Ihre Exzellenz

  • 28.09.2012, 23:03

Im Sog der Wettbewerbsfähigkeit nationaler Forschungsräume erhalten Frauen im österreichischen Wissenschaftsbetrieb neue Aufmerksamkeit: Es gilt ihr brachliegendes Humankapital entsprechend zu nutzen. Zumindest in der Theorie, die Praxis ist weitaus veränderungsresistenter.

Im Sog der Wettbewerbsfähigkeit nationaler Forschungsräume erhalten Frauen im österreichischen Wissenschaftsbetrieb neue Aufmerksamkeit: Es gilt ihr brachliegendes Humankapital entsprechend zu nutzen. Zumindest in der Theorie, die Praxis ist weitaus veränderungsresistenter.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung führte die steirische Forschungsgesellschaft Joanneum Research eine Studie zum Thema „Gender und Exzellenz” durch. Ziel des Forschungsvorhabens war es „[...] institutionalisierte Bewertungs- und Auswahlverfahren, die eine gleichberechtigte Chance auf eine erfolgreiche Teilnahme von Frauen und Männer im Wissenschaftsbetrieb verhindern oder erschweren, nach Möglichkeiten zu identifizieren”. Die Präsentation der Ergebnisse erfolgte Mitte November und ergab ein durchaus ambivalentes Bild: Zwar fänden Verbesserungen im Bezug auf Gleichstellungsfragen im tertiären Bildungssektor statt, diese gingen jedoch nur schleppend und mangelhaft voran. Ebenso bergen die Exzellenz-Strategien auf europäischer wie nationaler Ebene Chancen für ein Mehr an Geschlechtergerechtigkeit, könnten jedoch auch für eine Vertiefung des gender-bias sorgen.

Unterrepräsentierte Gruppe. Inhaltlich bearbeitet die Studie drei Themenfelder: eine diskursanalytische Annäherung an den Begriff „Exzellenz” an sich und dessen ideologiegeschichtliche Einbettung, die Analyse des Status Quo der Universitäten im Bezug auf Umsetzung sowie Zukunftspläne von Exzellenz- bzw. Gleichstellungsstrategien und letztlich eine kritische Darstellung der österreichischen Forschungslandschaft. Hauptmotivation hinter der bereitwilligen Auseinandersetzung des Ministeriums mit der Thematik „Gender und Exzellenz“ ist dabei die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Forschungsstandorts, für die das Potenzial „der bislang unterrepräsentierten Gruppe der Frauen“ innerhalb der Scientific Community vermehrt genutzt werden soll.

Enormer Aufholbedarf. Der Aufholbedarf ist jedenfalls enorm: Mit einer Forscherinnenquote von 21 Prozent liegt Österreich im letzten Drittel der EU-25, der Durchschnitt beträgt 29 Prozent. Die Professorinnenquote beträgt 14,2 Prozent, jene der Assistentinnen 33,4 Prozent, wobei der Absolventinnenanteil fast 54 Prozent ausmacht. Nicole Schaffer, Co-Autorin der Studie und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Joanneum Research zieht ihre Ableitungen aus den statistischen Daten: „Die bisherige Annahme, dass sich das Geschlechtergefälle von alleine auswachsen werde, stimmt nicht. Zum Beispiel hat sich die hohe Absolventinnenzahl in den Geisteswissenschaften nicht in der Beschäftigungsstruktur niedergeschlagen.“ Zentral ist demnach, dass etwaige Exzellenzstrategien die Geschlechterdichotomie nicht weiter verstärken, sondern dieser im besten Falle entgegenwirken.

