Studienbeihilfe

Studienbeihilfe – mehr für dich!

  • 11.10.2017, 17:37
Im Juni 2017 wurde im Nationalrat das Gesetz zur Studienförderung, dass z.B. die Studienbeihilfe regelt, novelliert. Was hat sich da genau geändert und was bedeutet das konkret für Dich?

Nach österreichischem Recht sind die Eltern von Studierenden verpflichtet, für den finanziellen Bedarf ihrer Kinder bis zur Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit aufzukommen. Dazu zählt auch der Abschluss eines zielstrebig betriebenen Studiums. Nur wenn die Eltern oder die_der Studierende selbst nicht in der Lage sind, aus eigenen Mitteln die mit einem Studium verbundenen Kosten zu tragen, soll die Studienförderung eingreifen.

So zumindest in der Theorie. In der Praxis wurde die Studienbeihilfe seit 1999 nicht mehr inflationsangepasst, viel zu wenige Studierende, die bedürftig wären, können sie nicht beziehen, da zu wenig Geld da ist und und und. Es stehen schlicht zu wenig finanzielle Mittel zur Verfügung, um allen Studierenden, die es brauchen würden, finanziell unter die Arme greifen zu können. Und dass der Bedarf besteht, ist unbestreitbar: Unzählige Studien, wie z.B. die Studierendensozialerhebung des Institut für Höhere Studien (IHS), beweisen immer wieder, dass der Großteil der Studierenden nebenher arbeiten muss, um sich eine Wohnung, Essen, studienrelevante Dinge (wie Bücher, Materialien, etc.) oder öffentliche Verkehrsmittel leisten zu können.

Nun wurde im Frühjahr 2017 nach jahrelangem Stillstand in diesem Bereich im Nationalrat endlich eine Erhöhung der Studienbeihilfe und eine Ausweitung des Bezieher_innenkreises beschlossen. Grundsätzlich gibt es vier große Änderungen, die den Studierenden zugutekommen sollen.
(1) Die Höchststudienbeihilfe wurde angehoben! Das bedeutet, jeden Monat (zumindest ein bisschen) mehr Geld pro Person.

(2) Die sogenannte Auswärtigkeit wird nun neu geregelt. Grundsätzlich geht es hier darum, dass Studierende, die weit weg von ihrem Heimatort/ihren Eltern studieren, mehr Geld bekommen, da sie sich eine eigene Wohnung finanzieren müssen. Die Stipendienstelle berechnet hier anhand der Verkehrsdaten, deinem Heimatort, deiner Wohnadresse etc. die möglichen Verkehrswege. Belaufen sich die auf über eine Stunde Wegzeit, giltst du als auswärtig.

(3) Bist du über 24 Jahre alt, erhältst du von nun an auch die höhere Höchststudienbeihilfe von 715€ statt wie bisher die niedrigere von 479€

(4) Die Änderung, die viel mehr Studierenden erlauben wird, überhaupt Studienbeihilfe beziehen zu können, betrifft die zumutbare Unterhaltsleistung der Eltern. Hier wird die Bemessungsgrundlage geändert. Bisher war es z.B. so, dass die zumutbare Unterhaltsleistung der Eltern ab einem Jahreseinkommen von 4.725€ bereits 10% betragen hat. Mit der Änderung gilt dies z.B. erst ab einem Jahreseinkommen von 11.273€, was gerade Studierende, deren Eltern im Niedriglohnsektor arbeiten, stark entlasten kann. (Mehr Infos zur Berechnung findest du in der Sozialbroschüre der ÖH Bundesvertretung auf www.oeh.ac.at/downloads)

Grundsätzlich bedeutet das also, dass nun nicht nur jene, die ohnehin schon Studienbeihilfe beziehen können, mehr bekommen werden, sondern, dass auch viel mehr Studierende überhaupt den Anspruch besitzen. Deswegen solltest du unbedingt einen Antrag auf Studienbeihilfe stellen - auch mit 70€ pro Monat ließe sich schließlich was anfangen!

Unter www.stipendienrechner.at, einem Service der AK OÖ und der ÖH, kannst du dir ausrechnen, wieviel Studienbeihilfe du bekommen würdest. Du solltest jedoch unabhängig vom dortigen Resultat unbedingt einen Antrag stellen. Das Ergebnis des Rechners kann nämlich vom tatsächlichen Betrag abweichen.

Dora Jandl, Bildungswissenschaften, Uni Wien (Sozialreferentin BV)

Die kommenden Herausforderungen der ÖH

  • 12.05.2017, 22:26
Alle zwei Jahre wählen Österreichs Studierende ihre Vertretung, seit 2015 wird auch die Bundesvertretung wieder direkt gewählt. Welche Probleme und Herausforderungen werden sich der künftigen ÖH-Spitze stellen und wie wollen die Fraktionen damit umgehen?

Alle zwei Jahre wählen Österreichs Studierende ihre Vertretung, seit 2015 wird auch die Bundesvertretung wieder direkt gewählt. Welche Probleme und Herausforderungen werden sich der künftigen ÖH-Spitze stellen und wie wollen die Fraktionen damit umgehen?

In den letzten Jahren haben sich große Demonstrationen oder Aktionen zum Thema österreichische Bildungspolitik rar gemacht. Das heißt aber leider nicht, dass sich die Situation an den Hochschulen entspannt hätte – es haben nur alle gelernt, damit zu leben. Maßnahmen wie die Studieneingangs- und Orientierungsphase (StEOP), gegen deren Einführung 2009 noch heftig protestiert wurde, sind heute für Studienanfänger_innen Normalität geworden, die nicht unbedingt hinterfragt wird.

STUDIENPLATZFINANZIERUNG. Mit der sogenannten „Studienplatzfi nanzierung“ will die Regierung die Unis fi nanziell entlasten. Seit das Regierungsprogramm eine Überarbeitung erfahren hat, ist fi x, dass berechnet werden soll, wie viel ein Studienplatz kostet. Danach soll dann auch entschieden werden, nach welchem Schlüssel die Unis Geld für eben jene Studienplätze bekommen sollen. Vermutlich werden dabei genau so viele „Studienplätze“ herauskommen, wie Budget da ist. Sprich: Flächendeckende Zugangsbeschränkungen und die Reduktion von Studierendenzahlen sollen die Unis „entlasten“. Da die Details noch nicht ausgehandelt sind, hat die zukünftige Bundesvertretungsspitze einige Einfl ussmöglichkeiten. Ob die ÖH allerdings viel verhandeln können wird, ist fraglich. Die meisten Fraktionen lehnen flächendeckende Zugangsbeschränkungen ab. Sowohl Grüne und Alternative Studierende (GRAS), der Verband sozialistischer Student_innen Österreichs (VSStÖ), die Fachschaftslisten (FLÖ) und die beiden kommunistischen Listen KSV-KJÖ und KSV-LiLi fordern stattdessen einen off enen Hochschulzugang, der staatlich fi nanziert werden soll. Die AktionsGemeinschaft (AG) begrüßte die „kapazitätsorientierte Studienplatzfi nanzierung“, lehnt Studiengebühren jedoch ab – Zugangsbeschränkungen nennt die AG „Zugangsmanagement“ und fordert „faire und transparente Aufnahmetests“. Die Jungen Liberalen Studierenden (JUNOS) hingegen sind begeistert von den Ideen des sozialdemokratischen Kanzlers: „Christian Kern setzt mit der Studienplatzfi nanzierung erste richtige Schritte in Richtung fairer Zugangsbeschränkungen.“ Die Fraktion fordert „nachgelagerte Studiengebühren“ in der Höhe von bis zu 500 Euro im Semester, die nach dem Studium bezahlt werden sollen. Der RFS will ausländischen Studierenden nur dann einen Studienplatz gönnen, wenn sie in ihrem Herkunftsland ebenfalls einen vorweisen können, was für Drittstaatenangehörige allerdings bereits Realität ist.

