Geschichtenerzählen bleibt Paradedisziplin

  • 13.07.2012, 18:18

„Zwischen den Runden“ heißt das vierte Album von Kettcar. Den fünf Hamburgern ist es gelungen, in bewährter textlicher Qualität neue Ufer zu erschließen.

„Zwischen den Runden“ heißt das vierte Album von Kettcar. Den fünf Hamburgern ist es gelungen, in bewährter textlicher Qualität neue Ufer zu erschließen.

Nach einigermaßen viel Power auf der letzten Platte, wollten wir einfach Geschichten erzählen“, erzählt Erik Langer, Gitarrist der Band, dem PROGRESS. Geschichtenerzählen war und bleibt die Paradedisziplin Kettcars und erneut kreisen die Texte um Themen wie Liebe, Freundschaft, Selbstzweifel und das Älterwerden. Auf diesem Album stammen die Geschichten aus den Federn von zwei Schreibern: Neben Texter und Frontmann Marcus Wiebusch nahm sich Reimer Bustorff ebenfalls der Textproduktion an.

Gefühle ganz groß. Gerade die Verarbeitung von alltäglichen Themen bricht im Zuge eines Kettcar-Konzerts als ein Schwall der einfachen Freuden und Leiden auf ein Publikum herein, das ebenso schwer mit dem Älterwerden zu Rande kommt wie die Band selbst. Danach fühlt man sich zumindest etwas mit der grausamen Welt versöhnt. Angesprochen auf ihre Verantwortung gegenüber den HörerInnen gesteht Erik, dass die Band natürlich daran interessiert sei, auf die Bedürfnisse ihrer Fans einzugehen. Eine moralische Verpflichtung kann er jedoch nicht festmachen: „Natürlich können wir nicht zu jedem nach Hause gehen und ihn streicheln.“ Dass man sich im Zuge eines Konzerts gerne in den Armen liegen würde, ist nun mal so.

Politische Ambivalenzen. „Zwischen den Runden“ ist auf Grand Hotel van Cleef, Kettcars eigenem Label, erschienen. Unabhängigkeit oder als schick stilisiertes, künstlerisches Prekariat – das eigene Label ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite stehe der bewusste Versuch, gegen den Druck des Marktes zu steuern und Alternativen zum Mainstream zu fördern, so Erik. Auf der anderen Seite gehe es eben nicht ohne Kompromisse, trotz des Versuchs, die hohen Ideale bis zu einem gewissen Grad zu verteidigen. Eine ähnliche Ambivalenz zeigt sich auch im Selbstverständnis von Kettcar, die für viele ihrer Fans als politische Band gelten: „Auch wenn wir das nicht so gerne vor uns hertragen, wird das Politische intensiv innerhalb der Band verhandelt.“ Bei Texten, die sehr stark am Alltag orientiert sind, bleibt der Wunsch, vielleicht einen Anstoß liefern zu können: „Der Reichtum unserer hübschen Welt basiert einfach darauf, dass andere Menschen leiden und sterben müssen. Dass man vielleicht manchmal so ein bisschen aufwacht aus seinem Alltagstrott und sich umguckt, das wär schon sehr schön. Das schaffen wir auch nicht immer, aber ab und zu.“

Anspieltipp: „Im Club“.

 

AutorInnen: Alexander Obermüller