Holocaust Gedenken

WU Wien: Erinnerung an einen Mikrokosmos des Grauens

  • 12.05.2014, 13:43

Am 8.Mai 2014 wurde am neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien feierlich eine Skulptur enthüllt, die jenen jüdischen Studierenden, DozentInnen und MitarbeiterInnen ein Denkmal setzen soll, welche im Nationalsozialismus von der damaligen Hochschule für Welthandel vertrieben wurden. Margot Landl hat für progress online die Feierlichkeit besucht.

Am 8.Mai 2014 wurde am neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien feierlich eine Skulptur enthüllt, die jenen jüdischen Studierenden, DozentInnen und MitarbeiterInnen ein Denkmal setzen soll, welche im Nationalsozialismus von der damaligen Hochschule für Welthandel vertrieben wurden. Margot Landl hat für progress online die Feierlichkeit besucht.

Cilja Odinac. Zacharias Mundstein. Walter Mann. Adele Romanowska. Die metallenen Schriftzüge glänzen in der Sonne. Zusammen ergeben sie eine große silberne Weltkugel, die seit kurzem in der Mitte des neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien auf einer kleinen Grünfläche steht. Mehr als 110 Namen verschiedener Herkunft befinden sich auf der Kugel. In ihrer Modernität fügt sie sich gut in den Campus ein. Die Skulptur ist nicht vollständig, etwa ein Drittel der Fläche ist leer geblieben.  Laufend gehen Studierende an ihr vorbei, manche halten kurz an, um die Namen zu lesen. Die StudentInnen Jacqueline und Katja sind gerade auf dem Weg ins benachbarte Library and Learning Center und bleiben stehen, um die Kugel näher zu betrachten. „Durch einen Newsletter, der an alle StudentInnen ausgeschickt wurde, wissen schon einige über das Projekt Bescheid“, meint Jacqueline. Ihr persönlich gefällt die Skulptur. So auch Katja und sie ergänzt: „Die Kugel ist auch dann schön, wenn man nicht genau weiß, worum es geht.“

Dunkle Vergangenheit sichtbar machen

Die Skulptur auf dem WU-Campus ist ein Denkmal für jene Personen, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft im Lauf der Machtergreifung der Nationalsozialisten schrittweise von der damaligen Hochschule für Welthandel verbannt wurden. Und sie wurde auch im Gedenken daran errichtet , dass vielen von ihnen später noch Schlimmeres wiederfahren war. Es handelt sich um DozentInnen, Verwaltungspersonal und vor allem Studierende. „Jene Studierenden, denen man an ihrer Hochschule für Welthandel die Chance auf ein Leben genommen hat, welches sie sich gewünscht hätten“, nennt sie der Rektor der WU Christoph Badelt in seiner Ansprache bei der symbolischen Enthüllung der Kugel am 8.Mai 2014. Bewusst wurde der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus für die Festlichkeit ausgewählt, denn auch die eigene dunkle Vergangenheit soll damit sichtbar gemacht werden, wie es der Rektor formuliert. „Auch wenn die damalige Hochschule für Welthandel nur ein kleiner Bereich war, war sie ein Mikrokosmos des Grauens.“

Ungefähr eineinhalb Jahre haben Peter Berger, WU-Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte und sein Mitarbeiter Johannes Koll gebraucht, um die Liste der Namen zu erstellen, die heute als Teil der silbernen Kugel auf dem WU-Campus stehen. Die beiden Wissenschaftler recherchierten in Archiven, Datenbanken, Printmedien sowie Internetressourcen und knüpften Kontakte mit den Hinterbliebenen und Nachfahren der Vertriebenen. Aus dieser Forschungsarbeit entstand auch ein virtuelles Gedenkbuch, welches Kurzbiografien zu vertriebenen, ausgegrenzten oder ermordeten Mitgliedern der damaligen Hochschule für Welthandel enthält. Es ist in deutscher, englischer und polnischer Sprache verfügbar, da die Mehrheit der vertriebenen jüdischen StudentInnen aus Polen war. Vollständig ist die Liste jedoch vermutlich trotzdem nicht, da viele Spuren nicht nachvollzogen werden können. Deshalb hoffen die Historiker, über das Projekt zu weiteren Informationen und Denkanstößen zu gelangen.

Der WU-Professor und Wirtschaftshistoriker Peter Berger hat mit seinem Mitarbeiter Johannes Koll die Liste der Vertriebenen rekonstruiert. Foto: Christopher Glanzl

Doch die vollständige Rekonstruktion der Lebensläufe ist besonders problematisch. „Die Schwierigkeiten beginnen damit, wenn man wissen will, wohin die Menschen gegangen sind“, erklärt Peter Berger im Gespräch. Wie die anderen Universitäten und Hochschulen Österreichs war auch die damalige Hochschule für Welthandel an einer Rückholung der Vertriebenen nicht besonders interessiert. Lediglich ein Professor wurde nach dem Krieg wieder an die Hochschule geholt und auch nur einer von etwa 80 vertriebenen StudentInnen nahm das Studium nach 1945 wieder auf. Deshalb bietet ein Drittel des Denkmals noch Platz für Ergänzungen und auch das Gedenkbuch wird ständig aktualisiert. Vor 1938 war über die Hälfte der Studierenden der Hochschule für Welthandel jüdischer Herkunft. „Die Vertreibung war nur der Höhepunkt eines langen unrühmlichen Prozesses. Davor herrschte schon lange ein Klima des Hasses, des Mobbings und der physischen Bedrängnis“, erklärt Rektor Badelt in seiner Ansprache. „Als Mensch, der 1951 geboren ist und mehr als 60 Jahre des Wohlstands miterlebt hat, stehe ich selbst fassungslos der Geschichte meiner eigenen Universität gegenüber.“

Zwischenstopp am Weg zum Hörsaal

Etwa 200 Menschen wohnen der feierlichen Enthüllung der Skulptur in der Mitte des neuen Campus bei, die von der Ö1-Radiosprecherin Ina Zwerger eröffnet und moderiert wird. 130 Sitzplätze wurden für BesucherInnen in Form von Metallsesseln zur Verfügung gestellt. Dahinter und an der Seite  beobachten viele Zaungäste das Ereignis. Es ist elf Uhr Vormittag und damit Hochbetrieb an der Uni. Unzählige Studierende gehen vorbei und werfen neugierige Blicke auf die Veranstaltung. Einige bleiben an der Seite des abgetrennten Sitzbereichs stehen und schauen neugierig zu. Auch Marina unterbricht ihren Laufschritt von einem zum anderen Universitätsgebäude kurz, um festzustellen, worum es hier geht. „Ich wusste noch gar nichts über das Projekt. Aber ich finde es gut, dass man der Menschen gedenkt, die vertrieben worden sind“, meint sie zustimmend. Danach macht sie sich gleich wieder auf den Weg in den Hörsaal.

Allerdings sind nicht alle besonders begeistert, wie beispielsweise Philipp. Er beobachtet die Veranstaltung etwas länger und blickt gelangweilt auf die Bühne. Er hält die 25-seitige Broschüre in der Hand, die von der WU extra für das Gedenkprojekt herausgegeben wurde. „Eigentlich interessiere ich mich nicht vordergründig dafür, ich war nur gerade da und es betrifft meine Uni. Von der Veranstaltung habe ich über das Radio erfahren“, meint Philipp. Er deutet auf die Tische für den Sektempfang im Hintergrund und fragt in sarkastischem Tonfall: „Gibt’s da dann koscheres Essen für alle oder wie?“.