UNIS UND ANDERE HOCHSCHULEN. Seit der letzten Wahl 2015 sind alle Studierenden von Universitäten, Privatunis, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen Mitglieder der ÖH. Rechtlich gesehen sind sie aber nicht gleichgestellt, da sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen je nach Hochschultyp stark unterscheiden. Während die Regierung keine Pläne hat, einen einheitlichen Hochschulraum zu schaff en, sehen die Listen, die sich zur ÖH-Wahl stellen, das anders. Die GRAS schreibt zum Beispiel: „Das Problem liegt vor allem in den rechtlichen Grundlagen: Welche Rechte Student_innen haben, ob und wenn ja wo sie diese einfordern können, hängt maßgeblich vom Hochschulsektor ab. Bei einem einheitlichen Hochschulraum wären auch Wechsel zwischen den Sektoren wesentlich einfacher und unbürokratischer möglich“, und fasst damit die Meinung fast aller Fraktionen zusammen. Der KSV-KJÖ stellt die Privatuniversitäten jedoch in Frage, „denn von kritischer Lehre und Bildung kann dort nicht die Rede sein“. Der KSV-LiLi will sie nicht weiterhin öff entlich bezuschussen lassen. Die FLÖ betont, „Österreich braucht keinen einheitlichen Hochschulraum, aber ein klares bundesweites Studienrecht für alle Studierenden“. Auch die AG begrüßt den Status quo: „Eine Trennung ist durchaus sinnvoll, da so eine Vielfalt von ‚Systemen‘ erhalten bleibt und man für sich selbst entscheiden kann, welches für einen selbst das beste ist.“

SOZIALE LAGE. Die letzte Studierenden-Sozialerhebung zeigte: Obwohl 61 Prozent der Studierenden erwerbstätig sind, ist über ein Viertel von starken fi nanziellen Schwierigkeiten betroff en. Von der Familie wird nur ein Drittel fi nanziert – somit bleibt die staatliche Studienbeihilfe die wichtigste Unterstützung für Studierende. Erfolgreich ist sie auch: Die Studienabschlussquote ist bei jenen Studis, die eine Beihilfe beziehen, doppelt so hoch wie bei anderen. Die Beträge sind jedoch niedrig und der Kreis der potentiellen Bezieher_innen ist klein. So wundert es wenig, dass auch hier sämtliche Fraktionen Erhöhungen und Änderungen fordern. Dass die Studienbeihilfe seit 1999 nicht mehr an die Infl ation angepasst wurde, ärgert die wahlwerbenden Gruppen ebenso wie die diversen Altersgrenzen, die spätentschlossenen Studierenden das Leben schwer machen. Wie die Beihilfen künftig aussehen sollen, darüber sind die Fraktionen sich jedoch nicht eins: Während JUNOS mehr „Leistungsstipendien“ fordern, will die GRAS ein „existenzsicherndes Grundstipendium von 844 Euro im Monat für alle Student_innen“, der KSV-KJÖ sieht soziale Absicherung nur im Sozialismus als möglich an, FLÖ und AG wollen zusätzlich eine Aufstockung verschiedener Sachleistungen.

MOBILITÄT. In einem Thema sind sich alle Fraktionen, die in die Bundesvertretung wollen, einig: Sie fordern alle ein österreichweit gültiges günstiges Studiticket. Über diese Forderung – und darüber, dass der öff entliche Verkehr für Studierende in anderen europäischen Ländern gratis ist – haben wir in der letzten progress-Ausgabe ausführlich berichtet („Sparschiene“, S. 8). Eine andere Art der Mobilität ist jene zwischen den Hochschulen, sowohl in Österreich als auch im europäischen Hochschulraum. Mit einem FH-Bachelor einen Uni-Master zu belegen ist in der Praxis oft ein sehr steiniger Weg mit vielen Behördengängen. Sowohl VSStÖ als auch JUNOS schlagen deswegen die Schaff ung einer Informationsquelle vor, in der mögliche Anrechnungen und weiterführende Studien dokumentiert werden, die GRAS will diese Frage europaweit geklärt wissen. Bis auf eine Fraktion sind sich alle einig, dass das Bologna-System nicht durchlässig genug ist. Der KSV-KJÖ möchte das System dagegen abschaff en und zurück zu den Diplomstudien. Der KSV-LiLi möchte die Marktlogik des Bologna-Systems bekämpfen und so für mehr Mobilität sorgen.

BARRIEREN. Für eine ganze Reihe Studierender ist der Studienalltag von Barrieren geprägt. Diese können im Falle körperlicher Beeinträchtigungen ganz einfach baulicher Natur sein, andere Barrieren sind nicht so off ensichtlich. Alle Fraktionen begrüßen einen barrierefreien Ausbau der Infrastruktur, in den Details unterscheiden sich die Zugänge jedoch. Der KSV-LiLi sieht Nachholbedarf bei der Barrierefreiheit: „Während in anderen Ländern versucht wird, allen Menschen das Studieren zu ermöglichen, fangen österreichische Hochschulen gerade mal damit an, Aufzüge oder Rampen zu installieren.“ Die FLÖ hingegen ortet vor allem Mangel bei der Beratung und sieht auch die ÖH im Zugzwang: „Die ÖH kann sich dafür einsetzen, mehr Beratungen anzubieten und Anlaufstellen einzurichten.“ VSStÖ und GRAS erinnern daran, dass auch psychische Krankheiten wie Depressionen berücksichtigt werden müssen und fordern alternative Lern- und Prüfungsmodalitäten wie Online-Vorlesungen. Ebenfalls größtenteils unsichtbare Barrieren stellen sich für LGBTIQ-Studierende, vor allem für Trans- oder Inter-Studierende, deren Geschlecht nicht mit der Geschlechtsangabe in ihrem Pass übereinstimmt. Die Initiative #NaGeH fordert, dass Unis künftig unbürokratisch Vornamen und Geschlechtseintrag von inter*, trans und nichtbinären Menschen ändert. Diese Forderungen werden von den meisten Fraktionen geteilt, einzig die FPÖ-Vorläuferorganisation RFS äußert sich auf ihrer Homepage verächtlich über LGBTIQ-Studierende. Binäre Toiletten – also solche, die nach dem klassischen „Mann/Frau“-Schema aufgeteilt sind, nennt der RFS zwar „Unfug“, scheint sich der Bedeutung dieser Aussage jedoch nicht bewusst zu sein. Die AG hat sich nicht zu den Forderungen von #NaGeH geäußert, sieht die ÖH jedoch als zuständige Organisation, bei der sich Studierende bei Diskriminierungen melden könnten.

BILDUNG. Studierende und Hochschule sind nur der letzte Teil der Pipeline des österreichischen Bildungsystems und viele Probleme entstehen an anderer Stelle. Es ist daher wichtig, dass die ÖH einen genauen Blick auf die Reformen im Bildungsystem wirft – alleine schon deswegen, weil sie ja auch die zukünftigen Lehrer_innen vertritt, die momentan studieren. Zu der Frage, wie das Bildungssystem insgesamt organisiert werden soll, halten sich die Fraktionen eher bedeckt – die GRAS fordert aber z. B. die Einführung der Gesamtschule, der KSV-KJÖ will die Schulen demokratisieren. Schüler_innen sollten, da sind sich die Fraktionen einig, besser auf ein Hochschulstudium vorbereitet werden. Die JUNOS sagen dazu: „Der Wert der Bildung muss früh im Schulsystem vermittelt werden“, GRAS, VSStÖ, FLÖ und AG fordern mehr Informationen – das Referat für Maturant_ innenberatung der Bundesvertretung muss sich um seinen Fortbestand also keine Sorgen machen. GRAS und VSStÖ fordern zusätzlich ein Vorstudium, bei dem Fächer ausgetestet werden können, die AG einen freiwilligen Selbsteinstufungstest.

MAHLZEIT. Während in vielen Ländern das Essen in der Mensa zum Studierendenalltag gehört, ist das Angebot in Österreich dürftig und dazu noch recht teuer. Die AG nähert sich hier grünen Positionen an und fordert regionale Speisen. Vegetarische Optionen sind GRAS und KSV-KJÖ wichtig, die JUNOS wollen, dass das Mensapickerl auch bei privaten Gaststätten als Vergünstigung gilt, während der KSV-LiLi ein Problem mit Mensen als Privatunternehmen hat. FLÖ und VSStÖ fordern zusätzlich offene Küchen, in denen Studierende selbstständig kochen können.

ZUSAMMENGEFASST: Die Antworten auf die zukünftigen Fragen der ÖH unterscheiden sich nicht so sehr, wie man es zunächst vielleicht annehmen würde, gerade beim off enen Hochschulzugang jedoch gewaltig. Die Fraktionen haben nicht nur unterschiedliche Zugänge zu Themen, sondern auch zu der Art und Weise, wie sie als ÖH arbeiten wollen. Für Wähler_innen, die bisher wenig Kontakt mit der ÖH hatten, ist dies jedoch schwierig herauszuschälen. Es empfiehlt sich daher, sich umfassend zu informieren, bevor eins zwischen dem 16. und 18. Mai seine Stimme verteilt.

Redaktioneller Hinweis: Die Positionen der Fraktionen wurden mit einem Fragebogen und den jeweiligen Webseiten erarbeitet.

Joël Adami studiert Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien.

