Rettet die Wale und stürzt das System!

  • 11.05.2015, 08:36

Sechs Dinge übers Weltretten, die du noch nicht wusstest

Sechs Dinge übers Weltretten, die du noch nicht wusstest

Ohne Gage

Der Begriff „Engagement“ kommt – Überraschung! – aus dem Französischen. Er hat zwei hauptsächliche Bedeutungen: Auf der einen Seite bezeichnet er eine berufliche Verpflichtung, auf der anderen den persönlichen Einsatz aus einem Gefühl der Verbundenheit und der Verpflichtung heraus. Das zugehörige Verb „engager“ besteht aus den beiden Worten „en“ (in) und „gage“ (Gehalt, Lohn). Hier wird der implizite finanzielle Aspekt des Begriffs sichtbar.

Paradoxerweise ist gerade das soziale Engagement oft unbezahlt und erfolgt rein aus moralischen Überzeugungen – oder um den eigenen Lebenslauf aufzupolieren. Nicht umsonst wird soziales Engagement häufig auch als Freiwilligenarbeit bezeichnet.

Die Ziele von sozialem Engagement sind so divers wie die Personen, die sich engagieren. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass soziales Engagement einen Status quo, der als verbesserungswürdig wahrgenommen wird, verändern soll.

Crowds, Change, Cash

Auf Onlineplattformen wie change.org oder avaaz.org kann jede und jeder eine Unterschriftenaktion starten und unterschreiben. Doch diese Plattformen sind nicht etwa gemeinnützige Organisationen oder Vereine: Nein, sie sind ganz klassische Unternehmen, die sich durch Kooperationen, Aufträge und Werbung finanzieren. Crowdfunding-Webseiten wie gofundme.org oder kickstarter.comkassieren meist einen Teil der Gesamtspenden bzw. jedes einzelnen Spendenbeitrages über Gebühren ein. Und nicht zuletzt bezahlen die meisten NGOs gewinnorientierte Agenturen, die junge Menschen prekär beschäftigen, um die heiß gefragten Mitgliedsbeiträge einzuholen (vgl. progress 4/14). Die traurige Wahrheit: Aktivismus ist manchmal auch nur ein Business.

Freiwilligenarbeit

In Österreich ist Freiwilligenarbeit sehr beliebt. 46 Prozent der Bevölkerung über 15 leisten Freiwilligenarbeit – also ca. 3,3 Millionen Menschen. Aber was genau bedeutet der Begriff „Freiwilligenarbeit“? Wie so oft gibt es hier verschiedene Definitionen. Das Freiwilligengesetz bezieht sich auf jene Leistungen, die freiwillig und unentgeltlich von Personen in einem organisatorischen Rahmen für andere erbracht werden, aus sozialen Motiven und ohne Erwerbsabsicht. Der Aspekt der informellen Arbeit ohne organisatorischen Kontext, zum Beispiel „Nachbar_innenschaftsdienst“, wird hierbei nicht berücksichtigt.

Gebiete, in denen Österreicher_innen sich engagieren, sind zum Beispiel soziale Dienste, Kultur, Politik, Sport, Gesundheit und Pflege sowie Rettungs- und Katastrophenhilfsdienste. Für alle Interessierten: Die Seite freiwilligenweb.at enthält ein Verzeichnis etlicher Freiwilligenorganisationen, bei denen man sich in Österreich engagieren kann.

Period.

„I will not apologize for not feeding the ego and pride of misogynist society that will have my body in an underwear but not be okay with a small leak.“ Die kanadische Künstlerin Rupi Kaur zeigt in ihrer Fotoserie „period.“ Bilder von Menstruationsblut in verschiedenen Kontexten. Sie wehrt sich damit gegen eine Gesellschaft, die mit der Sexualisierung und Degradierung von Frauen einverstanden ist, nicht aber mit natürlichen Prozessen ihres Körpers, die sie als krank und schmutzig erachtet. Eines von Rupis Fotos zeigt eine Frau, auf deren Hose Menstruationsblut zu sehen ist. Auf Instagram wurde das Bild zweimal gesperrt. Allerdings nicht lange: Rupi empörte sich in mehreren sozialen Netzwerken darüber und erhielt so enorme öffentliche Unterstützung, dass Instagram sich gezwungen sah, das Bild wieder freizuschalten. „You made a giant see that it is only a giant cause you are part of its existence“, schreibt Rupi zum gemeinsamen Erfolg.

Clicktivism

Der Begriff „Clicktivism“ bezeichnet den Gebrauch sozialer Medien zur Förderung einer Sache. Durch das schnelle und einfache Teilen und Verbreiten von Anliegen und Protestaktionen sollen Aktivismus und gesellschaftlicher Wandel erleichtert werden.

User_innen organisieren sich in Gruppen und machen auf Twitter und Facebook auf Inhalte aufmerksam. Doch dieser Online-Aktivismus ist auch als bequeme, wirkungslose Gewissensberuhigungsmaßnahme verschrien: „Clicktivism will never bread social revolution“, meint etwa Micah M. White, Occupy-Aktivist der ersten Stunde. das wichtigste Gegenbeispiel für diese These des einen, richtigen Aktivismus sind wohl der gesamte arabische Frühling und seine vielen Nachwehen, wo Soziale Medien eine große Rolle spielten. Auch Hashtag-Aktivismus wie #Aufschreiin Deutschland und aktuell #BlackLi vesMatter in den USA SORGT dafür, dass Themen gehört und besprochen – und oft von anderen Aktionsformen begleitet – werden. Nicht zuletzt bietet Online-Aktivismus marginalisierten Gruppen Raum für Vernetzung, Austausch und Planung gemeinsamer Aktionen.

Karten der Katastrophen

Naturkatastrophen verändern komplette Landschaften in nur wenigen Minuten gravierend. Herkömmliche Karten und sporadisch aktualisierte Dienste wie Google Maps bieten Helfer_innen vor Ort dann keine Orientierung mehr. Die Community des Open-Source-Dienstes Open Street Map (OSM), der wie eine Wikipedia für Weltkarten funktioniert, versucht zu helfen, indem sie die Karten so schnell wie möglich anpasst. Firmen, die Satellitenbilder anfertigen, liefern für die Online-Kartograph_innen aktuelles Material, aufgrund dessen diese die Karten verändern. Schon 2010 beim Erdbeben in Haiti und 2013 nach dem Taifun Hayan auf den Philippinen wurde das System erprobt. Mit Erfolg: Das Rote Kreuz in den USA empfiehlt den Einsatz von OSM in Katastrophengebieten. Waren es 2010 erst 500 Helfer_innen, so kartieren aktuell über 2.000 Menschen auf tasks.hotosm.org das Erdbebengebiet in Nepal.

 

Patricia Urban studiert Kultur- und Sozialanthropologie sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Wien.

 

AutorInnen: Patricia Urban