Borodajkewycz-Affäre
Bevor der Sekt serviert wird, folgen noch einige Reden. Nach Rektor Badelt richtet die Rektorin der Universität für angewandte Kunst Eva Blimlinger einen längeren Redebeitrag an das Publikum. Denn die Skulptur entstand aus einer Zusammenarbeit der beiden Hochschulen. 28 StudentInnen und AbsolventInnen der Universität für angewandte Kunst reichten Vorschläge für das Denkmal ein, aus denen von einer Fachjury schließlich die Arbeit von Alexander Felch ausgewählt wurde. Blimlinger ist auch Historikerin und schlägt den Bogen zwischen Kunst und Geschichte. In ihrer Ansprache geht sie auf die Borodajkewycz-Affäre ein, die ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte der WU nach 1945 darstellt. Der Historiker Taras Borodajkewycz war von 1934 bis 1945 Mitglied der NSDAP und wurde bereits 1946 im Zuge der Minderbelastetenamnestie rehabilitiert. 1955 erhielt er den Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte an der damaligen Hochschule für Welthandel. In seinen Vorlesungen propagierte er öffentlich bis in die 1960er Jahre hinein antisemitisches Gedankengut sowie seine fortbestehenden Sympathien für den Nationalsozialismus.

Der spätere sozialdemokratische Finanzminister Ferdinand Lacina und der heutige Bundespräsident Heinz Fischer waren damals seine Studenten. Sie veröffentlichten seine Vorlesungsinhalte und lösten eine gesellschaftspolitische Diskussion aus. 1965 wurde bei einer Demonstration gegen Taras Borodajkewycz der ehemalige Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von dem Rechtsradikalen und RFS-Mitglied Günther Kümel brutal niedergeschlagen. Zwei Tage später verstarb Kirchweger an den Folgen des Angriffs. Er wird als „Erstes Opfer der Zweiten Republik“ bezeichnet. Taras Borodajewycz wurde schließlich 1966 bei vollen Bezügen zwangspensioniert. „Man kann sagen, dass Taras Borodajkewycz bis zu seinem Tod 1984 ein illegaler Nationalsozialist war“, resümiert Eva Blimlinger.

Eva Blimlinger thematisierte die Taras Borodajkewycz-Affäre auf der Pressekonferenz zum Mahnmal. Foto: Christopher Glanzl

Ein Riss, der nie ganz geschlossen werden kann

Die Präsentation des Mahnmals ist bewusst international und öffentlich gehalten. Neben der Bühne wehen die Fahnen der EU, Österreichs, Wiens und der WU im Wind.  Eine Stunde davor fand bereits eine Pressekonferenz statt, bei der Christoph Badelt, Eva Blimlinger, Peter Berger und Johannes Koll JournalistInnen das Projekt gegenüber der Presse präsentiert hatten. Die Pressemappe ist zweisprachig und Teile der Redebeiträge sind zweisprachig. Manche Personen sprechen Englisch, einige Herren tragen eine Kippa. Auch die Skulptur symbolisiert laut deren Gestalter Alexander Felch eine Weltkugel, auf der sich die Vertriebenen im Falle einer gelungenen Emigration verstreut haben.

Durch das Mahnmal sollen sie symbolisch zurück in den Kreis der Universität geholt werden. Die Öffnung an der Seite der Kugel steht für den Riss, den der Nationalsozialismus in der Welt hinterlassen hat und der - auch wenn künftig Namen ergänzt werden - nie ganz geschlossen werden kann. „Ich bin selbst der Sohn einer russischen Jüdin, aber bei mir war das nie ein Thema. Darüber bin ich sehr froh“, erklärt der Künstler, der an der Angewandten Bildende Kunst und Kunst im öffentlichen Raum studiert hat und jetzt in Wien und St. Petersburg lebt und arbeitet.

Die Skulptur wurde von dem Künstler Alexander Felch gestaltet. Sie stellt eine Weltkugel dar, auf der sich die Vertriebenen im Falle einer gelungenen Emigration verstreut haben. Foto: Christopher Glanzl

Warum erst jetzt?

Doch bei allgemeiner Begrüßung und Wertschätzung des Projekts stellt sich doch die Frage: Warum passiert das alles erst jetzt? Warum hat es fast 70 Jahre gebraucht, um das Leid der von der Hochschule für Welthandel vertriebenen Juden und Jüdinnen angemessen zu würdigen? Eva Blimlinger nimmt in ihrer Rede zu dem Vorwurf des stark verspäteten Gedenkens folgendermaßen Stellung: „Es kommt spät, das Gedenken. Sehr spät, ja. Der Einwand mag berechtigt sein. Aber meiner Ansicht nach ist es für so etwas nie zu spät.“

„Ich selbst habe von 1971 bis 1975 hier studiert und damals war das politische Klima an der WU noch ein deutlich intoleranteres. Heute haben die Studierenden hier nicht mehr diese Einstellung“, erzählt Paul Berger im Gespräch. Dennoch gab es auch in der jüngeren Vergangenheit schon Versuche der Aufarbeitung: „Bereits 1990 wurde anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Universität ihre Geschichte in zwei Bänden und eine Sonderausgabe der Österreichischen Zeitschrift für Politikwissenschaft veröffentlicht. Den Anstoß für dieses konkrete Projekt gab die Anfrage der Amerikanerin Ilse Nusbaum im Jahre 2012, welche posthum das Doktorat für ihren Vater Karl Löwy beantragte.“ Karl Löwy und Arthur Luka waren zwei jüdische Doktoranden, welche Ende 1938 ihre Doktorarbeit eingereicht hatten. Die Promotion wurde ihnen allerdings verweigert, da sie „mosaisch zu den Rigorosen nicht zugelassen“ waren. So wurden sie noch stärker diskriminiert als jene 13 jüdischen DoktorandInnen, welche 1938 ohne Feierlichkeit promovieren konnten. „Es ist gesetzlich nicht möglich, Karl Löwy den Doktortitel im Nachhinein zu verleihen“, erklärt Berger, „doch Ilse Nusbaum hat das Forschungsprojekt ins Laufen gebracht.“ Während sich die Spur von Arthur Luka 1941 im Konzentrationslager verliert, schaffte es Karl Löwy, in die USA zu emigrieren, in der er 1970 verstarb.