Land der Papierberge

  • 24.06.2015, 13:51

Die Studienjahre sind angeblich die schönste Zeit des Lebens. Doch wenn Geld für die Miete fehlt, bleibt wenig Zeit zum Nietzsche-Lesen oder Bier-Pong-Spielen. Viele sind daher auf Studienbeihilfe angewiesen – Garantie gibt es keine. Über ein System, das in seinem Regelwerk zu ersticken droht.

Die Studienjahre sind angeblich die schönste Zeit des Lebens. Doch wenn Geld für die Miete fehlt, bleibt wenig Zeit zum Nietzsche-Lesen oder Bier-Pong-Spielen. Viele sind daher auf Studienbeihilfe angewiesen – Garantie gibt es keine. Über ein System, das in seinem Regelwerk zu ersticken droht.

Zwischen 350 und 450 Euro kostet ein Zimmer
in Wien, das heute unter die Bezeichnung „Normalpreis“ fällt. Nach oben hin sind keine Grenzen gesetzt. Ungefähr 15 bis 25 Quadratmeter Wohnraum hat man dann ganz für sich. Der Rest, also Bad, Toilette und Küche, wird geteilt – mindestens mit einer weiteren Person. 475 Euro beträgt der Maximalbetrag an Studienbeihilfe für Studierende, die nicht am Wohnort ihrer Eltern leben. Daraus ergibt sich eine einfache Rechnung: In einem Monat mit günstigstem Mietpreis und höchster Studienbeihilfe bleiben dann bestenfalls 125 Euro zum Leben. Skripten, Nahrungsmittel, Semesterticket sind da noch zu bezahlen. Auch mit einem Platz im Studierendenheim um etwa 300 Euro wäre ein Studileben so nicht finanzierbar. Und dabei ist den Höchstbetrag an Beihilfe zu erhalten eher Wunschtraum als Realität.

Von Seiten der Stipendienstelle heißt es dazu, dass die Studienbeihilfe keine Finanzierung des Studiums sei, sondern eine Unterstützung, die dazu beitragen solle, den Lebensunterhalt zu sichern. 2013/14 reichten 60.658, also 16 Prozent aller Studierenden, einen Beihilfeantrag ein. Für junge Menschen, die am Wohnort der Eltern studieren, beträgt die Höchststudienbeihilfe 424 Euro im Monat. Studierende, die nicht am Wohnort der Eltern studieren, Vollwaisen, verheiratete oder verpartnerte Studierende, Studierende mit Kind und Studierende, die sich vor Studienbeginn vier Jahre selbst erhalten haben, bekommen höchstens 606 Euro. Davon wird allerdings noch die Familienbeihilfe abgerechnet, wenn sie bezogen wird. Auch abgezogen werden die „zumutbaren Unterhaltsleistungen“ der Eltern oder (Ehe-)Partner_innen beziehungsweise die Alimentenansprüche. Studierende mit erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen bekommen einen Zuschlag, ebenso wie Studierende mit Kind, wenn sie die Sorgepflicht haben. Dieser Betrag wird dann um zwölf Prozent erhöht, um die Höhe der Studienbeihilfe zu errechnen. Die Höchststudienbeihilfe beträgt real entweder 475 oder 679 Euro. Im Jahr 2013/14 haben 6,4 Prozent der Studierenden diese erhalten.

Foto: Alexander Gotter

RECHTSANSPRUCH MACHT NICHT SATT. Doch selbst von einem Mindestmaß an Beihilfe können manche Studierende nur träumen. So auch Julian Hofmayr: Der 23-Jährige studiert Biologie im achten Semester und hat in seinem ersten Semester Studienbeihilfe beantragt. Bekommen hat er nichts, nur einen Brief mit der Information, dass Beihilfen unter fünf Euro nicht ausgezahlt werden. Damals war er verzweifelt: „Ich habe angesucht und bin davon ausgegangen, dass ich aufgrund der gesamten Situation Beihilfe bekomme. Vor allem, weil der Studienbeihilfenrechner im Internet angezeigt hat, dass ich Anspruch auf ein paar hundert Euro hätte.“ Er rief bei der Stipendienstelle an und es wurde ihm gesagt, sein Vater würde zu viel verdienen, wenn auch nur sehr knapp, 20 Euro nämlich. Julians Eltern leben getrennt. Von seinem Vater bekommt er 450 Euro Alimente, damals, im ersten Semes
ter, waren es 400. Für ihn ist die Berechnung der Stipendienstelle nicht nachvollziehbar: „Es zählte im Grunde das Einkommen meines Vaters. Dass meine Mutter kein Einkommen hat, wurde nicht berücksichtigt. Ich hab’ es aber nicht noch einmal versucht, weil mir klar zu verstehen gegeben wurde, dass ich einfach nichts bekomme.“

Julian jobbt daher im Bauhaus, um über die Runden zu kommen. Seine Situation ist keine Ausnahme. Die gerichtlich festgesetzten Alimente werden von der Höchststudienbeihilfe abgezogen. Auch die Familienbeihilfe, die Julians Mutter für ihn bezieht, wird abgezogen. Von den 606 Euro, die ihm zustehen würden, bleibt dann nicht mehr viel übrig. Die Hälfte der Familienbeihilfe überlässt er ohnehin seiner Mutter. Doch selbst wenn er die Familienbeihilfe und Alimente zur Gänze bekommen würde, 600 Euro würden nicht zum Leben reichen.
Suzana Stojanovic vom Sozialreferat der ÖH-Bundesvertretung weiß, dass sogenannte Scheidungskinder bei der Studienbeihilfe oft leer ausgehen. Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil, in den meisten Fällen der Vater, die Alimente nicht zahlt, bleibt den Studierenden tatsächlich keine andere Möglichkeit, als den eigenen Vater zu klagen.

STUDIENEINGANGSKLAGE. Dass Eltern die gesetzlich vorgesehene Unterstützung, den Unterhalt, verweigern, trifft aber nicht nur Studierende mit getrennten Eltern. Ob Eltern das Studium ihrer Kinder unterstützen, hängt nicht nur vom Einkommen ab, sondern auch davon, welche Einstellung zum Studium und welche Beziehung sie zu den Kindern haben. Während manche Eltern gar nichts zahlen, finanzieren andere Eltern über den Pflicht- unterhalt hinaus die gesamten Lebenskosten ihrer studierenden Kinder. Wenn die Eltern genug verdienen, aber das Studium ihres Kindes nicht unterstützen wollen, bleibt der Gang zum Gericht der einzige Ausweg. Das ist natürlich für viele undenkbar, daher verzichten viele Studierende lieber auf ihren gesetzlichen Anspruch und darauf, ihre eigenen Eltern zu klagen, und finanzieren sich – ohne Studienbeihilfe – das gesamte Studium selbst. Oft fällt dann sogar die Familienbeihilfe weg, weil sie von den Eltern bezogen wird. „Mit 18 Jahren ist man volljährig“, sagt Stojanovic, daher sei es absurd, als Studierende_r noch von der Willkür der Eltern abhängig zu sein.
Aus diesen Gründen sieht zum Beispiel die Österreichische Hochschüler_innenschaft (ÖH) ein Problem darin, dass die Studienbeihilfe an das Einkommen der Eltern gekoppelt ist. Die ÖH fordert auch die Anpassung der Studienbeihilfe an die Mindestsicherung. Diese wird jährlich der Inflation angeglichen und beträgt heuer 828 Euro im Monat (Zum Vergleich: Die Armutsgrenze liegt bei 1.104 Euro monatlich.), während die Studienbeihilfe nur alle paar Jahre angepasst wird, zuletzt 2007. Sie macht nur wenig mehr als die Hälfte der Mindestsicherung aus. „Das Gesetz erkennt bei der Mindestsicherung an, dass ein Mensch 828 Euro zum Leben braucht und Studierende bekommen höchstens 475 Euro. Das ist ein Widerspruch in sich“, meint Stojanovic.

STEMPELKISSENWEITSPRINGEN. Zahlreiche Undurchsichtigkeiten, die die Zuteilung und das Ausmaß der Unterstützung betreffen, begleiten den Weg durch das bürokratische Wirrwarr. Die 21-jährige Helene Friedinger meint: „Nur mit der Studienbeihilfe würde ich nicht über die Runden kommen. Deswegen muss ich nebenbei auch noch arbeiten.“ Sie studiert im sechsten Semester Musikwissenschaften an der Universität Wien. Seit vier Semestern ist sie nun auch für Bildungswissenschaften inskribiert. Studienbeihilfe bezieht sie nun für Letzteres, seitdem sie nach zwei Semestern ihre Beihilfe von Musik- auf Bildungswissenschaften ummelden hat lassen – pünktlich im befristeten Zeitraum bis Mitte Dezember des begonnenen dritten Semesters. Danach erhielt sie um 30 Euro im Monat mehr an Beihilfe, obwohl die Höhe der Förderung eigentlich immer zu Beginn des Wintersemesters neu berechnet wird und die Wahl des Studiums mit der Beihilfenhöhe eigentlich nicht zusammenhängt, wie die Stipendienstelle progress mitteilte. Dennoch erhält Helene seit ihrem „Wechsel“ also ganze 360 Euro mehr im Jahr, ohne dass sich außer einer Zeile in einem Formular irgendetwas geändert hätte.

