Die ewige Party

  • 13.07.2012, 18:18

Nach Rom gehen und kein Italienisch sprechen ist ein Sprung ins kalte Wasser. Und ein Abenteuer mit Irrwegen.

Nach Rom gehen und kein Italienisch sprechen ist ein Sprung ins kalte Wasser. Und ein Abenteuer mit Irrwegen.

Kaum war ich in Rom angekommen, in diesem verregneten Jänner, flatterten die E-Mails beinahe täglich in meinen Posteingang.
„Benvenuto, ti invitiamo al Cuccagna Pub – il piu famoso Cocktail Bar!!! Cocktails per gli studenti Erasmus solo 3,50€, vieni vieni!!“
Morgen wird es eine Einladung in die In-Disco Loft sein, übermorgen eine Einladung zum Picknick im Circo Massimo, Sackhüpfen inklusive - Wein und Bier wird vom Erasmus Student Network (ESN) gratis zur Verfügung gestellt. Demnächst steht auch die „Elegant Party“ im Alpheus an, und schon jetzt wird auf den zweitägigen Ausflug nach Sizilien aufmerksam gemacht.
Mangels Alternativen geht es heute Abend also in die Cuccagna- Bar, malerisch gelegen in einer Seitengasse des „schönsten Platzes Europas“, dem Piazza Navona, mitten im centro storico von Rom. Die ewige Stadt platzt vor kulturellen Highlights, kleinen Plätzen, Kunstschätzen aus allen Epochen der Geschichte; an jeder Ecke gibt es etwas Neues zu entdecken. Rom ist ein spannendes Chaos, erfüllt mit Autohupen, Vespagetröte und Handyklingeltönen. Das kann mitunter auch stressig und verwirrend sein.
80 Prozent aller Erasmusstudierender halten sich das erste Mal für längere Zeit im Ausland auf, daher gibt es auch hier in Rom einen Ableger der Non-Profit-Organisation ESN, die versucht, den Neulingen den Einstieg leichter zu machen, indem sie Partys, Ausflüge und ähnliche Gelegenheiten zum interkulturellen Austausch organisiert. ESN bietet einen ersten Anker in einer neuen fremden Stadt. Man hat vielleicht noch kein Zimmer in Rom, aber nach nur einer Woche schon hunderte neue FreundInnen, die aus allen Ländern Europas kommen.

Die Sprachbarriere. Es sind die kleinen und großen Probleme des Auslandsemesters, die die Erasmus- Studierenden zusammenschweißen. Wie finde ich ein günstiges Zimmer, wie finde ich mich auf der fremden Uni zurecht? Und über allem steht die Sprachbarriere. Während der durchschnittliche Erasmus-Studierende gut Englisch spricht, ist das unter den heimischen italienischen Studierenden nicht so sicher. In der Cuccagna scheinen alle recht froh darüber zu sein, dass alle mit den gleichen Problemen kämpfen. Und so stößt man gerne gemeinsam darauf an.
Anschluss finden kann man hier nur zu anderen Erasmus-StudentInnen, denn die genießen bei fast allen ESN-Veranstaltungen ermäßigten oder gar freien Eintritt, während ItalienerInnen immer den (teils sehr hohen) Normalpreis zahlen müssen. Wie man Kontakt zum italienischen Alltag herstellt, bleibt einem selbst überlassen. Die Möglichkeiten stehen und fallen mit den eigenen Italienisch-Kenntnissen.

Grenzüberschreitende Freundschaften. Eines Abends redet ein dänischer Politikwissenschaftsstudent im Dandy-Look gerade vor dem Lokal auf einige ItalienerInnen ein. „Franco Fini is right! You have to beware of the immigrants!“ Manche der ZuhörerInnen wenden sich ab, bei einigen erwacht nun das Interesse. „Do you really want them to overtake Italia?! In the future you will loose your language, non c‘e Italia, solo Islamistan!“ Große Zustimmung von Seiten der ItalienerInnen. Sie prosten sich zu und legen die Arme gegenseitig um ihre Schultern. Der Beginn einer grenzüberschreitenden Freundschaft?

Nicht alles ist billig. „Erasmus ist die längste Party meines Lebens“, bringt es eine deutsche Studentin eines Abends auf den Punkt. Leider ist sie nicht die billigste. Während ErasmusstudentInnen in Rom sehr viele Vergünstigungen genießen, ist das Konzept „Erasmus“ trotzdem noch lange nicht sozial ausgereift. Bei einer durchschnittlichen Monatsmiete von 400-500 Euro pro Zimmer in Rom machen die 280 Euro monatlichen Zuschuss noch lange keine Überlebensbasis aus.
Vier Monate und drei Italienisch- Intensivkurse später sitze ich am Piazza von San Lorenzo, dem StudentInnen-Viertel von Rom. Im Sommer treffen sich hier abends täglich hunderte Studierende und lassen bei selbst mitgebrachtem Bier und Wein die Abende ausklingen. ESN ist nicht hier.
Die ESN-MitarbeiterInnen sind selber alle ErasmusabsolventInnen. Das erklärte Ziel von ESN ist, so wird mir gesagt, „holding on to the Erasmus-Spirit.“ Und was ist dieser „Erasmus-Spirit“? Ein junger Italiener meint, dass ich das wissen werde, wenn ich wieder zuhause bin. Nach einer kurzen Pause ruft ein anderer lachend herüber: „Alcohol.“, und sofort ein weiterer: „To get in touch with French and Italian boys!“

AutorInnen: Anna Sawerthal