WU-Rektor Christoph Badelt will einen Anreiz für Studierende schaffen, sich politisch zu engagieren, „damit nicht ein Hundertstel von dem jemals wieder passiert, was damals geschehen ist.“ Foto: Christopher Glanzl

Christoph Badelt nennt vor allem den Neubau der Wirtschaftsuniversität als Anlass für das erneute Aufrollen des Themas. „Heute haben es die StudentInnen hier schön. Aber sie sollen sich auch an Zeiten erinnern, die nicht so schön waren“, plädiert der Rektor in seiner Rede. Er will einen Anreiz für Studierende schaffen, sich politisch zu engagieren, „damit nicht ein Hundertstel von dem jemals wieder passiert, was damals geschehen ist.“ Am Ende seiner Rede bezieht er sich schließlich konkret auf die aktuelle politische Lage: „Wehret den Anfängen, nicht nur Antisemitismus, sondern auch Rassismus! Verwendet eure Ausbildung, um ein Leben voll Demokratie, Menschenrechten und Toleranz zu führen und tretet jenen entgegen, die – in diesem konkreten politischen Umfeld Europa – diese Werte zuerst mit Worten, aber später auch mit Taten, mit Füßen treten!“

Gedenkbuch der WU Wien: http://gedenkbuch.wu.ac.at/

Die Autorin Margot Landl studiert Lehramt Deutsch und Geschichte sowie Politikwissenschaften an der Universität Wien.

Karl Pfeifer: Lebenslanges Engagement gegen Antisemitismus

  • 30.01.2014, 13:56

Der Journalist Karl Pfeifer (*1928) ist ein Mahner gegen den Antisemitismus und Rechtsradikalismus. Claudia Aurednik hat für progress online in einer Audiosendung mit Karl Pfeifer über sein Leben gesprochen. Die Musik hat Mark Klatt komponiert.

Der Journalist Karl Pfeifer (*1928) ist ein Mahner gegen den Antisemitismus und Rechtsradikalismus. Claudia Aurednik hat für progress online in einer Audiosendung  mit Karl Pfeifer über sein Leben gesprochen. Die Musik hat Mark Klatt komponiert.

Nach seiner Rückkehr aus Israel im Jahre 1951 hat er in Österreich selbst jahrzehntelang unter Antisemitismus und Ausgrenzung gelitten. Im Gegensatz zu den meisten ZeitzeugInnen spricht Karl Pfeifer offen über seine Erfahrungen und die Problematik des österreichischen Juden- und Israelhasses, der in nahezu allen politischen Parteien zum Vorschein kam. Karl Pfeifer erhielt 2003 für sein Engagement und seine Zivilcourage die Ernst-Bloch Medaille der Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich. Seine Erfahrungen sind erschütternd und verdeutlichen die Kontinuität der Problematik innerhalb von Politik und Gesellschaft. 

Ausschnitte aus der Sendung:

„Und man hat nie gegen mich vom Staat her diskriminiert. Das hat man nicht. Allerdings als ich wegen meines Staatsbürgerschaftsnachweis ins Magistrat der Stadt Wien 1951 kam, kam ich mit der Heimatrolle meiner Eltern und mit meiner Geburtsurkunde, die man in der jüdischen Gemeinde schnell ausgestellt hat. Dort hat man bei meinen Vornamen Karl Eduard Pfeifer bei Eduard das "d" vergessen. Der Beamte hat gesagt: ‚ein `d´ das geht nicht. Also so geht das nicht, das kann ich nicht bearbeiten. Sie müssen zurück und ein anständiges Geburtszeugnis holen‘. Ich habe gesagt: ‚Wissen Sie was,  ich mag das nicht mehr machen. Ich brauch jetzt einen Pass, weil ich eine Arbeit habe.‘ Darauf hin hat der Beamte gesagt: ‚Na ja, hamm‘s  eh recht a Jud braucht net zwei Vornamen‘. Das war so. Auch ein schöner Empfang. Uns hat man doch aufrichtig und gut empfangen in diesem Land.“

„Wo ich natürlich meine Schwierigkeiten hatte: Ich wurde in einem Kibbuz erzogen, wo man mir beigebracht hatte immer geradeaus seine Meinung zu sagen. Aber in Österreich lernten die Menschen schon in ihrer Kindheit, dass es besser ist nicht die direkt seine Meinung zu sagen.“

„…Ich bin ein Mensch, der nie seine Menschlichkeit aufgegeben hat, der für seine Ideen mit seinen bescheidenen Kräften gekämpft hat. Aber ich habe etwas getan. Die meisten, die zurückkamen, konnten dies nicht tun. Stellen Sie sich vor, ich war Geschäftsführer während der 1960er Jahre und da kamen Kunden – ich hatte ja mit Österreichern zu tun – und erzählten mir Gaskammerwitze. Wie hätte ich mich verhalten sollen? Hätte ich ihnen eine in die Goschn haun sollen und meine Existenz verlieren? Oder das was ich gemacht habe: Es hat sich mir auf den Magen geschlagen und ich habe Magengeschwüre bekommen.“

„Ich glaube, dass dieser Antizionismus - diese ungerechtfertigte Israelkritik, die mit sehr wenig berechtigter Israelkritik zusammengeht -, aus dem Bedürfnis des Kompensierens entsteht. Ich habe nie daran gezweifelt.“

„Ich habe nie pauschalisiert und von ‚den Österreichern‘ gesprochen und habe immer Unterschiede zwischen den Menschen gemacht. Und ich habe dann festgestellt, dass es sehr vielen Österreichern auf gut Wienerisch ‚Powidl‘ ist, ob jemand ein Jude ist oder nicht. Denn sie kennen nicht viele Juden. Während der Waldheim-Zeit hat mir Professor Gottschlich zwei Studierende geschickt, denen ich mein Archiv ‚Antisemitismus in den österreichischen Medien‘ gezeigt habe. Es kam ein Bursch hinein und ich habe ihn die Hand gedrückt, mich vorgestellt und ihm einen Kaffee angeboten. Dann kam ein Mädchen aus Oberösterreich und die drückte meine Hand und ließ sie nicht los. Sie sagte mir - meine Hand noch immer drückend - ‚Herr Pfeifer, Sie sind der erste Jude, den ich kennenlerne.‘ Daraufhin sagte ich: ‚Na ja, wir sind ja Menschen wie alle anderen.‘ ‚Nein‘, sagte sie und sie hielt noch immer meine Hand fest. Da war ich erschrocken und ich fragte sie ‘Warum nicht ?‘ Sie sagte mir folgendes: ‚Ich bewundere Ihr Volk so sehr wegen der Intelligenz.‘ Da sagte ich: ‚Hören Sie, ich arbeite seit zehn Jahren in einer jüdischen Institution und bekommen jeden Tag Beweise gegen Ihre These‘. Also das ist natürlich genauso ein Vorurteil wie jenes, dass Juden geizig, gierig oder so und so wären.“

 

progress online Rezension zu Karl Pfeifers Autobiographie „Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg“

Veranstaltungstipp:

Buchpräsentation:

Karl Pfeifer: Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg.

Wien: Edition Steinbauer 2013

Dienstag, 11.02.2014, 19.00 Uhr
Hauptbücherei am Gürtel, Urban Loritz-Platz 2a, 1070 Wien
Lesung und Diskussion mit Karl Pfeifer
Moderation: Heimo Gruber (Büchereien Wien)
 

Film:

Dokumentarfilm: Zwischen allen Stühlen – Lebenswege des Journalisten Karl Pfeifer

Regie und Produktion: Mary Kreutzer, Ingo Lauggas, Maria Pohn-Weidinger und Thomas Schmidinger.