Foto: Alexander Gotter

Der Kalender der 21-Jährigen ist voll: Uhrzeiten über Uhrzeiten, in vielen verschiedenen Farben markiert, reihen sich aneinander. Termine für Seminare, Vorlesungen, Gruppentreffen, abzugebende Haus- und Seminararbeiten – multipliziert mit dem Faktor zwei: für ihre beiden Studienfächer natürlich. Daneben bleibt wenig Zeit für anderes. Doch diese übrige Zeit muss die Studentin nutzen, um ihre Lebensgrundlage zu sichern: 35 bis 40 Stunden im Monat arbeitet sie als persönliche Assistentin, nebenbei noch etwa vier Stunden pro Woche als Babysitterin. Das ist der Preis, den es zu zahlen gilt, wenn das Interesse über mehr als eine Studienrichtung hinausgeht.

Denn gerade für Studierende mit Doppelstudium wird es nach Abschluss des Bachelors für den Erhalt der Studienbeihilfe schnell kompliziert: Zwischen Ende des Bachelors und dem Beginn des Masterstudiums dürfen nämlich nur 30 Monate liegen. „Die Gesetzgeberin will damit erreichen, dass nur Studierende mit Studienbeihilfe gefördert werden, die das weiterführende Studium auch rasch und zielstrebig aufnehmen“, erklärt die Stipendienstelle auf Nachfrage. Verlängert werden diese Fristen nur in Ausnahmefällen, etwa aufgrund eines Auslandssemesters, einer Schwangerschaft oder des Zivildienstes. Problematisch wird ein solcher Stichtag aber vor allem bei Studierenden mit zwei Studienfächern, die für das eine Studium Beihilfe beziehen und nach dessen Abschluss erst das zweite beenden. Bis das Masterstudium begonnen werden kann, sind 30 Monate dann oft schon vorbei – und damit der Anspruch auf Unterstützung. Da laut der Studierendensozialerhebung von 2011 über 60 Prozent der Studierenden arbeiten, kommen diese unter Zeitdruck. Denn jede_r Zehnte gab an, über 35 Stunden pro Woche erwerbstätig zu sein – ein Umstand, der zu einer erheblichen Studienzeitverlängerung führt. Zusätzlich kann in dieser Zeit auch die Bereitschaft, ein neues Studium mit all dem einhergehenden bürokratischen Ballast anzufangen, sinken.

Die Regelungen des Beihilfensystems gehen also an der studentischen Lebensrealität komplett vorbei. Der Leistungsdruck an den Universitäten steigt und ein Studium in Mindeststudienzeit ist – auch ohne Nebenjob – kaum noch zu schaffen. Für den Bezug der Beihilfe wird aber ein positiver Studienerfolg von 30 ECTS im ersten Jahr erwartet. Gerade weil die Beihilfe den Lebensunterhalt nicht sichert und viele Studierende arbeiten gehen müssen, ist sie als fehlgeschlagene Maßnahme zu beurteilen.

GEHEIMGÄNGE. Besonders schwer haben es ausländische Studierende bei der Beantragung von Studienbeihilfe. Auch die Studienbeihilfenbehörde selbst kann dazu keine genauen Auskünfte geben. Gilbert Gmoyen vom ÖH-Referat für ausländische Studierende der TU Wien erzählt: „Die Beratung wird immer schwieriger, weil sich die gesetzlichen Regelungen ständig ändern und nie klar ist, was der aktuelle Stand ist.“ Selbst von der Stipendienstelle Wien bekommt progress die Antwort, dass zur Anspruchsberechtigung ausländischer Studierender keine Auskünfte erteilt werden könnten, weil die jetzigen Regelungen vermutlich bis zur kommenden Antragsfrist im Herbst nicht mehr aktuell sein würden. Studierende aus dem Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Beihilfe, eingeschränkt gelten diese auch für türkische Studierende. Student_innen aus anderen Ländern gehen leer aus, es sei denn, sie verfügen über die „Daueraufenthaltskarte EU“.

FAMILIEN(UN)RECHT. Christina Trinkl erhält von der Stipendienstelle keine Beihilfe, obwohl ihre Eltern beide nicht genug verdienen und sie deshalb jeden Samstag zehn Stunden im Supermarkt an der Kasse und nebenher noch als Babysitterin arbeitet. Viele ihrer Studienkolleg_innen allerdings bekommen eine Beihilfe und das obwohl deren Eltern mehr verdienen als ihre eigenen. Zweimal hat sie es nun bereits probiert und immer eine einzeilige Ablehnung erhalten. „Ich verstehe einfach das System dahinter nicht“, sagt sie. Im nächsten Semester wird nun auch ihre Schwester zu studieren beginnen, dann wird sie es ein weiteres Mal versuchen – dieses Mal hoffentlich mit Erfolg. Denn die Anzahl und das Alter der Geschwister wird bei der Berechnung miteinbezogen, wenn diese selbst Studien- oder Familienbeihilfe beziehen oder bei den Eltern mitversichert sind, und wirkt sich günstig auf den Beihilfenanspruch aus. Umgekehrt wird die Studienbeihilfe gekürzt, wenn die Geschwister selbständig werden. Das war etwa bei Helene der Fall. Letztes Jahr begann ihr Bruder mit dem Zivildienst und ihre Schwester zu arbeiten. Dadurch erhielt die Studentin der Musik- und Bildungswissenschaften 70 Euro weniger im Monat als zuvor. Was Trinkl und Friedinger eigentlich dafür können, dass sie Geschwister haben, bleibt offen.

Ein weiteres, regelmäßig auftretendes Problem ist es, wenn Eltern in Pension gehen und eine einmalige Abfertigung bekommen. Dann fällt oft im gesamten nächsten Jahr der Anspruch auf Studienbeihilfe weg. Es zeigt sich auch in dieser Regelung wieder die starke Koppelung der Beihilfe an die Familie, die sehr bürokratisch und oft weltfremd ist.

SCHREIBTISCHKÄMPFE. „Studieren muss für alle Menschen gleichermaßen zugänglich sein. Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren sowie geringe Toleranzsemester stellen vor allem für Arbeiter_innenkinder und Studierende mit Kind oder anderen Betreuungsverhältnissen unüberwindbare Hürden dar. Ein sorgenfreies selbstbestimmtes Studileben ist also nur möglich, wenn man von zuhause unterstützt wird. Denn das Beihilfensystem ist schon lange kein soziales Auffangnetz mehr – die durchschnittliche Ausbezahlungshöhe beträgt laut Studierendensozialerhebung nämlich gerade einmal 230 Euro“, sagt Lucia Grabetz, die Sozialreferentin der ÖH-Bundesvertretung. Die ÖH fordert vom Staat, die Finanzierung der gesamten Ausbildung zu gewährleisten. Das sei seine Aufgabe und Pflicht und notwendig, da sonst nicht unterbunden werden kann, dass Bildung in Österreich „vererbt“ wird (vgl. Seite 14). Die Studienbeihilfenbehörde sieht das anders: Die Beihilfe sei eben nur eine Beihilfe.

„Gespräche des ÖH-Sozialreferats mit dem zuständigen Wirtschaftsministerium und der Stipendienstelle gibt es bereits regelmäßig und da bringt die ÖH ihre Änderungsvorschläge auch ein“, so Stojanovic. Bisher haben diese Gespräche allerdings wenig an den alten bürokratischen Regelungen gerüttelt. Die Behörde rät jedenfalls allen Studierenden einen Antrag zu stellen, weil aktuell auch viele, die eigentlich rechtlichen Anspruch darauf haben, gar keine Beihilfe beantragen. Der österreichische Weg eben: Bürokratie mit noch mehr Bürokratie bekämpfen, statt eine politische Lösung zu finden.
 

Katharina Gruber studierte Politikwissenschaft an der Universität Wien. 
Anne Schinko studiert Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Wien.

Keine Studienbeihilfe für FH-Studis?

