Alles neu im Lehramt?

  • 21.03.2014, 12:33

Rund vier Stunden mehr pro Woche in der Klasse, weniger Geld, Berufseinstieg schon nach dem Bachelor – die Regierung hält das neue LehrerInnendienstrecht für einen Geniestreich, die Gewerkschaft ist sauer. Passend dazu wird auch die Ausbildung für angehende LehrerInnen komplett neu konzipiert. Was bedeutet das alles konkret für Lehramtsstudierende?

Rund vier Stunden mehr pro Woche in der Klasse, weniger Geld, Berufseinstieg schon nach dem Bachelor – die Regierung hält das neue LehrerInnendienstrecht für einen Geniestreich, die Gewerkschaft ist sauer. Passend dazu wird auch die Ausbildung für angehende LehrerInnen komplett neu konzipiert. Was bedeutet das alles konkret für Lehramtsstudierende?

Demonstrationen, ein scheinbar unendlicher Koalitionskrieg zwischen SPÖ und ÖVP, innerparteiliche Flügelkämpfe und ein zähes Ringen zwischen Gewerkschaft und Regierung prägten die insgesamt über ein Jahrzehnt dauernden Verhandlungen über das neue LehrerInnendienstrecht. Am 17. Dezember des vergangenen Jahres wurde das Gesetz dann im Parlament beschlossen. Ab dem Schuljahr 2019/20 tritt es voll in Kraft – bis dahin können neu in den Dienst eintretende LehrerInnen zwischen dem neuen und dem alten Dienstrecht wählen. Das neue Modell betrifft in erster Linie das Gehalt der LehrerInnen: Statt zweijährigen Gehaltssprüngen gibt es nun nur noch sieben Gehaltsstufen. Außerdem werden erstmals alle LehrerInnen gleich bezahlt, egal an welchem Schultyp sie unterrichten. Das Einstiegsgehalt der AHS- und BHS-LehrerInnen steigt dabei um rund 200 Euro, das der Volks-, Haupt- oder SonderschullehrerInnen um rund 400 Euro. In Bezug auf die Anzahl der Unterrichtsstunden bringt das neue Dienstrecht mit sich, dass LehrerInnen zwei bis vier Stunden pro Woche länger in der Klasse stehen müssen. Eine Zulage von bis zu 679 Euro pro Monat gibt es in allen Schultypen für Fächer, die mit einem höheren Vor- oder Nachbereitungsaufwand verbunden sind. Auch für Leitungs- oder Beratungsfunktionen sind zusätzliche Vergütungen vorgesehen.

Mehr Arbeit für weniger Geld. Kritik an dem neuen Dienstrecht übt unter anderem die Initiative für ein faires Dienstrecht für LehrerInnen (IFDL), eine unabhängige und überparteiliche Gruppe von JunglehrerInnen sowie LehramtsstudentInnen. Sie hat sich über soziale Netzwerke organisiert und tritt vehement gegen das neue Dienstrecht auf. Der IFDL ist vor allem die Ausweitung der Lehrverpflichtung ein Dorn im Auge: Sie würde sich vor allem in den Sprachfächern, aufgrund der hohen Vor- und Nachbereitungszeit potenzieren, so das Argument. PH-Studentin Anna Rauch schließt sich dieser Kritik an: „Vier Stunden mehr aktiv zu unterrichten, das fällt ins Gewicht. Da bleibt auf jeden Fall weniger Zeit für Vor- und Nachbereitung.“ Auch die individuelle Betreuung der SchülerInnen würde darunter leiden. Außerdem entsteht durch die erhöhte Arbeitszeit und die geringere Bezahlung auf lange Sicht eine erhebliche Gehaltseinbuße.

Des Weiteren bemängelt die IFDL, dass bei der Kalkulation der Arbeitszeit von LehrerInnen nur die reine Unterrichtszeit miteinbezogen wird. Auch Vor- und Nachbereitung, Gangaufsichten, Gespräche, Vertretungsstunden, Organisationsarbeit, Konferenzen, Fortbildungen (welche nunmehr außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden müssen) etc. müssten berücksichtigt werden. Kritisiert wird auch die neue Regelung, dass LehrerInnen in Fächern eingesetzt werden können, für die sie nicht ausgebildet sind. Darf man als DeutschlehrerIn also künftig Physik unterrichten? Das Unterrichtsministerium erklärte in einem Telefonat: „Nein! Hier wurde die Bestimmung vom alten Gesetz übernommen. Dass LehrerInnen vermehrt fachfremd eingesetzt werden sollen, ist ein Gerücht, das sich hartnäckig hält.“ Wenn LehrerInnen länger als ein Semester ein Fach unterrichten sollen, für das sie nicht ausgebildet sind, bedarf dies laut dem neuen Dienstrecht ihrer Zustimmung, sonst kann das nur vorübergehend und „aus wichtigen dienstlichen Gründen“ passieren.

