Globaler Frauenhandel

  • 17.12.2012, 11:11

Um einen gut bezahlten Job in Europa zu bekommen, würden viele Frauen und Mädchen in Uganda alles aufgeben. Eine Reportage über Frauenhandel und Sexarbeit.

Um einen gut bezahlten Job in Europa zu bekommen, würden viele Frauen und Mädchen in Uganda alles aufgeben. Eine Reportage über Menschenhandel und Sexarbeit aus Kampala.

Sarah hat Angst. Die junge Uganderin Mitte zwanzig rutscht unruhig auf dem Sessel herum. Sie sitzt auf der Veranda eines Hauses in Ugandas Hauptstadt Kampala. Sie sieht abgemagert aus, hat Schatten unter den Augen. „Ich weiß, dass sie nach mir suchen“, flüstert sie. Deswegen traut sie sich nicht nach Hause. Sie übernachtet bei Freundinnen. Tagsüber sitzt sie auf dieser sicheren Veranda der Honorarkonsulin Ugandas zu Malaysia, Hajah Noraihan - eine energische Malaysierin und Sarahs Retterin vor einem Leben in Prostitution und Sklaverei in Asien.

Sarah ist nicht ihr richtiger Name. Ihre Geschichte lässt sich nicht bis ins Detail erzählen – aus Schutz, damit ihre MenschenhändlerInnen sie nicht aufspüren. Jedes Detail könnte sie verraten.

Sarah ist erst seit wenigen Wochen zurück in ihrer Heimat – nach einem Horrortrip nach Malaysia. Dabei hatte sie von einem gutbezahlten Job in Europa geträumt. „Man hatte mir eine Stelle als Serviererin in einem Restaurant versprochen“, erzählt sie. „Doch das war eine Lüge!“

Sarahs Geschichte ähnelt der von weiteren 13 Mädchen, die Honorarkonsulin Noraihan in den vergangenen drei Monaten aus Malaysia zurück nach Uganda gebracht hat. „Ich war jahrelang arbeitslos“ - so beginnen fast alle 14 Aussagen. Einige der Mädchen hatten in Kampalas Einkaufszentren ausgehängte Flyer entdeckt, auf welchen mit Jobs in Asien geworben wird. Andere haben wie Sarah den Versprechungen von Bekannten vertraut: „Es war eine ugandische Frau, die mich angeworben hat, warum hätte ich etwas Schlimmes vermuten sollen?“,  berichtet Sarah. Heute weiß sie, dass dies eine Taktik des Schmuggelrings ist. Eine Taktik, harmlos zu wirken, Vertrauen unter Frauen aufzubauen: „Die Frau sagte, ihre Schwester habe ein Restaurant in Europa, in welchem ich arbeiten soll“, erzählt sie. Über 300 Dollar könne sie dort monatlich verdienen. Das überzeugte Sarah. 

Sarah war noch nie im Ausland gewesen. Sie besaß nicht einmal einen Reisepass, für dessen Ausstellung sie sich Geld von Verwandten leihen musste. Die ominöse Uganderin fuhr Sarah zum Flughafen, drückte ihr dort ein Ticket in die Hand. Dann ließ sie das reisefiebrige Mädchen einen Vertrag unterzeichnen: Sie würde alle Reisekosten im Wert von 7000 Dollar abarbeiten. Sarah unterschrieb.

„Als das Flugzeug in Malaysia landete, war ich verwirrt“, gibt Sarah zu. „Ich sollte doch nach Europa“. In ihrer Verzweiflung rief sie die Nummer an, die sie erhalten hatte. Es meldete sich eine ugandische Frauenstimme, die sie mit einem Taxi abholen ließ – die Schwester derjenigen Frau, die sie rekrutiert hatte. Sie steckten Sarah mit zehn weiteren ugandischen Mädchen in ein Apartment in Kuala Lumpur. Sie händigte ihr Miniröcke und bauchfreie Tops aus: „Dein Job im Restaurant ist nicht Essen zu servieren, sondern dich selbst“. Sie nahm Sarah ihren Pass ab. Sarah saß in der Falle - wie so viele andere Mädchen auch. „Die Wohnsiedlung waren voller Mädchen aus Uganda“, berichtet Sarah. Jeden Abend mussten sie ihre Schichten antreten: In Hotels oder Kneipen – oder ihnen wurden die Männer direkt ins Apartment geschickt: „Die Freier waren ausschließlich Nigerianer, die in Malaysia Geschäfte machen“.

Honorarkonsulin Noraihan wurde unfreiwillig in die Geschichte verwickelt. „Eines Tages standen diese  Mädchen vor meiner Tür“, erzählt sie. Höchstpersönlich hat die Konsulin die Mädchen nach Kampala gebracht.

Noraihan zeigt Fotos auf ihrem Computer: Halbnackt liegt ein Mädchen auf dem Bett. Ihr Bauch ist aufgeschnitten. „Wenn sich die Mädchen weigern, werden sie umgebracht“, seufzt Noraihan: Es gebe es nur einen Weg, diese Verbrechen zu stoppen: Aufklärungsarbeit an der Quelle, also in Uganda selbst zu betreiben, sagt sie und greift zum Telefon: Polizeikommandeur Asan Kasingye ist dran, Direktor von Interpol in Uganda, der eine Menschenschmuggel-Einheit einrichten will. Auch er will Sarahs Aussage aufnehmen.

Kasingye sitzt in feiner Uniform hinter seinem ordentlich aufgeräumten Schreibtisch. Der Offizier ist erst seit drei Monaten im Amt – aber er hat den Menschenhandel zur Chefsache erklärt. „Wir müssen verhindern, dass unsere Mädchen dieser modernen Art von Sklaverei zum Opfer fallen“, erklärt er. Eben erst hat er Einheiten entsendet, Verhaftungen durchzuführen. „Wir haben Spuren, wo und von wem die Mädchen rekrutiert werden“, nickt er. Sein Fazit: „Es ist ein globaler Schmuggelring, dem in Kampala einige UganderInnen zuarbeiten“, sagt er „Der Anstieg ist alarmierend“, nickt er: „Wir sprechen von tausenden Mädchen, die monatlich den MenschenhändlerInnen ins Netz gehen“.

AutorInnen: Simone Schlindwein