  • 25.03.2015, 18:08

Personen, die sich in einem Vorbereitungslehrgang auf eine Studienberechtigungsprüfung befinden, haben Anspruch auf Studienbeihilfe – alle, bis auf zukünftige FH-Studierende. Nun wurde eine neue Verordnung erlassen.

Personen, die sich in einem Vorbereitungslehrgang auf eine Studienberechtigungsprüfung befinden, haben Anspruch auf Studienbeihilfe – alle, bis auf zukünftige FH-Studierende. Nun wurde eine neue Verordnung erlassen.

Studieren ohne Matura? Sobald die Studienberechtigungsprüfung erfolgreich absolviert wurde, ist das kein Problem. Ob an einer Universität, Pädagogischen Hochschule oder Fachhochschule: Im Vorfeld müssen zur Vorbereitung auf die Studienberechtigungsprüfung ein- bis zweisemestrige Vorbereitungslehrgänge besucht werden. Nach Studienförderungsrecht haben neben ordentlichen Studierenden auch Personen, die sich auf eine Studienberechtigungsprüfung vorbereiten, Anspruch auf Studienbeihilfe. Für die Zuerkennung müssen bestimmte Vorraussetzungen – wie etwa finanzielle Förderungswürdigkeit – erfüllt sein. Personen, die diese Voraussetzungen mitbringen, bekommen – je nachdem, wie viele Prüfungen sie ablegen müssen – ein bzw. zwei Semester Studienbeihilfe. Alle, bis auf jene, die sich auf eine Studienberechtigungsprüfung für ein Fachhochschulstudium vorbereiten. Um diese Ungleichbehandlung zu beseitigen, wurde nun eine entsprechende Verordnung erlassen. Aber zuerst einmal alles von Anfang an.

KEINE GLEICHSTELLUNG. 2013 wandte sich ein Betroffener mit einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft und brachte vor, dass er seit dem Wintersemester 2012/2013 einen zweisemestrigen Vorbereitungslehrgang für die Studienberechtigungsprüfung an einer Fachhochschule absolvierte. Ab Oktober 2013 plante er, an dieser Fachhochschule zu studieren. Für den Studiengang hatte er – unter der Voraussetzung der positiven Absolvierung der Studienberechtigungsprüfung – bereits eine Studienplatzzusage. Für die Zeit des Besuchs des Vorbereitungslehrganges hatte er einen Antrag auf Studienbeihilfe eingebracht, der von der Studienbeihilfenbehörde abgewiesen wurde. Grundlage für den negativen Beihilfenbescheid war die gültige Rechtslage: Nach dem Studienförderungsgesetz (StudFG) haben nur Personen, die sich auf eine Studienberechtigungsprüfung an einer Universität oder Pädagogischen Hochschule vorbereiten, Anspruch auf Studienbeihilfe, nicht aber jene, die dies auf einer Fachhochschule tun. Diesbezüglich fehlte eine Verordnung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (BMWF).

Aber das ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen es zu Benachteiligungen von FH-Studierenden gegenüber Uni-Studierenden kommt (progress berichtete). „Das Problem liegt hier in der unterschiedlichen gesetzlichen Verankerung von Universitäten und Fachhochschulen. Die Vollziehung der Studienvorschriften im Rahmen der Hoheitsverwaltung muss endlich auch für die Fachhochschulen gelten. Rechtlich würde das heißen, das Fachhochschul-Studiengesetz um einen einzigen Satz auszuweiten. Das wird allerdings seit 20 Jahren blockiert“, so ÖH-Vorsitzende Viktoria Spielmann, die hier Versäumnisse ortet.

SCHIEFE LOGIK. Der Betroffene konnte nicht nachvollziehen, dass eine solche Verordnung bislang nicht erlassen wurde und sah darin eine grobe Ungleichbehandlung. Damit ist er nicht allein. Die 19-jährige Olivia Hawelka studiert Marketing und Kommunikationsmanagement und hatte im Vorjahr an der Fachhochschule Kufstein einen Vorbereitungslehrgang für die Studienberechtigungsprüfung an einer Fachhochschule besucht. Sie kann diese Ungleichbehandlung weder verstehen, noch nachvollziehen. Es sei „absurd, auf wie vielen verschiedenen Ebenen Studierende und zukünftige Studierende an Fachhochschulen benachteiligt werden“. Auch die Volksanwaltschaft hinterfragte die sachliche Begründung für diese fehlende Verordnung.

Daraufhin erklärte der damalige Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Karlheinz Töchterle, dass mit der Absolvierung eines Vorbereitungslehrganges an einer Fachhochschule noch keine automatische Zulassung zu einem Fachhochschulstudium verbunden sei. „Dem hielt die Volksanwaltschaft entgegen, dass es mittlerweile zahlreiche Studienrichtungen an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen gibt, bei denen nach Absolvierung der Studienberechtigungsprüfung ebenfalls erst noch Auswahl- und Eignungsverfahren durchlaufen werden müssen, um zum gewünschten Studium zugelassen zu werden“, so der zuständige Volksanwalt Peter Fichtenbauer.

Dieser kritisierte diese Vorgangsweise auch im Bericht an das Parlament 2014 und regt an, Personen, die einen Vorbereitungslehrgang für eine Studienberechtigungsprüfung an einer Fachhochschule besuchen, eine Studienbeihilfe unter den gleichen Bedingungen zu gewähren, wie anderen Personen, die sich auf eine Studienberechtigungsprüfung vorbereiten.

NEUE VERORDNUNG. Schlussendlich konnte das Bundesministerium überzeugt werden. Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Reinhold Mitterlehner bestätigte die „Absicht” die Kandidatinnen und Kandidaten der Studienberechtigungsprüfung an Fachhochschulen mit denen der Universitäten und Pädagogischen Hochschulen gleichzustellen. Die erforderliche Verordnung wurde auch mit Wirkung ab dem Studienjahr 2014/15 erlassen und damit sind die gleichen Bedingungen für alle gegeben. Olivia Hawelka hätte sich diese Verordnung schon früher gewünscht. Jetzt kann sie rückwirkend keinen Antrag mehr stellen. Anders sieht es für die 22-jährige Döndü Ersoy aus: Sie ist besonders erfreut über die neue Verordnung. Aufgrund des Vorbereitungslehrganges musste sie ihren Vollzeitjob auf Teilzeit reduzieren und verdient dadurch wesentlich weniger. „Nun kann ich es endlich angehen und auch einen Antrag auf Studienbeihilfe stellen“, sagt sie. „Wir begrüßen, dass nun alle Studierenden die Möglichkeit haben, in der Zeit der Prüfungsvorbereitung finanziell entlastet zu werden. Die Verordnung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung“, schließt Spielmann.

 

Sandra Schieder studiert Journalismus und Public Relations an der FH JOANNEUM in Graz.

Studieren ohne doppelten Boden

  • 05.02.2015, 08:00

Für Menschen, die während des Studiums nicht auf familiären Rückhalt zählen können, ist der Weg durch die Uni besonders hürdenreich.

Für Menschen, die während des Studiums nicht auf familiären Rückhalt zählen können, ist der Weg durch die Uni besonders hürdenreich.

Sogenannte „Care Leaver“ sind Menschen, die die stationäre Jugendhilfe oder eine Pflegefamilie verlassen haben und meist im Alter von 18 Jahren selbständig ihr Leben bewältigen müssen. Also: ehemalige Heimkinder, ehemalige Pflegekinder und solche, die im Betreuten Wohnen unterkamen. Care Leaver sind in unserer Gesellschaft mit Problemen konfrontiert, die bisher wenig Aufmerksamkeit bekommen. Viele von ihnen kommen aus zerrütteten Familienverhältnissen. Umso mehr benötigen sie deshalb die Versicherung, dass sie Verlusterfahrungen und Existenzängste nicht erneut durchleben müssen. Das abrupte Ende der Jugendhilfe bei Erreichen der Volljährigkeit führt allerdings oft genau dazu. Denn während im europäischen Durchschnitt die meisten jungen Erwachsenen bis 25, wenn nicht bis 27 Jahre, bei ihren Eltern wohnen bleiben – in Österreich sind es durchschnittlich 24,6 Jahre – und so nach und nach in die Selbstständigkeit hineinwachsen können, endet für einen Großteil der Care Leaver die Versorgung durch die Jugendhilfe bereits an ihrem 18. Geburtstag.