Schnitt: D. Binder
http://film.antisemitismusforschung.net/

An einer KZ-Gedenkstätte arbeiten

  • 28.01.2014, 17:18

Wer sind die Menschen, die im Vermittler_innen-Pool an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen arbeiten? Warum tun sie sich das an und wie gehen sie damit um? Fünf Guides haben über ihren Bezug zu Arbeit, Ort und Motivation gesprochen und darüber welchen Platz sie dort besonders interessant finden.

Wer sind die Menschen, die im Vermittler_innen-Pool an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen arbeiten? Warum tun sie sich das an und wie gehen sie damit um? Fünf Guides haben über ihren Bezug zu Arbeit, Ort und Motivation gesprochen und darüber welchen Platz sie dort besonders interessant finden.

Die Portrait-Strecke ist der zweite Teil zum progress online Bericht Wo sich Vergangenheit und Gegenwart treffen - Mauthausen

„Wenn man hier lange arbeitet und sich jedes Mal schrecklich fühlt, dann ist das nicht gesund.“ -Stefan

Stefan studiert Jura in Linz und arbeitet nebenbei als Vermittler an der Gedenkstätte. Eigentlich wollte er schon 2011/12 als Zivildiener Rundgänge durchführen, was jedoch zu dieser Zeit nicht möglich war. Deshalb besuchte er den letzten Ausbildungsturnus und ist somit seit Anfang diesen Jahres Teil des Vermittler_innen-Teams. Der Gedenkstätte Mauthausen wendete er sich zu, da seine Großeltern in der Nähe wohnen, der Ort ihm also nicht fremd war und er stark an Geschichte interessiert ist. Deswegen macht er auch bald ein Auslandssemester in Krakau, wo er sich gern in die Materie vertiefen möchte und gespannt auf die Gedenkdiener_innen in den dort umliegenden Gedenkstätten ist.

Die meisten Leute aus seinem Umfeld finden seine Arbeit im Memorial toll, meint er, zieren sich aber, selbst zu kommen. So sieht er sich manchmal nicht nur als Vermittler vor Ort, sondern auch als Vermittlungsstelle nach außen, denn „viele Leute wollen her, brauchen aber eine private Einladung.“

Die Arbeit mit den Besucher_innen-Gruppen findet er spannend, obwohl er sich nach mehreren Schüler_innen-Gruppen auch mal auf älteres Publikum freut. „Jeder Rundgang ist unterschiedlich, manchmal ist es schwieriger sich auf die Menschen einzustellen, manchmal einfacher“, sagt er. Probleme mit Desinteresse habe er aber noch nie gehabt.

Sehr interessant findet er das spanische Denkmal am Denkmalhain. Dessen Hintergrund ist ein Beispiel dafür, wie kompliziert die Geschichte der NS- und Nachkriegszeit eigentlich ist. Nach der Ankunft der US-Armee im Lager der so genannten Befreiung, war es vielen Häftlingen nicht möglich nach Hause zurück zu kehren, so auch den Spanier_innen, welche fast 30 Jahre darauf warten mussten und sich danach vereinzelt auch in der Umgebung angesiedelt hatten. Fast alle Denkmäler in diesem Bereich der Gedenkstätte wurden von Staaten finanziert. Nicht so das spanische, was – wenn man an den dortigen Bürgerkrieg und Diktator Franco denkt – auch logisch erscheint. Deshalb hängt auch bei den Befreiungsfeiern im Mai am Denkmal nicht nur die aktuelle spanische Nationalflagge sondern auch die republikanische.

An einem solchen Ort Geschichte zu vermitteln, ist Stefan sehr wichtig. Und obwohl hier so viel Grausames passiert ist, verbindet er mit dem Ort mehr Positives als Negatives. Man trifft hier seine Kolleg_innen und interessante Gruppen und denkt nicht immer an den ganzen Schrecken, denn „wenn man hier lange arbeitet und sich jedes Mal schrecklich fühlt, dann ist das nicht gesund.“

 

Dass sich ein KZ inmitten einer offenen und wunderschönen Landschaft befand, damit rechnen die wenigsten. - Reinhard

Reinhard macht seit seinem Abschluss der dritten Vermittlungsausbildung Rundgänge an der Gedenkstätte. Im Jahr 2010 war er bereits als Zivildiener dort tätig und hatte sich anschließend unter anderem aufgrund seines großen Interesses an Zeitgeschichte für die Vermittlungstätigkeit entschieden.

Jeder Rundgang und jede Gruppe sei unterschiedlich, er findet aber alle Altersklassen interessant: „Zu Jüngeren habe ich vielleicht einen guten Zugang, weil ich selbst noch nicht so alt bin und ihnen einfacher auf gleicher Stufe begegnen kann. Aber generell hat auch jedes Alter des Vermittlers oder der Vermittlerin seine Vorteile.“

Er ist nicht ganz so oft hier, aber macht die Arbeit sehr gerne. Die Vermittlung von Geschichte ist ihm wichtig und bietet ihm außerdem eine Abwechslung zum Studium an der FH Steyr. Wegen seinem Studium würde er auch nicht hauptberuflich am Memorial arbeiten wollen.

Ein interessanter Aspekt an der Gedenkstätte ist für ihn der schöne Ausblick. Die beeindruckende Landschaft passe einfach nicht zu den Dingen, die damals hier geschehen sind. Genau das thematisiert er auch in seinen Rundgängen, was bei vielen Besucher_innen zu einem AHA-Effekt führt. Jede_r hat schon etwas darüber gehört und jede_r hat sich vor der Ankunft schon seine/ihre Meinung darüber gebildet. Dass sich dann ein KZ inmitten einer offenen und wunderschönen Landschaft befindet, sichtbar auf einem Hügel und nicht versteckt im Wald, damit rechnen die wenigsten. Dieser Kontrast eignet sich laut ihm besonders gut, mit den Besucher_innen über die damalige Zivilgesellschaft in der Umgebung und deren Mitwissen zu sprechen.

Das macht auch diesen Ort für ihn zu einem Ort der Aufklärung: „Ich sehe viel Aufklärungsbedarf und man muss Missverständnisse aus dem Weg räumen.“

 

„Es wird einem hier so viel Herzlichkeit und Dankbarkeit entgegen gebracht.“ - Silvia

Silvia ist seit 2 Jahren hauptberuflich an der Gedenkstätte tätig. Sie arbeitet im Bookshop, im Museum und wo sonst jemand gebraucht wird. Um sich noch mehr mit der Materie beschäftigen zu können, entschied sie sich zusätzlich an der letzten Vermittler_innen-Ausbildung teilzunehmen. Nun macht sie seit ca. einem Jahr Rundgänge an der Gedenkstätte - zwar nicht so oft, da diese außerhalb der hauptberuflichen Arbeitszeit stattfinden, was stressig ist, aber sie meldet sich, wann immer sie Zeit hat. Sie widmet sich dieser Arbeit sehr gern.

