„Mawubuye umhlabawethu!”

  • 29.09.2012, 02:24

„Lasst uns unser Land zurückholen!” – Unter diesem Motto versucht eine Gruppe von knapp 400 Menschen im südafrikanischen Barberton an der Grenze zu Swaziland, das durch Kolonial- und Apartheidregierungen enteignete Land ihrer Vorfahren zurück zu holen.

„Lasst uns unser Land zurückholen!” – Unter diesem Motto versucht eine Gruppe von knapp 400 Menschen im südafrikanischen Barberton an der Grenze zu Swaziland, das durch Kolonial- und Apartheidregierungen enteignete Land ihrer Vorfahren zurück zu holen.

Land spielte in der Geschichte des südlichen Afrikas schon immer eine zentrale Rolle. Als fundamentale Ressource in der politischen Ökonomie, aber auch als kultureller Faktor, der komplexe historische Bedeutungen und Identitäten konstruiert(e) und reflektiert(e). Mit Ende der Apartheid 1994 waren rund 87 Prozent der Fläche in „weißer“ Hand. Die neue demokratische Regierung stand einer Herausforderung von politischer, ökonomischer, aber ebenso sozialer wie auch symbolischer Bedeutung gegenüber. Von sicheren Besitzverhältnissen über Landzugang von Landlosen und Frauen, bis hin zu kommerziell genutzter Landwirtschaft reichten die Anforderungen an die Landreform, die zugleich historische Wiedergutmachung und nationale Versöhnung vorantreiben sollte. Die von der Weltbank beeinflusste Strategie zur sozialen Transformation verfolgte das Ziel 30 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche innerhalb der ersten fünf Jahre an die ehemals benachteiligten Gruppen umzuverteilen. Mit einem Drei-Säulen-Modell der Restitution, Redistribution und Bodenrechtsreform versuchte nun die Regierung die historisch gewachsenen Ungleichheiten zu beheben.

Kaufwillig. Welche Ergebnisse kann man nun 13 Jahre nach Implementierung dieses Modells festhalten und schafft das Programm eine effektive und nachhaltige Transformation der sozioökonomischen Verhältnisse marginalisierter Bevölkerungsgruppen? Die südafrikanische Regierung wählte den neoliberalen Ansatz des „willing buyer, willing seller“, um die soziale und ökonomische Transformation voran zu treiben. Dieser geht davon aus, dass der freie Markt selbst den besten Regelungs- und Umverteilungsmechanismus darstellt. Der Landmarkt ist aber kein apolitischer und ahistorischer Raum, sondern gemeinsam mit Nachfrage und Angebot das Ergebnis historisch sozialer Konstruktionen. Durch das Restitutionsprogramm soll Land, welches mit der Implementierung des Gesetzes zur Schaffung von Reservaten im Jahr 1913 enteignet wurde, an die rechtmäßigen BesitzerInnen zurückgegeben werden. Zu diesem Zweck kauft der Staat selbst teilweise Land auf dem freien Markt. Daneben gibt es aber auch staatliche Zuschüsse, um Land über die Redistribution an ehemals benachteiligte Gruppen zu verteilen. Da diese jedoch bescheiden ausfallen, bedarf es des Zusammenschlusses vieler Menschen, um Land um den verhältnismäßig hohen Marktpreis überhaupt kaufen zu können. Wie Untersuchungen auf Weinfarmen rund um Kapstadt sowie diversen anderen sozioökonomischen Entitäten im Osten des Landes zeigen, kommt es nach dem Landtransfer vermehrt zu Schwierigkeiten in Bereichen der rechtlichen Besitztitel sowie zur Fortsetzung ökonomischer und diskursiver Abhängigkeitsverhältnisse. Wurde zum Beispiel kommerziell genutztes Land an FarmarbeiterInnen übertragen und Partizipationsprojekte eingerichtet, wie es u.a. auf einigen Weinfarmen der Fall war, stellt sich meistens auf Grund des Fehlens ökonomischen Kapitals und grundlegender Produktionsmittel eine Situation ein, die durch die weiterhin notwendige Lohnarbeit jener neuen LandbesitzerInnen in den „Mutterbetrieben“, gar zu einem verstärkten Abhängigkeitsverhältnis führt. Daneben haben sich auf Farmen oft auch paternalistische Dependenzen, d.h. komplexe asymmetrische Machtbeziehungen zwischen meist männlichen Farmern und ihren ArbeiterInnen, festgeschrieben.