JUGEND DER ARMUT. Die Jahre zwischen 18 und 25 werden in der Pädagogik nicht umsonst nicht mehr als bloße Verlängerung der Jugend erachtet, sondern vielmehr als eine Lebensphase, die für sich steht: die der „jungen Erwachsenen“, auch als „Emerging Adulthood“ bezeichnet. Diese Lebensphase spielt sich nicht außerhalb sozioökonomischer Kontexte ab, sondern bettet sich in eine Realität der steigenden Jugendarmut ein. Zu diesem Schluss kam die in Deutschland ansässige Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ). 20- bis 25-jährige gehören heutzutage zu den ärmsten Altersgruppen. Viele von ihnen leben aus diesem Grund noch bei den Eltern. Sie haben Jobs, die nicht in dauerhafte Anstellungen münden, beispielsweise in Leiharbeitsverhältnissen. Care Leaver trifft das besonders hart, weil sie sich der prekären Situation junger Erwachsener ohne familiären Rückhalt stellen müssen. Die Gefahr von Arbeits- und Wohnungslosigkeit ist für sie besonders hoch, die Bildungsaussichten sind gering. In Deutschland erreicht nur ein Prozent der Care Leaver den Hochschulsektor. Fehlende Ressourcen und fehlende persönliche Betreuung durchvertraute Ansprechpartner*innen sind dabei zentrale Hindernisse.

Wie die Internationale Arbeitsgemeinschaft für Jugendfragen (IAGJ) beschreibt, wurden Ende 2013 in Österreich 11.913 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der Kinder- und Jugendhilfe stationär betreut, 1.066 von ihnen waren im Alter zwischen 18 und 21 Jahren. Zu den Hauptgründen der Unterbringung zählen die Gefährdung des Kindeswohls im Elternhaus sowie die dort fehlende Erziehungskompetenz. Die Jugendhilfe wird nur in Ausnahmefällen bis zum 21. Geburtstag verlängert und die betroffene Person muss auf jeden Fall zustimmen. In manchen Fällen sind es auch das Jugendamt oder andere Organisationen, die bestimmte junge Erwachsene nicht weiter betreuen wollen.

Während es in England und Australien bereits Möglichkeiten der Vernetzung für Care Leaver gibt, ist in Österreich bisher noch kaum etwas zu dem Thema zu hören. In Deutschland hat sich an der Universität Hildesheim eine Forschungsgruppe gebildet, die Angebote für studierende Care Leaver untersucht. Aus dieser Arbeit entwickelte sich auch ein Netzwerk für betroffene Care Leaver, die studieren. Sie organisieren gemeinsame Treffen und sind online auf Facebook und in einem eigenen Forum zu finden. Kürzlich haben sie auch einen Verein gegründet: Careleaver e.V.

EMOTIONALE VERSORGUNG. Die Hürden, die ehemalige Heim- und Pflegekinder auf dem Weg zum Studium überwinden müssen, sind besonders hoch, denn vor dem Studium müssen einige grundlegende Fragen wie die Finanzierung oder die Wohnsituation geklärt werden.

Studierende mit Familie haben oft die Option, bei der Familie wohnen zu bleiben, wenn sie in der Nähe studieren. Sie sparen damit einen Teil der Lebenshaltungskosten und bleiben zugleich in einer ihnen vertrauten Umgebung. Dadurch erleben sie nicht das entwurzelnde Moment, gleich mehrere lebensumwälzende Veränderungen auf einmal zudurchlaufen. Sollte es nach Studienbeginn doch noch zu dem Umzugswunsch kommen, können junge Menschen mit familiärem Rückhalt in aller Ruhe nach einem Zimmer Ausschau halten, ohne Angst haben zu müssen, auf der Straße zu landen. Bei der WG- oder Wohnungssuche sind die finanziellen Mittel die schwerwiegendsten Hindernisse: Viele Vermieter*innen fordern eine Kaution, die in Österreich drei Mal die Höhe der Monatsmiete betragen kann. Ein weiteres Fallbeil sind die Bürgschaften: Viele Eltern versichern, dass sie die Miete zahlen, sollte es einen finanziellen Ausfall von Seiten ihres Kindes geben. Care Leaver, die ihre Situation erklären, werden hingegen oft mit einem „Pech gehabt“ abgefertigt. Damit fallen viele Wohnmöglichkeiten weg. Oftmals bleibt nichts anderes übrig, als eine Untermiete einzugehen, was die meisten Care Leaver aber immer in größere Abhängigkeit zu den Hauptmieter*innen stellt.

Sollten sie umziehen, bekommen viele Studierende meist Unterstützung von der Familie: vom Ausdiskutieren, ob die Wohnung mit Schimmelbefall lieber links liegen gelassen und doch lieber das Studierendenwohnheim bevorzugt wird bis hin zur Besorgung des Umzugswagens. Die Tücken des Mietvertrags können in der Familie durchdiskutiert werden. Auch das soziale Netz ist meistens größer und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass immer irgendwer jemanden kennt, der*die gerade eine Wohnung verlässt oder ein Zimmer anbietet. Auch besteht die Möglichkeit, vertraute Gegenstände mitzunehmen, was wiederum kostensparend sein kann: Viele Care Leaver müssen sich von Grund auf neu einrichten und gleichzeitig vieles im Heim zurücklassen, was ihnen lieb geworden ist.

STUDIENBEIHILFE? NUR MIT ELTERN. Auch die Beantragung der Studienbeihilfe kann zum großen Problem werden. Für die Ausfüllung der Dokumente benötigt es nämlich weiterhin die Eltern, zu denen viele Care Leaver keinen Kontakt haben und die sich sehr oft auch nicht verantwortlich sehen. Eine Ausnahme bildet das Selbsterhalter*innenstipendium: Es gilt für alle, die durchgehend vier Jahre vor Studiumsbeginn Lohn bezogen haben. Für die anderen bedeutet das: Wenn bis zum 18. Geburtstag die Jugendhilfe zuständig war und dann plötzlich trotz Volljährigkeit wieder die häufig entfremdeten Eltern angeschrieben werden müssen, geschieht es nicht selten, dass Care Leaver monatelang auf Antworten warten müssen, weil die Ursprungsfamilie entweder überfordert ist oder ihrer Verantwortung einfach nicht nachgehen will oder kann. Es ist nicht klar, wie mit solchen Fällen umgegangen wird. Oftmals kommt es dabei auf die Nachsicht oder auch Willkür einzelner Beamt*innen an, die mit solchen Fällen konfrontiert werden. Nichtsdestotrotz führt so eine Situation fast immer mindestens zu einer verzögerten Auszahlung der Studienbeihilfe, was für die betroffenen Care Leaver oft Schulden und in einigen Fällen auch den Verlust ihres Wohnsitzes bedeutet.

Menschen, die eine Familie haben, erleben oft Rückhalt, sollte etwas nicht ganz nach Plan verlaufen. Sei es für ein Wochenende, an dem eins sich wieder bei Mama und Papa beziehungsweise Mama und Mama oder Papa und Papa einfindet und beim gemeinsamen Brunch mit ihnen über nervende Vermieter*innen klagt, sich mit ihnen gemeinsam über die viel zu hohen Heizungskosten wundert oder einfach nur mal anruft. Selbst wenn das Verhältnis nicht zum Besten steht, ein Bett oder ein warmes Abendessen helfen schon über manche Hürde. Care Leaver haben diesen „doppelten Boden“ in vielen Fällen nicht.

STIGMA UND AUFSTEIGER*INNENMYTHOS. Care Leaver müssen mit unterschiedlichen Dynamiken kämpfen: einerseits die eigene Biografie, in der physische und emotionale Gewalt und Vernachlässigung oft eine Rolle spielen. Dafür benötigen sie Unterstützung durch Beratung und/oder therapeutische Behandlung, die auf ihre Verhältnisse abgestimmt sein müssen und sie dort abholen, wo sie stehen. Anderseits erleben sie Stigmatisierung aufgrund ihrer Vergangenheit als Heimkinder oder Pflegekinder. Diese führt nicht selten bereits in der Schule zu Mobbing- und Ausschlusserfahrungen. Care Leaver sind dadurch in Gefahr, erneut in manipulative und emotional gewaltvolle Beziehungen zu Menschenzu geraten. Manche verheimlichen ihre Vergangenheit, um solche Situationen zu verhindern. Das führt allerdings nicht selten zu Isolation und erschwert die Anbindung an andere Menschen.