Anne-Sophie Zechmeister, die an der Uni Wien Lehramt Englisch und Deutsch studiert, fühlt sich durch die ständigen Änderungen zunehmend entmutigt: „Durch laufende Erneuerungen – neues LehrerInnendienstrecht, Zentralmatura, Bildungsstandards etc. – fühlt man sich als angehende/r JunglehrerIn doch etwas überfordert. Von Transparenz ist keine Spur. Es scheinen sich jede Menge Herausforderungen anzuhäufen, die man nach dem Studium bewältigen soll.“

Die Vorsitzende der neuen Studienprogrammleitung Lehrer/innenbildung, Universitätsprofessorin Barbara Schneider-Taylor, sieht ebenfalls noch viel Klärungsund Aufklärungsbedarf, was das neue Dienstrecht angeht: „Ich sehe mich selbst dafür verantwortlich, dass die Studierenden der Universität Wien noch mehr als bisher auf diese Problematik aufmerksam gemacht werden.“ Sie will die Studierenden aber auch anregen, sich selbst im Zuge ihrer Ausbildung stärker mit der Thematik zu befassen: „Studierende des Lehramts müssen, ebenso wie andere Studierende, während ihres Studiums ein Bewusstsein entwickeln, in welchem rechtlichen Raum sie sich künftig bewegen werden.“

Bologna-System und mehr Pädagogik. Nicht nur das Dienstrecht, auch die LehrerInnenausbildung wird sich verändern. Glaubt man dem Ministerium, soll mit der Pädagog/innenbildung NEU die Qualität der Ausbildung gesteigert werden. Mit dem Studienjahr 2014/15 müssen alle Lehramtsstudien an der Uni Wien vom Diplomstudium auf das Bachelor-Master-System umgestellt werden. Dadurch sollen die Lehramtsausbildungen vereinheitlicht werden. Unabhängig vom Schultyp müssen alle LehramtsstudentInnen an Uni und PH dann ein vierjähriges Bachelorstudium absolvieren. Danach ist, eventuell berufsbegleitend, ein ein- bis eineinhalbjähriges Masterstudium anzuhängen, das für eine Fixanstellung nötig ist. Vorgesehen ist dabei eine stärkere Kooperation der PHs mit den Universitäten. „Die Idee ist, dass PH und Unis keine Konkurrenten mehr sind“, heißt es aus dem Ministerium. Die Zusammenarbeit soll auch im Bereich der Weiterbildung intensiviert werden. Hehres Ziel des Ministeriums ist eine stärkere Durchlässigkeit zwischen Unis und Pädagogischen Hochschulen, sie sollen gleichwertig werden, Ministerium und Gewerkschaften wollen die Pädagogischen Hochschulen „akademisieren“: Ab 2029 sollen nur noch Master-AbsolventInnen in den Klassen stehen. Für künftige PflichtschullehrerInnen dauert die Ausbildung somit fast doppelt so lange wie bisher.

Auf das Studium folgt, anstatt des bisherigen Unterrichtspraktikums, eine ein- bis zweijährige Berufseinführungsphase bei bereits bestehendem Dienstverhältnis. In dieser Zeit werden die jungen LehrerInnen von speziell ausgebildeten MentorInnen begleitet. Außerdem kann währenddessen das Masterstudium absolviert werden. Lisa Strasser, seit zwei Jahren Volksschullehrerin in Wien, ist skeptisch: „Mir fehlt jetzt schon die Zeit, um mich mehr vorzubereiten. Bei einem zusätzlichen Master leidet die Qualität hundertprozentig.“ Auch Maria Wörister, die an der Uni Wien Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert, ist davon überzeugt, dass die Qualität des Unterrichts durch die neue Ausbildung eher sinkt als steigt: „Die Erhöhung der Arbeitszeit bringt mit Sicherheit Verschlechterungen im Betreuungsverhältnis mit sich.“

