„Mit ich trau’ mich nicht komm’ ich nicht weit“

  • 16.03.2015, 13:57

Die Wiener Rap- und Slamkünstlerin spielt nicht nur gerne mit Sprache, sondern auch mit Rollen. Je nach Lust und Laune tritt sie als kritische Yasmo oder glamouröse Miss Lead auf. „Kein Platz für Zweifel“ ist ihr aktuelles Album. Mit 15 stand sie zum ersten Mal auf der Bühne. Vier Jahre später slammte sich Yasmin Hafedh als erste Frau ins Finale der österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften. Im Interview mit progress diskutiert die 24-Jährige über Gleichberechtigung in einer Männerdomäne, Zweifel an der eigenen Karriere und die politische Dimension ihrer Musik.

Graz: Ein Glitzern im dunklen Treppenhaus der Jazzbar Stockwerk. Eine zierliche, junge Frau mit goldenem Haarschmuck steigt schwungvoll die Treppen hinauf. Yasmo? Nein, heute eindeutig Miss Lead! Die Wiener Rap- und Slamkünstlerin spielt nicht nur gerne mit Sprache, sondern auch mit Rollenklischees. Je nach Lust und Laune tritt sie als kritische Yasmo oder glamouröse Miss Lead auf. „Kein Platz für Zweifel“ ist ihr aktuelles Album.

Mit 15 stand sie zum ersten Mal auf der Bühne. Vier Jahre später slammte sich Yasmin Hafedh, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, als erste Frau ins Finale der österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften. Im Interview mit progress diskutiert die 24-Jährige über Gleichberechtigung in einer Männerdomäne, Zweifel an der eigenen Karriere und die politische Dimension ihrer Musik.

progress: In „Kein Platz für Zweifel“ singst du „mit ich trau’ mich nicht komm’ ich nicht weit“. Was ist die Intention dahinter?

Yasmo: Die Idee dahinter ist, Zweifeln und Unsicherheiten mit Dreistigkeit zu begegnen. Es soll ein Arschttritt sein, aber auch zeigen, dass Motivation und Mut zusammengehören. Mit dem Lied will ich dem berühmten „Nein, ich trau’ mich nicht“ entgegentreten.

Bei einem deiner ersten Hip-Hop Battles bist du nach fünf Minuten gegangen, weil du Angst bekommen hast. Wie hast du das Gefühl überwunden?

Mit 14 habe ich, inspiriert von Schiller, begonnen mit Sprache zu spielen und angefangen Rap zu hören. Bei meinem zweiten Hip-Hop Freestyle waren viele große Männer mit Kappen und breiten Schultern, die pure Aggression ausgestrahlt haben. Ich wollte mir das anschauen wie eine Museumsausstellung, bin aber gleich wieder gegangen. Beim Slam sind die Poeten nicht mit ausgestreckten Ellbogen unterwegs. Zu rappen habe ich später im kleinen Kreis begonnen, unter zehn Männern, die respektvoll waren und aus der linken Szene gekommen sind. Ich war immer die einzige Frau und alle anderen erwachsen. Das Rappen im geschützten Raum hat mir geholfen heute mit herausgestreckter Brust Hip-Hoppern zu sagen, dass ich ihr Dissen und Batteln einfach scheiße finde.

Wo und wie bist du als Frau in der Männerdomäne Hip-Hop auf Widerstand gestoßen?

Immer wieder sind kiffende Typen Backstage, die mich fragen wessen Freundin ich sei. Da antworte ich, dass ich die Headlinerin bin und denke mir nur: „Fick dich!“ Als mich ein Typ auf ein Getränk einladen wollte und ich ablehnte, sagte er: „Mädel, das ist ja schön und gut was du machst, aber Rap ist immer noch Männersache.“ Dieses Denken spiegelt sich in der Szene wieder. In Österreich gibt es nur drei bekannte Frauen, die rappen: Mieze Medusa, Nora MC und ich.

Foto: Andreas Eymannsberger

Gewisse Verhaltensweisen werden Frauen von klein auf anerzogen. War das in deiner Familie auch der Fall? 