Gerade auch in der Umgebung der Hochschule, wo ein Großteil der Leute aus Akademiker*innenfamilien stammt und sich mit großer Selbstverständlichkeit dort bewegt, weil bereits die eigenen Eltern die Umgangsformen dieses Milieus verinnerlicht haben, erleben Care Leaver ähnliche Ausschlüsse wie etwa Studierende aus der Arbeiter*innenklasse. Die Kehrseite dieser Ausschlüsse ist die Romantisierung einer solchen Vergangenheit, gerade auch im Hochschulsektor. Care Leaver, die „es geschafft haben“, die „es allen gezeigt haben“, müssen als Beispiele für den Aufstiegstraum herhalten. Das vermittelt die Idee, dass der Wert eines Menschen daran gebunden ist, ob er*sie den sozialen Aufstieg geschafft hat. Eine solche Perspektive individualisiert soziale Probleme und überlässt dem*der Einzelnen die Mehr-Arbeit, die eigentlich auf strukturelle Probleme innerhalb einer Gesellschaft zurückzuführen sind, mit denen wir niemanden alleine lassen sollten.

Care Leaver benötigen ausreichende Beratung für die Zeit nach der Jugendhilfe, persönliche Betreuung durch Menschen, die sie selbst auswählen können und die ein fester Bezugspunkt bleiben in den ganzen umwälzenden Ereignissen im Leben der jungen Erwachsenen. Sie brauchen klare Bedingungen, die die Schwierigkeiten ihrer Situation anerkennen, in den Behörden, Ämtern und gerade auch an den Hochschulen. Und darüber hinaus brauchen sie das Zugeständnis, wie alle anderen jungen Erwachsenen Fehler machen zu dürfen, zu lernen, sich weiterzuentwickeln und neue Wege zu gehen.

 

Tuba Alacalı studiert Latein und Bibliotheks- und Informationswissenschaften in Berlin.

Studierendenvertretung à la Luxembourgeoise

  • 12.08.2014, 17:00

Sie hat nur wenige aktive Mitglieder und die sind dazu noch über den Globus verstreut. Dennoch gelingt es der UNEL, tausende Studierende für Demonstrationen zu mobilisieren. Wir werfen einen Blick auf die luxemburgische Studierendenvertretung.

Sie hat nur wenige aktive Mitglieder und die sind dazu noch über den Globus verstreut. Dennoch gelingt es der UNEL, tausende Studierende für Demonstrationen zu mobilisieren. Wir werfen einen Blick auf die luxemburgische Studierendenvertretung.

In einer Artikelserie wollen wir verschiedene Studierendenvertretungen, die neben der ÖH in der gemeinsamen europäischen Studierendenorganisation European Student‘s Union (ESU) vertreten sind, vorstellen. Wir fangen mit einem Land an, das bis vor zehn Jahren noch überhaupt keine Uni hatte: Luxemburg. Die Studierendenvertretung Union Nationale des Étudiant-e-s du Luxembourg (UNEL) ist dennoch schon beinahe ein Jahrhundert alt.

25. April 2014, Luxemburg-Stadt. 17.000 Studierende und Schüler_innen demonstrieren gegen die geplanten Kürzungen der Studienbeihilfe. Innerhalb weniger Wochen wurde in sozialen Netzwerken und in Schulen für den „Streik“ mobilisiert. Die Demonstration ist ein voller Erfolg, die pittoreske Altstadt Luxemburgs platzt aus allen Nähten. Aus dem ganzen Land sind Schüler_innen und Studierende angereist, um ihren Unmut gegen die Reform der Studienbeihilfen, die im Gesetz mit der Nummer 6670 beschlossen werden sollen, kundzutun. Sprüche wie „Dir soot kierzen, mir soe stierzen“ (Ihr sagt kürzen, wir sagen stürzen) oder „Wem seng Bildung? – Eis Bildung!“ (Wessen Bildung – Unsere Bildung!) lassen erkennen, dass die Demonstrierenden von den #unibrennt-Protesten inspiriert wurden. Die ehemals großzügige Beihilfe, die fast alle Studierenden beziehen konnten, soll von der neuen sozialdemokratisch- liberal-grünen Regierung massiv gekürzt und in ein bürokratisches Ungetüm verwandelt werden. Es ist die erste Sparmaßnahme der Regierung, sie findet ausgerechnet im Bildungsbereich statt. Hinter den Protesten steht das „Streikkomitee 6670“, ein Zusammenschluss aus verschiedenen Studierenden- und Schüler_innenorganisationen. Eine der wichtigsten Organisationen in diesem Bündnis ist die UNEL, die nationale Union der luxemburgischen Studierenden.

Einzigartige Situation. „Unsere Situation ist einzigartig. Nur 20 Prozent der luxemburgischen Studierenden bleiben in ihrem Heimatland, alle anderen studieren im Ausland“, erklärt Pol Reuter, Präsident der UNEL. Er selbst studiert Politikwissenschaften in Nancy. „Wir kümmern uns aber nicht nur um Studierende aus Luxemburg, sondern auch um jene aus der Grenzregion. Außerdem vertreten wir die Rechte von Schüler_innen in Luxemburg“, ergänzt Reuter. Viele Bewohner_innen der grenznahen Gebiete in Deutschland, Frankreich und Belgien pendeln jeden Tag nach Luxemburg, um dort zu arbeiten. Damit haben sie und ihre Kinder auch Anrecht auf luxemburgische Sozialhilfen, zum Beispiel auch Studienbeihilfen. Deswegen ist es der UNEL wichtig, auch deren Rechte zu vertreten: „Wenn wir über Studienbeihilfen reden, müssen wir auch über die Kinder der Pendler_innen reden. Ihre Eltern tragen zum Reichtum Luxemburgs bei, also sollten sie auch von den Beihilfen profitieren können!“, meint Reuter. Der EuGH hat der UNEL Recht gegeben: 2013 erklärte er die Regelung, dass die Kinder von Pendler_innen keine Studienbeihilfen erhalten, für rechtswidrig.

Turbulente Geschichte. Die Universität Luxemburg ist erst zehn Jahre alt, die UNEL vertritt die Rechte der luxemburgischen Studierenden aber schon viel länger, wie Pol Reuter erzählt: „Wir wissen gar nicht, wie alt die UNEL wirklich ist, die ganzen Einträge im Vereinsregister sind verloren gegangen. Es müssen aber schon mehr als 90 Jahre sein.“ In den 1960ern erlebte die UNEL turbulente Zeiten: „Es gab Flügelkämpfe zwischen verschiedenen linken Gruppierungen wie Leninist_innen, Trotzkist_innen und Sozialdemokrat_innen. Die UNEL war damals in verschiedene Ortsgruppen unterteilt, von denen sich einige abspalteten und einen eigenen Verein gründeten, die ACEL.“ Die Association des Cercles d‘Étudiants Luxembourgeois (ACEL) sei als Vertretung der Vereine luxemburgischer Studierender in Hochschulstädten aber seit jeher sehr unpolitisch und beschränke sich beinahe ausschließlich auf die Organisation von Partys. „Die UNEL war damals auch Teil der Friedensbewegung und hat es geschafft, dass die Wehrpflicht 1967 in Luxemburg abgeschafft wurde. In den 1980ern waren hingegen eher konservative Kräfte in der UNEL aktiv. Heute sind wir eine progressive Bewegung und arbeiten neben den Studierenden- und Schüler_innenrechten auch zu Themen wie Gender, Rassismus und Jugendarbeitslosigkeit“, fasst Reuter die Geschichte der Studierendenvertretung zusammen.

International vernetzt. Die unpolitische ACEL ist nicht in der ESU vertreten, dennoch ist die UNEL nicht die einzige luxemburgische Organisation dort: Die Luxembourg University Students’ Organization (LUS) ist als eigene Vertretung der Studierenden der Universität Luxemburg seit einigen Jahren ebenfalls Mitglied in der europäischen Studierendenorganisation. „In den letzten Jahren ist die LUS merklich weniger aktiv. Wir sind oft gleicher Meinung und stimmen in der ESU auch in den meisten Fällen gleich ab“, so Reuter, der auch im Rahmen des Streikkomitees mit Aktivist_innen der LUS zusammengearbeitet hat. Eine Vertretung zu organisieren, deren Mitglieder in ganz Europa und der halben Welt verstreut sind, ist keine leichte Aufgabe. „Wir sehen uns vielleicht vier Mal im Jahr. In den Weihnachtsferien organisieren wir unseren Kongress, auf dem die Vorstandsmitglieder gewählt werden. Auf dem Papier sind das neun Leute, in Wirklichkeit können aber alle kommen, die interessiert sind, die UNEL aktiv mitzugestalten“, erklärt Pol Reuter. Die Kommunikation zwischen den rund 20 aktiven Mitgliedern läuft vor allem online ab, in sozialen Netzwerken oder per Skype werden die nächsten Kampagnen geplant. Je nach Thema verwendet die UNEL verschiedene Taktiken, um ihr Ziel zu erreichen: „Wir fangen meist mit Unterredungen mit Politiker_innen an. Wenn solche Verhandlungen zu nichts führen, beginnen wir mit Protesten oder anderen Aktionsformen“, so Reuter. Bisher haben jedoch weder die Proteste noch Verhandlungen die Kürzung der Studienbeihilfen kippen können. Nun soll eine selbst durchgeführte Studie, in der erstmals die Lebenshaltungskosten luxemburgischer Studierender erfasst wurden, Argumente liefern, um den Gesetzesvorschlag doch noch in ihrem Sinne zu ändern.