Aufnahmeverfahren. Ab nächstem Wintersemester gibt es laut dem neuen Universitätsgesetz auch für das universitäre Lehramtsstudium ein Aufnahmeverfahren. Bisher war das nur an den Pädagogischen Hochschulen der Fall. Für das Wintersemester 2014/15 ist an der Uni Wien ein dreistufiges Prozedere vorgesehen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Selektion. Alle, die das ganze Verfahren durchlaufen, bekommen einen Studienplatz. Zuerst findet ein Online-Assessment statt, in dem die persönlichen Erwartungen und Interessen geklärt werden können, der Informationsstand zum Lehramt vertieft wird und die AnwärterInnen sich anhand psychologischer Tests mit ihrer persönlichen Eignung auseinandersetzen. Weiters wird es am 1. September einen schriftlichen Test über logisch schlussfolgerndes Denken, verbale und analytische Grundkompetenzen sowie Wissen über eine Sammlung einführender bildungswissenschaftlicher Texte geben. Alle BewerberInnen, die 30 Prozent der Punkte erreichen, werden automatisch zugelassen, die anderen werden zu einem Informations- und Beratungsgespräch eingeladen und erhalten eine Analyse ihrer Testergebnisse und Empfehlungen zum Studieneinstieg. Laut einem Newsletter des Rektorats der Uni Wien erwartet man sich davon, „dass die strukturierte Auseinandersetzung mit dem Studienwunsch und dem Berufsbild LehrerIn zu einer fundierten Studienwahl und einem besseren Studieneinstieg führt“. Das Vorsitzteam der ÖHBundesvertretung sieht das anders: „Die geplanten Aufnahmeprüfungen für alle PädagogInnen lehnen wir aufs Schärfste ab. Aufnahmeverfahren hindern vor allem finanziell schlechter gestellte Studierende am Studium. Die Universität Innsbruck plant sogar, rechtswidrige Gebühren für den Aufnahmetest zu verlangen. Zudem ist die Überprüfung der scheinbaren Eignung bereits vor Antritt des Studiums mehr als fragwürdig.“ Wie andere Universitäten das Aufnahmeverfahren im Detail gestalten wollen, ist noch nicht bekannt.

An den Studienplänen für das Lehramt NEU bastelt das Ministerium noch. Bis zum Wintersemester 2015/16 sollen sie fertig sein. Fachdidaktik, pädagogische Inhalte und Wahlfächer sollen ausgebaut werden, ebenso sollen mehr Praxisstunden an Schulen absolviert werden. Außerdem sind im Lehramt NEU Zeitfenster vorgesehen, die LehramtsstudentInnen anregen sollen, ins Ausland zu gehen und Erfahrungen für den Umgang mit immer multikulturelleren Klassen zu sammeln.

Lehramt neu denken. Eine Änderung des Curriculums wird von den Lehramtsstudierenden aber durchwegs positiv aufgenommen: „Pädagogik sollte viel praxisbezogener sein. Wie man mit SchülerInnen im Unterricht umgeht, muss viel ausführlicher besprochen werden. Und nicht zuletzt müsste man als StudentIn viel öfter und früher Unterrichtsstunden halten, um herauszufinden, ob der Beruf überhaupt für einen geeignet ist“, sagt Ulli Grill, die in Wien Mathematik und Darstellende Geometrie auf Lehramt studiert. Auch die PH-Studentin Julia Schmidt stimmt dem zu: „Das Wichtigste ist die Praxis. Davon haben wir auf der PH schon viel, aber es kann ruhig noch mehr sein. Vor allem in der AHS fehlt die Praxis.“ In ihrem bildungspolitischen Positionspapier Forum Hochschule sieht die ÖH-Bundesvertretung es als künftige Herausforderung der LehrerInnenausbildungen, die Stärken der praxisbezogenen PH- und der fachlich-wissenschaftlichen Uni-Ausbildung in einem gemeinsamen System zu vereinen.

Simon Weinberger ist Lehramtsstudent an der KFU Graz für die Fächer Physik und Geographie und kritisiert vor allem die inadäquate Behandlung der LehramtsstudentInnen an den Universitäten: „Oft sind die Lehrveranstaltungen für LehramtsstudentInnen nicht an ihren späteren Berufsweg angepasst. Aufgrund von Sparmaßnahmen haben wir oft die selben Lehrveranstaltungen wie jene Studierenden, die das Fach nicht auf Lehramt studieren. Das ist nicht förderlich.“

Während die Kritik am Dienstrecht überwiegt und sich kaum zustimmende Positionen unter den angehenden LehrerInnen finden, wird die neue Ausbildung differenzierter beurteilt: Moritz Deininger, der an der KFU Graz Englisch und Geschichte auf Lehramt studiert und sich auch in der Studienvertretung engagiert, spricht abschließend noch einen wichtigen Punkt an: das allgegenwärtige LehrerInnen-Bashing. „Was mich besonders nervt, ist der Reflex mich bereits jetzt für meinen zukünftigen Beruf rechtfertigen zu müssen. Die dienstrechtliche Debatte, zusammen mit der fragwürdigen Berichterstattung, hat da viel böses Blut gemacht und ich finde es unfair, dass wir angehenden Lehrenden das nun ausbaden können!“

 

Fragen und Antworten zum neuen Dienstrecht: http://bit.ly/1dSgbcu

Blog der Initiative für ein faires Dienstrecht für LehrerInnen: http://ifld-blog.at

 

Lisa Breit studiert Publizistik, Margot Landl Lehramt Deutsch und Geschichte sowie Politikwissenschaften an der Universität Wien.

AutorInnen: Lisa Breit, Margot Landl