Ich bin in einer fortschrittlichen Familie aufgewachsen. Meine Mutter war selbstständig und ist das, was man vermutlich unter einer „starken Frau“ versteht. Obwohl mein Papa in Indonesien, einem noch viel patriarchalischerem Land als Österreich, aufgewachsen ist, hat er wohl schnell gelernt, dass er auch kochen und putzen muss (lacht). Feminismus habe ich erst viel später von außen kennen gelernt. Ich habe mich ehrlich gesagt zuvor nie gewundert, warum so wenige Frauen auf der Bühne stehen.

Wie nimmst du feministische Bestrebungen in Österreich wahr?

In Österreich gibt es Feminismus, aber wie überall auf der Welt nur in kleinen Szenen. Gleichberechtigung fängt nicht mit 24 in einem Interview an, sondern bei der Erziehung. Von Anfang an wird man in eine Schublade gesteckt, in der man bleibt, bis man beginnt alleine zu denken und an der Uni „Gender Studies“-Vorlesungen besucht.

Du engagierst dich auch gegen Rechts, richtig?

Meine antifaschistische Einstellung äußert sich in meinen Texten und ich trete bei Soli-Konzerten auf. Ich gehe auf Demos und kann sagen, dass die Repression in Wien ein Wahnsinn ist. Die Wiener Bevölkerung zahlt ihre Steuern für die Hypo und die Polizei, der Rest von Österreich nur für die Hypo (lacht). Bedachter Protest und Widerstand sind unglaublich wichtig, aber es darf nicht zu einem plumpen Phrasengedresche werden. Demonstrieren ist ein politischer Akt, dabei muss man so handeln, wie man es von politischen Vertreter_innen erwartet.

Mal trittst du als politische, kritische Yasmo auf, dann wieder als arrogante, glamouröse Miss Lead. Woher kommen diese Rollen?

Generell schlüpft man die ganze Zeit in Rollen. Rede ich mit meiner Mama, bin ich in einer Rolle und rede ich mit dir, bin ich in einer Rolle. Alle zusammen machen einen wie Puzzleteile zu einem Ganzen. Bei Auftritten wechsel ich gerne zwischen beiden Charakteren, da kann es auch zu einem Outfitwechsel kommen.

Entscheidet man sich für diese Rollen immer selbst oder wird man teilweise hineingedrängt?

Ich lass mich nicht in eine Schublade stecken: Ich, Yasmin Hafedh, bin politisch, antisexistisch, ein bisschen links, nachdenkend und lese gerne Bücher. Das alles ist in Yasmo stark zu spüren. Ich bin aber auch hin und wieder grantig und will unhöflich sein. Dafür ist Miss Lead da. Außerdem ist diese Figur praktisch, wenn ich etwas Dummes anstelle. Ich kann ihr die Schuld daran geben (lacht).

In „Kunst y’all“ rappst du: „Frag nicht ob ich davon leben kann, ich leb’ dafür“ und, dass du „Kultur ohne Industrie“ leistest. Wie schiebt man seine Unsicherheiten beiseite um seine Träume zu verwirklichen?

Ich stecke viel Zeit in unbezahlte Kulturarbeit. Poetry Slam wird der „Untergrundkultur“ zugerechnet, weil man eben nicht im Burgtheater auftritt. Kunst ist aber etwas wert, weil ich für einen Auftritt meine Zeit hergebe. Das wird in Österreich leider oft vergessen. Zurzeit kann ich von meinem Traum leben, wenn es nicht mehr funktioniert, gehe ich halt kellnern. Es gibt einen Unterschied zwischen „einen Job machen“ und „einen Beruf haben“. Bei einem Beruf glaubt man, dafür berufen zu sein. Einen Traum kann man schwer halb leben. Neben einem 9-to-5-Job, den du für die Miete brauchst, ist es schwer, mitten in der Nacht Ideen aufzuschreiben.

 

 

Sara Noémie Plassnig studiert Journalismus und Public Relations an der FH JOANNEUM in Graz.

  

AutorInnen: Sara Noémie Plassnig