An die Wand fahren

  • 26.03.2015, 08:36

Der Nullpunkt kommt früh in Leylas Leben. „Man braucht nicht auf die Midlife-Crisis zu warten, man kann sein Leben auch schon mit Mitte Zwanzig wunderbar gegen die Wand fahren.“

Der Nullpunkt kommt früh in Leylas Leben. „Man braucht nicht auf die Midlife-Crisis zu warten, man kann sein Leben auch schon mit Mitte Zwanzig wunderbar gegen die Wand fahren“, heißt es in Olga Grjasnowas zweitem Roman “Die juristische Unschärfe einer Ehe”, in dem Leyla ihr Leben buchstäblich an die Wand fährt, als sie bei einem illegalen Autorennen in Baku verhaftet werden soll.

Der Roman beginnt bei Kapitel „0“ in einer Gefängniszelle, um dann ganz vorne anzufangen und zu erzählen, wie Leyla in diese Schieflage geraten konnte.

Leyla ist Balletttänzerin und mit dem Arzt Altay verheiratet. Was in Aserbaidschan als Zweckehe begonnen hat – sie ist lesbisch und er schwul – ist irgendwann zu richtiger Liebe geworden, in der andere Beziehungen aber zugelassen oder sogar gewollt sind. Und weil man in Berlin offen homosexuell sein kann, leben die beiden in der deutschen Hauptstadt. Hier trifft Leyla auf die amerikanische Medienkünstlerin Jounon.

Wie auch schon das Debüt „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ der 1984 in Baku geborenen Autorin ist ihr neues Buch betont transnational und macht gleich mehrere Ebenen zugleich auf. Es geht um das korrupte, postsowjetische Baku, das homophobe Moskau, das sexuell befreite Berlin. Die Städte bilden die Achsen dieser Dreiecksgeschichte, in der Leyla, Altay und Jounon versuchen, sich eine Liebe zu teilen. Aber wie viel Liebe ist nötig, damit die polyamouröse Ehe klappt? Grjasnowa erzählt abwechselnd aus der Perspektive der einzelnen Figuren, trotzdem kommt man ihnen erstaunlich wenig nah. Das mag vielleicht auch an Sätzen wie: „Das Wegdenken der heteronormativen Werte bereitete ihr mehr Probleme, als sie zugeben mochte“ liegen, die zwar so sehr ins heutige Berlin passen mögen, auf einer Gefühlsebene dann aber nicht wirklich funktionieren. Zum Schluss scheinen dann doch nur die Eheleute Leyla und Altay übrig zu bleiben, die schon von Anfang an als Einheit aufgetreten sind. Und dann kommt da auch noch ein Kind und man weiß nicht: Ist das bitterböse Ironie oder romantischer Ernst?

Olga Grjasnowa: „Die juristische Unschärfe einer Ehe“
Hanser Verlag, 272 Seiten
20,50 Euro 

 

Sara Schausberger hat Germanistik studiert und arbeitet als Kulturjournalistin in Wien.

AutorInnen: Sara Schausberger