Die „Information“ bzw. der Bookshop, wie er genannt wird, ist für Silvia zentral. Hier hält sie sich die meiste Zeit auf und ist dort vor und nach den Rundgängen die erste und letzte Ansprechperson für ihre Kolleg_innen aus der Vermittlung und für viele Besucher_innen. Letztere kaufen dort die Tickets und/oder Literatur zum Thema, melden sich für Rundgänge an, leihen sich Audioguides, lassen sich von ihr den Weg erklären und erzählen auch hin und wieder über ihre Beweggründe die Gedenkstätte aufzusuchen. Häufig wird Silvia auch von Überlebenden bzw. deren Angehörigen angesprochen. Für die Gespräche mit ihnen nimmt sie sich gerne Zeit. „Sie berühren mich sehr“, sagt sie und fügt hinzu: „Es wird einem dort so viel Herzlichkeit entgegen gebracht. Einmal ist mir eine US-amerikanische Besucherin nach unserer Unterhaltung fast um den Hals gefallen.“ 

Als Vermittlerin und Festangestellte genießt Silvia den Kontakt und die Kommunikation in den unterschiedlichsten Sprachen mit den vielen verschiedenen Menschen, denen sie dadurch begegnet. Sie mag ihre Aufgaben an diesem Ort und empfindet die Auseinandersetzung mit ihm als sehr wichtig. Bevor sie nach Dienstschluss nach Steyr heimfährt, schließt sie mit dem Ort ab. „Man muss das tun, wie in anderen Tätigkeiten auch.“

 

„Wenn ich mir vornehme was zu ändern, dann ist das ein guter Ort, um das zu versuchen.“ - Casimir

Casimir ist schon vor längerer Zeit als Fremdenführer auf das „Vermitteln“ in Gedenkstätten gestoßen. Sein Großvater war in einem Konzentrationslager inhaftiert, was sein Interesse an der Tätigkeit geweckt hat. So begleitet er seit nun dreizehn Jahren Besucher_innen an der Gedenkstätte Mauthausen, gelegentlich auch am Lern-und Gedenkort Schloss Hartheim und im ehemaligen Mauthausen-Außenlager Ebensee. Teil des Vermittler_innen-Teams in Mauthausen ist Casimir seit der ersten Ausbildung, jedoch bietet er seine Dienste auch außerhalb dessen an, auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Er beginnt seinen Rundgang vor den massiven Mauern des ehemaligen Schutzhaftlagers. Dieser Bereich ist für ihn besonders interessant, denn hier werden die Besucher_innen zum ersten Mal mit ihren Vorstellungen und teilweise Hirngespinsten konfrontiert. Die Menschen bringen viele skurrile Ideen mit an diesen Gedächtnisort und genau dann, wenn sie das erste Mal vor den hohen Mauern stehen, sprudeln diese meist in Form von Fragen aus ihnen heraus: Wo denn die ganzen Juden umgebracht wurden oder ob das Geräusch (Bohren der Renovierungsarbeiten) eine Soundinstallation sei, die das Leiden nachahmen soll.

Als Guide am Memorial Mauthausen zu arbeiten bedeutet für Casimir nicht nur eine Einkommensquelle, sondern auch eine Möglichkeit sich darin auszuprobieren, die Welt zu retten. Die Gedenkstätte als Ort empfindet er als sehr vielfältig, was auch mit der eigenen Empfindlichkeit zusammenhänge. Deshalb ist es für Casimir sehr wichtig darauf zu achten, den Ort da zu lassen, wo er ist, auf dem Hügel. Ihn von dort mit nach Hause zu nehmen, tue nicht gut.

Dieser Gedächtnisort hat für ihn viele verschiedene Facetten, er sei ein Ort des Leidens und Vernichtens, ein Ort der Überlebenden, aber auch ein Ort der Hoffnung. Auch wenn Letzteres für viele Außenstehende skurril klinge, für Casimir ist die Gedenkstätte Mauthausen ein Platz, an dem man etwas leisten kann, damit gewisse Dinge nicht wieder passieren. Auch wenn man dann doch zuhause Nachwirkungen einer anderen Facette spürt. „Das Dort-Lassen funktioniert eben nicht immer.“

 

„Die Menschen sollen zum Nachdenken anfangen, nicht nur über die Vergangenheit, am besten über sich selbst“ - Barbara

Barbara studiert Kultur- und Sozialanthropologie und ist durch einen Kommilitonen auf die Vermittlungsarbeit an der Gedenkstätte Mauthausen aufmerksam geworden. Nun macht sie seit drei Jahren als Teil des Vermittler_innen-Pools vor Ort Rundgänge, wird aber bald auch eine Fixanstellung im Museum annehmen, um sich noch intensiver am Memorial einbringen zu können. Durch ihren Großvater, der aufgrund seines Engagements im Widerstand nahezu die gesamte NS-Zeit im Zuchthaus verbringen musste, besteht für sie ein starker Zusammenhang zwischen Arbeit und Familiengeschichte.

Die Vermittlungsarbeit bietet ihr die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen über ein so schwieriges Thema auszutauschen und diese zum Nachdenken anzuregen. Jene Interaktion sei ein Geben und Nehmen, man bekomme von der jeweiligen Gruppe meist auch immer viel zurück. Auch die Kolleg_innen sind ihr wichtig, um es an diesem schwierigen Ort auszuhalten.

Um die nötige Distanz zu dem schwierigen Platz gewinnen zu können, hilft ihr nicht nur die geographische Entfernung zwischen Mauthausen und ihrem Zuhause in Wien-Umgebung, auch die lange Autofahrt dahin nutzt sie, um sich etwaiger Nachwirkungen zu entledigen.

Der „Raum der Namen“ ist für sie ein besonderer Bereich, denn hier werden seit der Umgestaltung der Gedenkstätte die im Lagersystem getöteten Menschen mit ihrem Namen, in der jeweiligen Schrift (Kyrillisch, Griechisch, etc.) auf beleuchteten Glasplatten angeführt. „Er zeigt auf, wie divers wir Menschen sind“, sagt sie. „Wir haben verschiedene Sprachen und Schriften, wir sehen unterschiedlich aus usw... Aber was uns verbindet ist, dass wir alle Menschen sind. Wir sollten Respekt füreinander haben."

Der in unserer Gesellschaft oft fehlende Respekt für das Leben, habe den Nationalsozialismus erst möglich gemacht. Barbara möchte die Menschen zum Nachdenken anregen, nicht nur über die Vergangenheit, sondern am besten auch über sich selbst.

 

 

Wo sich Vergangenheit und Gegenwart treffen - Mauthausen

  • 27.01.2014, 12:10

Am 27.1. ist Holocaust-Gedenktag – ein Anlass, sich mit der Gedenkkultur in Österreich zu beschäftigen. Das Memorial Mauthausen sticht da besonders hervor. Nina Aichberger ist Guide in der Gedenkstätte und berichtet für progress online von der KZ-Gedenkstätte und seinen Mitarbeiter_innen.

Am 27.1. ist Holocaust-Gedenktag – ein Anlass, sich mit der Gedenkkultur in Österreich zu beschäftigen. Das Memorial Mauthausen sticht da besonders hervor. Nina Aichberger ist Guide in der Gedenkstätte und berichtet für progress online von der KZ-Gedenkstätte und ihren Mitarbeiter_innen.