Keine objektiven Kriterien. Dies beginnt bereits bei der Definition von Exzellenz. Die Studien-AutorInnen stellen nämlich fest, „dass zwar keine einheitlichen Definitionen oder Vorgaben für wissenschaftliche Exzellenz existieren, aber ein Konsens darüber zu bestehen scheint, sich in der Entscheidungsfindung darauf berufen zu können”. Kommt es tatsächlich zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit der oftmaligen Worthülse „Exzellenz”, kann eine Orientierung an naturwissenschaftlich-geprägten Bewertungssystemen festgestellt werden. Im Vordergrund steht die Leistung, die letztlich geschlechtsneutral erbracht und auch bewertet werden kann. Hier setzt Gabriele Michalitsch, Lehrbeauftragte für Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien, mit ihrer Kritik an: „Die Bezugnahme auf Leistung suggeriert, dass es hier um objektive Kriterien geht. Aber viel mehr geht es um die Anerkennung als Leistung. Und hier muss die Frage nach den Bedingungen der Leistungserbringung gestellt werden. Hier muss auch das gesamte der Universität vorläufige Bildungssystem sowie die Sozialisation betrachtet werden.“ Ein anschauliches Beispiel für einen gendersensiblen Umgang mit Leistungserbringung wäre eine Abkehr vom herkömmlichen Forscher(Innen)ideal: 100prozentiger Zeiteinsatz, schneller Aufstieg, linearer Karriereverlauf etc. Auch sollen nicht nur Forschung an sich, sondern Tätigkeiten wie Lehre und Organisation in die Beurteilung von wissenschaftlicher Kompetenz einbezogen werden. Denn es sind gerade Frauen, deren Lebensläufe Diskontinuitäten aufweisen oder die jene unterbewertete und unsichtbare Arbeit in den Lehrveranstaltungen und Instituten leisten.

Fehlendes Know-How. Auch die Joanneum-Studie verabschiedet sich von monokausalen Erklärungsmodellen für die Hartnäckigkeit der Geschlechtersegregation im tertiären Bildungssektor. Konkrete Ansatzpunkte etwa beim wissenschaftlichen Personal sind ein Maximum an Transparenz bei den Auswahlverfahren: Explizite Bewertungsstandards, erhöhte Rechenschaftspflicht von GutachterInnen und eine permanente Reflexion der Bewertungsindikatoren. Großen Veränderungsbedarf gibt es außerdem beim vorhandenen Know-How: Aus ExpertInnen-Interviews und Inhaltsanalysen geht beispielsweise hervor, dass ein Verwechseln der völlig unterschiedlichen Steuerungsinstrumente wie Frauenförderung und Gender Mainstreaming gang und gäbe ist. Außerdem werden Chancengleichheit und Gender Mainstreaming in den Entwicklungsplänen meist getrennt voneinander behandelt. Keine Universität versteht Gender Mainstreaming als Querschnittsmaterie, die in sämtlichen universitären Bereichen zum Tragen kommen soll. Über die Beschaffenheit und den sinnvollen Einsatz von geschlechtsbezogenen Steuerungsmechanismen herrscht Unklarheit.

Fundamentale Redefinition. Des Weiteren stellt Julia Neissl, feministische Wissenschafterin aus Salzburg, im Zuge der Studie große Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis fest: „[...] eine Verankerung von Gendersensibilität oder Bewusstsein um Chancengleichheit auf der Ebene der Basisannahmen wäre kulturstiftend notwendig, kann aber derzeit nicht beobachtet werden.” Die Folge sind Unterschiede in der Akzeptanz von und der Sensibilisierung für geschlechtsbezogene Maßnahmen und auch das Fehlen von gemeinsamen Zielvorstellungen. Begriffe wie Gender Mainstreaming oder Chancengleichheit bleiben Schlagworte, weil ihnen einerseits die inhaltliche Substanz und andererseits das ehrliche Commitment der EntscheidungsträgerInnen fehlt. Um in der Universitätslandschaft das hehre Ziel der Gleichstellung zu erreichen, wird es kaum reichen unsystematisch an einzelnen Rädchen des schwerfälligen Getriebes zu drehen. Es geht um eine fundamentale Redefinition von Begriffen wie Leistung, Wissenschaftlickeit und Exzellenz sowie ihres tatsächlichen strukturellen Niederschlags.

Laura Dobusch studiert Gender Studies an der Uni Wien.

AutorInnen: Laura Dobusch