Reiche Vertretung mit Spaßgarantie

  • 05.02.2015, 08:00

Die Helsingin Yliopiston Ylioppilaskunta ist nicht nur die älteste Studierendenvertretung Finnlands, sondern auch eine der reichsten weltweit.

Die Helsingin Yliopiston Ylioppilaskunta ist nicht nur die älteste Studierendenvertretung Finnlands, sondern auch eine der reichsten weltweit.

Zu Beginn jeden Semesters ist Helsinki ziemlich bunt: Gruppen von jungen Leuten in farbenfrohen Overalls – jeder Fachbereich an jeder Uni hat eine eigene Farbe – gehen auf Schnitzeljagd durch die Stadt. Eine feuchtfröhliche, von den Studierendenvereinigungen veranstaltete Angelegenheit, an der viele der Studienneulinge teilnehmen, denn fast alle sind in irgendeiner Vereinigung.

Die „Student Unions“ haben in Finnland lange Tradition. An der Spitze steht die SYL, die National Union of Students in Finland. Ihr gehören alle 20 finnischen Studierenden-Unionen an. Die Helsingin Yliopiston Ylioppilaskunta (HYY) ist mit ca. 30.000 Mitgliedern die größte dieser „Student Unions“. Die Mitgliedschaft ist für Bachelor- und Master-Studierende verpflichtend, für Doktorats- und Austausch-Studierende freiwillig.

ZAHLREICHE UNTERGRUPPEN. Der HYY untergeordnet sind rund 250 weitere Vereinigungen – die Fakultäts- und Fachbereichs-Organisationen (alle, die ein bestimmtes Fach studieren, können Mitglied werden), denen wiederum weitere Vereine untergeordnet sind. Das kann dann alles sein, vom Debattierklub bis zum Segelflieger-Treffen. Außerdem gibt es noch die „Nations“ (früher für Studierende aus einer bestimmten Region gedacht, heute durchlässiger). Diese haben einen eigenen legalen Status.

Jaakko Haarala hat sich 2014 mit FreundInnen selbst als Gründer eines solchen Vereins beteiligt. Er studiert Politikwissenschaft an der Fakultät für Sozialwissenschaften. Jaakko und seineFreundInnen wollten die internationalen Studierenden der Fakultät untereinander und mit den finnischen Studierenden in Kontakt bringen und haben deswegen das Committee for International Students of Social Scientists (CISSI) gegründet. „Die meisten sogenannten Associations sind nicht politisch“, erzählt er.Es gehe darum, die Studierenden zu integrieren und zwischen ihnen und den Lehrenden zu vermitteln. „Die Universität ist stark daran interessiert, wasdie Studenten zu sagen haben“, findet Jaakko. Dabei kann es zum Beispiel um den Aufbau von Lehrveranstaltungen gehen, oder – im Fall der übergeordneten Organisationen HYY und SYL, um Mitsprache bei Gesetzgebungsprozessen und offizielle Statements zur Bildungspolitik. HYY und Co. sind eine starke Interessenvertretung.

MEHR ALS NUR FEIERN. Die Führungsebene von HYY besteht aus einem „Board“ und dem „Council“. Das „Council“ wird von den Studierenden gewählt – und obwohl auch politisch organisierte Gruppen (zum Beispiel die Grünen) zur Wahl stehen, erhalten die unpolitischen Gruppierungen, die sich ausschließlich mit Studierendenangelegenheiten beschäftigen, immer die meisten Stimmen. Die Wahlbeteiligung ist, trotz der hohen Zahl an Studierenden, die sich in der einen oder anderen Gruppe engagieren, mit um die 30 Prozent (2014: 31,7 Prozent) eher niedrig.

Wie man am Beispiel der HYY sieht, sind zwei wesentliche Charakteristika der finnischen „Student Unions“ ihre soziale und bildungspolitische Funktion.Feiern und mitbestimmen? Das passt in Finnland gut zusammen – was vermutlich nicht zuletzt daran liegt, dass die „Student Unions“ (und insbesondere die HYY) auch erfolgreiche Unternehmen sind.

Die HYY besitzt mehrere Gebäude in guter Lage in der Stadt, die teilweise auch von den untergeordneten Vereinen benützt werden dürfen. „Die Räumlichkeiten sind einer der Gründe, warum die HYY so viele Associations unter sich hat“, sagt Jaakko. Andere Immobilien werden vermietet. HYY betreibt mit den Unicafés die Mensen der Universität (mit Studierenden-Ausweis kostet ein Mittagessen 2,60 Euro) sowie einige weitere Restaurants und ein SommerHostel. Zusätzlich gibt es auch einen eigenen Verlag.

Die Unternehmensseite der HYY wird professionell verwaltet, unterstehtaber schlussendlich dem Council und Board – und somit allen knapp 30.000 Mitgliedern der HYY. Gewinn ist nicht das oberste Ziel, trotzdem machte diese „Student Union“ 2013 bei einem Umsatz von 35,5 Millionen Euro ein Plus von circa 3,8 Millionen.

„PRIVATKRANKENKASSE“. Der Profit wird, so wie die Mitgliedsgebühren, dazu verwendet, die Räumlichkeiten von HYY instand zu halten, die Mitgliedsvereine zu unterstützen, und ein großer Teil geht in die Gesundheitsversorgung der Studierenden.

Die Studierenden haben, wenn man es so nennen will, eine eigene privatärztliche Versorgung durch medizinische Zentren,die nur ihnen zur Verfügung stehen. Von Bauch- bis Zahnweh kann hier alles behandelt werden. Dieser Service ist landesweit organisiert und wird nicht nur von den Studierenden, sondern auch von der Regierung finanziert. Die finnischen „Student Unions“ decken also alle Bereiche des studentischen Lebens ab – sie sind nicht nur verbindendes Element, Freizeitbeschäftigung und Mensa, sondern auch politische Interessensvertretung, Gesundheitsversorgung und ein Lehrbeispiel für erfolgreiche Geschäftsführung.

BESCHEIDENE ANFÄNGE. Vor über 140 Jahren hat das alles aber eher bescheiden begonnen. Die damals einzige Universität des Landes wurde 1828 von Turku nach Helsinki verlegt. Die Studierenden begannen bald, sich zu organisieren und nach eigenen Räumlichkeiten zum Diskutieren und Feiern umzusehen. 1868 wurde die HYY offiziell gegründet, zwei Jahre später das erste eigene Studierendenhaus (heute „Old Student House“) fertiggestellt – ein Teil der Kosten wurde durch Spenden und eine Gebühr für die Studierenden, ein Teil mit Krediten aufgebracht. Die Eröffnung wurde groß gefeiert, denn Feiern war den finnischen Studierenden damals schon wichtig. Und das ist es auch heute noch, wie man jedes Semester wieder anlässlich der farbenfrohen Schnitzeljagd durch Helsinki sieht.

 

Daniela Sulz hat Journalismus an der FH Wien und Geschichte an der Universität Wien studiert und lebt zur Zeit in Helsinki, Finnland.

 

AutorInnen: Daniela Sulz