Mauthausen ist fast jedem/jeder ein Begriff. Eine Exkursion mit der Schule zur KZ-Gedenkstätte ist keine Seltenheit. So strömen jährlich knapp 200.000 Schüler_innen, aber auch Studierende und Einzelbesucher_innen auf den Hügel, auf welchem sich das ehemalige Konzentrationslager befindet. Orte, wie die Gaskammer und die so genannte Todesstiege bleiben den meisten in Erinnerung. Ein Ort, an dem man sich besonders gerne aufhält, ist das Konzentrationslager auf Grund seiner Geschichte nicht. Es gibt jedoch Leute, die häufig, manche davon sogar jeden Tag, viel Zeit zwischen den Mauern und Gedenktafeln verbringen. Und zwar diejenigen, die dort arbeiten. Mauthausen ist kein verfallener, dunkler und verstaubter oder gar versteckter Ort, sondern eine gut besuchte und teilweise belebte Einrichtung, welche manchmal auch einer Umgestaltung oder Renovierung bedarf.

 

Überblick über den Denkmalhain aus der Richtung des Schutzhaftlagers mit Blick auf den Steinbruch. Foto: Nina Aichberger

Vom Konzentrationslager zur Gedenkstätte

1938 ließen die Nationalsozialisten nahe der Stadt Mauthausen auf einem Hügel das gleichnamige Konzentrationslager errichten. Für die bis Österreich weit verteilten 49 Außenlager fungierte es zu der Zeit als Mutterlager. Andere bekannte Standorte waren beispielsweise Gusen, Linz, Ebensee, Melk, Steyr, Wien und viele mehr. Am 8. Mai 1945 wurde das Lager von der US-Armee „befreit“ bzw. als Lager aufgelöst,, die Häftlinge wurden versorgt. Deshalb finden rund um dieses Datum die Befreiungsfeiern im Konzentrationslager statt. Ca. 200.000 Menschen wurden aufgrund ihrer politischen Gesinnung, ihres Glaubens, ihrer Herkunft oder sexuellen Ausrichtung in dieses Lagersystem verschleppt und rund die Hälfte ging an den Lebens- und Arbeitsbedingungen zugrunde oder wurde durch gezielte Exekutionen ermordet.

Von der US-Armee den sowjetischen Besatzern übergeben, erhielt Österreich im Jahre 1947 die Aufgabe aus dem ehemaligen KZ eine Gedenkstätte zu schaffen, was 1949 auch geschah. Heute ist das Memorial im Gegensatz zu vielen deutschen Gedenkstätten, welche in Stiftungen integriert sind, dem Bundesministerium für Inneres unterstellt, was immer wieder für Diskussionsstoff sorgt.

Auf dem österreichischen Denkmal am Appellplatz legen Besucher_innen Steine ab, um ihre Anteilnahme auszudrücken. Foto: Nina Aichberger

Pädagogische Neuerungen und Angebot

Seit 2007 gibt es eine pädagogische Abteilung, welche für die pädagogischen Angebote, die Ausbildung des Vermittler_innen-Teams und die Rahmenbedingungen eines Gedenkstättenbesuchs zuständig ist. Seitdem wurden drei Vermittlungsausbildungen durchgeführt und ein pädagogisches Konzept erstellt, ganz nach der zentralen Frage „Was hat das mit mir zu tun?“.

Das Team der Vermittler_innen aus dem Pool des Memorial, welche Besucher_innen an der Gedenkstätte begleiten, ist bunt gemischt. Von Studierenden über Pensionist_innen, bis hin zu Menschen, die  sich in ihrer Freizeit dem Thema widmen, ist alles dabei. Auch das pädagogische Angebot ist unterschiedlich. Die klassischen Rundgänge dauern zwei Stunden, Rundgänge mit einem Vor- und einem Nachgespräch bis zu dreieinhalb, ein Impulsrundgang im Sommer nur eine Stunde.

In der Gestaltung ihrer Arbeit sind die Mitglieder jedes Vermittler_innen-Pools sehr frei, werden aber auch nach ihrer Ausbildung von der pädagogischen Abteilung unterstützt. Es wird viel mit Fotos und Illustrationen, mit Plänen und Zitaten von Überlebenden gearbeitet, das ist besonders im Außenbereich sehr wichtig, denn dort sind fast keine Bauten mehr erhalten. So erkennt man die Vermittler_innen meist an einer dicken Fächermappe, in der sie ihre oft selbst laminierten Materialien mit sich herumtragen.

Im Zentrum der Begleitungen steht die Interaktion. Die Besucher_innen sollen sich durch Diskussionen mit den drei Perspektiven Opfer, Täter_innen und Umfeld beschäftigen. Von Frontalvorträgen und Gruselgeschichten hält man in der Gedenkstätte nichts. Häufig beginnt der Rundgang vor dem im Zuge der Neugestaltung errichteten Besucherzentrum, in welchem sich die Räumlichkeiten der Pädagogik und Verwaltung, sowie ein Bookshop, ein Café, Seminarräume usw. befinden. In der Regel führt die Tour dann um das festungsartige, so genannte „Schutzhaftlager“ herum und durch den Denkmalhain. In diesem ehemaligen SS-Bereich stehen nun Denkmäler vieler betroffener Nationen und Gruppen. Vom monströsen Monument der Sowjetunion, bis hin zur kleinen Marmorsäule Griechenlands, jedes Denkmal ist für sich einzigartig und interessant. Manche, wie das der BRD wird an den Befreiungsfeiern gern von Kindern als Lauframpe genutzt, das der Roma und Sinti als Aussichtsplattform in den Steinbruch.

Teil des Bulgarischen Denkmals am Denkmalhain. Foto: Nina Aichberger

Neugestaltung und Ausstellung

Im ehemaligen „Krankenrevier“ im Inneren der Festung, wurden letztes Jahr endlich zwei neue Ausstellungen eröffnet. Im Obergeschoß befindet sich unter anderem eine Ausstellung, welche sich mit der Geschichte des Konzentrationslagers beschäftigt, im Keller wird auf den Tatort Mauthausen eingegangen. Er soll die Besucher_innen auf die sich im Keller befindenden Exekutionsstätten vorbereiten. Durch die schlängelt sich ein beleuchteter Pfad, der auch Informationen zum jeweiligen Raum bereithält und seit neuem das Betreten zur Gaskammer als Pietätsraum verwehrt. Dieses noch nicht ganz optimierte Einbahnsystem führt auch durch den „Raum der Namen“, ein zusätzlicher neuer kollektiver Gedenkraum: In dem damaligen Leichenlagerraum wurden Glasplatten montiert, welche ein bisschen an ein Labyrinth erinnern. Auf diesen sind 81.000 Namen der im Lagersystem Verstorbenen angebracht. Da der Boden eine leichte Neigung hat, wirkt es beim Hineingehen, als würde man in dem Meer aus Namen versinken.

