Die zwitschern, die @Bullen

  • 09.06.2015, 09:03

Zu Einsatzstock, Pfefferspray und Glock gesellt sich eine neue Dienstwaffe der heimischen Polizei: das Smartphone. Via Twitter, Facebook und Co versucht sie die öffentliche Meinung zu lenken und ihr ramponiertes Image zu verbessern.

Zu Einsatzstock, Pfefferspray und Glock gesellt sich eine neue Dienstwaffe der heimischen Polizei: das Smartphone. Via Twitter, Facebook und Co versucht sie die öffentliche Meinung zu lenken und ihr ramponiertes Image zu verbessern.

„Bitte meldet Nazi-Gruppen nächsten Polizisten“; „Es gibt eine tolle Sambagruppe beim Rathaus“; „Demoteilnehmer – Lasst euch den Punsch schmecken“ . Als im November 2014 die Wiener Polizei während der Proteste gegen den WKR-Kommers zu twittern begann, lag die Vermutung nahe, die Kommunikationsguerilla stehe hinter dem Account. Mit Hashtags wie #antifa und #noburschis reihten sich die Tweets nahtlos in den Stream der Demo-Beobachter_innen ein. Die Authentizität des Accounts wurde bestätigt. Seither hat sich einiges getan. Die Wiener Polizei verfasste mittlerweile über 1.200 Tweets und hat über 4000 Follower_innen. In den meisten Tweets geht es um festgenommene Dieb_innen, ausgehobene Cannabisplantagen, sichergestelltes Falschgeld und Verkehrsunfälle.

Vergangenes Wochenende boten sich gleich mehrere gute Gelegenheiten, um der Twitter-Polizei genauer auf die Finger zu schauen. Am Samstag zogen etwa 300 rechtsextreme Identitäre durch Wien, wie immer begleitet von  antifaschistischen Gegendemonstrationen und einem massiven Polizeiaufgebot. Unter dem Hashtag #blockit twitterten Polizei, Antifas und Identitäre. Am Sonntag demonstrierten Globalisierungkritiker_innen im bayrischen Garmisch-Partenkirchen gegen den G7-Gipfel. Sowohl die Tiroler als auch die Bayrische Polizei twitterten unter dem Hashtag #G7.

International zählen die heimischen Gesetzeshüter_innen keinesfalls zur Avantgarde der (virtuellen) Staatsgewalt. In New York, London, Berlin, München und vielen anderen Städten ist der polizeiliche Einsatz von Social Media längst Routine. Eine ordentliche Portion Internet-Fame erntete etwa der Instagram-Account der isländischen Polizei: Uniformierte, die mit einer überdimensionierten Packung Cheese Balls posieren, einen Kickflip mit dem Skateboard stehen oder einfach ein süßes Kätzchen in die Kamera halten, sollen das menschliche Antlitz der Polizist_innen unterstreichen. Auch die Wiener Polizei versucht mit Cat- und Dog-Content zu punkten. Polizeihund „Dax“ sammelte bei „einem kurzen Päuschen“ während seines Einsatzes am Eurovision Songcontest 400 Likes. Die Nutzung der Sozialen Medien beschränkt sich nicht nur auf Facebook, Twitter und Instagram: Während des G7-Gipfels übertrug die bayrische Polizei ihre Pressekonferenz auch auf der Livestreaming-App Periscope. User_innen können dabei durch das Antippen des Bildschirms Herzchen verschicken und somit ihre Zustimmung ausdrücken.

ATEMLOS DURCH DIE NACHT. Als genialer PR-Coup entpuppte sich im Sommer 2014 ein Handyvideo zweier Wiener Streifenpolizisten: Gefühlsbetont singen sie während ihrer Streife Helene Fischers Schlager-Song „Atemlos durch die Nacht“ mit. Binnen kurzer Zeit hatte der Youtube-Clip an die drei Millionen Klicks. Wurde medial anfänglich über mögliche negative Konsequenzen für die beiden spekuliert, wurde schnell klar, dass die ‘etwas andere' PR von der Polizeispitze gerne gesehen ist. Von Polizeipräsident Pürstl und Innenministerin Mikl-Leitner folgte prompt eine persönliche Einladung zum Vorsingen: „Das Video zeigt, dass meine Polizisten nicht nur hart arbeiten und kompetent sind, sondern auch Menschen sind, die Spaß haben.“

