Neue Bildung braucht das Land

  • 13.07.2012, 18:18

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist Geschichte. Dass jetzt bei der Bildung Schluss sein muss mit Rumwurschteln, sollte mittlerweile allen klar sein. Die ÖH zieht ein Fazit über 2009, und hat Hoffnung für 2010.

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist Geschichte. Dass jetzt bei der Bildung Schluss sein muss mit Rumwurschteln, sollte mittlerweile allen klar sein. Die ÖH zieht ein Fazit über 2009, und hat Hoffnung für 2010.

Abschaffung von Mitbestimmungsrechten und demokratischen Organen. Zugangsbeschränkungen. Verschulung. Leistungsdruck. Studiengebühren. Die hochschulpolitischen Assoziationen zu den Nuller-Jahren halten sich fast durchgehend im negativen Bereich auf. Kaum ein Jahr, in dem nicht irgendetwas am österreichischen Hochschulsystem schlimmer wurde. Auch das Schulsystem wurde durch einfaches Nicht-Reformieren dem endgültigen Verfall preisgegeben.
Immer wieder haben sich Studierende zusammengetan, um gegen diese Verschlechterungen zu protestieren: Die Einführung der Studiengebühren, die Umsetzung des Universitätsgesetzes, das Elitenförderungsprogramm der schwarz-blauen Bundesregierung, schulpolitische Katastrophen und der rote Studiengebühren-Umfaller hatten immer wieder Demos, Kundgebungen, riesige Umzüge, Aktionen und (Rektorats-)Besetzungen zur Folge. Rückwirkend stellt sich für alle Involvierten die Frage, ob diese Proteste abseits einer massiven Förderung der transparentstoffverkaufenden Wirtschaft nachhaltige Verbesserungen erzielen konnten. Zum Teil, würden einige sagen. Fast 90 Prozent aller Studierenden zahlen mittlerweile keine Studiengebühren mehr, die Studienbeihilfe wurde geringfügig angehoben (nominell, nicht real), die Studierenden an Fachhochschulen sind jetzt Teil der ÖH und verfügen damit über eine gesetzliche Vertretung.
Das Fazit ist also eher mau. Von gefühlten tausend Demos und realen hunderttausenden Protestierenden ist politisch nicht viel übrig geblieben. Frei nach Antonio Gramsci drohte der Optimismus des Willens am Pessimismus des Verstandes zu scheitern. Schließlich wurde im Juli 2009 das undemokratische Universitätsgesetz reformiert, mit der grundlegenden Konsequenz, dass Zugangsbeschränkungen nun in so gut wie jedem Fach eingeführt werden können. Aufsehen erregte das aber keines. 

Bildung brennt. Die Politikverdrossenen strafte das Jahr 2009 aber Lügen – weder von langer Hand geplant noch von Institutionen organisiert beschloss eine große Zahl von Studierenden schlicht und ergreifend, dass es jetzt genug ist. Genug mit Ellbogentechnik, Sitzplatzproblemen, engen Studienplan-Korsetten und prekären Lebensverhältnissen. Wie ein Waldbrand weitete sich der Protest in unglaublicher Geschwindigkeit von der Akademie der Bildenden Künste auf ganz Österreich aus. Die heftigsten Bildungsproteste ausgerechnet am Ende der Nuller-Jahre, wo doch die Reform der Hochschulen zu standortgerechten Dienstleistungsanbietern längst abgeschlossen sein hätte sollen und die Kundschaft StudentInnen gelangweilt an der Kassa steht.
Es hat sich ausgesessen. Für die ÖH bieten diese Proteste auf der einen Seite große Unterstützung in ihren Anliegen. Sie zeigen, dass die Forderungen nach offenen Universitäten, freier Bildung und sozialer Absicherung von Studierenden nicht aus der Luft gegriffen sind, sondern über eine riesige Basis verfügen. Auf der anderen Seite sind in ÖH-Strukturen Erinnerungen an vergebliche alte Kämpfe stets präsent. Besonders unter Schwarz-Blau wurden Proteste regelmäßig einfach ausgesessen. Erstmals in der Frage der Studiengebühren führte ein Zusammenspiel aus einem günstigen innenpolitischen Moment und der Tatsache, dass die ÖH die Abschaffung der Studiengebühren zur Glaubwürdigkeitsfrage für die SPÖ gemacht hatte, zu dem Erfolg der teilweisen Abschaffung. Für die ÖH gilt es demnach, die Forderungen der Studierendenbewegung von 2009 politischer Umsetzung zuzuführen und dafür alle Kanäle zu nützen.

Vorsätze und Hoffnungen. 2009 ist das Fass mit der Novelle des Universitätsgesetzes übergelaufen – die StudentInnen haben begonnen, sich zu wehren. Der Dialog Hochschulpartnerschaft, den das Wissenschaftsministerium daraufhin einleitete, soll eine grundlegende Veränderung des Hochschulwesens anstreben. Inwieweit sich innerhalb dieser Struktur Verbesserungen erzielen lassen, wird sich aber erst zeigen. Jedenfalls nehmen wir unsere Zielsetzung ernst – allen voran die Zurückeroberung freier, demokratischer Hochschulen – und werden aktiv Verbesserungsvorschläge liefern.
Für 2010 hat sich die ÖH-Bundesvertretung einiges an Projekten vorgenommen. Das Jahr startet für uns politisch mit dem Kongress Higher Education Reloaded (siehe Seite 11), mit dem wir Student-Innen die Möglichkeit geben wollen, sich zu vernetzen und ihr bildungspolitisches Wissen zu erweitern. Darüber hinaus wollen wir natürlich auch 2010 das StudentInnenleben ein Stück schöner, gerechter und einfacher machen: Wir vertreten euch wie immer in wohnpolitischen Fragen, beraten euch in sozialrechtlichen und studienrechtlichen Angelegenheiten. Außerdem haben wir uns vorgenommen, unser Beratungsangebot in Form eines Studien- und Sozialrechtswikis besser aufzubereiten, uns für den Arbeitsmarktzugang von Studierenden aus Nicht-EWR-Staaten einzusetzen und endlich studienrechtliche Mindeststandards für FH-Studierende zu erreichen.
Die Hoffnung, dass in den Zehner-Jahren einiges besser wird, lebt – nicht zuletzt aus der traurigen Gewissheit, dass die Nuller-Jahre ein verlorenes Jahrzehnt für emanzipatorische Hochschulpolitik waren.

 

 

AutorInnen: Eva Maltschnig