Nachtrag: Nach Redaktionsschluss teilte uns Pol Reuter mit, dass die UNEL erstmals 1920 von der linken Studierendenvertretung ASSOSS und der rechten Studierendenvertretung AV gegründet wurde.
Die Kürzungen der Studienbeihilfen wurden am 10. Juli 2014 von den Abgeordneten der Regierungsparteien im luxemburgischen Parlament beschlossen. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen.

Linktipps:

http://www.unel.lu
http://www.streik.lu

Joël Adami studiert Umwelt- und Bioressourcenma­nagent an der Universität für Bodenkultur Wien.

Ausgebremste Beschleunigungsreform

  • 11.04.2014, 19:32

Das Beispiel Dänemark zeigt, dass eine linke Minderheitsregierung, Studienplatzfinanzierung und Zugangsbeschränkungen nicht gegen Einsparungen bei Universitäten und Stipendien schützen. Der Widerstand einer aktiven Studierendenbewegung aber möglicherweise schon.

Das Beispiel Dänemark zeigt, dass eine linke Minderheitsregierung, Studienplatzfinanzierung und Zugangsbeschränkungen nicht gegen Einsparungen bei Universitäten und Stipendien schützen. Der Widerstand einer aktiven Studierendenbewegung aber möglicherweise schon.

Als im November vergangen Jahres circa 8.000 Studierende in der Kopenhagener Innenstadt demonstrierten, drehte sich alles ums Thema Geschwindigkeit. Parolen wie „Schneller raus – Nein danke“, „Beeil dich langsam“ und „Freiheit zur Vertiefung“ waren zu lesen und zu hören. Die meisten Fakultäten und Institute der Universität Kopenhagen waren blockiert und auch an den Unis in Roskilde, Odense und Århus fanden Protestaktionen statt.

Vollzeitstudium als Pflicht. Die Slogans richteten sich gegen die im April 2013 vom Parlament fast einstimmig beschlossene „Beschleunigungsreform“, mit der die durchschnittliche Studienzeit der dänischen Studierenden verringert werden soll. Vorgesehen sind Verschärfungen im dänischen Stipendiensystem, neue Regeln für die Prüfungs- und Studienadministration und Änderungen bei der Finanzierung der Universitäten.

Derzeit haben dänische und gleichgestellte ausländische Studierenden, für die Mindeststudienzeit samt einer Reserve von zwölf Monaten Anspruch auf die mit circa 710 Euro bemessene Studienbeihilfe. Die Reform sieht jedoch vor dieses Recht strikt an den Studienerfolg zu koppeln: Wer mehr als 30 ECTS in Verzug gerät, verliert den Anspruch, bis die Verzögerung wieder eingeholt ist. Des Weiteren soll eine verpflichtende Anmeldung zu Kursen und Prüfungen im Umfang von 60 ECTS pro Jahr eingeführt werden. Wer ein Fach nicht besteht, muss dieses im darauffolgenden Semester zusätzlich wiederholen. Diese Maßnahmen werden von vielen Studierenden als Gängelung empfunden.

Auch die Universitäten werden durch die Reform in die Pflicht genommen, ihre Studierenden zu schnelleren Abschlüssen anzutreiben. Laut Angaben der Unis wurden die Mittel der Studienplatzfinanzierung im Laufe der letzten 20 Jahre um insgesamt 20 Prozent gekürzt. Dies hat sie zunehmend von anderen öffentlichen Mitteln abhängig gemacht, deren Vergabe jetzt an die Senkung der Durchschnittsstudienzeit gekoppelt wird. Für die Universität Kopenhagen beispielsweise stehen circa 46,2 Millionen Euro auf dem Spiel.

Die Universitätsleitung plante daher ein Verbot von Studienunterbrechungen und eine Verpflichtung, Lehrveranstaltungen im Ausmaß von mindestens 45 ECTS pro Jahr abzuschließen. Auch deshalb blockierten die Kopenhagener Studierenden ihre Universität und gingen zahlreich auf die Straße.

Neue Protestformen. Die Protestaktionen der Studierenden im November zeigten vorläufig Wirkung. Noch am selben Tag nahm das Rektorat der Universität Kopenhagen Abstand von den ursprünglichen Plänen und lud die Studierenden ein, gemeinsam an der Umsetzung der politischen Anforderungen zu arbeiten. Protestaktionen und Blockaden anlässlich öffentlicher Auftritte des Unterrichtsministers Morten Østergaard fanden aber weiterhin statt. Auch Universitätsleitungen äußerten sich vermehrt kritisch gegenüber der Reform, die sie als Bürokratisierung erleben. Als Reaktion wurde die Reform nun vorerst um ein Jahr verschoben.

Regierung und Studierende interpretieren diese Entscheidung jedoch unterschiedlich: Østergaard konstatierte trotzig, dass die „Demonstrationen an sich nichts bewegt haben“. Die Studierenden hingegen verbuchen die Verzögerung als Erfolg. Auch Magnus Pedersen, ehemaliger Vorsitzender der landesweiten Studierendenorganisation DSF, sieht den Aufschub als Reaktion auf die Proteste: „Das war ein wichtiger symbolischer Sieg. Es ist mit einer Ausnahme das erste Mal, dass die derzeitige Regierung eine politische Maßnahme nach öffentlichem Druck wieder zurückzieht.“

Magnus führt diesen Erfolg auf eine Änderung der Strategie der Studierendenbewegung zurück: „Bis 2003 waren außerparlamentarische Protestformen bei vielen Studierendenorganisationen statutenmäßig ausgeschlossen.“ Dies änderte sich nachdem die damalige konservative Regierung eine Entdemokratisierung der Universitäten beschloss: „Die Teilnahme in Gremien war bedeutungslos geworden. Plötzlich brauchte man neue Waffen.“ Auf Universitäts- und Institutsebene konnten mit Blockaden und Demonstrationen schnell Erfolge erzielt werden und es gelang mehrmals Stipendienkürzungen abzuwehren. Folgen waren eine gesteigerte Akzeptanz der neuen Protestformen und die Politisierung vieler Studierender. „Diese Entwicklung führte zu der kräftigen Beteiligung Ende des Jahres. Die Studierenden ernten jetzt die Früchte jahrelanger Mobilisierungsarbeit“, erklärt Magnus.

Weitere Reformen. Im Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung rund um die Beschleunigungsmaßnahmen stehen tiefergehende Veränderungen des dänischen Universitätssystems und des Arbeitsmarkts. 2012 gaben 80 Prozent der dänischen Studierenden an, neben ihren Studien zu arbeiten, und zwar durchschnittlich über 12 Stunden pro Woche. Lange Studienzeiten scheinen auch eine Konsequenz davon zu sein. Für viele Studierende ist die Berufstätigkeit aber notwendig – um ihren Unterhalt bestreiten zu können und um die eigenen Chancen am angespannten Arbeitsmarkt zu erhöhen. 27,9 Prozent der dänischen Uni-AbsolventInnen, deren Abschluss weniger als ein Jahr zurückliegt, sind derzeit arbeitslos. Diese Trends werden durch die Reform noch verstärkt, und damit der Druck auf die Studierenden erhöht.

Seit dem Aufschub der Reform bewegt sich die öffentliche Debatte nun in andere, nicht weniger umstrittene Richtungen. Ende Dezember vermeldete Østergaard, dass die Anzahl an Studienrichtungen reduziert werden müsse, um es ArbeitgeberInnen leichter zu machen AbsolventInnen anzustellen. Im Januar regte eine im Vorjahr eingesetzte Produktivitätskommission im Einklang mit mehreren Uni-RektorInnen an, die Vergabe von Studienplätzen direkt an den Bedarf am Arbeitsmarkt zu koppeln. Die im Februar neu bestellte Unterrichtsministerin, Sofie Carsten Nielsen, deutete bei ihrer Angelobung an, den Reformkurs ihres Vorgängers fortsetzen zu wollen. Dänische Studierende werden also wohl auch in Zukunft einige Gründe haben, auf die Straße zu gehen und auf die Reformbremse zu steigen.

Robin Tschötschel studiert Global Studies an der Universität Roskilde und lebt in Kopenhagen.