Farm-Management. Neben den durch das wirtschaftsliberale Modell limitierten staatlichen Interventionsmöglichkeiten ergeben sich in Folge auch Schwierigkeiten bei der Nutzung und Aufrechterhaltung agrarischer Produktion sowie der generellen Sicherstellung und Errichtung rudimentärer Infrastruktur, wie z. B. Wasser und Kanalisation. Trotz der offiziellen Maxime eines deregulierten Marktes bedarf es direkter Eingriffe des Staates in Produktion und Vertrieb, um die Nahrungssicherheit für das südliche Afrika auch in Zukunft zu gewährleisten. Daher liegt das Hauptaugenmerk seit einiger Zeit auf Ausbildung und Training von FarmarbeiterInnen, weil es ihnen grundsätzlich an Management-Wissen fehlt. Kommerzielle Farmen sollen dann nach der Umverteilung nicht mehr zu reinen Wohnsiedlungen verkommen. Ob diese Maßnahmen zur Aufrechterhaltung landwirtschaftlicher Produktion beitragen, oder doch zu einer ähnlich chaotischen Situation wie in Simbabwe führen, werden wohl erst die nächsten Jahre zeigen.

Rechtsunsicherheit. Die Organisationsform des neu erworbenen Landes kann grundsätzlich von den NutznießerInnen selbst entschieden werden. Neben herkömmlicher Wohn- und Subsistenznutzung sowie kommerzieller Landwirtschaft werden auch traditionelle Autoritäten und Institutionen vermehrt zur Verwaltung dieser Gebiete eingesetzt. Sie repräsentieren vor allem Fragen der Zugehörigkeit und Identität sowie die Durchsetzung lokaler Autonomie gegen die globalisierenden und modernisierenden Bestrebungen des Staates. Problematisch sind diesem Kontext Tendenzen zur weitgehenden Isolation dieser Entitäten, weil Theorie und Praxis menschenrechtlicher Aspekte oft weit auseinander klaffen und insbesondere Landrechte von Frauen und Jüngeren teilweise beschnitten werden. Im Hinblick auf rechtliche Besitztitel reproduziert die südafrikanische Landreform hier eine Problematik der Rechtsunsicherheit, die seit der Etablierung der Reservate zu teilweise chaotischen Systemen der Landvergabe führte. Diesen BewohnerInnen sowie ArbeiterInnen auf kommerziellen Farmen sollen durch die Bodenrechtsreform eine Anerkennung ihrer Besitz- und Nutzungsrechte garantiert werden. Bis dato wurden jedoch nur marginale Erfolge erzielt und die Situation, vor allem von Frauen, bleibt prekär. Sie unterliegen nach wie vor einer multidimensionalen Unterdrückung aus Rassismen und Sexismen kapitalistisch-patriarchaler Gesellschaftsstrukturen. Bis zum Jahr 1999 wurde lediglich ein Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche Südafrikas mit Hilfe der Landreform transferiert. Anfang 2005 waren es immerhin vier Prozent. Das neue Ziel zur Erreichung der 30 Prozent Quote und somit der Armutsbekämpfung, sozialen Durchlässigkeit und Gendergerechtigkeit, ist auf das Jahr 2015 verschoben worden. Ob dies erreicht werden kann, hängt zu einem beträchtlichen Teil von den Möglichkeiten der Partizipation und Selbstbestimmung aller benachteiligten Gruppen in Südafrika ab.

Severin Lenart studiert Kultur- und Sozialanthropologie in Wien.

AutorInnen: Severin Lenart