Gutes Tun und drüber reden

  • 13.07.2012, 18:18

Mikrokredite boomen nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Österreich und Europa. Doch was ist der Inhalt dieses Konzepts und warum ist es so erfolgreich?

Mikrokredite boomen nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Österreich und Europa. Doch was ist der Inhalt dieses Konzepts und warum ist es so erfolgreich?

Klein- und Kleinstkredite für Menschen, die bei jeder anderen Bank als kreditunwürdig gelten würden. Das ist das Erfolgsrezept von Muhammad Yunus. Der Wirtschaftsprofessor aus Bangladesch gründete 1983 die sozial orientierte Grameen Bank und ermöglichte so vielen armen Menschen, sich eine wirtschaftliche Existenz aufbauen zu können. Dafür wurde er 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Inzwischen gibt es viele Organisationen, die Yunus‘ Idee aufgreifen. Auch hier in Österreich: Mit 1. Mai 2010 startete das Sozialministerium das Pilot-Programm „Der Mikrokredit“ für Arbeitslose und wirtschaftlich selbstständige Klein-Unternehmen in Österreich. Für alle, die ein Unternehmen gründen, fortführen, ausdehnen oder übernehmen wollen, steht das nötige Startkapital oder Vermögen für die laufende Finanzierung zur Verfügung. Das Programm soll helfen, tragfähige Geschäftsideen in die Tat umzusetzen, und finanziert Einzelpersonen mit bis zu 12.500 Euro, Personengesellschaften mit bis zu 25.000 Euro. Zielgruppe sind vor allem Arbeitslose, am Arbeitsmarkt Benachteiligte oder Menschen mit erschwertem Zugang zum klassischen Kreditmarkt. Zurzeit läuft das Programm allerdings nur in der Steiermark und in Wien.

Hebelwirkung. Aber nicht nur der Staat, sondern auch private Unternehmen und NGOs mischen bei den Mikrokrediten in Europa mit. Eines davon istdie EntwicklungsgenossInnenschaft Oikocredit. Die Kredite variieren zwischen 50 und 1500 Dollar und werden in Asien, Afrika und immer öfter auch in Osteuropa vergeben. Finanziert wird die Non-Profit-Organisation von 36.000 AnlegerInnen, davon mehr als 2000 in Österreich. Ab 200 Euro kann man GenossInnenschaftsanteile erwerben. Die Rendite von zwei Prozent ist zwar gering, die Hebelwirkung des angelegten Geldes aber enorm.
Eine andere Möglichkeit der Mikrofinanzierung ist der Dual Return Fund. Der Fonds, der in Österreich von VermögensberaterInnen vertrieben wird, bietet AnlegerInnen die Möglichkeit, ihr Geld in Mikrokredite zu veranlagen und eine „doppelte Rendite“ – als Dividende und als gute Tat – zu lukrieren. Er verwaltet rund 100 Millionen Euro und gibt Gelder an Mikrokreditinstitute in armen Ländern weiter, die diese in lokale Kleinprojekte investieren.
Ein Problem dabei ist, dass Armut nicht in jedem Land gleich definiert ist. Um die Höhe der Kredite in verschiedenen Ländern besser bestimmen zu können, entwickelte Oikocredit gemeinsam mit der Grameen Bank den Progress out of Poverty Index (PPI). Zehn aussagekräftige Länderindikatoren wurden entwickelt, um ein Armutsprofil zu erstellen. Dabei werden beispielweise die klimatischen Begebenheiten, aber auch die Grundsituation der KreditnehmerInnen berücksichtigt. Der PPI dokumentiert zudem auch die sozial nachhaltige Entwicklung durch den Mikrokredit über einen längeren Zeitraum hinweg.
Auch österreichische Banken spielen ihre Rolle bei der Mikrokreditfinanzierung. Die Erste Bank versucht mit ihrem Projekt Die Zweite Sparkasse Menschen dabei zu helfen, aus den Schulden zu kommen und sich ein neues Leben aufzubauen. 400 ehrenamtliche MitarbeiterInnen arbeiten eng mit der Caritas und der Schuldnerberatung zusammen, um die KundInnen umfassend beraten zu können. Mit der Social Business Tour 2010 zieht die Erste durch osteuropäische Hauptstädte, um das Konzept zu propagieren. Da stellt sich natürlich die Frage, ob die Marke Social Business für Marketing-Zwecke missbraucht wird.
Erste Bank-Chef Andreas Treichl sagte dazu nur, selbst wenn das Engagement der Banken auch mit Marketing zu tun haben sollte, profitieren Menschen, die sonst nie an einen Kredit kämen. Und: „Wenn ein Kleinstunternehmer mit einem Mikrokredit den Aufstieg zum wirklich Kreditwürdigen schaffte, werde ihm die Erste Bank nicht böse sein, wenn sie in guter Erinnerung geblieben ist.“
Auch die Volksbanken-Gruppe steht vor dem Einstieg in die Mikrokredtivergabe in Osteuropa, wobei sie sich mit vor Ort tätigen MikrofinanzpartnerInnen zusammenschließen. Die Kreditsummen richten sich nach der Nation: In Bosnien rechnet die VBI mit bis zu 1000 Euro, in Rumänien von 2000 bis 9000 Euro.

Auch Risiken. Mikrokredite sind keine eierlegende Wollmilchsau, sie bergen auch Risiken: Es gibt erste Anzeichen einer Mikrokreditblase. Kommerzielle Unternehmen versprechen ihren AnlegerInnen hohe Renditen und KundInnen zahlen alte Kredite mit neuen zurück. Ein Ausweg wäre ein UN-Gütesiegel, wie es Oikocredit-Chef Peter Püspök fordert.
Das Risiko hält aber die Europäische Union nicht ab, mit von der Partie bei den Mikrokrediten zu sein: Insgesamt vergibt sie 45.000 davon. Der EU-Kommissar für Soziales, Laszlo Andor, will mit Klein- und Kleinstkrediten im Umfang von insgesamt 500 Millionen Euro den UnternehmerInnengeist fördern. Nach Erkenntnissen der EU-Kommission wird schon jetzt jedes dritte Unternehmen in Europa von einem oder einer Arbeitslosen gegründet.

AutorInnen: Mascha Azmann