Das alles ist Teil einer breit angelegten Social Media-Strategie der Polizei, die laufend evaluiert und angepasst wird. Das durch EU-Mittel finanzierte Forschungsprojekt COMPOSITE beschäftigt sich seit Jahren mit dem Einfluss gesellschaftlicher Veränderungsprozesse auf die Polizei. Die daraus hervorgegangene Studie Best Practice in Police Social Media Adaption streicht die Relevanz sozialer Medien für die Polizeiarbeit hervor. So kann etwa die Fan-Community bei Ermittlungen oder Fahndungen helfen. Insbesondere wird auch auf die Möglichkeit von virtuellen, verdeckten Ermittlungen hingewiesen. Die wichtigste Funktion ist jedoch, die menschliche Seite der Polizeiarbeit zu zeigen. Kurz: Das Freund_innen und Helfer_innen-Image zu polieren.

Ganz in diesem Sinne postet die Wiener Polizei auf ihrer Facebook-Seite jede Woche ein Portrait eines_einer ihrer Mitarbeiter_innen. Der „Kollege Franz“ wirkt auch tatsächlich sympathischer als ein Polizist in Robocop-Montur, der einem mit gezogenem Schlagstock auf der Demo gegenüber steht. Dadurch soll bei den Bürger_innen Vertrauen und bei Demonstrationsteilnehmer_innen Kooperationsbereitschaft aufgebaut werden. Bezeichnend ist etwa ein Foto, das von einem polizeinahen Facebook-Account während der #G7-Proteste verbreitet wurde. Im Vordergrund stehen Polizist_innen Spalier – im Hintergrund küsst sich ein demonstrierendes Pärchen innig: „Inmitten des Trubels und der Forderung nach Revolution, Umdenken in Politik und Gesellschaft und gegen den Kapitalismus, bleibt Zeit für die weitaus wichtigeren Dinge im Leben: Auf beiden Seiten Menschen, die mehr eint, als sie vielleicht trennen mag...“ ist darunter zu lesen.

DIE RAUFEN NUR. Beispiele wie dieses verdeutlichen die mannigfaltigen Möglichkeiten, die soziale Medien der Polizei bieten, um ihr menschliches Antlitz zu zeigen, in die öffentliche Meinungsbildung einzugreifen und ihre Funktion in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft zu kaschieren. Seitens der Polizei wird es nämlich keine Kommunikation geben, die derder repressiven Realität gerecht wird und das Handeln der Polizei entsprechend darstellt: Denn dann würden auch Bilder von Delogierungen, rassistischen Personenkontrollen, Abschiebungen, prügelnde Bullen und drangsalierte Bettler_innen den Twitter- und Facebookstream füllen. Für viele Menschen ist die Polizei alles andere als Freund_in und Helfer_in. Weiters sind viele der Aussagen, die im Netz verbreitet werden, ob ihrer Parteilichkeit kritisch zu hinterfragen: Letzten Samstag ging am Wiener Praterstern ein mit Stangen bewaffneter Mob Identitärer auf eine kleine Gruppe Antifaschist_innen undJournalist_innen los. Die anwesende (und nicht eingreifende!) Polizei twitterte indessen von einem „Raufhandel zwischen rechten und linken Gruppen“. Solche verfälschten Aussagen nicht unkommentiert zu lassen, ist und bleibt die Aufgabe einer kritischen Gegenöffentlichkeit.

Wie das geht, haben haben Menschen aus New York vorgezeigt: Während die Polizei darum bat, unter dem Hashtag #myNYPD Fotos von schönen Erfahrungen mit den lokalen Officers zu twittern, ging die Kampagne ziemlich nach hinten los. Fotos von dokumentierter Polizeigewalt, die massenhaft unter dem Hashtag geteilt wurden, brachten statt der gewünschten Imagepolitur eine intensive Diskussion über prügelnde Polizist_innen. Auch hierzulande lässt sich beobachten, dass Tweets und Statusmeldungen der Polizei nicht unwidersprochen bleiben. So gibt es auf der Facebookseite der Wiener Polizei zahlreiche Ratings mit nur einem Stern: Mit ironischem Unterton beschweren sich einige über den „schlechten Service“ auf Demonstrationen.

 

Klemens Herzog studiert Journalismus und Neue Medien an der FH der Wirtschaftskammer Wien.

AutorInnen: Klemens Herzog