Aussicht auf den Garagenhof der SS. Rechts im Hintergrund ist das Besucherzentrum, links ist das Schutzhaftlager. Foto: Nina Aichberger

Ein Ort der Gegenwart

Sichtbar auf einem Hügel, umgeben von einem umwerfenden Ausblick erhebt sich die graue Festung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Man begegnet nicht nur knarrenden Türen und sausendem Wind, sondern auch dem Brummen eines Rasenmähers oder dem Zwitschern der Schwalben, welche unter den Dächern der Baracken nisten. Zwar gibt es Tage,  besonders die, an denen es früher dunkel wird, an denen möchte man sich nicht gerne zur Sperrstunde im Inneren der massiven Mauern aufhalten, aber generell ist der Ort ein sehr belebter. So trifft man nicht nur weinende und traurige Gesichter, sondern auch lachende Schüler_innen und beispielsweise eine Gruppe jüdischer Frauen, welche an einem Gedenkstein ein fröhliches Lied singt oder einen Spaziergänger mit Hund im Außenbereich. Es ist ein Ort, an dem schreckliche Dinge passiert sind, Dinge, die sich niemand von uns vorstellen kann. Genau dieses Unvorstellbare lässt uns erschaudern und zusammenzucken. Den Ort selbst kreiert sich aber jede_r von uns selbst und oft ist es nicht nur der gespenstische Platz des Massensterbens, sondern auch ein Ort der Überlebenden, ein sich wandelnder Ort der Gegenwart, an dem man die Möglichkeit hat etwas aus der Geschichte und über sich selbst zu lernen.

Eine Blume auf einem Teil des Denkmals der DDR. Im Hintergrund sieht man auf den Steinbruch. Das Denkmal befindet sich direkt an der Steinbruchkante. Foto: Nina Aichberger

 

„Wenn ich mir vornehme was zu ändern, dann ist das ein guter Ort um das zu versuchen.“ - progress online Portraitstrecke An einer KZ-Gedenkstätte arbeiten

 

 

„Es hat ja damit angefangen…“

  • 27.01.2014, 11:40

Marko Feingold (*1913) hat das Vernichtungslager Auschwitz überlebt und ist heute Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg. Djordje Čenić hat mit ihm für progress online über sein Leben nach 1945 und die österreichische Rechte gesprochen.

Marko Feingold (*1913) hat das Vernichtungslager Auschwitz überlebt und ist heute Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg. Djordje Čenić hat mit ihm für progress online über sein Leben nach 1945 und die österreichische Rechte gesprochen.

progress online: Herr Feingold, die Kamera läuft, es wird ab jetzt alles aufgezeichnet. Wenn Sie etwas nicht aufgezeichnet haben wollen, dann sagen Sie es einfach.

Marko Feingold: Nein, ich bin ein offenes Buch, ich habe keine Angst. Ich stehe im Telefonbuch drinnen, ich habe keine Probleme diesbezüglich. Ich bin sogar interessiert daran, dass das weitergetragen wird, denn die Zeitzeugen sind viel weniger geworden.

Wir Österreicher haben unsere Geschichte nicht aufgearbeitet. Jetzt immer mehr kommt es heraus, insbesondere von der Sozialistischen bzw. Sozialdemokratischen Partei gedeckt, dass ja rot ziemlich braun gefärbt wurde, antisemitisch von Anfang an. Und jetzt kommt die Geschichte: Das ist ganz einfach entstanden, als 1938 der Dr. Karl Renner gleich für den Anschluss war. Er war für den Anschluss und wir gingen ins KZ, weil wir gegen den Anschluss waren. Nach 45 wollte er niemanden da haben, der wusste, was er 1938 gemacht hat. Was mich persönlich betrifft, am 11. April 45 ist Buchenwald befreit worden, unter den vielen Nationen, ich glaube 28 Nationen waren da, sind 27 Nationen geholt worden. Nur die 500 Menschen aus Österreich nicht. Wir werden bei den Amerikanern vorstellig, wir wollen nach Hause. „Ja, aber wir haben momentan keine Transportmittel.“ Da haben wir drei Busse der Verkehrsbetriebe von Weimar gekapert. 128 Häftlinge, durchwegs politische Häftlinge, gemischt - Juden, Nichtjuden -, so waren wir unterwegs, über Nürnberg, München, Salzburg, Linz. Da kommen wir an die Zonengrenze. „Halt!“ Die Russen lassen uns nicht durch. Auf Befehl von Renner dürfen keine KZler, keine Juden und keine Vertriebenen zurückkommen.

Warum eigentlich? Damit keiner da ist, der weiß, was 38 war!  So ein Mann, der für den Anschluss war, hätte niemals Bundespräsident werden dürfen. Denn er musste schon wissen, als Politiker musste er schon wissen, was in Deutschland war seit 33, in den fünf Jahren bis 38. Schon aus dem Grund hätte er Nein sagen müssen.

Und nach 1945 hat er sich mehr um die armen Nazi gekümmert, die da jetzt sind. Ob er daran gedacht hat, er könnte aus den Nazis Rote machen, darüber will ich nicht diskutieren. Selbst Politiker, die bei uns mit dabei waren, niemanden hat er durchgelassen. Ein Freund von mir, der Frau und Kind in Wien hatte, der wird jetzt 120 Kilometer vor Wien aufgehalten und er darf nicht nach Wien kommen. Das ist der Stand, von dem man ausgegangen ist. Man soll es nicht in die Länge ziehen, hat man da gleich formuliert. Auf der anderen Seite: Wehret den Anfängen. Man hat ja noch nicht Schluss gemacht und man soll schon den Anfängen wehren. Also lauter Blödsinn.

Das Absinken beider Parteien, dadurch konnte ja dann 1948 der VDU respektive die FPÖ auf einmal eine große Partei werden, denn sie waren alle rechtsradikal noch immer. Und in Salzburg ist man am rechtsradikalsten von ganz Österreich, man will es nur nicht zugeben. Die Schmierereien jetzt in der letzten Zeit sind das typische Beispiel. Wenn ich sage, Salzburg ist antisemitisch, streiten das Alle ab. Hätte ich das nicht 1945 erlebt, dann dürfte ich das ja nicht sagen, aber ein einziger Satz wird ihnen bestätigen, ich habe Recht.

In Salzburg waren ja ein paar hunderttausend Flüchtlinge, darunter auch sehr, sehr viele jüdische Flüchtlinge. Für die Flüchtlinge besorgten die Amerikaner Lebensmittel, die Stadtgemeinde musste nur die Kasernen, die damals alle leer waren, zur Verfügung stellen. Eines Tages kommt man zu mir, die Lager sind überfüllt, wir müssen die Leute weiterbringen. Es waren darunter jüdische Flüchtlinge,  die nach Palästina zogen - offiziell keine Möglichkeit. Bis hierher hat man sie mit unechten Fahrausweisen, mit falschen Papieren gebracht. Ganze Züge sind mit ihnen gekommen. Ich will auf das nicht eingehen, sie waren jedenfalls dann hier. Da ich perfekt Italienisch gesprochen habe, ich war sechs Jahre vorher in Italien, war es naheliegend für mich. Also ich muss das irgendwie arrangieren. Jetzt ist es so, man braucht Autos. Die Landesregierung hat alle im Land Salzburg stehengebliebenen Militärfahrzeuge gesammelt. Wenn ein Frächter jetzt ein Fahrzeug braucht, wird das geschwärzt. Er bezahlt, er kann es haben. An diese Stelle wurde mir empfohlen zu gehen. Ich wusste selbst nichts davon. Und ich ging dorthin.

Marko Feingold erzählt über seine Rückkehr nach Österreich. Foto: Djordje Čenić

Aber: „Nein, nein.“ „Passen Sie auf“, sagte ich, „es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich kriege die Autos, die ich brauche, oder die Juden bleiben da.“ „Wie viele brauchen Sie?“

Was ist das? Ist das antisemitisch oder nicht? Die Juden bleiben da – ein Schreckgespenst – und auf einmal: „Wie viele Autos brauchen Sie?“ Ich habe sechs bekommen.

