oft einfach ein Euphemismus für Oberflächlichkeit“, kommentiert Moritz die Situation an der Uni. Zudem fiel das Vorlesungsverzeichnis weit dünner aus als erhofft und war stark von den Forschungsinteressen der ProfessorInnen abhängig. Das Studium stellte sich im Großen und Ganzen als zu wenig weiterbildend für ihn heraus. „Ich denke, man kann sich an einer großen Uni und in einem ‚großen’ Master-Programm mit viel Kursangebot teilweise besser spezialisieren als in kleinen Masterprogrammen mit wenig Auswahl.“ Aus diesem Grund entschied sich Moritz, zu seinem Grundstudium zurückzukehren. Seit diesem Sommersemester studiert er Politikwissenschaften im Master an der Universität Wien.

Interdisziplinäre Perspektive. Peter (25) begann den Master in „Socio-Ecological Economics and Policy“ im Herbst 2012. Nachdem er das aufwendige Aufnahmeverfahren bestanden hatte, gehörte er zusammen mit 29 anderen Studierenden der ersten Generation des neuen Studiengangs an. Peter hatte zuvor einen VWL-Bachelor an der WU absolviert. Dort hatte er von einer Professorin vom neuen Studienangebot gehört. Anstatt der Möglichkeit einer Spezialisierung, war es aber eher die interdisziplinäre Perspektive des Studiums, die Peter anzog. „Dieser Master ist eigentlich breiter als etwa der VWL-Master, alleine schon in Hinblick auf die thematische Aufteilung. Diese reicht von der Ökonomie bis in die Soziologie und Regional Studies.“ Peter wollte sich verstärkt mit einer verknüpfenden Sichtweise, die sich auch mit umweltpolitischen und sozioökonomischen Fragen befasst, auseinandersetzen, anstatt sich auf nur rein ökonomische Themen zu fokussieren. Die Studienprogrammleitung hat sich außerdem zum Ziel gemacht, den allseits vorherrschenden „Departementalism“ zu überwinden. Deswegen wird der Master auch auf Englisch angeboten. Unter Peters KollegInnen finden sich so Studierende aus aller Welt und aus verschiedensten Disziplinen. „Die Stimmung unter den Studierenden ist angenehm. Das Nebeneinander funktioniert gut. Aber die verschiedensten Sichten miteinander zu verknüpfen, das ist oft schwierig.“ Mit seinem aus dem VWLBachelor mitgebrachten Vorwissen sei er zudem klar im Vorteil: „Ein Ingenieurwissenschaftler tut sich natürlich schwerer mit Makroökonomie als ein Wirtschaftsstudent.“

Das Argument, dass man mit einer Spezialisierung am Arbeitsmarkt besser gestellt ist, hat für Peters Studienwahl aber keine vorrangige Rolle gespielt. Viel wichtiger ist für ihn, sich intensiv auf die Materie einzulassen – eine Sichtweise, die seit der Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem immer stärker in den Hintergrund rückt. „Ein spezifischer Master kann gerade deswegen nützlich sein, weil Bachelor-Studiengänge oft gar keine Spezialisierung mehr zulassen. Das war im Diplomstudium noch anders“, meint Peter dazu.

AutorInnen: Simone Grössing