Leere statt Lehre

  • 13.07.2012, 18:18

Die Proteste im vergangenen Jahr haben die Aufmerksamkeit zwar auch auf die Situation vieler präkarisierter Lehrender gelenkt. Geändert hat sich bislang jedoch nichts. Für 2011/12 droht nun die große Leere an den Unis.

Die Proteste im vergangenen Jahr haben die Aufmerksamkeit zwar auch auf die Situation vieler präkarisierter Lehrender gelenkt. Geändert hat sich bislang jedoch nichts. Für 2011/12 droht nun die große Leere an den Unis.

Seit dem Universitätsgesetz (UG) 2002 hat sich die Situation des so genannten Mittelbaus an den österreichischen Universitäten dramatisch verändert. Statt meist beamteter, jedenfalls aber unbefristeter Stellen, werden nun nur noch auf einige Jahre befristete Stellen vergeben, für die an manchen Universitäten auch so gut wie keine Chance auf eine Entfristung besteht. Heute ist der gesamte neue Mittelbau, die verschiedenen Preund Postdoc-Stellen, zu einer zeitlich befristeten Angestelltengruppe geworden, die durch die so genannte „Kettenvertragsregelung“, die die Aneinanderreihung kurzfristiger Arbeitsverträge zeitlich begrenzt, im Normalfall keine Chance auf langfristige Verlängerung ihrer befristeten Anstellungen hat. Die Verantwortung dafür liegt jedoch nur teilweise beim Gesetzgeber. Während einzelne Universitäten, wie die Universität Innsbruck, durchaus eine größere Zahl an Laufbahnstellen, so genannte Tenure-Track-Stellen, geschaffen haben, hinkt etwa Österreichs größte Universität, die Universität Wien, auch in absoluten Zahlen vielen kleineren Universitäten hinterher. 2008/09 wurden 39 MitarbeiterInnen entfristet, davon im Studienjahr 2009/10 13 Personen.
Bereits vor dem UG 2002 stellten allerdings die Verträge für LektorInnen die prekärste Beschäftigungsform des wissenschaftlichen Personals an den Universitäten dar. Ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht, bekommen sie bis heute nur schlecht dotierte Semesterverträge. In den letzten Jahren hat sich diese Situation für viele Betroffene jedoch insofern verschärft, als immer mehr LektorInnen auch außerhalb der Universitäten nur ähnlich prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorfinden wie innerhalb der Unis. So gibt es heute immer mehr LektorInnen, die entweder (fast) nur davon leben, mehrere Lehraufträge parallel – manchmal auch an mehreren Universitäten – zu halten, oder sich von einem Projekt zum nächsten durchzuwurschteln.

Unis lehren kein Lehren. LektorInnen, früher externe LektorInnen genannt, sind zwar nur für einzelne Lehraufträge an Universitäten angestellt und müssen jedes Semester erneut um ihre Lehrveranstaltungen ansuchen, allerdings hat dieser Status – so prekär er in vielen Fällen auch ist – durchaus auch Vorteile für alle Beteiligten. Wer nicht ausschließlich von den kümmerlich bezahlten Lehraufträgen leben muss, sondern aus der beruflichen Praxis oder der außeruniversitären Forschung kommt, kann so nebenbei an der Universität lehren und erweitert damit wesentlich das thematische Spektrum der Lehre. In vielen Studienrichtungen wird mehr als die Hälfte der Lehre von LektorInnen geleistet, die dadurch eine inhaltliche Breite an die Universität bringen, die nur mit Vollzeitstellen nicht zu erreichen wäre. Zugleich kann auch eine relativ große Gruppe an NachwuchswissenschafterInnen als LektorInnen erste Lehrerfahrung erhalten. Und auch wenn viele dieser jungen LektorInnen nach wenigen Jahren aufgrund fehlender Perspektiven wieder aufgeben, so lernen eben auch viele, die in Lehre und Forschung bleiben, das Handwerkszeug der Lehre – für die die Universitäten ja so gut wie keinerlei Ausbildung anbieten.
Kaum eine/r der LektorInnen hat an der Universität einen Arbeitsplatz, für immer höhere Studierendenzahlen gibt es gleichbleibend wenig Gehalt und niemand weiß wie lange ein Lehrauftrag erhalten bleibt. Angesichts solcher Bedingungen ist es allerdings primär die Universität, die von den LektorInnen profitiert. An vielen Instituten könnten ganze Themenbereiche nicht abgedeckt werden, würden nicht engagierte Lehrende, die ihr Wissen durch eigene Forschungen erworben haben, dieses in die Lehre einbringen.

AMS statt Anstellung. Für LektorInnen und andere Angehörige des neuen Mittelbaus wird dabei der Umgang mit der „Kettenvertragsregelung“ zum immer drängenderen Problem. Immer mehr Angehörige des wissenschaftlichen Personals erreichen derzeit und in den nächsten zwei Jahren jene Anstellungsdauer, die ihnen nach der Kettenvertragsregelung eine weitere befristete Beschäftigung an derselben Universität untersagt. Ab 2011/12 werden erstmals auch Tausende LektorInnen davon betroffen sein, weil die Frist mit dem Inkrafttreten des Universitätsgesetzes per 1. Jänner 2004 zu laufen begonnen hat und LektorInnen maximal acht Jahre lang mit befristeten Verträgen beschäftigt werden dürfen. Als Schutz für die ArbeitnehmerInnen gedacht, sollte die Kettenvertragsregelung eben vor solchen Kettenverträgen schützen und eigentlich dazu führen, dass solche ArbeitnehmerInnen in ein unbefristetes Anstellungsverhältnis übernommen werden. An den meisten Universitäten wird hingegen anders auf die Kettenvertragsregelung reagiert: Um niemanden unbefristet anstellen zu müssen, werden stattdessen nach Ablauf der Frist keine Lehraufträge beziehungsweise andere zeitlich befristete Anstellungen mehr vergeben. Für die Lehre bedeutet dies, dass spätestens 2011/12 in vielen Studienrichtungen die Lehre nicht mehr aufrecht zu erhalten sein wird – sofern sich nicht der Umgang mit der Kettenvertragsregelung ändert. Für die betroffenen LektorInnen führt dies zu massiven Härtefällen, insbesondere bei jenen, die bis zu acht Semesterwochenstunden lehren und fast ausschließlich von der Lehre leben. Gerade bei älteren LektorInnen sind die Chancen gering, eine andere Anstellung oder an einer anderen Universität genug Lehraufträge zu finden. Für LektorInnen mit Familie und/oder Betreuungspflichten ist es zudem oft nicht zumutbar, einfach ein Jahr an eine Uni irgendwohin zu verschwinden. Besonders betroffen davon sind aufgrund der in unserer Gesellschaft immer noch ungleich aufgeteilten Betreuungsarbeit in besonderem Ausmaß Wissenschafterinnen. Damit wartet für mach hochqualifizierte Wissenschafterin am Ende der Kettenvertragsregelung nicht die feste Anstellung, sondern das AMS und die bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Der Autor ist Lektor am Institut für Politikwissenschaft, Ersatzmitglied des Betriebsrats und des Senats der Universität Wien und 2010/11 Research Fellow an der University of Minnesota (US).

AutorInnen: Thomas Schmidinger