So sehe ich schon 45 alles und so sehe ich das ununterbrochen weiter, Jahr für Jahr und immer wieder. Ein paar tausend Mal bin ich hier angegangen worden, ich war ja in Salzburg sehr bekannt – „Herr Feingold, warum gehen sie nicht nach Palästina?“ „Wenn Sie nach Rom gehen, gehe ich nach Palästina.“ Dann  sind die Leute draufgekommen, dass das doch ein bisschen zu hart war.

1948 die Gründung des VDU in Salzburg. Warum nicht in Kärnten, warum nicht in der Steiermark, warum in Salzburg? Überall hat´s geheißen, in Salzburg wären mehr Nazi, die Stadt der Erhebung, und was weiß ich was. Man kann darüber diskutieren - ausgerechnet in Salzburg!

Hier bei uns, der ORF hat sie engagiert, als Reporter, bei den Zeitungen, sind sie untergekommen. Canavals Schützlinge waren sie alle, das ist der Chef der Salzburger Nachrichten gewesen. Das ist ja alles hier zusammengekommen. Die Kameradschaft IV, eine SS-Formation, ich glaube sie marschieren jetzt auch noch am 1.November auf. Nur die meisten gehen auf Krücken oder werden auf Wägen herumgeführt, weil sie schon so alt sind.

Aber es hat Jahrzehnte Schwierigkeiten am Friedhof gegeben. Wir haben immer einen Tumult am 1. November gehabt, weil die sind in Reih und Glied marschiert zum Heldendenkmal und haben dort ihre Kränze hingelegt. Einige Male hat ein Münchner Künstler sogar die Schleifen abgeschnitten, weil sie hatten das Original- SS-Zeichen drauf, was nicht sein darf. Es hat einen Prozess gegeben gegen ihn. Ích glaube, zwei bis drei Jahre hat er nicht nach Salzburg kommen können, bis man das irgendwie eingestellt hat. Er war im Recht.

Jetzt nehme ich an, Sie haben auch irgendwelche Fragen?

In Salzburg gibt es seit Monaten Nazi-Schmierereien. Sie sind davon auch betroffen…
Wir sind gut versichert, wir werden das durch die Versicherung gedeckt bekommen. Aber die neue Gegensprechanlage ist kaputt, verschmiert. Es ist kein Bild zu sehen. Wir haben es schon versucht zu reinigen, aber ich glaube, es wird nicht werden. Die erste Anlage wurde beschädigt. So, dann haben wir eine neue Anlage bekommen. Wenige Tage später schon, mit einem harten Metallgegenstand eingeritzt, aber es hat noch funktioniert. Dann begannen die Schmierereien. Und das soll kein Antisemitismus sein?

Wissen Sie, das wachsame Auge unsereins sieht diese Sachen. Es stört sie natürlich. Andere sehen es ja nicht, oder sie wollen es nicht sehen, oder sie finden das sind Lausbübereien. Aber wie heißt so schön der Satz? Wehret den Anfängen.

Ja, was ist ein Anfang? Ein Anfang ist die Lausbuberei, ich habe es aus den 20er Jahren heraus in Erinnerung, es hat ja damit angefangen.

Was halten Sie von der FPÖ?

Ich war mit Haider sehr gut. Und ich habe intensive Gespräche mit ihm geführt. Ich habe ihm gesagt, er soll die scharfen Kanten, die er hat, mildern, dann könnte er tragbar werden. Aber hat auf mich nicht gehört. Die Betrügereien in Kärnten, die nach seinem Tod ans Licht gekommen sind, waren skandalös. Er hat ganz Kärnten in den Ruin geführt mit seinen Machenschaften. Er und seine Umgebung, lauter Gangster!  

Würden Sie nicht sagen, dass Haider ein dem Nationalsozialismus zumindest zugetaner Mensch war? Kann man das so sagen?

Ja, ja, ja.

War er ein Antisemit?

Das ist die alte Geschichte. Jeder Germane hat einen Juden gehabt, den er gut leiden konnte.

Und in Haiders Fall waren Sie das anscheinend.

Ja.

Sie hatten nie Berührungsängste?

Keine. Im Gegenteil. Er war einmal in Salzburg, als wir gerade bei der Gründung des Jüdischen Instituts bei einem Kollegen waren, unter der Festung. Auf einmal ruft mich ein befreundeter Notar an und teilt mir mit, der Haider ist da und wäre bei unserem Treffen gerne dabei. Es sei nicht mein Haus, ich bin nicht der Einlader, aber ich würde den Kollegen fragen, ob er was dagegen hat. Da gibt es eine Menge Fotos von ihm und mir zusammen im Gespräch oben. Und ich habe ihn gefragt, ob er sich bei der Finanzierung des Instituts beteiligen will. Ja, mit 800.000 Schilling. Er ist dann mit der Riess-Passer und einem Rechtsanwalt gekommen und hat mir einen Vorschuss von 400.000 gegeben. Daraufhin gab es eine Ausstellung von Künstlern bis 1938 in Österreich. Eine wunderbare Ausstellung. Wo immer man sie zeigte, wurde sie verlängert. Ich habe einen Platz gefunden, von den Festspielen zur Verfügung gestellt. Alles bestens, alles schönstens. Und wir haben eine Pleite gehabt. 200.000 Schilling Schaden. Durch die 400.000 konnten wir das abdecken. Sonst hätten wir es aus unseren Taschen bezahlen müssen. Die restlichen 400.000 habe ich nie gekriegt.

Ich habe noch ein paar persönliche Fragen an Sie. Sie sind ja 1945 eher durch Zufall in Salzburg gelandet… Hatten Sie jemals den Gedanken wegzugehen?

Nein, nein. Vielleicht als letzter Jude würde ich weggehen. Oder mich begraben lassen. Nein, ich hatte nie die Absicht, denn das hieße die Flinte ins Korn zu werfen. Nein, das kann ich nicht.

Glauben Sie, dass die Umtriebe der, nennen wir es einmal, Nazis schlimmer werden?

Nein. Nein, also ich persönlich fürchte keine Angriffe. Und außerdem wissen Sie, es wird sich keiner eine Ehre antun, einem 100-jährigen etwas anzutun. Mit der Zuversicht lebe ich. Es wird sich herausstellen, ob es stimmt oder nicht.

 

Marko Feingold (*1913 in Wien) ist Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Salzburg und betreut die Salzburger Synagoge. 1939 wurde Feingold nach Auschwitz deportiert. Von 1941 bis 1945 war er im KZ Buchenwald interniert, nach der Befreiung ließ er sich in Salzburg nieder, wo er bis zu seiner Pensionierung 1977 ein Modegeschäft betrieb. Marko Feingold ist aktiv als Zeitzeuge in Schulen und Pfarrgemeinden unterwegs und hat mit „Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh“ seine Überlebensgeschichte geschrieben.   

Feingold, Marko M.: Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh. Picus Verlag, Wien 2000.

 

Lina Čenić ist Juristin und Rechtsberaterin im Flüchtlingsbereich. Djordje Čenić ist Historiker und Filemacher.